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Eine kurze Geschichte der Gleichheit 

von Thomas Piketty

ISBN: 9783406790980
Übersetzung: Stefan Lorenzer
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Geschichte/Allgemeines, Nachschlagewerke
Umfang: 264 Seiten
Erscheinungsdatum: 25.08.2022
Preis: € 25,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

 

DAS NEUE GROSSE BUCH DES BESTSELLER-AUTORS THOMAS PIKETTY

"Das ist ja interessant, was Sie schreiben, aber können Sie es viel­leicht auch kürzer sagen?" Diese Frage ist Thomas Piketty, der mit seinen vo­lu­mi­nösen Best­sel­lern "Das Kapi­tal im 21. Jahr­hun­dert" und "Kapi­tal und Ideo­lo­gie" eine inter­na­tio­nale De­batte über die Ur­sachen so­zi­aler Un­gleich­heit in Gang ge­bracht hat, oft ge­stellt wor­den. Piketty hat diese Bit­ten ernst ge­nom­men und sich an die Ar­beit ge­macht. Das Er­geb­nis ist eine Welt­ge­schichte der so­zi­alen Kon­flikte und Kon­stel­la­tionen und eine Lek­tion in glo­ba­ler Ge­rech­tig­keit: das eine Öko­no­mie-Buch, das wirk­lich je­der ge­le­sen ha­ben sollte.

Thomas Piketty hat mit seinen Büchern die so­zi­ale Un­gleich­heit wieder zu­rück ins Zen­trum der po­li­ti­schen De­bat­ten ge­bracht. Er sieht und be­nennt den Fort­schritt in der Ge­schich­te, und er zeigt uns, mit wel­chen Mit­teln er er­zielt wurde. Aber zu­gleich ver­wan­delt er die his­to­ri­schen Ein­sich­ten in ei­nen Auf­ruf an uns alle, den Kampf für mehr Ge­rech­tig­keit ener­gisch fort­zu­setzen, auf sta­bi­leren his­to­ri­schen Fun­da­men­ten und mit einem ge­schärf­ten Ver­ständ­nis für die Macht­struk­turen der Gegen­wart. Denn auf dem lan­gen Weg zu einer ge­rech­teren Welt stellt sich für jede Gene­ra­tion die Frage, ob sie ein neues Ka­pi­tel der Gleich­heit auf­schlägt – oder eines der Un­gleich­heit.

Ein ökonomischer Crashkurs – von Thomas Piketty
Die Quintessenz aus «Kapital im 21. Jahrhundert» und «Kapital und Ideologie»

FALTER-Rezension:

Auf dem Weg zu mehr Gleichheit
Thomas Piketty ist der wohl einflussreichste Ökonom der Gegen­wart. "Eine kur­ze Ge­schichte der Gleich­heit" er­scheint am 25. Au­gust

Er schreibt millionenfach verkaufte Best­steller und in den Fach­jour­nalen der Wirt­schafts­wis­sen­schaft; er schlägt kon­krete ge­sell­schafts­ver­än­dernde Poli­tik vor und re­vo­lutio­niert die Ver­tei­lungs­for­schung. Thomas Pikettys "Eine kurze Ge­schichte der Gleich­heit" ist eine Kurz­fas­sung seiner Standard­werke "Kapital im 21. Jahr­hundert" (2014) und "Kapital und Ideo­lo­gie" (2020), aber sie ist mehr als das. Be­schrie­ben die bei­den Bücher Ur­sachen und ideo­lo­gische Ab­siche­rung der Ver­mögens­kon­zen­tra­tion in den Hän­den weni­ger, geht es nun um die Ent­wick­lung zu mehr Gleich­heit.

Dabei zeigt sich Piketty als "radikaler Opti­mist" (Falter 11/2020). Er sieht die Ge­schichte trotz aller Un­ge­rech­tig­keiten als Ent­wick­lung hin zu mehr Gleich­heit. Etwa wenn es um die De­kon­zen­tra­tion von Ver­mö­gen geht: Der An­teil des reichs­ten Pro­zents am Ver­mögen lag in Frank­reich von 1780 bis zum Vor­abend des Ers­ten Welt­kriegs bei mehr als der Hälfte. Bis 1980 wurde er unter 20 Pro­zent ge­drückt, als Folge von Kriegen und Wirt­schafts­krisen, aber auch des Auf­stiegs der Ar­beiter­klasse, die in po­li­ti­schen Kämpfen mehr Gleich­heit und Frei­heit er­rang. Un­gleich­heit ist nicht die Folge öko­no­mi­scher Ge­setze, son­dern ideo­lo­gi­scher Weichen­stel­lungen und mensch­licher Ent­schei­dungen. Um Ent­schei­dungs­macht zu er­langen, muss man aus der Ver­gan­gen­heit lernen.

