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Macht in weltweiten Lieferketten 

Eine Flugschrift

von Christoph Scherrer

ISBN: 9783964881243
Genre: Wirtschaft/Internationale Wirtschaft
Umfang: 96 Seiten
Format: Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 17.12.2021
Verlag: VSA
Preis: € 10,30

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Lieferketten ist der wohl promi­nen­teste Be­griff, um die Struk­tur des Glo­bal Sour­cing, der welt­wei­ten Be­schaf­fung von Waren, zu be­schrei­ben. Er wird auch von der Bun­des­re­gie­rung für das An­fang Juni ver­ab­schie­dete Lie­fer­ket­ten­ge­setz ge­nutzt, das die Ein­hal­tung von Men­schen­rech­ten bes­ser re­geln soll. Der Au­tor kri­ti­siert, dass der Be­griff der Kom­plexi­tät von Macht­un­gleich­hei­ten und struk­tu­rel­ler Aus­beu­tung nicht ge­recht wird. Das spie­geln auch die un­ter­­schied­li­chen Theo­rie­kon­zepte wider, die, so Chris­toph Scher­rer, meis­tens spezi­fi­sche Macht­­as­pek­te fo­kus­sieren, ohne die Wechsel­be­zie­hungen zu be­rück­sich­tigen.
Der Autor ergänzt daher all­ge­mein­gül­tige Macht­ana­ly­sen durch Über­le­gun­gen für spezi­fi­sche Kon­texte. Am Bei­spiel klein­bäuer­licher Be­triebe zeigt er, wer am we­nigs­ten von der Ar­beits­tei­lung im Glo­bal Sourcing pro­fi­tiert, wer daran ge­winnt – und wie es dazu kom­men kann.
Er liefert damit zugleich eine theo­re­ti­sche Grund­lage, mit der Leser:in­nen die Macht­be­zie­hungen welt­wei­ter Lie­fer­ket­ten bes­ser ver­ste­hen und auch die Wirk­mäch­tig­keit des im Juni 2021 ver­ab­schie­deten Lieferket­ten­ge­setzes bes­ser ein­ord­nen können.
Die Flugschrift soll dazu bei­tragen, die täg­lichen und sys­te­mi­schen Men­schen­rechts­ver­let­zungen bei ­denen, die in glo­ba­len Pro­duk­tions­netz­wer­ken ­ar­bei­ten müssen, zu über­winden.

Zusammenfassung

Die Fragilität globaler Liefer­ketten ist wäh­rend der Pan­de­mie und durch die Blockade des Suez­ka­nals be­son­ders deut­lich ge­worden. Zu­gleich sind sie »Aus­beutungs­ket­ten«, in denen Macht­be­zie­hungen ab­ge­bil­det sind. Christoph Scherrer zeigt, wie Macht in Pro­duk­tions­netz­wer­ken durch­ge­setzt wird, wer am we­nigs­ten von der Arbeits­tei­lung im Glo­bal Sourcing pro­fi­tiert, wer da­ran ge­winnt – und wie es dazu kom­men kann.

Tipps für Verbraucherinnen und Verbraucher

Einkaufskorb mit Fairtrade-Produkten

Jede und jeder kann dazu bei­tragen, dass unsere Welt ge­rech­ter wird. Fair und nach­hal­tig zu leben be­deu­tet, sich die Fol­gen seiner Lebens- und Kon­sum­ge­wohn­heiten be­wusst zu machen und ver­ant­wor­tungs­voll zu han­deln.

Nachhaltigkeit ist dabei nicht nur auf öko­lo­gische As­pekte be­schränkt – sie hat eben­so wich­tige wirt­schaft­liche, sozi­ale und poli­ti­sche Dimen­si­onen. Hel­fen Sie mit, dem Ideal einer ge­rech­ten und nach­hal­ti­gen Welt ein Stück näher­zu­kom­men! Zum Bei­spiel indem Sie fair ein­kau­fen, fair reisen oder ihr Geld fair an­legen.

Nähere Informationen dazu finden Sie hier  ->

Posted by Wilfried Allé Saturday, December 18, 2021 4:33:00 PM Categories: Wirtschaft Wirtschaft/Internationale
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Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom 

von A. E. Hotchner

ISBN: 9783836960731
Genre: Kinder- und Jugendbücher/Kinderbücher bis 11 Jahre
Umfang: 256 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 28.06.2021
Verlag: Gerstenberg Verlag
Empf. Lesealter: ab 10 Jahre
Übersetzung: Anja Malich
Illustrationen: Tim Köhler
Preis: € 16,50

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

St. Louis inmitten der Weltwirtschaftskrise. Der zwölfjährige Aaron Broom muss mit ansehen, wie nach einem Überfall auf ein Juweliergeschäft sein Vater in Handschellen abgeführt wird. Dabei wollte sein Pop, ein Uhrenvertreter, dort doch bloß seine neueste Kollektion vorführen! Aus seinen Lieblingsbüchern weiß Aaron genau, dass er den wahren Täter nun auf eigene Faust „detektivieren“ muss, wenn er will, dass sein Pop wieder freikommt. Von unverhoffter Seite bekommt er Hilfe: von Ex-Boxer und Hauswart Vernon, von Augie, dem Zeitungsjungen an der Ecke, von einem freundlich gesinnten Anwalt für Seerecht – aber er hat auch gefährliche Widersacher …

FALTER-Rezension

Vor 100 Jahren war die Welt nicht in Ordnung

Ein Kinderkrimi über die Weltwirtschaftskrise in den USA

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war gestern. Der amerikanische Autor und Journalist A.E. Hotchner starb im Februar 2020 im Alter von 102 Jahren. Kurz zuvor hatte er mit 100 noch eine Detektivgeschichte verfasst, die in der Zeit der Großen Depression angesiedelt ist. Hotchner war während der Weltwirtschaftskrise selbst Kind und hat seine eigene Story bereits früher niedergeschrieben, Steven Soderbergh verfilmte sie als „Der König der Murmelspieler“. Auch „Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom“ lebt von der unglaublich lebendigen Erinnerung des Autors an diese so schwierige wie turbulente Zeit. Atmosphäre und Ton stimmen einfach, Straßenslang inklusive.

Held der Geschichte ist der nicht ganz 13-jährige Aaron Broom. Nach einem Raub in einem Juwelierladen wird durch ein Missverständnis sein Vater inhaftiert, wo der doch nur harmloser Vertreter für Uhren ist. Aaron ergreift gleich die Initiative. Zum einen hat er genug einschlägige Bücher verschlungen, um zu wissen, wie er „detektivieren“ muss, damit der wahre Schuldige gefasst wird. Unterstützung erhält er außerdem von einem Zeitungsjungen, einem Hausmeister und einem ehemaligen Boxer. Die kann er auch gebrauchen, bekommt er es doch mit üblen Zeitgenossen zu tun. Eine packende und zugleich berührende Geschichte, die nebenbei historisches Wissen vermittelt.

