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Welches Europa brauchen wir? 

Ein politisches Wunder und wie wir es vor seinen Feinden schützen

Das Buch vom gefragten Experten für eine realistische Europapolitik

von Gerald Knaus, Francesca Knaus

ISBN: 9783492072175
Erscheinungsdatum: 02.10.2025
Verlag: Piper
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Format: Hardcover
Umfang: 448 Seiten
Preis: € 26,80
Kurzbeschreibung des Verlags

Europa in Gefahr: So retten wir Friede und Freiheit 

Europafeindliche Politiker:innen greifen nach der Macht. Russland führt den größten Krieg seit 1945. Angst vor unkontrollierter Migration spaltet unsere Demokratien. Die europäische Ordnung, Friede und Wohlstand sind so bedroht wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr. Junge Europäer:innen wenden sich von der EU ab. Was fehlt, ist eine überzeugende Vision für einen verunsicherten Kontinent. Gerald und Francesca Knaus zeigen, wo wir Inspiration in der Geschichte finden und wie daraus Politik werden kann, die Mehrheiten überzeugt – für ein Europa ohne Kriege, politische Gefangene und Folter.

Ein Plädoyer für eine realistische Europa-Politik

FALTER-Rezension

Der europäische Chronist

Eva Konzett in FALTER 43/2025 vom 22.10.2025 (S. 18)

Gerald Knaus will sich nicht irgendwo treffen, son­dern genau hier: bei Staub und Straßen­lärm. In Wien, auf dem Mor­zin­platz, da, wo der erste Be­zirk an den Donau­kanal stößt. An ei­ner der einst sehr ge­fürch­te­ten Adres­sen der Stadt.

Die Ge­sta­po hat­te hier im Hotel Métro­pole ihr Haupt­quar­tier. Im provi­so­risch ein­ge­rich­teten Ge­fäng­nis im Kel­ler wa­ren der Va­ter und Groß­va­ter von Peter Pulzer in­haf­tiert. Und in Pulzer, dem His­to­ri­ker und Poli­tik­wis­sen­schaf­tler in Ox­ford, sieht Knaus den Schlüs­sel zu dring­li­chen Fra­gen: Wie den Auf­stieg der Rechten stop­pen? Ja, wie die Demo­kra­tie ret­ten? Knaus hat einst bei Pulzer stu­diert.

Pulzer war ein Mann, der in ei­nem demo­kra­ti­schen Öster­reich auf die Welt kam -mit ge­wähl­tem Prä­si­den­ten, un­ab­hän­gi­ger Jus­tiz und Par­la­ment. Und der noch als Kind flie­hen musste, weil seine Hei­mat zur Dik­ta­tur ver­rohte. Als er 1929 in Wien ge­bo­ren wurde, hät­te nie­mand da­rauf ge­wet­tet, dass nur neun Jahre spä­ter die Natio­nal­so­zia­listen die Macht über­nehmen wür­den. In der Reichs­pogrom­nacht 1938 plün­der­ten sie dann die Woh­nung der Fami­lie, ris­sen der Schwes­ter die Ket­ten vom Hals und sperr­ten die er­wach­se­nen Män­ner weg.

"Pulzer hat er­kannt, dass es mög­lich war, nach jahr­zehn­te­lan­gem Fort­schritt in Öster­reich inner­halb kür­zes­ter Zeit die Demo­kra­tie zu zer­stö­ren. Und wie die Nazis da­rauf zu­rück­grei­fen konn­ten, dass Intel­lek­tuel­le ihnen jahr­zehn­te­lang den Weg be­rei­tet hat­ten", sagt Knaus.

Denn wäh­rend Öster­reich offi­ziell pro­gres­sive Poli­tik machte, Frauen­rechte um­setzte und die stark an­wach­sende jüdi­sche Mind­er­heit in die Mehr­heits­ge­sell­schaft assi­mi­lierte (da­runter auch Pulzers Fami­lie), bro­del­te unter­ir­disch -und von den re­gie­ren­den Eli­ten igno­riert - das Res­sen­ti­ment. Die Hetz­schrift "Der Sieg des Juden­thums über das Ger­ma­nen­thum" bei­spiels­weise ist zwölf­mal in sechs Jah­ren er­schie­nen -und zwar schon vor dem Ers­ten Welt­krieg.

Sub­ku­tan wur­den der Mehr­heit bei je­der Er­wäh­nung der Juden die Attri­bute "skru­pel­los, lüs­tern und revo­lu­tio­när"(im Sin­ne von staats­feind­lich) ein­ge­impft. Anti­demo­kra­ten hät­ten "eine Min­der­heit aus­ge­nutzt, um den Libera­lis­mus an­zu­grei­fen", sagt Knaus. Die Nazis hät­ten dies dann nicht mit neuen Ideen, son­dern nur mit "Bru­tali­tät und Macht" er­gänzt. Oder in den Wor­ten Pulzers: "30 Jahre un­auf­hör­li­cher Pro­pa­ganda waren wirk­samer ge­wesen, als die Men­schen zu jener Zeit glaub­ten."

Das er­innert schon sehr an die Ge­gen­wart. In Deutsch­land, Frank­reich und Groß­bri­tan­nien sind Rechts-außen-Par­teien in­zwi­schen in Tei­len oder in Um­fra­gen die stärk­ste poli­ti­sche Kraft. In Ita­lien re­gieren sie be­reits. In Öster­reich ist die FPÖ eine ex­tre­mis­ti­sche Sys­tem­par­tei. Sie al­le schü­ren den Aus­län­der­hass, vor al­lem ge­gen Mus­lime. Sie al­le weh­ren sich ge­gen eine of­fene Ge­sell­schafts­poli­tik.

Knaus ist 55 Jahre alt, in Wien auf­ge­wachsen. Als Ex­perte für Flücht­lings­fra­gen er­klärt er ge­dul­dig Asyl­ver­ord­nungen und EU-Ge­setze in deut­schen und öster­rei­chi­schen Talk­shows. Von da her kennt man ihn. Doch Knaus ist kein Single-Issue-Wis­sen­schaft­ler. Er hat in Har­vard ge­forscht und in der Ukra­ine unter­rich­tet, in Sara­jevo und Pris­tina ge­lebt. Er be­rät euro­pä­ische Re­gie­rungen. Mit sei­ner Tochvter Fran­cesca, einer Poli­tik­wis­sen­schaft­lerin, hat er jetzt ein klu­ges Sach­buch für die All­ge­mein­heit ge­schrie­ben.

