AZ-Neu

Die Informationsplattform für ArbeiterInnen, Angestellte, KMUs, EPUs und PensionistInnen

Franz Nauschnigg[1]


Durch die Corona Krise wird es, wenn die öffentliche Hand nicht gegen­steuert, spätestens im Winter zu einer Pleite­welle von Firmen kommen. Dies be­son­ders in Öster­reich, da hier die Firmen tra­di­tio­nell eine sehr dünne Eigen­kapital­decke be­sitzen. Die Chefin des IWF. Georgieva, be­fürch­tet wie sie in Alp­bach sagte, eine Ver­drei­fachung der Pleiten von Klein- und Mittel­unter­nehmen, wenn die Staaten den Firmen nicht unter die Arme greifen.

In der Corona Krise haben viele EU-Länder staat­liche Firmen­be­tei­li­gungs­ins­tru­mente ge­schaf­fen, um ihren Firmen auch mit Eigen­ka­pi­tal zu hel­fen und feind­liche Über­nahmen aus dem Aus­land, ins­be­son­dere aus China und den USA, zu ver­hindern.

Deutschland hat den Wirt­schafts­sta­bi­li­sierungs­fonds (WSF) - Vo­lu­men 600 Mil­li­ar­den Euro - auch für di­rek­te Be­teili­gungen an Unter­nehmen mit Eigen­kapi­tal, ge­schaffen und nutzt ihn auch schon stark. Der Staats­se­kre­tär von SPD-Fi­nanz­mi­nis­ter Scholz, Jörg Kukies, er­klärte, dass der Staat beim Ein­stieg in Unter­nehmen nach Mög­lich­keit auch Ge­winne machen soll. “Der Staat tritt hier als selbst­be­wusster In­ves­tor auf”. Es könne nicht darum gehen, nur die Ver­luste beim Staat ab­zul­aden. Vor allem beim Ein­satz von Eigen­ka­pi­tal werde eine “ri­si­ko­adä­quate Ver­gütung” an­ge­strebt. Der Steuer­zahler müsse für seinen Ein­satz einen fairen An­teil be­kom­men, damit es eine Ak­zep­tanz für die mil­li­arden­schweren Staats­hilfen gebe.

Auch Baden-Württemberg gründet einen Be­teili­gungs­fonds für den Mittel­stand. Er soll den Unter­nehmen während und nach der Krise Finanz­kraft ver­schaffen, sagte Wirt­schafts­mi­nis­terin Nicole Hoff­meister-Kraut (CDU). Vo­lumen eine Mil­li­arde Euro, die Min­dest­be­tei­li­gung je Unter­nehmen 800.000 Euro.

 

In Österreich hat nur Wien ein Firmen­be­teili­gungs­ins­tru­ment

In Österreich hat lediglich das positive Beispiel Wien ein Firmen­be­tei­li­gungs­ins­tru­ment ge­schaf­fen.

Um die wirt­schaft­lichen Aus­wir­kungen der Co­ro­na­vi­rus-Kri­se zu dämpfen, wurde in der Wien Hol­ding die "StolzaufWien Be­tei­li­gungs­GmbH" ge­grün­det, um sich tem­po­rär an Unter­nehmen zu be­tei­li­gen. Ins­be­son­dere an Fir­men, deren Exis­tenz auf Grund der Krise ge­fähr­det ist. Das Ka­pi­tal der Be­tei­li­gungs­ge­sell­schaft wird vor­erst rund 50 Mio. Euro be­tra­gen, 20 Mio. Euro von der Stadt. Die Wirt­schafts­kammer Wien so­wie pri­vate Part­ner sind als wei­tere Kapi­tal­geber mit dabei.

Die Beteiligung ist auf maxi­mal 1 Mio. Euro bzw. höchs­tens 20 Pro­zent An­teile pro Unter­nehmen be­grenzt. Nach spä­tes­tens sieben Jahren wer­den diese Be­tei­li­gungen ver­kauft. Zu Be­ginn der Be­tei­li­gung wird auch das klare Aus­stiegs­sze­na­rio für beide Seite fest­ge­legt.

Zielgruppe sind Wiener Unter­nehmen, die durch die Krise einen kurz­fris­tigen Fi­nanz­mittel­be­darf ha­ben, lang­fris­tig je­doch auf eine po­si­ti­ve Zu­kunfts­pro­gno­se ha­ben. Die Be­trie­be sollen ein "star­ker Teil der Wiener Iden­ti­tät" sein, eine hohe volks­wirt­schaft­liche Be­deu­tung für vor- bzw. nach­ge­la­gerte Sek­to­ren und eine "rele­vante An­zahl an Ar­beits­plätzen", die ge­sichert werden müssen, auf­weisen. Die Be­teili­gungen werden zu markt­üb­lichen In­ves­ti­tions­be­din­gungen er­folgen.