Militärische Übermacht, Kolonialismus, Sklaverei, Protek­tio­nis­mus und Aus­beu­tung des Pla­neten waren be­stim­mend für die euro­pä­ische Domi­nanz auf den Welt­märkten und den Reich­tum der euro­pä­ischen Eli­ten. So­zi­ale Kämpfe in Eu­ro­pa und den Ko­lo­nien be­en­deten die­se Domi­nanz und re­du­zier­ten den wirt­schaft­lichen und poli­ti­schen Ein­fluss der Ver­mö­gen­den. Diese Er­folge waren ambi­va­lent, selbst nach der Ab­schaf­fung der Skla­verei wur­den nicht die Opfer, son­dern die bri­ti­schen und fran­zö­si­schen Skla­ven­hal­ter für ihren Ver­lust ent­schä­digt. Die Spuren der Skla­ve­rei prä­gen noch heute Ver­mö­gens­ver­hält­nisse und Ge­sell­schaf­ten. Repa­rations­leis­tungen sind offen, die Fra­ge von Gleich­heit und Demo­kra­tie stellt sich in den welt­wirt­schaft­lichen Be­zie­hungen. Schwe­den zählte noch 1900 zu den un­gleichsten Ge­sell­schaf­ten Euro­pas. Das ex­treme Zensus­wahl­recht gab einem ver­mö­genden Fabriks-oder Grund­be­sitzer bei Gemeinde­wahlen mehr als die Hälfte aller Stim­men. Die staat­li­chen Ins­ti­tu­tionen dien­ten den Inter­es­sen der Rei­chen. Doch inner­halb we­ni­ger Jahr­zehnte wur­de Schwe­den zu einer der egali­tärs­ten Ge­sell­schaf­ten der Welt. Sozial­demo­kra­tie und Ge­werk­schaf­ten er­kämpf­ten Demo­kra­tie, Wohl­fahrts­staat und pro­gres­sive Steu­ern. Der Staat wurde zum Ins­tru­ment der ar­bei­ten­den Be­völ­kerung.

Progressive Steuern auf Ein­kommen, Ver­mögen und Erb­schaf­ten so­wie der Aus­bau des Wohl­fahrts­staates sind Kern­ele­mente in Pikettys Pro­jekt eines "demo­kra­ti­schen, öko­lo­gi­schen und multi­kul­tu­rel­len So­zia­lis­mus". Ein fort­schritt­liches Pro­jekt braucht auch eine inter­natio­nale Vi­sion, die die Macht multi­natio­naler Kon­zerne und der Mil­liar­däre welt­weit be­grenzt. Piketty ent­wirft post­kolo­niale Re­pa­rationen, ein glo­bales Ver­mögens­re­gister und neue For­men inter­natio­naler Demo­kra­tie, um der glo­bali­sier­ten Wirt­schaft Leit­plan­ken zu geben. Covid-und Ener­gie­krise ver­schär­fen Un­gleich­heit. Während Arme und die ar­beitende Be­völ­ke­rung ver­lieren, wach­sen Über­ge­winne der Kon­zerne und Über­reich­tum der Mil­liar­däre. Viel­leicht ist das ein ent­schei­den­der Mo­ment, in dem auf Ba­sis der Er­fah­rungen ver­gan­ge­ner Ver­teilungs­kämpfe so­zia­ler Fort­schritt er­reich­bar ist.

Markus Marterbauer in Falter 34/2022 vom 26.08.2022 (S. 22)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, August 24, 2022 5:59:00 PM Categories: Nachschlagewerke Sachbücher/Geschichte/Allgemeines
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10.000 Schritte in Wien 

Zum Gehen verführt

von Inge Fasan

Verlag: Kneipp Verlag in Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG
ISBN: 9783708808109
Umfang: 208 Seiten
Genre: Reisen/Reiseführer/Sportreisen, Aktivreisen/Europa
Erscheinungsdatum: 14.03.2022
Format Taschenbuch
Reihe: 10.000 Schritte
Preis: € 24,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Täglich 10.000 Schritte zu gehen gilt als gutes Maß, um sich all­tags­fit zu hal­ten und das Wohl­be­fin­den zu stei­gern. Der Kreis­lauf kommt in Fahrt, die Mus­ku­la­tur wird trai­niert und der Geist wach. Also: Run­ter von der Couch und rein in die Schuhe! Es gibt so viel zu ent­decken – zu je­der Jahres­zeit, bei jedem Wet­ter und gleich vor der Haus­türe.
Dieses Buch liefert 15 Touren quer durch Wien, auf denen die „10.000“ leicht­füßig und mit Genuss zu er­wan­dern sind. Inner­städ­tisch, im Grünen, for­dernd oder ganz sanft – und im­mer in­for­ma­tiv: Ent­lang der Routen ent­rollt sich so manche Ge­schich­te, die für Be­sucher:­innen der öster­reichi­schen Haupt­stadt, aber auch für Wiener:­innen Neu­land ist.