Denn die Grund­pfei­ler der libe­ra­len Ord­nung sind in Ge­fahr. Weil die Men­schen sie als Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten miss­ver­ste­hen. Und weil Poli­ti­ker dem rech­ten Auf­marsch achsel­zuckend be­geg­nen. "In Ge­sprä­chen mit Christ­demo­kra­ten in Deutsch­land merkt man fast schon eine ver­zwei­felte Resig­nation, dass die AfD mög­li­cher­weise an die Macht kom­men könnte -so wie Trump zu­rück­ge­kehrt ist", sagt Knaus. Die Fol­ge: Ohn­macht statt Auf­bruch.

Da­bei müssten sie nur bei Pulzer nach­lesen. "Er hat schon in den 1960er-Jah­ren den Kampf der Ideen ver­stan­den", meint Knaus. Die Macht der Er­zäh­lung, die real­poli­ti­sche Leis­tun­gen über­trump­fen kann. Ist das nicht al­les ein biss­chen ba­nal? "Ganz im Ge­gen­teil!" Wa­rum wohl, fragt Knaus, las­sen Putin und Trump die Ge­schichts­bü­cher um­schrei­ben und Museen neu kura­tieren? Und wa­rum be­zieht sich Erdoğan stän­dig auf den Sultan Süley­man den Präch­tigen?

Knaus geht es nicht um eine Heiligen­ver­eh­rung, son­dern um Hand­lungs­macht. Den rechts­ex­tremen Mytho­lo­gien vom Be­völ­ke­rungs­aus­tausch oder dem "EU-Kraken der Büro­kra­tie" etwa müsste man nur die rea­len Storys der "Aben­teurer und Visio­näre" ent­ge­gen­hal­ten, die sich die euro­pä­ische Eini­gung aus­ge­dacht haben. "Das wa­ren mut­ige Män­ner, die eine Wahl hat­ten. Und sich rich­tig ent­schie­den ha­ben."

Statt­des­sen stam­meln Poli­ti­ker, auf den Sinn und Zweck der EU an­ge­spro­chen, von "öko­no­mi­schen Inter­es­sen" und mil­liar­den­schwe­ren Sub­ven­tio­nen. Nicht ein­mal auf den Euro-Geld­scheinen mit stili­sier­ten Brücken und Bögen traut man sich, Mut oder auch nur Emo­tion zu zei­gen. Die EU baut auf un­be­ding­tem Kon­sens auf. Ecken schleift man gerne bis zur Un­kennt­lich­keit ab. In der Kom­mu­ni­ka­tion aber be­deu­tet das: Al­les wabert nur noch da­hin.

Am liebs­ten würde Knaus eine Net­flix-Serie über die Grün­der­väter der EU ma­chen. Mit Jean Monnet etwa, der nie ein of­fi­ziel­les Amt inne­hatte, 1940 aus sei­nem be­setz­ten Heimat­land Frank­reich floh, Eng­land mit Frank­reich ge­gen die Nazis ver­einigen wollte. Den Churchill nach Washing­ton schickte, um Roose­velt von der Auf­rüs­tung zu über­zeu­gen -was den Krieg wohl um ein Jahr ver­kürzt hat. Der italie­nische Kom­mu­nist Altiero Spi­nelli müsste eben­falls eine tra­gende Rol­le in der Serie be­kom­men. Und na­tür­lich Robert Schuman, der Mann hin­ter der Mon­tan­union, der in den 1950er-Jahren noch die Kolo­nial­poli­tik Frank­reichs in Indo­china und Al­ge­rien mit­trug. Ambi­va­lenz, nicht An­bie­de­rung.

"Euro­pa ret­ten heißt, seine Ge­schich­ten zu er­zählen", sagt Knaus. Und nicht sich auf die Ge­schichte zu ver­las­sen. Dass der Konti­nent Euro­pa in meh­re­ren Schrit­ten nach 1945 demo­kra­tisch wurde, war nicht aus­ge­macht. Und es ist nicht un­ver­rück­bar.

Wo in Wien am Morzin­platz das Ho­tel Métro­pole thronte, steht jetzt ein schlich­ter Wohn­bau. An die Opfer des Natio­nal­sozia­lis­mus er­innert ein Denk­mal, ge­hauen aus Maut­hau­sener Granit. Fri­sche Blu­men lie­gen da­vor. Peter Pulzers Fami­lie konnte 1939 nach Groß­bri­tan­nien ent­kom­men.

1989 saß Knaus in seiner ersten Vorlesung bei Pulzer. Auf die Frage, was er - Pulzer -tue, um ob der Weltenlage nicht zu verzweifeln, antwortete der: "Ich sage leise vor mich hin: Griechen­land, Spa­nien, Portu­gal." Als Bei­spiele für Län­der, die autori­täre Re­gime ab­ge­streift und sich zu ge­fes­tig­ten Demo­kra­tien ge­wan­delt ha­ben. Als Beweis, dass eine Rück­ab­wick­lung der Dik­ta­tur ge­lin­gen kann.

Knaus hat ebenf­alls ein Mantra. Es heißt "Ru­mä­nien, Po­len, Bul­ga­rien" - drei rela­tiv junge EU-Mit­glie­der, die be­wie­sen ha­ben, dass es sich lohnt, un­ter großem Ein­satz die Frei­heit zu wäh­len. Auch das ist eine Ge­schichte, die er­zählt wer­den will.

Posted by Wilfried Allé Saturday, October 25, 2025 9:33:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Geht's noch? 

Betrachtungen eines Überforderten

von Simon Schwarz, Ursel Nendzig

ISBN: 9783800079162
Erscheinungsdatum: 10.10.2025
Verlag: Carl Ueberreuter Verlag
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Format: Hardcover
Umfang: 200 Seiten
Preis: € 25.00
Kurzbeschreibung des Verlags

Das Publikum kennt Simon Schwarz als Schauspieler und Kabarettist.

Jetzt zeigt er sich von einer neuen Seite: als engagierter Aktivist für Umweltschutz.

Mit Offenheit und Humor blickt Simon Schwarz auf seine Kindheit und Jugend zurück. Einen besonderen Platz nimmt seine Mutter ein, deren unermüdliches Engagement für Umwelt und Gerechtigkeit ihn nachhaltig beeinflusst hat. Er erzählt von seiner heimlichen ›Droge‹ Kantwurst, von ›Frischluft-Demos‹ und von seinem Leben mit ADHS.

Heute engagiert er sich konsequent für eine lebenswerte Zukunft.
Dabei verschweigt er nicht, dass er selbst oft an seine Grenzen stößt und im Alltag nicht immer so handelt, wie er es gerne möchte.