 

Das rote Wien hat ja tradi­tio­nell einen hohen An­teil an öffent­li­chen Ei­gen­tum an wicht­igen In­fra­struk­turen der Stadt – ins­be­son­dere Was­ser, Ener­gie, Woh­nungen. Inter­natio­nal wurde in den letzten Jahren ins­be­son­dere der hohe An­teil an Ge­meinde­woh­nungen der das Miet­preis­niveau in Wien senkt, als Vor­bild ge­sehen.

Wien hat auch in der Neo­libera­len Epo­che den Pri­vati­sierungs­wahn nicht mit­ge­macht. Andere Städte kau­fen jetzt In­fra­struk­tur und Woh­nun­gen teu­er zu­rück.

Lediglich die Bank Austria, wurde ge­gen den Wil­len der SPÖ, mit­tels ge­mein­samen Ge­mein­de­rats­be­schluss von ÖVP/Grünen/FPÖ ver­kauft, was ein De­sas­ter für Wien war. Man braucht daher keine Dirndl Ko­a­li­tion, son­dern eine Mehr­heit gegen die SPÖ reicht, um großen Scha­den für Wien an­zu­rich­ten.
 

Im Bund scheint unter Türkis/Grün das Prin­zip je­doch eher zu sein, Pri­va­ti­sierung der Ge­winne, Ver­staat­lichung der Ver­luste.

Für 300 Mio. Euro bekam Finanz­minis­ter Scholz 20 % der Luft­han­sa Aktien und eine ent­spre­chende Ver­tre­tung im Auf­sichts­rat. Finanz­mi­nis­ter Blümel er­hielt für 150 Mio. Euro Zu­schuss an die Luft­hansa Toch­ter AUA nichts.

Türkis/Grün hat aus der Banken­rettung vor 10 Jahren nichts ge­lernt und es be­steht die Ge­fahr, dass wie da­mals, die Ver­luste ver­staat­licht und die Ge­winne pri­va­ti­siert wer­den. Die Ban­ken mussten vom Staat ge­ret­tet werden. Weil die ÖVP aber staat­liche Eigen­ka­pi­tal­be­tei­li­gungen blockier­te und nur Par­ti­zi­pations­ka­pi­tal zu­ließ, trug der Staat die Ver­luste (wie Hypo Alpe Adria). Vom Wieder­an­stieg der Unter­nehmens­werte und Aktien (Erste, Raiff­eisen) pro­fi­tier­te er nicht und er­litt da­her Mil­li­arden­ver­luste. An­dere Län­der, wie die USA oder die Schweiz, wo sich der Staat bzw. die Noten­bank be­tei­ligten, er­ziel­ten hin­ge­gen Ge­winne. Auch Nor­wegen und Schwe­den, die in den 1990er Jahren nach einer Ban­ken Krise ihre Ban­ken ver­staat­lich­ten, er­ziel­ten Ge­winne. Öster­reichische Bank­ma­na­ger die Mil­liar­den­ver­luste ver­ur­sach­ten, wurden nur in Aus­nahme­fällen vor Ge­richt ge­stellt. Sie er­hielten bald wieder Mil­li­onen­gagen und be­saßen oft auch noch die Frech­heit für die Aktien­ver­an­lagung zu wer­ben, obwohl ihre Aktien die Kurse vor der Krise nie mehr er­reich­ten.

Staatsfonds für Firmen­beteiligung und -rettung

Viele Länder haben Staats­fonds (Sovereign Wealth Funds) die staat­liches Ver­mö­gen ver­an­lagen. Dieses kommt meist aus den Er­trägen natür­licher Res­sour­cen, wie Öl z.B. in Nor­wegen aus Öl­er­trägen. Der Nor­wegische Öl Fonds hat von 1998 bis Mai 2020 einen jähr­li­chen Er­trag von 6,1 % er­wirt­schaf­tet, ins­gesamt 5.358 Mrd. Kronen.

Österreich hat kaum Öl, aber ähn­lich wie Deutsch­land und einige Euro Kern­länder und die Schweiz, eine andere Res­source – niedri­ge Fi­nan­zierungs­kos­ten. Im Falle Öster­reich für Staats­an­leihen mit Lauf­zeiten bis zu 10 Jahren so­gar Negativ­zin­sen. Diese Res­source gilt es jetzt in der Krise zu nutzen, um über einen Staats­fonds den Unter­nehmen drin­gend be­nö­tig­tes Eigen­ka­pi­tal zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Kos­ten der Unter­nehmens­ret­tung können so mini­miert werden.

Die Renditen für die Ver­an­lagung in Aktien (equity risk premium) in der EU liegen der­zeit auf Rekord­ni­veau, bei 5 – 7 % jähr­lich. Die Ren­di­te der Ver­an­la­gung in Aktien an der Wiener Börse war in den letzten 25 Jahren im Durch­schnitt etwa 7 % im Jahr, seit Be­ginn des ATX 1991 war der jähr­liche Ge­samt­er­trag 6,36%. Der jähr­li­che Er­trag war aber be­dingt durch viele Bären­märkte, mit hohen Kur­sein­brüchen, sehr vo­la­til.