Sebastian Fasthuber in Falter 42/2021 vom 22.10.2021 (S. 29)

Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.08.2021

Der Junge, der detektiviert
Ein Krimi aus der großen Depression in Amerika
Dass manch Hundertjähriger ungewöhnliche Eskapaden unternimmt, weiß man seit Jonas Jonassons Romanen. Dass jemand mit 99 Jahren eine Detektivgeschichte wie „Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom“ schreibt, bei deren Lektüre Emil Tischbein bleich geworden wäre, das ist allerdings besonders.
Der Krimi spielt Anfang der Dreißigerjahre in St. Louis, mitten in der Zeit der Großen Depression. Der Autor dieser Geschichte, der offensichtlich mit großer Empathie und Kenntnis in die Rolle seines jugendlichen Helden Aaron („fast dreizehn“) schlüpft, ist der US-amerikanische Schriftsteller und Drehbuchautor A.E. Hotchner, der im Februar 2020 im Alter von 102 Jahren starb. Seine Geschichte beruht auf dem Roman seiner Kindheit, „King of the Hill“ (Der König der Murmelspieler), den Steven Soderbergh 1993 verfilmte. Hotchner wurde unter anderem durch Biografien von Ernest Hemingway und Paul Newman bekannt.
Aaron ist ein aufgewecktes, wissbegieriges Bürschchen, ein guter Schüler und Sportler, und er blickt stets optimistisch in die Zukunft. Und das, obwohl seine Mutter in einem Sanatorium liegt und sein Vater, ein polnisch-jüdischer Emigrant, in der Krise sein Geschäft verlor und sich nun erfolglos als Handelsvertreter abmüht. Aaron ist mehr oder weniger auf sich selbst angewiesen, um zu überleben. Alles wird noch schlimmer, als der Junge Zeuge eines Raubüberfalls auf ein Juweliergeschäft wird und sein Vater in Untersuchungshaft gerät. Der Sohn versucht sich über Wasser zu halten und gleichzeitig die Hintergründe des Verbrechens aufzuklären. Er, der Icherzähler, „detektiviert“ – wie er es in der stilsicheren Übersetzung von Anja Malich nennt. Das erinnert ans Berliner Milieu von Emil Tischbein und seinen Freunden um Gustav mit der Hupe. In Hotchners Roman unterstützt ein flinker Zeitungsjunge den Teilzeitdetektiv. Um die beiden herum gruppiert sich eine kleine Gruppe von Helfern. Hotchners wichtigste, in die Handlung verwobene moralische Botschaft: Wenn sich eine solch katastrophale Situation überhaupt überwinden lässt, dann nur mit der Solidarität anderer Menschen und einem Grundgefühl von Geborgenheit und Vertrauen. Allerdings ist das vom Autor gewählte Großstadtmilieu brutaler als das in Kästners Kinderkrimi. Da fallen Schüsse, da kippen Bösewichter um, bevor sich die Verhältnisse klären.
Hotchners Geschichte ist im sympathischen Sinn altmodisch erzählt, mit viel Liebe zu kleinen Details und nicht nur im Schwung von einer Aktion zur nächsten. Gerade dadurch gewinnt das Milieu fassbare Konturen, in dem sich redliche arme Menschen, Glücksritter und Kriminelle begegnen. Die realistischen Schwarzweiß-Illustrationen von Tim Köhler unterstreichen diesen Eindruck noch. (ab 12 Jahre)
SIGGI SEUSS
A. E. Hotchner: Die erstaunlichen Abenteuer des Aaron Broom. Mit Illustrationen von Tim Köhler. Aus dem Englischen von Anja Malich. Gerstenberg 2021.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

Posted by Wilfried Allé Friday, December 17, 2021 8:42:00 PM Categories: Kinder- und Jugendbücher
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aprés lift 

49 Skitouren auf EX-Bahn-Berge der Schweiz

von Daniel Anker

ISBN: 9783039130290
Genre: Sachbücher/Natur, Technik/Natur, Gesellschaft
Umfang: 220 Seiten
Format: Buch
Erscheinungsdatum: 01.01.2022
Verlag: AS Verlag
Preis: € 40,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Neu-alte Skitourenberge bekommt das Land. Wenn der (Kunst-)Schnee ausbleibt oder das Geld für die Renovation, dann stehen Liftanlagen plötzlich still. Und Hügel und Berge in der Schweiz werden wieder Ziele für Skifahrer und Snowboarderinnen, die aus eigener Kraft in die Höhe kommen. Auf 55 Gipfel in den Schweizer Bergen führten einst – manchmal bis ganz zuoberst – Ski- und Sessellifte, aber auch Gondel- und Seilbahnen. Die Vergangenheitsform ist richtig: Die Anlagen waren mehrheitlich nur in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts in Betrieb. Nun laufen sie nimmer, und die Schneesportler, die mit Fellen an den Brettern hochsteigen, haben die weissen Hänge wieder für sich allein. Die meisten Lifte wurden mangels Nachfrage und Schneefall sowie wegen anderen Gründen stillgelegt. Und dann rückgebaut, teilweise wenigstens. Manchmal ist alles noch da, die Bügel und die Kabinen, die Masten und die Stationen, nur die Leute in Pistenskischuhen fehlen. Manchmal sieht man aber kaum noch was im Gelände. Vielleicht noch ein kleines Holzhäuschen, hier der Betonsockel eines Masten, drüben eine Ausbesserung im Gelände, da ein Schild.
Genau: Die Lifte sind weg (oder fahren wenigstens nicht mehr), die Erinnerungen blieben. Und neue Möglichkeiten im Tourenskilauf kommen hinzu bzw. werden wieder wahr. Oft waren diese besonderen Gipfel, bevor sie mit Liften erschlossen wurden, ja schon Ziele von Tourengängern. Denn eines ist sicher: Anhöhen, auf die Aufstiegshilfen gebaut wurden, eignen sich grundsätzlich gut zum Abfahren.
Bereits werden nicht mehr laufende, verlassene und verlorene Skigebiete wissenschaftlich untersucht. Die Forscher haben auch schon einen Begriff kreiert: Lost Ski Area Projects – LSAP. Mehr noch: Das Buch dazu ist ebenfalls schon auf der Piste bzw. im Programm des AS Verlages: „Letzte Bergfahrt. Aufgegebene Skigebiete und ihre touristische Neuausrichtung“ von Matthias Heise und Christoph Schuck. Der Skitourenführer zu 48 Ex-Bahn-Bergen ist sozusagen der Praxisteil zur letzten Bergfahrt. Sicher wie grüne Weihnachten im Mittelland wird die Zahl der LSAP zunehmen. Die einen freut‘s, die andern reut‘s. Und umgekehrt.
Anders gesagt: Aus dem Après Ski ist Après Lift geworden.

Posted by Wilfried Allé Thursday, December 16, 2021 11:07:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Natur Technik/Natur
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Dunkelblum 