Gerade diese Ehrlichkeit macht seine Haltung so glaubwürdig: Schwarz zeigt nicht nur auf, sondern setzt auf gemeinsames Handeln, das Veränderung möglich macht.

Ein Buch, das Mut macht, selbst aktiv zu werden.

Mit vielen PRIVATEN FOTOS aus dem Familienarchiv!

https://www.meinbezirk.at/wien/c-lokales/der-erde-ist-unser-lebenswandel-scheissegal_a7700968

Posted by Wilfried Allé Thursday, October 16, 2025 8:16:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Der Krieg um unseren Müll 

Abgründe eines globalen Milliardengeschäfts

von Alexander Clapp

ISBN: 9783103971934
Erscheinungsdatum: 24.09.2025
Verlag: S. FISCHER
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Übersetzung: Jürgen Neubauer
Format: Hardcover
Umfang: 400 Seiten
Preis: € 26.80
Kurzbeschreibung des Verlags

Mülldeponien auf der ganzen Welt sind über­füllt. Über die täg­lich an­fal­len­den Mil­lio­nen Ton­nen von Müll ent­ste­hen fast über­all regel­rechte Krie­ge. Der Müll wird il­le­gal ent­sorgt oder als heiße Ware ver­schifft, ver­kauft oder ge­schmug­gelt. Der Jour­na­list Ale­xan­der Clapp be­reiste auf den Spu­ren unse­es Mülls fünf Kon­ti­nente und ent­hüllt eine katas­tro­phale Re­a­li­tät: Un­ser Müll hat in den letz­ten 40 Jahr­en eine welt­um­span­nende, mil­li­arden­schwere Wirt­schaft her­vor­ge­bracht – mit ver­heeren­den Fol­gen für die ärms­ten Län­der der Welt.

FALTER-Rezension

Müllimperialismus: Wie Abfall die Welt regiert

Peter Iwaniewicz in FALTER 42/2025 vom 15.10.2025 (S. 39)

In Abwandlung eines Werbe­spruchs der Firma Mül­ler­milch müs­sen wir uns heut­zu­tage fra­gen: „Alles Müll, oder was?“ Denn das Ge­samt­ge­wicht der von Men­schen ge­mach­ten Ob­jek­te reicht in­zwi­schen an das der Bio­mas­se des Pla­ne­ten heran. Künst­li­che Din­ge, von Wol­ken­krat­zern über Au­tos, Com­pu­ter bis zu Plas­tik­trink­hal­men, wer­den bald mehr wie­gen als alle Bäume, Pflan­zen, Tiere und Men­schen zu­sam­men. Oder noch deut­li­cher for­mu­liert: Die Fähig­keit der Menschh­eit zur Pro­duk­tion von Müll be­zie­hungs­weise von Din­gen, die frü­her oder spä­ter zu Müll wer­den, über­steigt zu­neh­mend die Kapa­zi­tät des Pla­ne­ten zur Pro­duk­tion von Leben.

In „Der Krieg um unseren Müll“ (engl.: „Waste Wars“) legt der Jour­na­list Ale­xan­der Clapp ein fes­seln­des Stück in­ves­ti­ga­ti­ven Jour­na­lis­mus vor. Wäh­rend Roman Kös­ter in sei­nem 2023 er­schie­ne­nen Buch „Müll“ die Kul­tur­ge­schichte un­se­rer Ab­fäl­le be­schreibt, geht es bei Clapp um die Fra­ge, wa­rum unser Müll von einem Kon­ti­nent zum an­de­ren trans­por­tiert wird und wie der schein­bar so ba­nale Akt des Weg­wer­fens einen welt­um­span­nen­den Han­del her­vor­brachte, der wie ein Zerr­spie­gel der glo­ba­li­sier­ten Wirt­schaft, von Aus­beu­tung, Pro­duk­tion und Kon­sum, wirkt.

Clapp ist als Reporter den Spuren des Mülls um die ganze Welt gef­olgt und hat mit Men­schen ge­spro­chen, die vom Han­del mit Müll pro­fi­tie­ren, ihn ver­ar­bei­ten und il­le­gal ent­sor­gen, so­wie mit je­nen, in deren Um­welt die Ab­fälle de­po­niert werden.

Die aktuelle Müllbilanz der Welt ist astro­no­misch. Wo­che für Wo­che pro­du­ziert die Mensch­heit ihr Eigen­ge­wicht an neu­en Wa­ren, von de­nen sechs Mo­na­te nach dem Kauf nur noch ge­schätzt ein Proz­ent in Ge­brauch sind. Tag für Tag wer­den 1,5 Mil­liar­den Plas­tik­becher, 120 Mil­lio­nen Kilo­gramm Tex­ti­lien, 220 Mil­lio­nen Alu­do­sen und drei Mil­lio­nen Auto­rei­fen weg­ge­wor­fen. So wur­den zum Bei­spiel in der Mi­nute, die Sie brauch­ten, um die­se Zei­len zu le­sen, eine wei­te­re Mil­lion Plas­tik­fla­schen weg­ge­wor­fen und eine wei­tere Last­wa­gen­la­dung Müll ins Meer ge­kippt.

Aber dieses Buch bietet weitaus mehr als diese depri­mie­ren­den Zah­len und Fak­ten. Clapp er­zählt Ge­schich­ten, bie­tet leben­dige Ge­sprä­che mit Au­gen­zeu­gen, er­zeugt greif­bare Bil­der von je­nen Ge­gen­den, in de­nen Müll so­wohl Lebens­grund­lage als auch Ge­fahr für die Um­welt ist.

„Abgründe eines globalen Mil­li­ar­den­ge­schäfts“ ist der Un­ter­ti­tel des Buchs, das die er­schrecken­den Di­men­sio­nen die­ses glo­ba­len Wirt­schafts­zweigs aufzeigt.

„Wenn Sie wissen wollen, wie der Müllhandel funk­tio­niert, den­ken Sie an den Dro­gen­han­del. Mit dem Unter­schied, dass der Müll von den rei­chen in die armen Län­der kommt“, zi­tiert Clapp Teodor Niţă, einen ru­mä­ni­schen Staats­an­walt, der die il­le­gale Ent­sor­gung aus West­eu­ro­pa verfolgt.