Posted by Wilfried Allé Monday, August 15, 2022 10:07:00 AM Categories: Aktivreisen/Europa Reisen/Reiseführer/Sportreisen
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Wien 

Was nicht im Baedeker steht

von Ludwig Hirschfeld

Verlag: MILENA
ISBN: 9783903184572
Umfang: 240 Seiten
Genre: Reisen/Hotelführer, Restaurantführer/Europa
Erscheinungsdatum: 15.09.2020
Format Hardcover
Nachwort von: Martin Amanshauser
Preis: € 23,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Ludwig Hirschfelds charmanter feuilletonistischer Reiseführer entführt uns in das Wien der 1920er Jahre. Als im Sacher noch keine alleinsitzenden Frauen bedient wurden. Als es kaum Bierlokale in der Stadt gab. Als man sich noch Eintänzer beim Kellner bestellen konnte, wenn der Gatte keine Lust hatte.
Im Jahr 1927 erschien dieser köstliche Wien-Reiseführer. Autor Ludwig Hirschfeld, der bereits in Karl Kraus’ "Die letzten Tage der Menschheit" Erwähnung findet, beschreibt in sehr launigem, charmantem Stil seine Stadt. In 19 Kapiteln wird uns das alte Wien nähergebracht: Essen und Trinken, die angesagtesten Lokale, Kunst & Kultur, die Parks, das Burgtheater, die Nacktrevuen – alles, was der Tourist und Einheimische wissen muss. Aber Hirschfeld hat auch damals Veränderungen zu beklagen: Die Bankenhäuser verdrängen die Kaffeehäuser. Die Wiener trinken fast kein Bier mehr! Es gibt viel zu schmunzeln für den heutigen Leser.
Apropos, wussten Sie:
… Was ein Schnitzel mit Charlestongarnierung ist?
… Dass der Ober im Kaffeehaus „Zahlmarkör“ genannt wurde?
… Dass in den meisten großen Lokalen Salonkapellen oder Jazzbands spielten?
Erinnern Sie sich noch an das Café Lurion in der Siebensterngasse? An das Café Arlon in der Rothgasse? An das Krystallcafé auf dem Aspernplatz?
Der beliebteste Reiseführer der 1920er Jahre.

FALTER-Rezension

Untergang und Überschwang

Das gewesene Wien, in dem wir zu Hause und an­säs­sig zu sein wähn­ten, ist ein­fach ver­schwun­den, hat sich be­schämt zu­rück­ge­zo­gen und ist nur noch da und dort zwi­schen den ei­ge­nen vier Wän­den zu fin­den. Das sind die­sel­ben vier Wän­de, vor denen man […] eine so merk­wür­di­ge Angst hat­te. Zu Hause blei­ben, den Abend ganz sim­pel und still bei sich selbst zu ver­brin­gen, das galt da­mals als un­mög­lich und rück­stän­dig. Jeden An­laß be­nütz­te man, um aus den vier Wän­den in die Öffent­lich­keit zu flie­hen, von einem Lo­kal ins an­dere zu bum­meln und mög­lichst spät schla­fen zu gehen: das war da­mals fesch, mo­dern und welt­städtisch.[…] Auch hier hat sich eine große Um­kehr voll­zo­gen: man sehnt sich nach der ei­ge­nen Woh­nung, man flüch­tet in die Häus­lich­keit […]. Wel­che Wohl­tat, ein Stu­ben­hocker zu sein und ein Spießer­leben zu führen, wel­ches Glück, von der Welt nichts zu wis­sen und gründ­lich zu ,ver­sumpern‘.“

Das Loblied auf den Lockdown, das hier ge­sun­gen wird, klingt nicht so, als käme es aus vol­lem Herzen. Es be­singt die keines­wegs frei­wil­lige „Flucht in die Häus­lich­keit“ mit einer Mi­schung aus Sar­kas­mus und Senti­men­ta­li­tät. Als sein ver­gleichs­weise epi­sches Feuille­ton am 17. Sep­tem­ber 1918 in der Neuen Freien Presse er­scheint, ist des­sen Ver­fas­ser, Lud­wig Hirsch­feld (1882–1942), einer der be­kanntes­ten und arri­vier­tes­ten Jour­na­listen des Lan­des. Be­reits 1909, da ist er ge­rade ein­mal 27 und drei Jahre im Ge­schäft, er­scheint mit „Wir ken­nen uns“ ein ers­ter Sam­mel­band mit sei­nen Feuille­tons, zwei wei­tere fol­gen im Zwei­jahres­takt.

„Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen“, ätzte Karl Kraus 1911 in der Fackel. Hirsch­feld be­herrschte die­se Wort­frisier­kunst aus dem Eff­eff. Der ein­same Feld­herr im Krieg ge­gen die Phrase hatte für Hirsch­feld keines­wegs nur, aber immerhin auch wohlwollende Worte über, bezeichnete ihn einmal als „liebe[n] Schneck“ und charakterisierte ihn in der Fackel vom 12.12.1912 wie folgt: „Immer vif, immer flott, immer bereit, die Schwä­chen zu geißeln, aber durch­aus liebens­wür­dig, Schwere­nöter, aber kein Spiel­ver­der­ber, schein­bar nur der mon­däne Causeur mit dem Haut­gout, aber doch einer, der la­chend die Wahr­heit sagt. Er kennt die Tor­heiten, aber er ver­zeiht sie, wo­bei ihm der Schalk aus dem Auge lacht […].“

Was Kraus übersehen oder jeden­falls nicht er­wähnt hat, ist Hirsch­felds un­über­seh­barer Hang zur Melan­cho­lie. Nicht um­sonst trägt der Sam­mel­band mit Feuille­tons, den der His­to­ri­ker und Stadt­for­scher Peter Payer so­eben heraus­ge­ge­ben hat, den Titel „Wien in Moll“.

Angelehnt ist dieser an jenen des ältes­ten und ers­ten von ins­ge­samt 43 Feuille­tons, die hier ab­ge­druckt sind – eine aus­ge­spro­chen schmale Aus­wahl, wenn man be­denkt, dass allein die An­zahl der Ar­ti­kel, die der rast­lo­se Viel­schrei­ber für die Neue Freie Presse ver­fasste, in die Vier­stellig­keit geht.

„Fiakerlied in Moll“ belegt, dass die scharfe Beo­bach­tungs­gabe und die ein bis­serl bos­hafte, aber nie in Zynis­mus um­schla­gende Spott­lust Hirsch­felds schon früh aus­ge­prägt war. Ein Jahr­zehnt be­vor die „Roa­ring Twen­ties“ an­brechen, regis­triert er, dass nun ein „ganz anderes Tempo, ein neuer Rhyth­mus“ die Straßen be­herrscht – etwa vor der Oper: „Man fährt jetzt nicht nur viel ra­scher in Wien, man geht auch viel eili­ger, ge­schick­ter, weil sich die Men­schen immer den Fuhr­werken an­passen.“

Der Welt von Gestern, von der sich der beschleunigte Feuille­to­nist an­läss­lich der Ver­ab­schie­dung eines Fia­kers „draußen in Her­nals, beim Stah­lehner“, seiner­seits ver­ab­schie­det, wird keine Träne nach­ge­weint. Miss­trau­isch „gegen diese Fia­ker- und Wäscher­mädel­herr­lich­keit“ stellt Hirsch­feld der Pro­fes­sion der Fia­ker durch­aus kalt­her­zig ein bal­di­ges Ab­lauf­da­tum in Aus­sicht: „Eine Pepi­ta­hose […] und ein wit­ziger und sin­gen­der Mund allein ge­ben noch keine Exis­tenz­be­rech­ti­gung. So hübsch und amü­sant das alles war, es muß ver­schwin­den oder sich ver­wan­deln, wie das ganze pa­schen­de, schnal­zen­de und du­deln­de Wien.“

Der Topos einer sterbenden Epoche zieht sich durch Hirsch­felds ganzes Œuvre. Dem „ges­tri­gen Wien“, so kons­ta­tiert er im April 1913, „geht’s seit eini­ger Zeit be­ängs­ti­gend an den Kra­gen“. Acht Jahre spä­ter stellt er in dem Feuille­ton „Musku­löser Sonn­tag“ sar­kas­tisch fest, dass alle Ver­suche, „nach alt­ge­wohn­ter Jung-Wie­ner Weise empfind­sam, nach­denk­lich und fein­sin­nig zu sein“, an der phy­si­schen Ro­bust­heit eines Fuß­ball­spiels zu­schan­den würden. Eine Spitze, die er 1927 noch ein­mal in seinem Wien-Führer an­brin­gen kann, der in der Reihe „Was nicht im Baedeker steht“ er­schien und so­eben vom Milena-Ver­lag neu auf­ge­legt wurde. Da­rin macht sich Hirsch­feld über den My­thos vom Litera­ten­café lus­tig, der „ei­gent­lich nur mehr in den in Berlin ge­schrie­benen Litera­tur­ge­schichten“ über­lebt habe: „Die Jung­wiener Dich­ter Bahr, Schnitz­ler, Hof­manns­thal, Beer-Hof­mann sind heute wür­dige, ab­ge­klärte Her­ren, die sich in ihre Cottage­villa oder in eine mit allem kirch­li­chen Kom­fort aus­ge­stat­tete Welt­an­schauung zu­rück­ge­zogen haben.“