Roman

von Eva Menasse

ISBN: 9783462047905
Ausgabe: 8. Auflage
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Umfang: 528 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 19.08.2021
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Preis: € 25,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Jeder schweigt von etwas anderem.
Auf den ersten Blick ist Dunkelblum eine Klein­stadt wie jede andere. Doch hin­ter der Fas­sade der öster­reichi­schen Ge­mein­de ver­birgt sich die Ge­schich­te eines furch­tba­ren Ver­bre­chens. Ihr Wis­sen um das Er­eig­nis ver­bin­det die äl­teren Dunkel­blumer seit Jahr­zehn­ten – ge­nau­so wie ihr Schwei­gen über Tat und Täter. In den Spät­som­mer­ta­gen des Jah­res 1989, wäh­rend hin­ter der nahe­ge­le­genen Gren­ze zu Un­garn be­reits Hun­der­te DDR-Flücht­lin­ge war­ten, trifft ein rät­sel­haf­ter Be­su­cher in der Stadt ein. Da ge­ra­ten die Din­ge plötz­lich in Be­we­gung: Auf einer Wiese am Stadt­rand wird ein Ske­lett aus­ge­gra­ben und eine jun­ge Frau ver­schwin­det. Wie in einem Spuk tau­chen Spu­ren des al­ten Ver­bre­chens auf – und kon­fron­tie­ren die Dunkel­blumer mit einer Ver­gan­gen­heit, die sie längst für er­le­digt hiel­ten. In ihrem neuen Ro­man ent­wirft Eva Menasse ein großes Ge­schichts­pa­no­ra­ma am Bei­spiel einer klei­nen Stadt, die im­mer wie­der zum Schau­platz der Welt­po­li­tik wird, und er­zählt vom Um­gang der Be­woh­ner mit einer his­to­ri­schen Schuld. »Dunkel­blum« ist ein schau­rig-ko­mi­sches Epos über die Wun­den in der Land­schaft und den Seelen der Men­schen, die, anders als die Er­inne­rung, nicht ver­gehen.
»Die ganze Wahrheit wird, wie der Name schon sagt, von allen Be­tei­lig­ten ge­mein­sam ge­wusst. Des­halb kriegt man sie nach­her nie mehr rich­tig zu­sam­men. Denn von je­nen, die ein Stück von ihr be­ses­sen ha­ben, sind dann im­mer gleich ein paar schon tot. Oder sie lü­gen, oder sie ha­ben ein schlech­tes Ge­dächt­nis.«

FALTER-Rezension

Durch die Grauzonen einer braunen Kleinstadt

Es gibt dieses Bonmot von Öster­reich als Punsch­krapfen­land. Es sei außen süß und rosa, in­nen drin feucht­braun und alko­hol­ge­tränkt. Es steht für Öster­reichs Um­gang mit sei­ner Nazi-Ver­gan­gen­heit, die man bis in die spä­ten 1980er-Jahre mit Alpen­kitsch ver­deckte. Man war doch das erste Opfer Hitler-Deutsch­lands und sonst un­schul­dig.

Das funktionierte, bis ein Bundes­prä­si­dent­schafts­kan­di­dat na­mens Kurt Wald­heim (ÖVP) in sei­nem Wahl­kampf über seine NS-Ver­gan­gen­heit stol­per­te, bes­ser ge­sagt: über sei­nen Um­gang damit. Er wollte sich nicht so recht er­in­nern, wie die meis­ten Kriegs­ve­te­ra­nen sei­ner Gene­ra­tion, und wur­de ge­nau des­wegen ge­wählt. Das Bild von der ge­schichts­ver­ges­senen Alpen­re­pu­blik lebt bis heute fort, vor allem in anglo­ameri­ka­nischen Medien.

Eva Menasses neuer, dritter und bislang um­fang­reichster Roman, „Dunkel­blum“, spielt in so einer Punsch­krapfen­stadt. Sie heißt, wie ihr Werk, „Dunkel­blum“ und liegt im Bur­gen­land. Es ist ein fik­ti­ver Schau­platz, zu­sam­men­ge­setzt aus vie­len Orten die­ser Ge­gend, in denen sich in den letz­ten Mo­na­ten des Zwei­ten Welt­kriegs so ge­nannte End­phasen­ver­bre­chen an Juden und Zwangs­ar­bei­tern er­eig­neten. Die Na­zis trie­ben sie auf ihrem Rück­zug vor der Roten Armee aus Un­garn Rich­tung Wes­ten. Wer noch ar­bei­ten konnte, musste Hit­lers Süd­ost­wall bauen. An­dere wurden mas­sa­kriert und er­mor­det.

Das bekannteste Verbrechen geschah in Rechnitz. Im März 1945 feier­ten Nazi-Bon­zen ein Fest im Schloss der Gra­fen­fa­mi­lie Batthyány, das in einem Mas­saker an 180 Men­schen en­de­te. Das Massen­grab wurde bis heute nicht ge­fun­den, ein Volks­ge­richts­ver­fahren in den Nach­kriegs­jahren blieb ohne Er­geb­nis. Das Mas­sa­ker von Rech­nitz wurde von His­to­ri­kern be­forscht sowie von Künst­lern fil­misch und li­te­ra­risch ver­ar­bei­tet, etwa in El­friede Jeli­neks Drama „Rechnitz (Der Würge­engel)“.

Ich wollte keinen Rechnitz-Roman schreiben“, sagt Eva Menasse. Aber na­tür­lich ist „Dunkel­blum“ eine Art Rech­nitz-Ro­man ge­wor­den. Me­nasse de­kli­niert nicht nur die klas­si­schen Anti-Hei­mat-Roman-The­men wie Ver­drän­gung, Schwei­gen, Schuld und Sühne an­hand ihrer fik­ti­ven Modell­stadt durch. Sie er­zählt auch die Um­brüche des Jahres 1989 mit: den Fall des Ei­ser­nen Vor­hangs, die Flucht der ers­ten DDR-Bür­ger über die grüne Grenze.

Dazu kommen auch noch das Motiv des zi­vi­len Auf­be­geh­rens und die Um­welt­be­we­gung. Die Dunkel­blumer wehren sich im Jahr 1989, in dem der Roman spielt, ge­gen eine neue Was­ser­ver­sor­gungs­an­lage. Fehlt bloß noch der Auf­stieg des da­ma­ligen FPÖ-Chefs Jörg Haider, denkt man sich kurz, aber die­se zeit­ge­schicht­liche Tan­gen­te er­spart sich Menasse.

Auch für die Autorin, Jahrgang 1970, war 1989 ein Schlüs­sel­jahr. Sie er­lebte als junge Jour­na­lis­tin im Pro­fil den Fall des Eiser­nen Vor­hanges mit. Mit Öster­reichs Ge­schichts­ver­ges­sen­heit wuchs sie ohne­hin auf. Über den Lon­do­ner Pro­zess ge­gen den Holo­caust­leug­ner David Irving schrieb sie einen viel­be­ach­teten Re­por­tage­band. Und wie schon in „Quasi­kri­stalle“, ihrem letz­ten Ro­man, nimmt Me­nas­se ver­schie­dene Er­zähl­per­spek­tiven ein, um eine These zu de­mons­trie­ren: Die eine Ge­schich­te gibt es nicht, es sind im­mer vie­le Er­zäh­lun­gen neben­ei­nan­der, die sich wider­spre­chen und in Kon­kur­renz zu­ei­nander ste­hen.

Wer sich im Lesefluss gerne an einer Pro­ta­go­nis­tin oder einem Pro­ta­go­nisten fest­hält, wird ent­täuscht. Wer gern tief in die Psyche und in das Be­ziehungs­ge­flecht von fik­ti­ven Cha­rak­teren ein­taucht, wer gerne in Ro­ma­nen ver­sinkt, die Zeit­ge­schichte bloß en pas­sant mit­er­zählen, wie sie bei­spiels­weise die ita­lienische Au­to­rin Fran­ces­ca Me­lan­dri schreibt, auch.

Menasse schafft eher ein literarisches Wimmel­bild mit einer Viel­zahl an possier­lich über­zeich­neten Fi­guren. So will sie Dunkel­blums kollek­ti­ves Ge­dächt­nis und Ge­wis­sen skiz­zie­ren, die Leer­stel­len die­ser in Ab­hän­gig­keiten und Ge­heim­nis­sen ver­schwo­re­nen Ge­mein­schaft. Dunkel­blums Be­woh­ner spie­len nicht die Haupt­rolle, sie sind nur Funk­tionen.