Als der US-amerikanische Publizist Vance Packard in sei­nem 1964 er­schie­ne­nen Buch „Die große Ver­schwen­dung“ erst­mals die Fol­gen des Über­kon­sums der Nach­kriegs­ge­sell­schaft auf­deckte, blieb Müll noch in dem Land, in dem er pro­du­ziert wurde. Doch seit den 1980er-Jah­ren wurde ein Teil un­se­rer Ab­fäl­le nicht mehr in De­po­nien vor Ort ent­sorgt, son­dern über­quert Gren­zen und Meere. Aus Ab­fäl­len, die man in die nächste Ton­ne warf und ver­gaß, wurde ein Ex­port­gut. Be­son­ders ge­winn­träch­tig war da­bei weni­ger der Müll selbst, son­dern vor al­lem des­sen Transport.

Besonders augenöffnend sind die Pas­sagen, in denen Clapp die Illu­sion von Re­cyc­ling ent­larvt. Wer glaubt, dass die brav ge­sammel­ten und in die Re­cyc­ling­tonne ge­wor­fe­nen Plas­tik­ab­fäl­le die Um­welt scho­nen, muss sich einer an­deren Wirk­lich­keit stel­len. Her­stel­ler könn­ten je­des Ma­te­rial als „wie­der­ver­wert­bar“ de­kla­rie­ren, selbst wenn es nie­mand re­cycelt. Die Rea­li­tät: Ein Groß­teil der an­geb­lich re­cycel­ten Ma­te­ria­lien wird nur in den glo­ba­len Sü­den ex­por­tiert, ver­seucht Bö­den in Mexi­ko, endet als bren­nen­de Elektro­schrott-Hal­den in Ghana und er­zeugt töd­li­che Dämp­fe über in­di­schen Dörfern.

„Beim illegalen Handel mit Holz oder Elfen­bein ver­lie­ren Län­der wert­volle Roh­stoffe“, er­klärt ein Lei­ter der Son­der­er­mitt­lung von Inter­pol die Motiv­lage der In­dus­trie­länder. „Aber wenn Müll außer Lan­des ge­schafft wird, ent­le­di­gen sie sich einer Bürde. Sie ha­ben allen An­reiz, ihn ein­fach zie­hen zu las­sen. Es ist ein Ge­schäft von un­fass­ba­ren Di­men­sionen.“

Clapps Analysen durchbrechen den Mythos der in­di­vi­du­el­len Ver­ant­wor­tung. Nicht das rich­tige Tren­nen ret­tet den Pla­ne­ten, son­dern die Re­duk­tion der Wa­ren­pro­duk­tion. Müll ist kein in­di­vi­duel­les, son­dern ein sys­te­mi­sches Prob­lem und damit eine poli­ti­sche Frage.

Das Buch ist ein Weckruf, der die Bequem­lich­keit unse­rer grü­nen Punkte, gel­ben Sam­mel­säcke und Mar­ke­ting­ver­spre­chen von an­gebl­ich um­welt­scho­nen­den Ma­teria­lien zerstört.

Clapp bemüht sich stilistisch um Sachlich­keit, doch er schreckt auch vor pro­vo­ka­ti­ven For­mu­lie­rungen nicht zu­rück. Man spürt seine per­sön­li­che Be­trof­fenh­eit und kann gut nach­voll­zie­hen, wie er in den zwei Jah­ren sei­ner Rei­sen zu den Hot­spots der Müll­ent­sor­gung im­mer tie­fer in die Ab­gründe von glo­ba­len Fir­men­netz­wer­ken, poli­ti­scher Kor­rup­tion und toxi­scher Um­welt­zer­stö­rung ein­tauchte.

„Der Krieg um unseren Müll“ ist ein hef­ti­ges, bril­lant recher­chier­tes Buch, das Repor­tage, Ana­lyse und per­sön­liche Er­leb­nis­se so ge­konnt ver­bin­det, dass man stel­len­wei­se meint, einen Krimi­nal­ro­man zu lesen.

Die Mechanismen und Auswüchse der Müll­wirt­schaft soll­ten im Zen­trum der Klima­de­bat­te ste­hen. Nach­dem man die­ses Buch ge­le­sen hat, müs­sen wir uns der Fra­ge stel­len, ob wir wei­ter im Müll­impe­ria­lis­mus le­ben wol­len oder be­reit sind, die Kos­ten un­se­res Kon­sums selbst zu tragen.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, October 15, 2025 8:18:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus 

[Was bedeutet das alles?] – KI und AGI (Artificial General Intelligence) – Wie Tech-Milliardäre Macht und Zukunft formen

von Rainer Mühlhoff

Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
ISBN: 9783150146668
Verlag: Reclam, Philipp
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 160 Seiten
Erscheinungsdatum: 16.07.2025
Preis: € 8.30
Kurzbeschreibung des Verlags

Die Gefahren der Artificial General Intelligence

Elon Musk und Donald Trump kündigen massenhaft Ver­wal­tungs­mit­ar­bei­tern, um einen KI-Staat zu er­rich­ten. Tech-CEOs ver­kau­fen künst­liche Intel­li­genz als Heils­brin­ger für die größ­ten Prob­leme der Mensch­heit, ob­wohl die ent­spre­chen­de Indus­trie auf Aus­beu­tung und Men­schen­ver­ach­tung beruht.
Warum lässt sich die Öffentlichkeit durch Speku­la­tion über Er­lö­sung oder Aus­löschung durch KI von den er­heb­lichen Schä­den durch KI in unse­rer Ge­gen­wart ab­len­ken? Wie er­ken­nen wir die zu­neh­mend faschis­ti­schen Ten­den­zen, die sich im Zu­sam­men­spiel von Tech-Indus­trie und der neuen Rech­ten bilden?
Rainer Mühlhoff entwickelt Antworten und diskutiert Lösungsansätze.

FALTER-Rezension

Wissen und Macht: Wie KI-Propheten den Techno-Hype missbrauchen

Matthias Dusini in FALTER 35/2025 vom 29.08.2025 (S. 31)

Die Erwartungen waren groß, als KI-Forscher ver­kün­de­ten, es brau­che nur mehr 20 Jahre, "und die Ma­schi­nen kön­nen das, was Men­schen kön­nen". Man schrieb das Jahr 1965 und der Be­griff "künst­liche Intel­li­genz" war ge­rade ein­mal ein Jahr­zehnt alt. Die Eupho­rie flaute ab, als sich die Leis­tung der Rech­ner als zu schwach erwies.

Der deutsche Mathematiker und Philosoph Rainer Mühlhoff greift dieses his­to­ri­sche Bei­spiel auf, um den ge­gen­wär­ti­gen KI-Hype zu hin­ter­fra­gen. Auf den mit großen Inves­ti­tio­nen ver­bun­de­nen Tech-Som­mer folgte stets ein Win­ter. Auch der zweite KI-Som­mer in den 1980ern en­dete; die künst­li­chen neuro­na­len Netze ent­täusch­ten. In sei­ner knap­pen, mei­nungs­star­ken Ab­hand­lung zer­legt Mühl­hoff nicht nur die Rhe­to­rik der KI-Pro­pheten, son­dern ent­larvt auch deren frag­wür­dige Ideologie.