Tatsächlich fällt der Abschied von Good Old Vienna Hirsch­feld selbst aber schwerer, als er ein­ge­stehen möchte. Ängst­lich be­obach­tet er, „ob man mir die lieben al­ten Bastei­häuschen in der Schrey­vogel­gasse noch hat stehen lassen“; be­dauernd nimmt er zur Kennt­nis, dass auch „das ältere Wienerisch“ ver­schwindet, „das so feiner, viel sympa­thischer klang als der heu­tige, ver­wil­derte Groß­stadt­dia­lekt“.

Als am 25. Juli 1914 das Ultimatum Österreich-Ungarns an Ser­bien ab­läuft, be­schreibt Hirsch­feld in seinem Feuille­ton „Die letzte Stunde“ die kollek­tive Gemüts­lage: „Keine Spur von Schrecken, kein Ge­fühl der Be­klom­en­heit, eher das der Er­leich­terung. […] Die letzten Stunden der jahre­langen De­pres­sion sind da, und wir kön­nen es nicht mehr er­war­ten, daß es heute abends 6 Uhr schlägt.“

Bewegt vom Gang der Geschichte verliert Hirsch­feld die ge­wohnte iro­ni­sche Dis­tanz und mobi­li­siert das Pathos des Ernst­falls. Fallen die Res­tau­rant­be­sucher in den von der Mili­tär­ka­pelle in­to­nier­ten Prinz-Eugen-Marsch ein, spürt auch er, „dass dies kein leerer Hurra­patrio­ti­smus ist, son­dern der wirk­liche Aus­druck einer er­reg­ten Stim­mung, eine zu Tönen ge­wor­dene Über­zeu­gung“. Zwei Wochen später – Deutsch­land ist in Bel­gien ein­mar­schiert, Bel­grad steht unter Be­schuss – nimmt er im Strom der nach Wien zu­rück­kehren­den Som­mer­frisch­ler er­staunt zur Kennt­nis, dass der eine oder andere Be­kannte nicht an­zu­tref­fen, weil doch tat­säch­lich ein­ge­rückt ist, „und wir Un­taug­lichen und Staats­krüp­pel kom­men uns be­schämt ein bißchen minder­wer­tig und un­nütz vor“.

Während des Krieges bewegt sich Hirsch­feld weiter in seinem an­ge­stammten Habi­tat. Im Gast­haus regis­triert der pas­sio­nierte „Semmelesser“, wie die Brotkörberln von den Tischen verschwinden; im Gänsehäufel beobachtet er das von ihm geradezu obsessiv kommentierte Ritual des Son­nen­badens, auf Som­mer­fri­sche die ver­bo­tene Praxis des Hams­terns: „Manche Frauen sollen sich […] so gründ­lich er­holt ha­ben, daß sie mit einer Ge­wichts­zu­nahme von fünf Kilo Speck und zwan­zig Kilo Erd­äpfel in die Stadt zu­rück­ge­kehrt sind.“

Was sich hier harmlos liest, verbreitet an anderen Stel­len einen un­an­ge­nehmen miso­gynen Haut­gout, denn die Leib­lich­keit der Wie­ne­rin ist Hirsch­felds abso­lu­tes Leib-und-Magen-Thema. Recht machen kann es ihm keine. Durch­aus wohl­wol­lend be­äugt er in den Bade­an­stal­ten die „schlanken Trikot­ge­stalten“ gut­ge­wach­sener Mäd­chen, wohin­gegen ihm der ero­ti­sche Prag­ma­tis­mus kurz­be­rockter Girls mit Bubi­kopf nicht ge­heuer ist. Die Vor­stadt­mädel fin­det er „voll­stän­dig ent­süßt“, den Typus der „Sport­frau“ und der „Berufs­frau“ un­mög­lich. Er be­klagt einer­seits das Ver­schwin­den der „Mehl­speis­figur“, die ihm anderer­seits stets will­kom­mener Anl­ass des Gewitzels ist: „Wien ohne Kaf­fee: man kann es sich gar nicht vor­stellen“, be­klagt er im Mai 1917 die stei­gen­de Knapp­heit an Nahrungs- und Genuss­mit­teln. „Eben­so könnte der Kahlen­berg ab­ge­tra­gen werden oder eine Ver­ord­nung er­scheinen, daß die Wiener Frauen und Mäd­chen nicht mehr als 45 Kilo wiegen dürfen.“

