von Douglas Rushkoff

Reihe: |
edition suhrkamp |
ISBN: |
9783518029992 |
Verlag: |
Suhrkamp |
Übersetzung: |
Stephan Gebauer |
Format: |
Taschenbuch |
Genre: |
Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft |
Umfang: |
281 Seiten |
Erscheinungsdatum: |
23.02.2025 |
Preis: |
€ 22,70 |
Kurzbeschreibung des Verlags
Spätestens seit der Allianz von Donald Trump und Elon Musk ist klar: Die Tech-Milliardäre sind nicht nur die reichsten Männer der Welt, es geht ihnen auch um politische Macht und um die radikale Umgestaltung von Gesellschaft und Natur.
Als Douglas Rushkoff eine Einladung in ein exklusives Wüstenresort erhält, nimmt er an, dass er dort über Zukunftstechnologien sprechen soll. Stattdessen sieht er sich Milliardären gegenüber, die ihn zu Luxusbunkern und Marskolonien befragen. Während die Welt mit der Klimakatastrophe und sozialen Krisen ringt, zerbrechen sich diese Männer den Kopf, wie sie im Fall eines Systemkollapses ihre Privatarmeen in Schach halten können.
Der Medientheoretiker Rushkoff verfolgt die Internetrevolution seit Jahrzehnten, ist Erfinder der Begriffe »viral gehen« und »Digital Natives«, bewegte sich lange im Kreis von Vordenkern und kreativen Zerstörern. In einer Zeit, in der Elon Musk und Peter Thiel sich immer stärker in die Politik einmischen, rekonstruiert er, wie aus der Aufbruchsstimmung der 1990er ein Programm aus Angst und Größenwahn werden konnte. Viele Tech-Unternehmer wollen uns Normalsterbliche einfach nur hinter sich lassen, werden aber als Visionäre gefeiert. Angesichts der Zerrüttungen, die ihre Geschäftsmodelle produzieren, müssen wir uns von ihrem Mindset befreien – denn mitnehmen werden sie uns auf ihrem Exodus sicher nicht.
Ein flammendes Plädoyer gegen Egomanie und für die Wiederentdeckung kooperativen Handelns
FALTER-Rezension
Das irre Mindset von Musk &Co
Barbaba Tóth in FALTER 22/2025 vom 30.05.2025 (S. 18)
Douglas Rushkoff ist der Stichwortgeber der digitalen Revolution, wie kein anderer analysiert der Medientheoretiker die großen Veränderungen der Silicon-Valley-Industrie. Er liefert ein erschreckendes Psychogramm der Tech-Milliardäre, beschreibt ihren Eskapismus und totalitäre Ideen.
Von der Hippie-Kommune zum Technofaschismus
Matthias Dusini in FALTER 13/2025 vom 28.03.2025 (S. 16)
Eine Einladung in ein Luxushotel wurde für Douglas Rushkoff zum Schlüsselerlebnis. Eine Gruppe von Milliardären hatte den Autor für einen Vortrag engagiert, und er machte sich auf Fragen zur technologischen Entwicklung gefasst. Doch er saß Männern gegenüber, die zwar von der digitalen Revolution profitierten. Statt aber von der Zukunft zu schwärmen, setzten sie ernste Gesichter auf.
Rushkoff traf auf Pessimisten, die vom nahen Ende überzeugt sind. Sie wollten wissen, wie stark Neuseeland vom Klimawandel betroffen sei. Wie vertrauenswürdig sind Sicherheitsdienste? Davon überzeugt, dass Umweltkollaps, Atombomben und Epidemien die Welt ins Chaos stürzen werden, ziehen sich diese Investoren in unterirdische Bunkeranlagen zurück.
Rushkoff, der sich selbst einen marxistischen Medientheoretiker nennt, beschreibt in seinem Buch "Survival of the Richest" den Typus des soziopathischen Außenseiters. Bisher assoziierte man damit Sonderlinge, die vor der Zivilisation in den Wald fliehen. Laut Rushkoffs Recherche findet dieser Rückzug jedoch bei den oberen Zehntausend statt. Immer mehr Oligarchen glauben, dass der Doomsday (der Jüngste Tag) unmittelbar bevorsteht.