Wenn Techno-Propheten wie Ray Kurzweil (Google) oder Sam Altman (OpenAI) künst­liche Intel­li­genz an­preis­en, spre­chen sie "ihr" mensch­li­che Eigen­schaf­ten zu. Man merkt das bei selbst­fah­ren­den Autos, die nicht als Schalt­stelle eines Infor­ma­tions­netz­wer­kes ge­se­hen wer­den, son­dern als auto­no­me Wesen. "Die Zu­schrei­bung mensch­li­cher Eigen­schaf­ten öff­net die Tür zu visio­nä­ren Über­hö­hungen", schreibt Mühl­hoff. Seit den 2000er-Jah­ren gip­felt der drit­te KI-Som­mer in der Ver­kün­dung der Arti­fi­cial General Intel­li­gence (All­ge­meine künst­liche Intelli­genz). Ohne empi­ri­sche Evi­denz spe­ku­lie­ren Kon­zern­chefs über den Tag, an dem die AGI Prob­leme lö­sen kann, für die sie gar nicht trai­niert war. Kurz­weil prog­nos­ti­zierte, dass 2029 der Punkt er­reicht sein werde, wo bio­logi­scher und nicht­bio­lo­gischer Geist mit­ein­ander ver­schmelzen.

"Künstliche Intelligenz und der neue Faschismus" zeichnet die Debat­ten in Sili­con Val­ley nach. So­ge­nannte Doo­mer war­nen vor der Apo­ka­lypse. Nicht min­der be­droh­lich wir­ken jene, die der Super­intel­li­genz die Lö­sung al­ler Probl­eme zu­trauten. Kon­zerne schü­ren Ängste vor dem be­droh­li­chen Levia­than AGI, um ein­mal eine stärk­ere Re­gu­lie­rung, andern­tags größere In­ves­ti­tio­nen zu for­dern. Alle starrten auf KI, so Mühl­hoff, und lenk­ten so, ganz im Sinne rechts­popu­lis­ti­scher Par­teien, von tat­säch­li­chen Ge­fahren ab. "Wäh­rend die Hyper­intel­lig­enz eine Zukunfts­pro­jek­tion bleibt, gilt eine be­vor­ste­hende Klima­katas­trophe als gut er­forscht." Tat­säch­lich leug­net die Re­gie­rung Trump die Fol­gen des Klima­wan­dels und steckt 500 Mil­liar­den Dol­lar in die Pro­duk­tion einer AGI, die Ameri­ka wie­der great ma­chen soll. Es braucht nicht un­be­dingt den vom Autor be­müh­ten Ver­gleich mit dem Fa­schis­mus, um die­se his­to­risch wohl ein­zig­arti­ge Mi­schung aus Wis­sen und Macht ab­schreckend zu finden.

Posted by Wilfried Allé Saturday, August 30, 2025 8:14:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Aufbruch 

Warum Veränderung so schwer fällt und wie sie gelingt

von  Stefan Klein

ISBN: 9783103976137
Verlag: S. FISCHER
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 28.05.2025
Preis: € 24,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Klimakrise und künstliche Intel­li­genz, die al­tern­de Ge­sell­schaft und inter­natio­nale Kon­flikte for­dern uns he­raus. Wir müs­sen uns selbst und die Welt ver­än­dern, wenn wir über­le­ben wol­len. Warum klam­mern wir uns dann an alte Ge­wohn­hei­ten und fal­sche Ge­wiss­heiten, statt den Wan­del jetzt an­zu­gehen? Stefan Klein er­klärt fun­diert und mit­reißend, wa­rum wir auf Neues von Na­tur aus wider­wil­lig rea­gie­ren und wie uns die sie­ben Il­lu­sio­nen über den Fort­schritt läh­men. In­dem er ge­schickt Er­kennt­nis­se der Wis­sen­schaf­ten mit ein­präg­sa­men Ge­schich­ten ver­bin­det, zeigt er auf, nach wel­chen Ge­set­zen Wan­del funk­tio­niert.

Ein Wegweiser zu einer Kultur, die das Neue nicht fürchtet, sondern feiert.
 

Bestseller-Autor Stefan Klein über die alles entscheidende Frage: Warum ver­ändern wir im Per­sön­li­chen wie in der Ge­sell­schaft nichts, ob­wohl wir doch al­les wis­sen? Was hin­dert uns am Auf­bruch? Wie kann er ge­lingen?

In seiner unnachahmlichen Art erklärt Stefan Klein ein­leuch­tend und ver­ständ­lich die Gründe, wa­rum Ver­än­de­run­gen so schwer­fal­len, und macht Hoff­nung, dass es nicht zu spät für den Wandel ist.
 

[Das Buch] ist nicht die nächste Anleitung zur Selbst­opti­mie­rung des Ein­zelnen, son­dern nimmt die Ge­sell­schaft als Ganzes in die Pflicht.
Sara Peschke,
Süddeutsche Zeitung, 22. März 2025

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Posted by Wilfried Allé Sunday, July 13, 2025 8:55:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Der Masterplan der Trump-Regierung 

Project 2025: Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmt

von David A. Graham

ISBN: 9783103977455
Sammlung: Sachbücher für den Sommer
Originaltitel: The Project
Übersetzt von: Stephanie Singh
Verlag: S. Fischer Verlag
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 192 Seiten
Erscheinungsdatum: 28.05.2025
Preis: 18,50
Kurzbeschreibung des Verlags

Vor der Präsidentschaftswahl 2024 verbreitete sich die Nach­richt über das Project 2025 von der ultra­rech­ten Heri­tage Foun­da­tion. Trump wies jede Ver­bin­dung da­zu von sich. Doch seit Tag eins sei­ner zwei­ten Amts­zeit führt er in er­schrecken­der Prä­zi­sion aus, was die­ser Master­plan vor­gibt. Der preis­ge­krönte Jour­na­list David A. Graham schlüs­selt die radi­kale Stra­te­gie auf und zeigt, was kon­kret ge­plant ist u.a. in Be­zug auf Bil­dung, Gleich­be­rech­ti­gung, Han­del und Zöl­le so­wie Außen­politik.
 