Ludwig Hirschfeld ist eine schwer zu fassende Figur voller Wider­sprüche. Er will im „Nichts­tun die ein­zi­ge na­tür­liche Be­schäf­ti­gung des Men­schen“ er­blicken, schreibt selbst aber wie ein Beses­sener nicht nur Feuille­tons, son­dern neben­her auch Lust­spiele, Operet­ten­li­bretti, Film­dreh­bücher und Chanson­texte.

Er ist am Puls der Zeit, zuständig für alles „Mondäne“ – und kulti­viert doch von An­fang an die Atti­tüde des früh Ge­al­terten, der als 42-Jähri­ger den Wech­sel von der Kro­nen- zur Schil­ling­wäh­rung mit fata­lis­ti­schem Opi-Phleg­ma kom­men­tiert: „Sehr trau­rig, liebe Kin­der, aber da kann man nichts machen.“

Als dezidierter „Schwächling“ mit „No Sports“-Attitüde be­sucht Hirsch­feld Fußball­spiele und Pferde­rennen. Als „reisen­der Eigen­bröt­ler“ be­gibt er sich auf eine „Fahrt nach X-Belie­big“, um end­lich der groß­städti­schen Betrieb­sam­keit zu ent­lie­hen. In sei­nem Wien-Führer er­weist er sich wiederum als hoch­kom­pe­ten­ter Ada­bei, der genau weiß, wer wann und mit wem über den Ring­straßen­korso fla­niert oder beim Gerst­ner sitzt.

Ausgestattet mit einem scharfen Auge für die feinen Unter­schiede mo­kiert sich Hirsch­feld über den Müßig­gang der oberen Zwei­tau­send, sorgt sich zu­gleich aber auch um das Wohl­er­gehen der Haus­be­sitzer (er selbst ist „ganz un­schul­di­ger­weise“ einer). Nach dem Krieg, den er an­fangs wie so viele be­grüßt hat, be­fleißigt er sich eines etwas selbst­mit­lei­di­gen Aller­welts­humanis­mus: Täter, Schul­dige oder Ver­ant­wort­liche gibt es keine; „die Mensch­heit [ist] vom Kriege über­rascht und über­fal­len wor­den“, heißt es in dem ein­gangs zi­tier­ten Feuille­ton vom 17. Sep­tem­ber 1918.

In seinem Wien-Führer stellt Hirschfeld seinen Leser­innen und Lesern das ge­samte Kul­tur- und Unter­haltungs­an­ge­bot der Stadt vor, von der Oper bis zu den Prater­wirten. Auch das Kaba­rett darf nicht fehlen: „Ich möchte Ihnen Fritz Grün­baum vor­stellen. Er sieht wie ein klei­ner zer­tep­sch­ter Privat­do­zent semi­ti­scher Kon­fes­sion aus, mit einer Brille auf der Nase, die sein Ge­sicht nicht ge­rade ver­schönert.“

An anderer Stelle fällt der sonst so samtpfötige Feuille­to­nist auf ein­mal mit der Tür ins Haus, um „auf die spezi­fisch wieneri­sche Juden­frage“ auf­merk­sam zu machen: „Sie hat gar nichts mit Poli­tik und Rassen­anti­semi­tis­mus zu tun, denn die­se Frage wird hier von allen, ohne Unter­schied der Kon­fes­sion, ge­stellt, von Haken­kreuz­lern wie von Juden: ,Ist er ein Jud?‘ Alle anderen Fragen kom­men nach­her: Ob der Kom­po­nist, der Schrift­stel­ler wirk­lich Ta­lent hat, ob der be­rühmte Arzt schon viele Patien­ten ge­heilt, der Fußball­champion schon viele Goals ge­schos­sen hat. Die pri­mä­re Fra­ge lau­tet: ,Ist er ein Jud?‘“