Der Ertrag für Aktien­ver­an­la­gungen liegt damit weit über den Fi­nan­zierungs­kosten der Staaten. So­gar die Pen­sions­kassen, die nur einen Teil in Aktien ver­an­lagen, haben höhere Er­träge als die Fi­nan­zierungs­kosten der Staaten er­zielt, z.B. die Bundes­pen­sions­kasse über 15 Jahre im Durch­schnitt 3,71 % im Jahr. Wir haben es hier wahr­schein­lich mit dem größten Markt­ver­sagen nach der Klima­krise, mit der zu nie­dri­gen Be­prei­sung der ex­ternen Effekte der CO2 Emis­sionen, zu tun. Wahr­schein­lich ist es so, weil die Aktien Er­träge sehr vola­til sind und viele Sparer dies für ihre Er­spar­nisse nicht wollen. Der Staat kann durch Staats­fonds dieses Markt­ver­sagen kor­ri­gieren und sogar davon pro­fi­tieren.

 

10 Mrd. Euro Staatsfonds für Österreich

Der Bund nimmt 10 Mrd. Euro über 10-jährige An­leihe auf und stellt es dem Staats­fonds für Unter­nehmens­be­tei­li­gungen zur Ver­fügung.

 

Der Staatsfonds hat 2 Funktionen:

  1. Beteiligungen an Börse notierten Unter­nehmen

An der Wiener Börse no­tierte Unter­nehmen, oder solche mit struk­turel­ler Be­deu­tung, regio­naler und arbeits­markt­poli­tischer Rele­vanz, wenn wo anderes an der Börse. Nor­maler­weise Minder­heits­be­teiligung kein be­herr­schen­der Ein­fluss. Aus­stieg Ver­kauf Aktien an der Börse. Sogar der Chef der Erste Bank Öster­reich, Peter Bosek spricht sich für eine staat­liche Be­teili­gung, be­fris­tet mit anderen In­ves­toren bei KMUs aus, um diesen wieder In­ves­ti­tio­nen zu er­mög­lichen.

3 Instrumente

  • Normale Stammaktien normaler­weise bis maxi­mal 50 % Be­tei­li­gung, in Aus­nahme­fällen auch mehr.
  • Vorzugs­aktien ohne Stimm­recht, dafür Divi­den­den­auf­schlag von 3 %punkten zu­sätz­lich zu nor­maler Di­vi­dende. Wenn über Börse ver­kauft, werden sie zu nor­malen Stamm­aktien. In beiden Fällen sind, wenn keine nor­malen Divi­denden ge­zahlt werden, alle Bonus­zahlungen zu strei­chen.
  • Anleihen mit höherer Ver­zinsung, die erst im Krisen­fall in Eigen­kapital um­ge­wan­delt werden.

 

  1. Rettung von Maroden und Pleiteunternehmen

Dies erfolgt nur wenn diese stra­te­gisch wich­tig sind, mit struk­tu­rel­ler Be­deu­tung, regio­naler und arbeits­markt­po­li­ti­scher Re­le­vanz. Es muss sich be­triebs­wirt­schaft­lich rechnen.

Als Model könnte die in den 1980er und 1990er er­folg­reiche Ge­sell­schaft des Bundes für In­dus­trie­be­­teiligungen (GBI, auch Pleite­holdung genannt) welche Pleite­firmen über­nahm und sa­nierte. Sie ret­tete so tau­sende Ar­beits­plätze ohne Kosten für das Budget.

Ich war in den 1990er Jahren im Auf­sichts­rat der GBI und wir konnten alle über­nommenen Pleite­firmen sa­nieren und damit ohne Kosten für den Staat tau­sende Ar­beits­plätze retten. Auf­sichts­rat mit der not­wen­digen Sa­nierungs­ex­per­tise, man sollte ver­suchen, ob man die GBI Ex­per­ten wieder­ge­winnen kann. Nicht wie in der ÖBAG, wo man Leute ohne ent­sprechende prak­tische Er­fahrung ein­setzte.


Sollte der Bund aus ideo­lo­gischen Grün­den nicht be­reit sein, Staatsfonds zu er­rich­ten, sollten Wien, Kärnten, Burgen­land einen eige­nen mit einem Kapi­tal von 3 Mrd. Euro grün­den.  Dies zu­sätz­lich zum Wiener Be­tei­li­gungs­ins­tru­ment. Es könnte dann mit der Mit­tel­ver­wen­dung des Bundes ver­gli­chen werden.
 


[1] War bis 2019 Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank, Internationale Abteilung und wirtschaftspolitischer Berater der Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger. War in den 1990er Jahren im Aufsichtsrat der GBI und der Wiener Börse. In den 1980er Jahren im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium, auch in den Kabinetten.

Posted by Wilfried Allé Tuesday, September 8, 2020 8:08:00 PM

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