Beschreibung

Wie das Project 2025 Amerika und den Rest der Welt radi­kal ver­ändern wird
Was genau ist das Project 2025? Wer hat es verfasst, was steht darin, wie kann Donald Trump es um­set­zen – und wel­che Kon­se­quen­zen wird es für Ame­ri­ka und den Rest der Welt ha­ben? Der preis­ge­krönte At­lan­tic-Jour­na­list David A. Graham er­klärt und lie­fert alle rele­van­ten Hinter­gründe.
In den Monaten vor der Präsidentschaftswahl 2024 verbreitete sich die Nach­richt über das Pro­ject 2025 von der ultra­rech­ten Heri­tage Foun­dation. Trump wies jede Ver­bin­dung da­zu von sich. Doch seit Tag eins sei­ner zwei­ten Amts­zeit führt er in er­schre­cken­der Prä­zi­sion aus, was die­ser Master­plan vor­gibt. 
David A. Graham schlüsselt die radikale Strategie auf und zeigt, was kon­kret ge­plant ist u.a. in Be­zug auf Bil­dung, Fa­mi­lie und Gleich­be­rech­ti­gung, Han­del und Zöl­le so­wie Außen­politik.

Mit einem Vorwort von Klaus Brinkbäumer
 

Rezension

Grahams schmales Buch bietet einen guten Überblick über die Über­zeu­gungen und Ziele der Trump-Unter­stüt­zer und die Wider­sprüche der ver­schie­de­nen La­ger - etwa in der Handels­politik.
 

Die Blaupause für Trumps Tun - kurier.at

Story von Ingrid Steiner-Gashi, 6.7.2025

Trumpismus: Alter Wein in neuen Schläuchen - diepresse.com

Gastkommentar von Peter Kufner, 4.7.2025

Posted by Wilfried Allé Sunday, July 6, 2025 2:37:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Digitaler Kolonialismus 

Wie Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen I Nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis 2025

von Ingo Dachwitz, Sven Hilbig

ISBN: 9783406823022
Sammlung: Deutscher Sachbuchpreis 2025
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 351 Seiten
Erscheinungsdatum: 26.05.2025
Preis: € 28,80

 

Kurzbeschreibung des Verlags
 

Der Kolonialismus im digitalen Zeitalter wie Tech-Imperien die Welt unter sich auf­teilen

Innovativ, mächtig, rücksichtlos kaum eine Geschichte wird so oft er­zählt wie die vom un­auf­halt­samen Auf­stieg der Tech-Kon­zerne an die Spit­ze der glo­bal ver­netz­ten Welt. Nur ein Kapi­tel wird da­bei aus­ge­las­sen: Der Preis, den der Glo­ba­le Sü­den da­für be­zahlt. Der Tech-Jour­na­list Ingo Dach­witz und der Glo­bali­sie­rungs­ex­per­te Sven Hil­big be­leuch­ten die­sen blin­den Fleck und zei­gen die welt­wei­ten Fol­gen des digi­ta­len Ko­lo­nia­lis­mus so­wie be­ste­hen­de An­sät­ze für eine ge­rech­tere Digi­ta­li­sie­rung auf. So­viel steht fest: AI will not fix it.

Das Versprechen der Digitalen Revolution ist die Heils­er­zäh­lung un­se­rer Zeit. Die­ses Buch er­zählt eine an­de­re Ge­schich­te: Die des digi­ta­len Kolo­nia­lis­mus. Statt phy­si­sches Land ein­zu­neh­men, er­o­bern die heu­ti­gen Kolo­nial­her­ren den digi­ta­len Raum. Statt nach Gold und Dia­man­ten las­sen sie unter men­schen­un­wür­di­gen Be­din­gun­gen nach Roh­stof­fen gra­ben, die wir für un­se­re Smart­phones be­nö­ti­gen. Statt Skla­ven be­schäf­ti­gen sie Heere von Klick­ar­bei­ter­:innen, die zu Nied­rig­löh­nen in digi­ta­len Sweat­shops ar­bei­ten, um so­zi­ale Netz­wer­ke zu säu­bern oder ver­meint­lich Künst­li­che Intel­li­genz am Lau­fen zu hal­ten. Der Kolo­nia­lis­mus von heu­te mag sich sau­ber und smart ge­ben, doch ei­nes ist gleich­ge­blie­ben: Er beu­tet Men­sch und Na­tur aus und küm­mert sich nicht um ge­sell­schaft­li­che Fol­gen vor Ort. Im Wett­kampf der neu­en Kolo­nial­mäch­te ist Digi­tal­poli­tik längst zum Ins­tru­ment geo­poli­ti­scher Kon­flikte ge­wor­den der Glo­bale Sü­den ge­rät zwi­schen die Fronten.

  • Beim digitalen Kolonialismus fließen Daten und Pro­fite nur in eine Rich­tung. Renata Ávila Pinto, Men­schen­rechts­ver­teidi­gerin
  • KI und Daten, Rohstoffe und Repression: Eine um­fas­sende Ana­ly­se des digi­tal­en Kolo­nia­lismus
  • Augenöffner für Leser:innen: Wieso die Digitalisierung auf Aus­beu­tung beruht
  • Die Rolle Europas neben den Digitalimperien USA und China
  • Sehr gut lesbare Mischung aus tiefgreifender Analyse und be­we­gen­den Repor­tagen
  • Basierend auf Kooperationen und Interviews mit Forscher:innen und Akti­vist­:innen aus dem Glo­balen Süden
  • Mit einem eindringlichen Appell von Renata Ávila Pinto, Ge­schäfts­füh­rerin der Open Know­ledge Foun­dation
Posted by Wilfried Allé Saturday, June 28, 2025 8:19:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Survival of the Richest 

Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind | Eine scharfsinnige Analyse

von Douglas Rushkoff

Reihe: edition suhrkamp
ISBN: 9783518029992
Verlag: Suhrkamp
Übersetzung: Stephan Gebauer
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 281 Seiten
Erscheinungsdatum: 23.02.2025
Preis: € 22,70

Kurzbeschreibung des Verlags

Spätestens seit der Allianz von Donald Trump und Elon Musk ist klar: Die Tech-Mil­liar­däre sind nicht nur die reichs­ten Män­ner der Welt, es geht ihnen auch um poli­ti­sche Macht und um die radi­ka­le Um­ge­stal­tung von Ge­sell­schaft und Natur.

Als Douglas Rushkoff eine Ein­la­dung in ein ex­klu­si­ves Wüs­ten­re­sort er­hält, nimmt er an, dass er dort über Zu­kunfts­tech­no­lo­gien spre­chen soll. Statt­des­sen sieht er sich Mil­liar­dä­ren ge­gen­über, die ihn zu Luxus­bun­kern und Mars­ko­lo­nien be­fra­gen. Wäh­rend die Welt mit der Kli­ma­katas­tro­phe und so­zi­a­len Kri­sen ringt, zer­bre­chen sich diese Män­ner den Kopf, wie sie im Fall ei­nes Sys­tem­kol­lap­ses ihre Pri­vat­ar­meen in Schach hal­ten können.