Reiche Leute erzeugten in den USA bisher durch philanthropische Gaben zumindest den Anschein, als würden sie eine größere soziale Gleichheit anstreben. Traditionell bildete wissenschaftliche und technische Innovation außerdem den Kern der modernen Fortschrittserzählung: möglichst vielen das Leben zu erleichtern.
Nun hätten jene das Sagen, die sich vor dem drohenden Zusammenbruch in Sicherheit bringen wollen. Als Beispiel nennt Rushkoff Tesla-Gründer Elon Musk, der eine Milliardärssiedlung auf dem Mars plant, oder KI-Visionär Ray Kurzweil, der beabsichtigt, seinen Geist in einen Supercomputer hochzuladen. Auf die in Armut und Krieg versinkenden Massen herabblickend, kennt der Geldadel keine moralischen Skrupel mehr: "In ihren Augen erfüllt die Technologie der Zukunft nur einen Zweck: Sie sollte ihnen helfen, vor dem Rest von uns zu fliehen."
"Survival of the Richest" liefert keine Theorie des Silicon Valley. Rushkoff zeichnet vielmehr mit Anekdoten und persönlichen Beobachtungen das Bild eines drohenden Autoritarismus. Macht verbündet sich in diesem Szenario -vor dem Hintergrund eines kollabierenden Gemeinwesens -mit Technologie. Rushkoffs eigene Biografie macht die Schilderung glaubwürdig.
Ausführlich erinnert er an die Frühzeit des Cyberspace, als Pioniere LSD nahmen und von einer Verschmelzung mit dem Kosmos und der virtuellen Vernetzung der ganzen Menschheit träumten. "Anfang der 1990er-Jahre waren die Grenzen zwischen der psychedelischen Kultur und der Welt der Programmierer fließend", erinnert sich Rushkoff. "Die Softwareentwickler, die tagsüber den Code für Apple schrieben, kratzten nach Feierabend Peyoteknospen von Kakteen und waren die ganze Nacht high."
Frühe Nerds produzierten Shareware, die von allen kostenlos genutzt werden sollte. Erst langsam kamen Investoren und fragten, wie viel man mit dieser ihnen fremden Spielerei verdienen könne. Um das Jahr 2000 entdeckte die Wall Street das Silicon Valley - und so geriet die digitale Subkultur in den Mahlstrom der finanziellen Spekulation. Aktienkurse töteten den optimistischen Hippie-Geist.
Davon profitierten jene, die sich heute in Prepper-Manier in Festungen verbarrikadieren -eine Endzeitsekte der Superreichen. Mit Zugang zum Weißen Haus.
Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.03.2025
Viel über die Ideologie der Superreichen der Gegenwart erfährt Rezensent Tobias Obermeier in Douglas Rushkoffs Buch, das seinen Anfang bei einem Treffen nimmt, zu dem einige dieser Reichen aus der Tech-Branche den Autor einluden, um zu erfahren, wie sie den von ihnen selbst befeuerten Katastrophen am besten entkommen können, zum Beispiel mithilfe von Luxusbunkersystemen. Eben das ist Rushkoff zufolge typisch für den "Mindset" - auch in der deutschen Übersetzung ist das der zentrale Begriff - der Superreichen, die darauf hoffen, den Problemen, die sie selbst auslösen, durch technische Innovation zu entkommen, skizziert Obermeier. Was laut Rushkoff allerdings nicht funktionieren wird. Obermeier fragt sich, ob die beschriebenen Mechanismen nicht schlicht Kapitalismus as usual sind, verweist dann aber mit Rushkoff darauf, dass das Neue in der Hoffnung der Eliten besteht, sich selbst auf eine höhere Abstraktionsebene, etwa ins Zuckerberg'sche sogenannte "Metaverse" zu retten, wähvrend der Rest der Welt vor die Hunde geht. Mit klassisch kapitalistischem Wettbewerb hat das nicht mehr viel zu tun, erkennt Obermeier bei der Lektüre, umso mehr mit den antidemokratischen Visionen eines Trump oder Musk. Insgesamt jedenfalls ein ziemlicher Wahnwitz, von dem Rushkoffs lesenswertes Buch berichtet, schließt der Rezensent, dem letztlich nur die Hoffnung bleibt, dass Musk und ähnliche Gestalten sich früher oder später selbst ein Bein stellen.