Politisch ist Hirschfeld von einer Naivi­tät, die mit­unter an Igno­ranz rührt, er ver­fügt aber über ein höchst sen­sib­les Sen­so­rium für Stim­mungen. Als er im Sep­tem­ber 1937 die Ruine der so­eben aus- und nieder­ge­brannten Ro­tunde im Prater be­sucht, steht er „vor etwas Un­faßbar-Ge­spens­tischem. Einer Art ver­wahr­losten Theater­de­ko­ration zu einem Römer­drama“. Noch ein­mal schwingt er sich zu Fort­schritts­opti­mis­mus auf, ist be­geis­tert von der „stil­vollen und an­mu­ti­gen Sach­lich­keit“ der neuen Reichs­brücke und da­von über­zeugt, dass der anti­kisierende archi­tek­to­nische Pomp der Grün­der­zeit end­gül­tig der Ver­gan­gen­heit an­ge­hört: „Das neue Wien baut anders: […] ein­fach, sach­lich, ge­die­gen und vor allem nicht feuer­ge­fähr­lich.“

Gleichzeitig lösen die schwelenden Trümmer des Gebäudes unheilvolle Ahnungen aus, die sogar Hirschfelds ansonsten makelloses Deutsch beeinträchtigen: „In dieser grauenvollen Oedigkeit, die einst die Rotunde war, bekommt man plötz­lich einen vi­sio­nären Be­griff von dem, was der nächste Welt­krieg ims­tande wäre …“

Wenige Tage nach dem „Anschluss“ wird Ludwig Hirsch­feld – auf­grund einer Ver­wechs­lung mit Oskar Hirsch­feld, dem Heraus­geber der jüdi­schen Wochen­zeit­schrift Die Wahr­heit – von den Nazis ver­haftet und für acht Wochen in Dachau inter­niert. Auf­grund der Für­sprache von Freun­den frei­ge­las­sen, flie­hen Ludwig, seine Frau Elly und die bei­den Kinder Eva und Her­bert nach Frank­reich und wer­den dort 1942 ins An­halte­lager Drancy bei Paris ver­bracht, von wo aus sie am 6. November des Jahres nach Auschwitz trans­por­tiert und er­mor­det werden.

Das letzte erhaltene Dokument Ludwig Hirschfelds ist eine Post­karte an das Ehe­paar Any und Karl Farkas: „Wir fahren vor­­aus­sicht­lich diesen Nach­mit­tag, Be­stim­mungs­ort un­be­kannt. […] Wir hoffen, dass es eines Tages ein Wieder­sehen gibt.“

Klaus Nüchtern in Falter 49/2020 vom 04.12.2020 (S. 30)


Was das Wien von 1927 mit dem heutigen verbindet
Der Baedeker nötigt Bildungsbeflissene seit jeher, das Wichtige zu be­trachten. In diesem Sinn be­schreibt Ludwig Hirsch­feld in neun­zehn schwung­voll ver­fassten, feuille­to­nis­tischen Kapi­teln das Wien des Jahres 1927 und das, was da­von bis heute inter­es­sant ge­blie­ben ist: Die rohe Garten­mauer um das Palais Roth­schild, Kraft­kutscher, die Charleston­gar­nierung zum Wiener Schnitzel, Ab­steige­quar­tiere Öster­reich-Ungarns, den Zahl­markör, Max Rein­hardt in der Josef­stadt und warum hier so oft ge­fragt wurde: „Ist er ein Jud?“ Samt Nach­wort zum Autor, der 1942 in Auschwitz ver­starb.

Erich Klein in Falter 43/2020 vom 23.10.2020 (S. 9)

Posted by Wilfried Allé Sunday, August 14, 2022 10:20:00 PM Categories: Reisen/Hotelführer Restaurantführer/Europa
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Wien 

Biografie einer vielfältigen Stadt

von Johannes Sachslehner

Verlag: Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG
ISBN: 9783222150739
Umfang: 496 Seiten
Genre: Sachbücher/Geschichte/Regionalgeschichte, Ländergeschichte
Erscheinungsdatum: 21.10.2021
Format Hardcover
Preis: € 40,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Wien ist eine Metropole mit großer Ver­gangen­heit und be­weg­ter Gegen­wart. Ein leben­diges Stadt­wesen, dem sich Johannes Sachs­lehner in Form einer Bio­grafie nähert: Er er­zählt vom Wer­den der Wien-Mythen und schil­dert die wechsel­vol­len Schick­sale der öster­rei­chi­schen Kapi­tale: Ge­schützt durch ihre Be­fes­ti­gun­gen trotzt sie den Osmanen. Auf ihren Plätzen, in den Straßen und Paläs­ten pul­sie­ren Unter­nehmungs­geist und Auf­bruchs­stim­mung. Gleich­zeitig wird der Stadt­körper zum Schau­platz hef­ti­ger Kon­flikte, Stephans­dom, Rat­haus und Hof­burg sind die Sym­bole dieser dra­ma­ti­schen Fie­ber­stür­me.
Im Fokus steht das Leben in der Stadt. Die All­tags­freu­den und Lei­den der Wiener, ihre Ver­gnü­gun­gen, Wün­sche und Hoff­nun­gen, aber auch Angst und Ver­zweif­lung. Der Glanz der Ring­stras­se und die Tris­tesse der Vor­stadt, der Ge­stank und der Lärm, das Rin­gen ums gute Was­ser, der Kampf gegen Seuchen und schluss­endl­ich die „schöne Leich“.