Der Medientheoretiker Rushkoff verfolgt die Inter­net­re­vo­lu­tion seit Jahr­zehn­ten, ist Er­fin­der der Be­grif­fe »viral gehen« und »Digi­tal Na­tives«, be­wegte sich lange im Kreis von Vor­den­kern und krea­ti­ven Zer­stö­rern. In ei­ner Zeit, in der Elon Musk und Peter Thiel sich im­mer stär­ker in die Poli­tik ein­mi­schen, re­kon­stru­iert er, wie aus der Auf­bruchs­stim­mung der 1990er ein Pro­gramm aus Angst und Größen­wahn wer­den konnte. Viele Tech-Unter­neh­mer wol­len uns Nor­mal­sterb­liche ein­fach nur hin­ter sich las­sen, wer­den aber als Vi­sio­näre ge­feiert. An­ge­sichts der Zer­rüt­tun­gen, die ihre Ge­schäfts­mo­del­le pro­du­zie­ren, müs­sen wir uns von ihrem Mind­set be­freien – denn mit­neh­men wer­den sie uns auf ihrem Exo­dus sicher nicht.


Ein flammendes Plädoyer gegen Egomanie und für die Wieder­ent­deckung ko­opera­ti­ven Han­delns


FALTER-Rezension

Das irre Mindset von Musk &Co

Barbaba Tóth in FALTER 22/2025 vom 30.05.2025 (S. 18)

Douglas Rushkoff ist der Stichwortgeber der digitalen Revo­lu­tion, wie kein an­de­rer analy­siert der Me­dien­theo­re­ti­ker die großen Ver­än­de­run­gen der Sili­con-Val­ley-In­dus­trie. Er lie­fert ein er­schrecken­des Psy­cho­gramm der Tech-Mil­liar­däre, be­schreibt ihren Es­kapi­smus und to­tali­täre Ideen.


Von der Hippie-Kommune zum Technofaschismus

Matthias Dusini in FALTER 13/2025 vom 28.03.2025 (S. 16)

Eine Einladung in ein Luxushotel wurde für Douglas Rush­koff zum Schlüs­sel­er­leb­nis. Eine Grup­pe von Mil­liar­dä­ren hat­te den Au­tor für ei­nen Vor­trag en­ga­giert, und er machte sich auf Fra­gen zur techno­lo­gi­schen Ent­wick­lung ge­fasst. Doch er saß Män­nern ge­gen­über, die zwar von der di­gi­ta­len Revo­lu­tion pro­fi­tier­ten. Statt aber von der Zu­kunft zu schwär­men, setz­ten sie erns­te Ge­sichter auf.
Rushkoff traf auf Pessimisten, die vom nahen Ende über­zeugt sind. Sie woll­ten wis­sen, wie stark Neu­see­land vom Klima­wan­del be­trof­fen sei. Wie ver­trauens­wür­dig sind Si­cher­heits­dienste? Da­von über­zeugt, dass Um­welt­kol­laps, Atom­bom­ben und Epi­de­mien die Welt ins Chaos stür­zen wer­den, zie­hen sich die­se In­ves­to­ren in unter­ir­di­sche Bun­ker­an­lagen zurück.

Rushkoff, der sich selbst einen marxistischen Medien­theo­re­ti­ker nennt, be­schreibt in sei­nem Buch "Sur­vival of the Richest" den Ty­pus des sozio­pa­thi­schen Außen­sei­ters. Bis­her as­so­zi­ier­te man da­mit Son­der­linge, die vor der Zivi­li­sa­tion in den Wald flie­hen. Laut Rush­koffs Recher­che fin­det die­ser Rück­zug je­doch bei den obe­ren Zehn­tau­send statt. Im­mer mehr Oli­gar­chen glau­ben, dass der Dooms­day (der Jüngste Tag) un­mit­tel­bar be­vor­steht.

Reiche Leute erzeugten in den USA bisher durch philan­thro­pi­sche Ga­ben zu­min­dest den An­schein, als wür­den sie eine größe­re so­zia­le Gleich­heit an­stre­ben. Tradi­tio­nell bil­dete wis­sen­schaft­liche und tech­ni­sche Inno­va­tion außer­dem den Kern der mo­der­nen Fort­schritts­er­zäh­lung: mög­lichst vie­len das Leben zu er­leich­tern.

Nun hätten jene das Sagen, die sich vor dem dro­hen­den Zu­sam­men­bruch in Sicher­heit brin­gen wol­len. Als Bei­spiel nennt Rush­koff Tesla-Grün­der Elon Musk, der eine Mil­liar­därs­sied­lung auf dem Mars plant, oder KI-Visi­o­när Ray Kurz­weil, der be­ab­sich­tigt, sei­nen Geist in ei­nen Super­com­pu­ter hoch­zu­laden. Auf die in Armut und Krieg ver­sin­ken­den Mas­sen herab­blickend, kennt der Geld­adel kei­ne mo­ra­li­schen Skru­pel mehr: "In ihren Au­gen er­füllt die Techno­lo­gie der Zu­kunft nur ei­nen Zweck: Sie sollte ih­nen hel­fen, vor dem Rest von uns zu fliehen."

"Survival of the Richest" liefert keine Theorie des Silicon Valley. Rush­koff zeich­net viel­mehr mit Anek­do­ten und per­sön­li­chen Beo­bach­tun­gen das Bild ei­nes dro­hen­den Auto­ri­ta­ris­mus. Macht ver­bün­det sich in die­sem Sze­na­rio -vor dem Hin­ter­grund ei­nes kol­la­bie­ren­den Ge­mein­we­sens -mit Tech­no­lo­gie. Rush­koffs ei­ge­ne Bio­gra­fie macht die Schil­de­rung glaub­würdig.

Ausführlich erinnert er an die Frühzeit des Cyberspace, als Pio­niere LSD nah­men und von ei­ner Ver­schmel­zung mit dem Kos­mos und der vir­tuel­len Ver­net­zung der gan­zen Mensch­heit träum­ten. "An­fang der 1990er-Jahre wa­ren die Gren­zen zwi­schen der psy­che­de­li­schen Kul­tur und der Welt der Pro­gram­mie­rer fließend", er­in­nert sich Rush­koff. "Die Soft­ware­ent­wick­ler, die tags­über den Code für Apple schrie­ben, kratz­ten nach Feier­abend Peyote­knos­pen von Kak­teen und wa­ren die ganze Nacht high."