Wir lernen eine rebellierende Tochter aus besserem Haus kennen, die ge­mein­sam mit Stu­den­ten aus Wien den jü­di­schen Fried­hof Dunkel­blums res­tau­riert. Sie steht für die kri­ti­sche, junge Ge­ne­ra­tion, die will, dass sich die Vor­fahren mit den Ver­bre­chen der NS-Zeit kon­fron­tie­ren. Es gibt den alten Dorf-Nazi, der res­pek­tiert wird, weil er sei­ne alten Kon­takte stets für die Dorf­ge­mein­schaft ein­ge­setzt hat. Die re­so­lute Hotel­wir­tin, die als Zim­mer­mäd­chen unter den alten Ho­te­li­ers, Ju­den, an­fing und dann das Haus über­nahm. Dazu den Dorf­arzt, der sein Wis­sen über das da­ma­lige Mas­sa­ker mit in die Pen­sion nimmt. Einen jü­di­schen Greißler, der in seiner alten Heimat­stadt nach dem Krieg trotz allem neu an­ge­fangen hat.

Und einen geheimnisvollen Gast aus Übersee, der viele un­an­ge­nehme Fra­gen stellt und sich der Suche nach den Grä­bern der einst Er­mor­de­ten ver­schrie­ben hat. Ein Lage­plan des Ortes er­leich­tert die Orien­tie­rung. Es wird auf den über 500 Sei­ten mit­unter näm­lich ganz schön un­über­sicht­lich.

Zwischendurch nimmt Menasse die Haltung einer alt­klugen, sar­kas­ti­schen Stadt­schrei­berin ein. Sie spart nicht mit Dia­lekt­aus­drücken. Topfen­neger, Kri­spin­deln, Zniach­terln, Tschick, Tschop­perl, Tuchent: ein Glos­sar am Ende des Romans hilft Le­sen­den jen­seits des bay­erischen Sprach­raums beim De­chif­frie­ren der groß­zügig ein­ge­streu­ten Ösi-Folk­lore. Das deut­sche Feuil­le­ton lobte Me­nasses Kunst-Dunkel­blume­risch, man bekäme regel­recht „Dialekt­neid“, schrieb Die Zeit. Vor Ort liest es sich strecken­weise manie­riert.

Was bleibt? „Das ist nicht das Ende der Ge­schich­te“, lautet Menasses letz­ter Satz. Dunkel­blums Ge­heim­nis – was ge­schah in der Nacht des Mas­sa­kers an den jü­di­schen Zwangs­ar­bei­tern und wo liegt ihr Grab – bleibt ver­bor­gen. Unter den Schich­tungen des Er­in­nerns und dem Zucker­guss des Ver­drän­gens. Das ist durch­aus stim­mig. Eva Me­nasse hat Öster­reichs Ver­gan­gen­heits­po­li­tik ein wür­diges litera­ri­sches Denk­mal ge­setzt.

Barbaba Tóth in Falter 34/2021 vom 27.08.2021 (S. 28)

Posted by Wilfried Allé Sunday, December 5, 2021 1:05:00 PM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
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Zu viel und nie genug 

Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf (deutsche Ausgabe von Too Much and Never Enough)

von Mary L. Trump

ISBN: 9783453218154
Ausgabe: Deutsche Erstausgabe
Verlag: Heyne
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Biographien, Autobiographien
Umfang: 288 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 12.08.2020
Übersetzung: Christiane Bernhardt, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Monika Köpfer, Eva Schestag
Preis: € 22,70

Kurzbeschreibung des Verlags:

Das wahre Gesicht von Donald Trump – intime Details aus der Familiengeschichte des US-Präsidenten
Mary L. Trump, Nichte des US-Präsidenten und promovierte klinische Psychologin, enthüllt die dunkle Seite der Familie Trump. Einen Großteil ihrer Kindheit verbrachte Mary im Hause ihrer Großeltern in New York, wo auch Donald und seine vier Geschwister aufwuchsen. Sie schildert, wie Donald Trump in einer Atmosphäre heranwuchs, die ihn für sein Leben zeichnete und ihn letztlich zu einer Bedrohung für das Wohlergehen und die Sicherheit der ganzen Welt machte.Als einziges Familienmitglied ist Mary Trump dazu bereit, aus eigener Anschauung die Wahrheit über eine der mächtigsten Familien der Welt zu erzählen. Ihre Insiderperspektive in Verbindung mit ihrer fachlichen Ausbildung ermöglicht einen absolut einmaligen Einblick in die Psyche des unberechenbarsten Mannes, der je an der Spitze einer Weltmacht stand.
»Anstößig, bissig und gut recherchiert – und zugleich doch eine fesselnde Erzählung.« —The Guardian »Nach vielen, vielen Trump-Büchern ist dieses tatsächlich unentbehrlich.« — Vanity Fair

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.08.2020

Mit diesem Buch ist es Donald Trumps Nichte Mary L. Trump gelungen, das Verhalten des Präsidenten vor dem Hintergrund seiner Erziehung verständlich zu machen, findet Rezensentin Marlen Hobrack. Die Autorin zeigt Trumps fehlende Empathie und sein Anspruchsdenken als Resultat der Bevorzugung durch den soziopathischen Vater, der Donalds Bruder Freddy vor Donalds Augen beständig demütigte, so die Kritikerin. Nach der Lektüre versteht Hobrack allerdings noch immer nicht, wieso Millionen von Amerikanern Donald Trump für einen fähigen Präsidenten halten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.08.2020

Rezensent Claudius Seidl nimmt dieses Buch, das er zunächst vielleicht für überflüssig hielt, am Ende sehr ernst. Denn es hat ihm nicht nur das erzählt, was man durch genaues Hinsehen und -hören schon längst wusste, erklärt er. Vielmehr schaffe es die Nichte Donald Trumps, teils womöglich unfreiwillig, so der Kritiker, die große Energie und das große Können ihres Onkels in Sachen Tricks, Blendung und Hochstapelei zum Schutz seiner selbst zu porträtieren. Leider ist er kein "Clown", lautet das Fazit des Rezensenten, sondern tatsächlich ein extrem gefährlicher Mann.

Posted by Wilfried Allé Sunday, December 5, 2021 11:22:00 AM Categories: Autobiographien Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Biographien
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Spazierengehen ist erlaubt 

Eine Stimmen-Collage der Pandemie in Erinnerungen, Zitaten, Träumen & Albträumen

von Sebastian Hofer , Wolfgang Paterno

ISBN: 9783903290617
Genre: Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Umfang: 300 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 01.10.2021
Verlag: bahoe books
Preis: € 19,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Das wahre Dunkel der Corona-Pandemie erschließt sich nicht in Fallzahlen und Übersterblichkeitsstatistiken. Es lässt sich nicht anhand von Aktienkursen und Arbeitslosenzahlen erfassen, nur bedingt an Angst-, Stress- und Depressionserzählungen, Bildungs- oder Protestberichten. Die Pandemie ist uns allen, die wir im Frühling 2020 aus dem gewohnten Leben gerissen wurden, eingeschrieben, zu oft aber noch immer unlesbar. Es bleibt auf unbestimmte Zeit hinaus unfassbar, wie diese kollektive Grenzerfahrung in das Gefüge der Welt eingegriffen hat.
Dieses Buch ist der Versuch, die Dynamiken der Pandemie zu ermessen – an dem, was über sie gesagt und geschrieben wurde. Im ersten Schock, im trügerischen Aufatmen, in den Rückschlägen und Hoffnungen. Im Versuch, damit zurechtzukommen, die jähe Bedrängnis der Pandemie zu managen, zu bewältigen, zu vergessen, über die Opfer zu trauern. Von Politikerinnen, Friseuren, Kindern, Kranken und Hinterbliebenen. Von Zweiflern und Kritikerinnen, Wissenschaftlern, Reporterinnen und Journalisten, Autoren und Schriftstellerinnen, Schülern und Schülerinnen. Von so vielen. Spazierengehen ist erlaubt ist das Logbuch eines schier endlosen Ausnahmejahres, in dem Erinnerungen, Zitate, Träume und Albträume als Stimmen-Collage versammelt sind. Das Geflecht im Gerüst sich überschlagender Ereignisse, ein anschwellender Kanon des Unsagbaren.

