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Statt erneut die Lufthansa mit hunderten Millionen zu subventionieren, sollte Österreich die AUA nach dem GBI-Modell in Eigenregie sanieren

Gastkommentar von Franz Nauschnigg in der Wiener Zeitung vom 29.05.2020

https://www.tagblatt-wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2062388-Selbst-ist-der-Staat.html

Die Wirtschaftseinbrüche der Corona-Krise erreichen jene der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre und übertreffen die der großen Rezession nach 2008. Besonders stark sind die Airlines betroffen. Die Lufthansa, die 2009 die AUA gratis und zusätzlich mit einem Staatszuschuss von 500 Millionen Euro als Präsent übernahm, nachdem die Sanierung durch die ÖIAG gescheitert war, will jetzt wieder 767 Millionen Euro Staatszuschuss von Österreich.

Die Lufthansa ist für Deutschland, die AUA für Österreich von strategischer Bedeutung, insbesondere durch ihre Rollen für die Luftdrehkreuze Frankfurt, München und Berlin beziehungsweise Wien. Das Streckennetz ist für Unternehmen wichtig (insbesondere die Langstrecke und für die AUA das Netzwerk in der Region Osteuropa), aber auch für Tourismus und Beschäftigte. Die Lufthansa nutzt dies, um mit der Pleite der AUA zu drohen und Österreich unter Druck zu setzen.

Deutsche Regierung und Lufthansa haben sich auf ein Hilfspaket über insgesamt 9 Milliarden Euro geeinigt. Unter anderem erhält der Staat im Rahmen seiner Beteiligung zwei Sitze im Aufsichtsrat. Die EU-Kommission hat aus Sorge um eine Wettbewerbsverzerrung Auflagen verlangt (Abgabe von Start- und Landerechte in Frankfurt und München), die bisher eine Zustimmung der Lufthansa-Eigentümer verhindert haben. In der Schweiz gab es vom Staat für Lufthansa-Töchter Kredite, besichert mit ihren Aktien, dafür wurde das Luftdrehkreuz Zürich abgesichert.

Es wird abzuwarten sein, ob auch Österreich eine substanzielle Beteiligung (eventuell zusammen mit der Schweiz und Belgien) an der Lufthansa oder zumindest an der AUA gelingt. Es besteht die Sorge, dass der Finanzminister sich mit Zusicherungen wie Standortgarantien abspeisen lässt. Wie viel diese wert sind, zeigt sich an den Zusagen für die damaligen 500 Millionen Euro Staatszuschuss - nämlich relativ wenig. Selbst wenn die Finanzhilfe geringer ist (600 bis 650 Millionen Euro), ist es mehr als das Doppelte der von der Regierung beschlossenen 300 Millionen Euro für die Bahn. Damit könnte man die meisten heimischen Nebenbahnen elektrifizieren und modernisieren, was sicher klimaverträglicher und beschäftigungsintensiver wäre als diese Förderung der Lufthansa mit kosmetischen Klimamaßnahmen.

Ein exzellentes Sanierungsmodell

Bei der AUA wurde bisher von ÖVP-Finanzministern, wie auch bei der Bankenrettung nach 2008, eine Verstaatlichung der Verluste und eine Privatisierung der Gewinne betrieben. Dies sollte nicht nochmals der Fall sein. Die Banken mussten damals vom Staat gerettet werden. Weil die ÖVP aber staatliche Eigenkapitalbeteiligungen blockierte und nur Partizipationskapital zuließ, trug der Staat die Verluste (wie bei der Hypo Alpe Adria). Vom Wiederanstieg der Unternehmenswerte und Aktien (Erste Bank, Raiffeisen) profitierte er nicht und erlitt daher Milliardenverluste, während andere Länder, wie die USA oder die Schweiz, wo sich der Staat beteiligte, Gewinne erzielten.

Die Regierung hat die Covid-19-Finanzierungsagentur (Cofag) geschaffen, die bis zu 15 Milliarden Euro über Kreditgarantien und Zuschüsse an Betriebe verteilen soll. Die Cofag ist strukturell auf die Verstaatlichung der Verluste und die Privatisierung der Gewinne ausgelegt. Der Staat trägt die Verluste aus den Kreditgarantien und Zuschüssen an die Betriebe, ist jedoch mangels Eigenkapitalinstrument an den Gewinnen nicht beteiligt. Die Stadt Wien ist hier cleverer und hat ein Beteiligungsinstrument geschaffen. Auch Deutschland setzt mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds auf staatliche Beteiligungen. Er könnte die Lufthansa nach einer Pleite ganz übernehmen.

Das entspricht dem Modell eines exzellenten österreichischen Instruments für die Rettung strategisch wichtiger Pleiteunternehmen: der Gesellschaft des Bundes für Industriebeteiligungen (GBI) - auch "Pleiteholding" genannt -, die von 1983 bis zu ihrer Abschaffung unter Schwarz-Blau 2001 insolvente Unternehmen übernahm und erfolgreich sanierte. Übernahmekriterien waren eine strukturelle Bedeutung des Betriebes sowie regionale und arbeitsmarktpolitische Relevanz, bei gegebener betriebswirtschaftlicher Sanierbarkeit binnen drei Jahren. In den 1990ern wurden so - ohne Kosten für den Staat - tausende Jobs gerettet.

Österreich sollte Deutschland und Wien folgen und eine Gesellschaft des Bundes für Unternehmensbeteiligungen (GBU) schaffen, die - statt der Lufthansa nochmals der Lufthansa Millionensubventionen zu geben - die AUA vor oder aus der Insolvenz übernehmen sollte. Dafür könnte man vielleicht GBI-Experten wiedergewinnen. Die AUA käme wieder in österreichisches Eigentum, langfristig sollte eine Börsennotierung in Wien angestrebt werden.

Es ist zu hoffen, dass ÖVP und Grüne über ihren ideologischen Schatten springen. Die Regierung muss bei neuen Hilfen den Eindruck von Geldverschwendung vermeiden. Nur so kann sie die Krise erfolgreich bewältigen.


Franz Nauschnigg war von 1987 bis 2019 in der Oesterreichischen Nationalbank tätig, seit 1999 als Abteilungsleiter der Internationalen Abteilung. Er war wirtschaftspolitischer Berater mehrerer Finanzminister und in den 1990ern im Aufsichtsrat der GBI und der Wiener Börse. In den 1980ern war er im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium tätig, auch in den Kabinetten.

Posted by Wilfried Allé Sunday, May 31, 2020 1:27:00 PM

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