Frühe Nerds produzierten Shareware, die von allen kosten­los ge­nutzt wer­den sollte. Erst lang­sam ka­men In­ves­to­ren und frag­ten, wie viel man mit die­ser ihnen frem­den Spie­le­rei ver­die­nen kön­ne. Um das Jahr 2000 ent­deckte die Wall Street das Sili­con Val­ley - und so ge­riet die digi­ta­le Sub­kul­tur in den Mahl­strom der fi­nan­ziel­len Spe­ku­la­tion. Aktien­kurse tö­te­ten den opti­mis­ti­schen Hippie-Geist.

Davon profitierten jene, die sich heute in Prepper-Manier in Festungen ver­bar­ri­ka­die­ren -eine End­zeit­sekte der Super­rei­chen. Mit Zugang zum Weißen Haus.


Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.03.2025

Viel über die Ideologie der Superreichen der Gegen­wart er­fährt Rezen­sent Tobias Ober­meier in Doug­las Rush­koffs Buch, das sei­nen An­fang bei ei­nem Tref­fen nimmt, zu dem ei­ni­ge die­ser Reichen aus der Tech-Bran­che den Autor ein­luden, um zu er­fah­ren, wie sie den von ihnen selbst be­feuer­ten Katas­tro­phen am bes­ten ent­kom­men kön­nen, zum Bei­spiel mit­hilfe von Luxus­bun­ker­sys­te­men. Eb­en das ist Rush­koff zu­folge ty­pisch für den "Mind­set" - auch in der deut­schen Über­set­zung ist das der zen­tra­le Be­griff - der Super­rei­chen, die da­rauf hof­fen, den Prob­le­men, die sie selbst aus­lö­sen, durch tech­ni­sche In­no­va­tion zu ent­kom­men, skiz­ziert Ober­meier. Was laut Rush­koff aller­dings nicht funk­tio­nie­ren wird. Ober­meier fragt sich, ob die be­schrie­be­nen Mecha­nis­men nicht schlicht Kapi­ta­lis­mus as usual sind, ver­weist dann aber mit Rush­koff da­rauf, dass das Neue in der Hoff­nung der Eli­ten be­steht, sich selbst auf eine hö­here Ab­strak­tions­ebe­ne, et­wa ins Zucker­berg'sche so­ge­nannte "Meta­verse" zu ret­ten, während der Rest der Welt vor die Hun­de geht. Mit klas­si­sch kapi­ta­lis­ti­schem Wett­be­werb hat das nicht mehr viel zu tun, er­kennt Ober­meier bei der Lek­türe, um­so mehr mit den anti­demo­kra­ti­schen Vi­sio­nen ei­nes Trump oder Musk. Ins­ge­samt je­den­falls ein ziem­li­cher Wahn­witz, von dem Rush­koffs le­sens­wer­tes Buch be­rich­tet, schließt der Re­zen­sent, dem letzt­lich nur die Hoff­nung bleibt, dass Musk und ähn­li­che Ge­stal­ten sich frü­her oder spä­ter selbst ein Bein stellen.

Posted by Wilfried Allé Monday, June 9, 2025 9:29:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Klimaungerechtigkeit 

Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat
Gewinnerin des deutschen Umweltpreises 2023

ISBN: 9783548070391
Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
Sammlung: Neue Taschenbücher
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 336 Seiten
Erscheinungsdatum: 27.02.2025
Preis: € 15,50
 
Kurzbeschreibung des Verlags

Wie gerecht kann eine Welt in der Klimakrise sein?

Der Klimawandel trifft uns nicht alle gleich. Friede­rike Otto lie­fert an­hand von acht ex­tre­men Wet­ter­er­eig­nis­sen kon­kre­te Bei­spie­le, was die wirk­li­chen Ur­sa­chen sind, wer be­son­ders be­trof­fen ist und vor al­lem: Was Klima­ge­rech­tig­keit tat­säch­lich be­deu­tet und was da­für noch ge­tan wer­den muss. Der Klima­wan­del zer­stört nicht die Mensch­heit, aber Men­schen­le­ben und Le­bens­grund­la­gen. Wir stau­nen über Re­kord­tem­pera­tu­ren, Wind­ge­schwin­dig­keiten und Re­gen­men­gen, aber fra­gen uns zu wenig, wer ihnen be­son­ders aus­ge­setzt ist, wer sich nicht er­holen kann - und wa­rum. Un­gleich­heit und Un­ge­rech­tig­keit sind der Kern des­sen, was den Klima­wan­del zum Mensch­heits­prob­lem ma­chen. Da­mit müs­sen Fair­ness und glo­ba­le Ge­rech­tig­keit auch im Kern der Lö­sung stecken. Klima­ge­rech­tig­keit geht jed­en et­was an.

Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste Februar 2024

Posted by Wilfried Allé Friday, May 16, 2025 9:35:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Souveräne Entscheidungen 

Vom Werden und Vergehen der Demokratie

Über kritische Wegmarken der Demokratiegeschichte

von Philipp Lepenies

ISBN: 9783518128442
Reihe: edition suhrkamp
Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 264 Seiten
Erscheinungsdatum: 31.03.2025
Preis: € 20,60
 
Kurzbeschreibung des Herstellers:

Wie gelang in England, den USA oder in Fran­kreich einst der Sys­tem­wech­sel zur par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie? Wel­che Gründe führ­ten ihre Be­für­wor­ter an? Und wa­rum voll­zog sich die­ser Wan­del in Deutsch­land erst re­la­tiv spät?

Um diese Fragen zu beantworten, befasst Philipp Lepenies sich mit Weg­mar­ken der Demo­kra­tie­ge­schichte. Zu sei­nen Pro­ta­go­nis­ten zäh­len die eng­li­schen Level­lers, der Ameri­ka­ner James Madi­son und der Fran­zose Abbé Sieyès, Georg Fors­ter in Mainz, Fried­rich Jucho in Frank­furt und Hugo Preuß in Wei­mar. Aus dem Wis­sen um das Wer­den der Demo­kra­tie las­sen sich Er­kennt­nis­se ge­win­nen, die hel­fen, sich ge­gen ihr dro­hen­des Ver­ge­hen zu stem­men – in einer Zeit, in der sich der Sou­verän im­mer häu­fi­ger ge­gen das Sys­tem ent­schei­det, das ihm die höchs­te poli­ti­sche Macht einräumt.

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Posted by Wilfried Allé Monday, May 12, 2025 11:52:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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