FALTER-Rezension

Es wäre natürlich schöner, wir hätten das Gröbste überstanden und diese Neuerscheinung ließe sich als Nachbericht lesen. "Eine Stimmen-Collage der Pandemie in Erinnerungen, Zitaten, Träumen &Albträumen" (Untertitel) haben die Profil-Redakteure Hofer und Paterno zusammengetragen und zum "Logbuch eines endlosen Ausnahmejahres" (Vorwort) arrangiert. Die Frage ist, ob man das ausgerechnet jetzt lesen möchte -und nicht lieber in Kochbüchern nach aufwendigen Rezepten stöbert oder sich einen dicken Roman aus dem 19. Jahrhundert vornimmt.

Dessen ungeachtet bietet "Spazierengehen ist erlaubt" einen guten Überblick über die Dynamiken der Pandemie sowie das atemlose Wortgeklingel, das diese Zeit mitprägt. Das Buch listet nicht nur beflissen Politikerzitate und Pressestimmen auf, auch Schülerinnen, Postbusfahrer und Schriftstellerinnen kommen darin zu Wort.

Sebastian Fasthuber in Falter 48/2021 vom 03.12.2021 (S. 36)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, December 1, 2021 10:56:00 PM Categories: Belletristik/Essays Feuilleton Interviews Literaturkritik
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Die Erschöpfung der Frauen 

Wider die weibliche Verfügbarkeit

Franziska Schutzbach

Verlag: Droemer Knaur Verlag
Auflage: 3. Auflage
Umfang: 304 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft, Feminismus
Erscheinungsdatum: 01.10.2021
ISBN - Buch: 978-978-3-426-27858-1
Format - Buch: gebundene Ausgabe
Preis - Buch: € 18,95
ISBN/EAN - e-Book:
9783426462027
Format - e-Book:
ePub
Preis - e-Book:
Euro 15,99

Frauen haben heute angeblich so viele Entscheidungs­möglich­keiten wie nie zuvor. Und sind gleich­zeitig so er­schöpft wie nie zuvor. Denn nach wie vor wird von ihnen ver­langt, per­ma­nent ver­füg­­bar zu sein. Die Geschlech­ter­for­scherin Franziska Schutzbach schreibt über ein System, das von Frauen alles erwartet und nichts zurückgibt – und darüber, wie Frauen sich dagegen auflehnen und alles verändern: ihr Leben und die Ge­sell­schaft.  

In unserer Gesellschaft wird Weib­lichkeit gleich­ge­setzt mit Für­sorg­lich­keit. Frauen sind, ob in der Fa­mi­lie, in Be­zie­hungen oder im Beruf, zu­stän­dig für emo­tio­nale Zu­wen­dung, für Har­mo­nie, Trost und Be­zie­hungs­ar­beit – für Tätig­keiten also, die un­sicht­bar sind und kaum An­er­ken­nung oder Be­zah­lung er­fah­ren. Sie „schul­den“ anderen – der Fa­mi­lie, den Män­nern, der Öffent­lich­keit, dem Ar­beits­platz – ihre Auf­merk­sam­keit, ihre Liebe, ihre Zu­wen­dung, ihre Attrak­tivi­tät, ihre Zeit. Und kämpfen jeden Tag gegen emo­tio­nale und sexuelle Ver­füg­bar­keits­er­war­tungen.

Es sind diese allgegen­wärtigen An­sprüche, die Frauen in die Er­schöp­fung trei­ben. Denn – de­kla­riert als „weib­liche Natur“ – ist die ge­leis­tete Sorge­ar­beit meist wenig an­er­kannt und bleibt un­sicht­bar. Sie gilt öko­no­misch als ir­re­le­vant und ist ge­rade des­halb aus­beut­bar. Das Buch zeigt, dass die Ver­füg­bar­keits­an­sprü­che für unter­schied­liche Frauen Unter­schied­liches be­deu­ten: Ob als Müt­ter oder als Mäd­chen, ob als schwarze oder weiße Frauen, als Mi­gran­tin, Trans- oder non bi­näre Person, als dicke oder les­bi­sche Frau, ob im Dienst­leistungs­sek­tor, in Pflege­be­rufen oder in der digi­talen (Selbst)­ver­marktung, ob als Poli­ti­kerin oder Künst­lerin – die Ver­aus­gabung hat unter­schied­liche Aus­maße und unter­schied­liche Ur­sa­chen.

Die Geschlechter­forscherin Franziska Schutzbach wendet sich gegen ein mi­so­gynes Sys­tem, das von Frauen alles er­wartet und nichts zu­rück­gibt. Und sie zeigt, welch viel­fäl­tigen Wider­stand Frauen gegen die Aus­beu­tung ihrer Ener­gie, ihrer Psyche und ihrer Körper leis­ten. Ein Wider­stand, der zu einer trei­ben­den Kraft für neue Ar­beits- und Lebens­weisen wird und die Welt ver­än­dert.

Ein kluger und fundierter Beitrag zu einer an­hal­tend ak­tuel­len De­batte.

Posted by Wilfried Allé Saturday, November 27, 2021 2:28:00 PM Categories: Feminismus Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Skifahren in Ostösterreich 

Alle Lifte und Pisten in Niederösterreich, Wien und Burgenland. Mit Loipen-Tipps und Steiermark-Teil

Wolfgang Kralicek

EAN: 9783854395140
Genre: Reisen/Reiseführer/Europa
Umfang: 256 Seiten
Format: Gebundene Ausgabe
Erscheinungsdatum: 22.02.2016
Verlag: Falter Verlag
Preis: € 22,90

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Wer den Schlepplift nicht ehrt, ist die Skischaukel nicht wert: Dieses Buch ist ein Plädoyer für Skifahren in Ostösterreich. Es richtet sich an Wintersportbegeisterte, die ihren Sport regelmäßig ausüben wollen oder im Winter öfter mal nach einem Wochenendprogramm für sich und ihre Kinder suchen. Wer das Buch gelesen hat, wird staunen, wie viele Möglichkeiten es dafür in Österreichs Ostregion gibt.
Ski fahren, das ist für viele skibegeisterte Wienerinnen und Wienern der alljährliche Skiurlaub in hochalpinen Regionen, in Kitzbühel, Schladming oder Lech am Arlberg etc. Dabei liegt der Schnee vor ihrer Haustür. Nicht einmal eine Stunde Autofahrt ist es von der Hauptstadt bis zu den Bergen.
Wien ist kein Wintersportort, aber die Pisten sind näher als man denkt.
Die Ski- und Langlaufregionen Niederösterreichs sowie die unmittelbar angrenzenden Gebiete der Steiermark werden anhand des Guides präsentiert, in ihrer lokalen Vielfalt dargestellt und für Touristen, insbesondere aus dem Großraum Wien, erlebbar gemacht.

FALTER-Rezension

Auch Marcel Hirscher fuhr am Babylift

Rund um Wien gibt es 74 Lifte und 200 Pistenkilometer. Das beste dran: Skifahren ist dort sogar leistbar

Richtig alpin, sagt Lukas Weghofer, fahre er am liebsten am Arlberg. In Stuben. Weniger, weil in dem kleinen Bergdorf in den 1930er-Jahren der Grundstein zum modernen Skilauf gelegt wurde, sondern weil Stuben nicht Lech ist. Also kein Lifestyle-Hotspot, sondern ein „Skifahrerort“. Denn ums Skifahren geht es Lukas Weghofer. „Das liegt in meinen Genen“, sagt er. Oder zumindest in der Familie.

Denn als 1986 der „Schiklub Wiesen“ gegründet wurde, war Weghofers Familie federführend dabei: Die Oma war Kassiererin, betreute den Rennkader und führte die Skihütte. Die Mutter übernahm – und vor drei Jahren wurde Weghofer Vereinspräsident. Dass er da erst 19 Jahre alt war, beachtete niemand. Weil etwas anderes ins Auge stach: Wiesen liegt im Burgenland. Dass es auch dort Skifans gibt, verwundert nicht. Aber eine Skihütte? „Ja“, lacht Weghofer, „wir haben ja auch einen Pistenbully und Schneegeräte – wie sollen wir sonst die Piste präparieren?“

Skifahren im Burgenland ist kein Witz. Vorletzte Saison lief der Wiesener Lift sieben Wochen. Rekord. 2018 konnte man ab Mitte Februar beschneien: „Zwei Wochen Sonnenskilauf!“ Der Wiesener Schlepplift ist 300 Meter lang. Die Talstation liegt auf 340, die Bergstation auf 380 Metern. Zum Schneeschnuppern reicht das. Sagen die mehr als 1000 Vereinsmitglieder. Mitglied kann jeder werden. Die Mitgliedskarte ist die Liftkarte. Kosten: 27 Euro. Für die ganze Saison.

Wiesen ist nicht der einzige Skiort im Burgenland: Kukmirn hat einen Lift. Rettenbach zwei. Das Etikett „Skizentrum“ passt dennoch: Rettenbach ist bei Grasskifahrern weltberühmt. 2009 fand hier die WM statt. Im Winter rutschen dann Kinder über Schnee – wenn es ihn gibt.

„Skigebiete“ wie im Burgenland gibt es in Österreich zuhauf. Im Wintersportuniversum firmieren sie als „Wirtshaus-“ oder „Bürgermeisterlifte“, erklärt Markus Redl. Der Geschäftsführer der Niederösterreichischen Bergbahnen (die unter anderem Lifte am Hochkar, in Annaberg und in St. Corona am Wechsel betreibt) meint gar nicht hämisch: „Für die Lust am Skifahren spielen diese Kleinstanlagen eine zentrale Rolle“.

Nicht nur Redl sieht das so: „Uns fehlen langsam die kleinen, kurzen Dorflifte, wo man schnell nach der Schule trainieren kann“, zitierte Wolfgang Kralicek 2016 ÖSV-Herrencheftrainer Andreas Puelacher in „Skifahren in Ostösterreich“ (siehe Info-Spalte auf Seite 45). Kralicek beschreibt in diesem Standardwerk aus dem Falter Verlag nicht nur „Klassiker“ wie Hochkar, Semmering und Stuhleck, sondern noch den kleinsten „Fliegenden Teppich“: „Auch Marcel Hirscher ist einmal Babylift gefahren.“

Setzt man den Anfahrtsweg auf maximal 120 Minuten ab Wien, finden sich in Niederösterreich 21 Klein-Skigebiete: 29 Lifte. Knapp 37 Pistenkilometer. Tageskarten zwischen neun und 27 Euro. Zählt man die „Großen“ (Hochkar, Lackenhof, Semmering, Annaberg, Mönichkirchen, Puchberg oder Sankt Corona am Wechsel etwa) dazu, ergibt das 74 Lifte und 191 Pistenkilometer. Nördlich von Bratislava, in den kleinen Karpaten gibt es in Pezinska Baba noch einmal zwei Lifte und drei Pisten.

Sicher: Wer hochalpines High-End-Skifahren sucht, wird da enttäuscht werden. Aber darum geht es ja nicht. Nicht, wenn man mit Kindern unterwegs ist. Nicht, wenn man weder 50-Euro-Tageskarten noch 14-Euro-Germknödel sucht. Nicht, wenn man spüren will, was Skifahren auch sein kann: Einfach – und schön. Darum postuliert Kralicek in seinem Buch auch eine zentrale Botschaft des Wintersports: „Der Schlepplift ist dem Menschen zumutbar.“

Thomas Rottenberg in Falter 3/2019 vom 2019-01-18 (S. 44)

Leserstimmen

Genau das Buch, das ich gesucht habe! Perfekt! (Julia K., Wien)
Phantastisch beschrieben, wenn einmal der Schnee kommt, gut zu gebrauchen. (Michael S., Schwadorf)
Sehr praktisch + alles da, was man wissen sollte (Robert M., Vösendorf)

Posted by Wilfried Allé Friday, November 26, 2021 11:48:00 PM Categories: Reisen/Reiseführer/Europa
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30 Ideen für Europa 

Verlag: Czernin Verlag
Herausgeber: OeGfE (Österreichische Gesellschaft für Europapolitik)
Umfang: 144 Seiten
Genre: Politikwissenschaft/Politik, Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Erscheinungsdatum: 22.09.2021
ISBN - Buch: 978-3-7076-0749-9
Format - Buch: Hardcover
Preis - Buch: € 20,00
ISBN - e-Book:
978-3-7076-0750-5
Format - e-Book:
ePub
Preis - e-Book:
Euro 14,99

Wie geht es mit der Europäischen Union weiter? Wie werden die gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie bekämpft? Wer findet Antworten auf die Klimakrise und wie können die Chancen der Digitalisierung genutzt werden?

Ob Bildung, die globale Positionierung der Union oder die Gesundheitskrise: Die Europäische Union steht vor umfassenden Herausforderungen. Nicht nur der Umgang mit Migration und der Schutz der EU-Außengrenzen haben zu immer stärkeren Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten geführt. Auch die unterschiedliche Auslegung von Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten macht deutlich: Es braucht dringend neue, gesamteuropäische Impulse.

»30 Ideen für Europa« versammelt spannende Kommentare von je 15 Autorinnen und Autoren unterschiedlichster Fachrichtungen und Hintergründe, die ihre Vorstellungen für eine vielfältige Zukunft der EU skizzieren.

Mit Beiträgen von: Renate Anderl, Silvia Angelo, Elodie Arpa, Barbara Blaha, Mercedes Echerer, Teresa Eder, Edeltraud Hanappi-Egger, Sylvia Kritzinger, Hannah M. Lessing, Corinna Milborn, Katharina Rogenhofer, Margit Schratzenstaller, Christa Schweng, Nini Tsiklauri, Christa Wirthumer-Hoche sowie Helfried Carl, Vedran Džihić, Belached Gebrewold, Robert Holzmann, Wolfgang Katzian, Gerald Knaus, Michael Landau, Helmut Leopold, Harald Mahrer, Gerhard Mangott, Josef Moosbrugger, Hans Dietmar Schweisgut, Martin Selmayr & Werner Wutscher

Posted by Wilfried Allé Thursday, November 18, 2021 11:31:00 AM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945) Politikwissenschaft/Politik
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Einspruch! 

Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online

von Ingrid Brodnig

ISBN: 9783710605208
Ausgabe: 4. Auflage
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 160 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 25.01.2021
Verlag: Brandstätter Verlag
Illustrationen: Marie-Pascale Gafinen
Preis: € 20,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Was tun, wenn Freunde, Verwandte oder Bekannte mit Aus­sagen kom­men, die ins Reich der Ver­schwörungs­mythen und Fake News ge­hören? Wie mit bi­zar­ren oder gar ge­fähr­lichen Theo­rien in sozi­alen Medien um­gehen? In Dis­kus­sio­nen über das Corona­virus, die Klima­krise oder Mi­gra­tion ver­zwei­feln wir über Speku­latio­nen und Falsch­mel­dungen. Das Ge­fühl der Über­for­de­rung wächst: Wie­so glau­ben die mir nicht ein­mal dann, wenn ich dem Un­sinn im WhatsApp-Chat mit Fakten kontern kann?
Ingrid Brodnig zeigt, wie wir in hitzigen Debat­ten ruhig blei­ben und unse­ren Stand­punkt ver­deut­lichen. Wann ist Dis­ku­tieren über­haupt sinn­voll? Warum sind unseri­öse Stim­men sicht­barer, und wel­che rhe­to­ri­schen Tricks sollte man ken­nen? Wel­che Rol­le spie­len digi­tale Ka­näle, und wie kom­men wir ge­gen die Macht der Auf­merk­sam­keits­öko­nomie an? Die­ses Buch lie­fert die Stra­te­gien für eine kluge Dis­kus­sions­füh­rung und Tipps für Formu­lie­rungen, die auch in emo­tio­nali­sier­ten Dis­kus­sionen wirken.

FALTER-Rezension

„Ich war immer schon ein Geek“

Als „Mini-Medium“ beschreibt sie sich. Ingrid Brodnig, deren jour­na­lis­tische An­fänge beim Falter lie­gen, ist seit Jah­ren die Inter­net-Er­klärerin der Nation. Die 36-Jäh­rige hat mittler­weile fünf Bücher ge­schrie­ben über die großen Fra­gen, die Inter­net­nutzer um­trei­ben: Wie um­gehen mit Hass im Netz, wie mit Ano­ny­mi­tät und wie mit Falsch­mel­dun­gen? Auch mit der Macht der US-Digi­tal­kon­zerne hat sie sich be­reits aus­ein­ander­ge­setzt.

In „Einspruch!“, das im Jänner erschien, be­schäf­tigt sie sich damit, wie man in Dis­kus­sio­nen Ver­schwö­rungs­theo­rien ent­kräf­ten kann – vor al­lem jene rund um Co­ro­na. Mit dem ­Fal­ter sprach Brodnig über „Deplat­forming“, den Idea­lis­mus des E-Mails und wa­rum sie Ver­schwö­rungs­er­zäh­lungen rund um Bill Gates auch nach­voll­ziehen kann.

Falter: Frau Brodnig, wann sind Sie das letzte Mal einer Falschmeldung aufgesessen?

Ingrid Brodnig: Als die Satireseite Die Tages­presse sehr neu war, gab es einen Ar­tikel über ein neues Mas­kottchen der römisch-katho­lischen Kirche. Das war Keuschi, das Känguruh, das für Keusch­heit bei Jugend­lichen plä­diert. Ich habe es am An­fang für wahr ge­halten. Man ist im­mer dann empfäng­lich, Falsch­mel­dungen zu glau­ben, wenn sie die eige­nen Vor­ur­teile be­stä­tigen. Und für mich war das, dass die Kirche einen selt­samen Um­gang mit Sexua­li­tät und kei­nen wirk­lichen Zu­gang zur Jugend­kul­tur hat. Ich geh übri­gens auch da­von aus, dass es Falsch­mel­dungen gibt, die ich nach wie vor glaube, ohne zu wis­sen, dass es Falsch­mel­dungen sind.

Warum?

Brodnig: Man ortet das Problem der Irreführung bei anderen viel bes­ser als bei sich selbst. Das nennt man den „Third-Per­son Effect“. Leute stu­fen die Chance, selbst auf etwas rein­zu­fal­len, nied­riger ein als bei an­deren. Rech­ne­risch geht sich das nicht aus. Peter Filz­maier hat in einer Um­frage ge­zeigt, dass nur vier von zehn Öster­rei­chern mei­nen, dass sie sich selbst schwer­tun, zwi­schen Fake und rea­len News zu unter­schei­den. Aber acht von zehn Be­frag­ten mei­nen, dass an­dere sich schwer­tun. Ent­weder über­schätzt man sich selbst oder man unter­schätzt die an­deren – oder beides.

Welche Falschmeldungen und Verschwörungstheorien sind die erfolgreichsten?

Brodnig: Viele aktuelle Erzählungen sind in der Sache völ­lig un­sin­nig, aber sie funk­tio­nieren, weil da­bei Be­dürf­nisse, Feind­bilder oder Ängste mit­schwin­gen, die Leute ha­ben. Die My­then rund um Bill Gates zei­gen das. Gates för­dert ja mit sei­ner Stif­tung tat­säch­lich viel For­schung und Impf­pro­gram­me in Ent­wick­lungs­län­dern. Das macht ihn zum Feind­bild von Impf­geg­nern. Aber manch­mal kön­nen auch jene Men­schen der Anti-Bill-Gates-Rhe­to­rik etwas ab­ge­win­nen, die Sor­ge haben, dass Super­rei­che sehr stark be­ein­flus­sen, welche For­schung statt­fin­det oder welche medi­zi­ni­schen Pro­gram­me er­mög­licht wer­den. Es ist leicht, Ver­schwö­rungs­my­then zu be­lächeln, aber beim Dis­ku­tie­ren sollte man genau hin­hören, was eine Er­zäh­lung für je­man­den attrak­tiv macht. Und dann bei­spiels­weise sa­gen, ich kann deine Skep­sis rund um super­rei­che Mä­zene nach­voll­zie­hen, aber man sollte fair blei­ben und Gates nur daran be­wer­ten, was er getan hat.

Nach den Ausschreitungen im US-Kapitol Anfang Jänner haben Face­book und Twit­ter die Accounts von Donald Trump ge­sperrt. Auch er hat Falsch­mel­dungen ver­brei­tet, etwa, dass die Wahl ge­fälscht wor­den sei. Ist es nicht ge­fähr­lich, wenn pri­vate Unter­nehmen so et­was ent­scheiden können?

Brodnig: Das Oversight Board von ­Facebook, eine Art fach­licher Bei­rat der Platt­form, kam in sei­ner Stel­lung­nahme An­fang Mai zu dem Er­geb­nis, dass es gerecht­fer­tigt war, Trump aus­zu­sper­ren, weil seine Pos­tings das Risiko der Ge­walt ver­größer­ten. Man könnte die Fra­ge stel­len, wa­rum so lange ge­wartet wurde. Mein Ein­druck ist, dass Social-Media-Platt­formen oft erst spät rea­gie­ren, und dann, wenn es poli­tisch oppor­tun ist. Also zum Bei­spiel, wenn Trump tat­säch­lich die Wahl ver­loren hat und die Demo­kra­ten die Füh­rung über­nehmen. Ich finde aber auch, auf lange Sicht sollte es nicht die Ent­schei­dung von weni­gen Unter­nehmen sein, wer Zu­gang zu einem Mil­liar­den­publi­kum be­kommt. Man könnte über­legen, die ge­richt­li­chen Zu­stän­dig­kei­ten aus­zu­dehnen oder eine Medien­auf­sicht in Europa ein­zu­führen, die Leit­linien for­mu­liert, wann es not­falls in Ord­nung ist, ei­nen rele­van­ten Poli­tiker aus­zu­sperren.

Und wenn jemand wie Martin Sellner von Youtube gesperrt wird, der zwar ex­tre­mis­tische Ideo­lo­gien ver­brei­tet, aber vom Einf­luss nicht mit einem US-Prä­si­den­ten zu ver­gleichen ist?

Brodnig: Es gibt Untersuchungen, die zeigten, dass rechts­ex­treme Ak­teure, die von großen Platt­formen ver­bannt werden, auf klei­neren Platt­formen weni­ger Reich­weite er­zie­len. In Öster­reich, in Euro­pa kann ich kla­gen, wenn ich ent­fernt werde; auch Sellner hat das ge­tan und ist ab­ge­blitzt. Auf lange Sicht wer­den wir mehr Ge­richts­ver­fahren rund um sol­che Fra­gen ha­ben. Und so we­nig Sym­pathie ich für Martin Sellner habe, halte ich es für not­wen­dig, Sper­ren trans­pa­rent zu ma­chen, weil wir erst dann da­rüber ver­nünf­tig dis­ku­tie­ren kön­nen. Ver­gan­genes Jahr ist Face­book bei­spiels­weise stren­ger ge­gen einige rechts­ex­treme Milieus vor­ge­gan­gen. Es sind aber auch anti­ras­sis­tische Skin­heads ge­sperrt wor­den. Face­book hat spä­ter ein­ge­räumt, dass das ein Feh­ler war, und sie wie­der zu­ge­las­sen. Wir wis­sen aber nicht, ob ein Feh­ler pas­sierte, weil ein Al­go­rith­mus irrte oder ein mensch­licher Mode­rator falsch lag. Das ist ein Problem.

Ist das Oversight Board von Facebook, das seit Oktober 2020 ar­beitet, ein Schritt in die rich­tige Richtung?

Brodnig: Darin sitzen namhafte Expertinnen und Experten, die es ernst neh­men, wie der frü­here Guardian-Chef­redak­teur Alan Rus­bridger. Aber am Ende ist es nur ein be­raten­des Gre­mium für Face­book. Das ist bes­ser, als es vor­her war. Aber man darf es nicht mit einem Höchst­ge­richt ver­glei­chen. Als Mark Zucker­berg es 2018 an­kün­dig­te, be­schrieb er es „fast wie ein Höchst­ge­richt“. Aber es gibt das Board nur, weil Face­book es fi­nan­ziert. Wenn Face­book die Ent­schei­dungen igno­riert, pas­siert auch nichts.

Der Digital Services Act der EU-Kommission will den großen Platt­­for­men mehr Trans­pa­renz auf­er­legen. So sol­len mehr Daten an die For­schung wei­ter­ge­ge­ben wer­den dür­fen, um wirk­lich zu ver­ste­hen, wie sehr der
Algo­rith­mus das mensch­liche Ver­­hal­ten be­ein­flusst. Wird das gelingen?

Brodnig: Ich bin zuversichtlich, dass die EU-Kommis­sion es ernst meint, den großen Digi­tal­kon­zer­nen auf die Füße zu stei­gen. Viele Poli­tiker wur­den zu­dem be­reits Opfer von Hass­kom­men­taren und Falsch­mel­dungen. Das er­höht die Chance, dass sie es ernst neh­men. Meine Er­fah­rung mit euro­pä­ischen Ver­hand­lungs­pro­zes­sen ist, dass es im Finish ein ex­tremes Tau­ziehen gibt, die Fra­ge bleibt, ob sich ge­wisse Wirt­schafts­inter­essen oder zivil­ge­sell­schaft­liche An­lie­gen durch­setzen. Die Daten­schutz­grund­ver­ord­nung wurde auch des­halb so streng, weil ge­rade die NSA-Af­färe auf­flog. Da­mals wurde klar, unse­re Da­ten und unse­re Privat­sphäre sind gefährdet.

Hat denn da die EU realistischerweise überhaupt diese Macht?

Brodnig: Jeder, der mir ein Produkt in meinem Wirt­schafts­raum ver­kauft, muss mei­ne Re­geln be­folgen. Wie­so soll das Digi­tale die erste Wirt­schafts­spar­te sein, die nicht re­gu­liert wer­den kann? Wenn die EU stren­gere Re­geln hat, gehe ich da­von aus, dass die von Face­book, You­tube und Co be­folgt wer­den. Für Face­book sind die USA der größte Markt für Werbe­ein­nah­men. An zwei­ter Stelle kommt schon Europa. Kein Digi­tal­kon­zern kann den ei­ge­nen Aktio­nä­ren er­klä­ren, wa­rum er auf die­sen Markt ver­zichtet.

Sie gehören zu der Generation, die als Teenager erstmals mit dem Internet in Kon­takt kamen. Wie hat sich das da­mals an­gefühlt?

Brodnig: Einer unserer Informatiklehrer hieß Url. An den Schul­com­putern waren viele Web­siten ge­sperrt, es stand im­mer „URL is not allowed“. Ich habe mir im­mer ge­dacht, es ist so ge­mein vom Pro­fes­sor Url, dass er al­les sperrt ... Die ers­ten Geh­ver­suche im Netz ga­ben mir das Ge­fühl: Die­ses Ding wird al­les ver­än­dern. Das ist der Grund, wa­rum ich mich als Jour­na­lis­tin da­rauf spezia­li­siert habe. Ich war im­mer ein Geek. Und ich kann bis heute der An­nahme, dass das Inter­net eine Chance für eine sach­li­chere, res­pekt­vol­lere, bes­sere De­bat­te bie­tet, etwas ab­ge­win­nen. Der Fehl­schluss war da­mals al­ler­dings, dass sich diese gute Seite nicht auto­ma­tisch zeigt. Außer­dem gab es in den Nuller­jah­ren die­se Ent­wicklung, dass aus einer Viel­zahl der digi­ta­len An­ge­bote eine Mono­kul­tur von weni­gen domi­nan­ten Platt­for­men wurde. Hät­ten wir an den Ideal­vor­stel­lun­gen fest­ge­halten, hät­ten wir heute ein bes­seres Inter­net. Ein Bei­spiel: Von einer Gmail-Adres­se kann ich E-Mails an Leute mit einer Hot­mail-Adres­se schicken. Das er­laubt die Inter­opera­bi­li­tät von E-Mails. Aber eine Nach­richt auf Face­book kann ich nicht an je­man­den auf Signal schicken. Da wur­de die Inter­ope­ra­bi­li­tät ge­zielt ein­ge­schränkt, damit die Platt­formen die Leute im ei­ge­nen Reich behalten.

Anna Goldenberg in Falter 20/2021 vom 21.05.2021 (S. 24)

Posted by Wilfried Allé Monday, November 15, 2021 3:37:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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