Rezensionen

Rezension aus Deutschland vom 18. Januar 2022
5,0 von 5 Sternen

Es ist schon ein massives, ein wuch­ti­ges, ein inhalts­schwe­res Buch, wel­ches uns hier vor­ge­legt wird. Eine aus­führ­li­che 500 Seiten "Bio­gra­fie" über Wien, je­ner Stadt also, die im­mer mal wie­der zur lebens­wertes­ten Stadt der Welt ge­kürt wurde. Das frei­lich ist nur die Ober­flä­che. Was die­ses Werk be­son­ders aus­zeich­net, ist die sau­be­re Re­cher­che, das Her­stel­len von Zu­sam­men­hän­gen, die un­zäh­li­gen De­tails und ja, auch der ge­lun­ge­ne Ver­such, mög­lichst viele Fa­cet­ten und Ebe­nen ab­zu­decken: so wird dem re­ak­ti­o­nä­ren, kai­ser­li­chen Wien - also der großen Angst vor der Frei­heit des Den­kens - eben­so Platz ein­ge­räumt wie dem Rin­gen um Eman­zi­pa­tion und Par­ti­zi­pa­tion, dem le­gen­dä­ren Roten Wien oder der Zeit des Natio­nal­so­zi­a­lis­mus. Allei­ne der Austro­fa­schis­mus wird doch etwas mager, le­dig­lich mit ein paar dür­ren Zei­len ver­sehen, be­han­delt.

Biografien sagen zum Teil mehr über den Autor, als über den ei­gent­li­chen Pro­ta­go­nis­ten aus. Johannes Sachs­lehner frei­lich hat es ge­schafft, Wien in der gan­zen Bunt­heit, Ver­schieden­artig­keit, mit den dunk­len und hel­len Sei­ten der lan­gen Ge­schich­te aus­führ­lich dar­zu­stel­len. Da­für ge­bührt ihm aus­drück­lich Lob und An­er­ken­nung.

Posted by Wilfried Allé Sunday, August 14, 2022 9:49:00 PM Categories: Ländergeschichte Sachbücher/Geschichte/Regionalgeschichte
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Lieblingsplätze Wien nachhaltig 

von Mira Nograsek

Verlag: Gmeiner-Verlag
ISBN: 9783839229286
Umfang: 192 Seiten, 90 farbige Abbildungen
Genre: Reisen/Reiseführer
Erscheinungsdatum: 09.06.2021
Format Taschenbuch
Reihe: Lieblingsplätze im GMEINER-Verlag
Preis: € 19,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Herzlich willkommen in der »grünsten Stadt der Welt«! Mit einem National­park inner­halb der Stadt­gren­zen, zahl­rei­chen Parks und einem her­vor­ra­gen­den öf­fent­li­chen Nah­ver­kehr hat Wien aller­hand für das um­welt­be­wusste Herz zu bie­ten. Fol­gen Sie Mira No­gra­sek zu ihren nach­hal­ti­gen Lieb­lings­plät­zen und ler­nen die Me­tro­po­le von ei­ner an­de­ren Sei­te ken­nen. Ge­nießen Sie Wie­ner Kaf­fee­haus­kul­tur in Bio-Cafés und pro­bie­ren sich durch das An­ge­bot von Bio-Res­tau­rants und Un­ver­packt­lä­den. Be­wuss­ter Genuss und Frei­zeit­spaß mit der gan­zen Fa­mi­lie sind garan­tiert!

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2021 

Auf reanimierten Rädern durch Wien
Die Unterkunft ein früheres Senioren­heim und das Mo­bi­li­ar vom Sperr­müll: Klingt nach ei­nem we­nig ver­locken­den Quar­tier für ei­nen Wien-Trip. Doch wer "magdas Hotel" er­lebt hat, wird oft gleich zum Stamm­gast. Das Haus, nicht weit vom Stephan­sdom ent­fernt ge­le­gen, ist ein Social Busi­ness, in dem Pro­fis Flücht­linge aus­bil­den und ihnen so den Weg in die be­ruf­liche Eigen­stän­dig­keit eb­nen. Hier isst man gut und schläft zwi­schen ori­gi­nel­len, sorg­fäl­tig re­stau­rier­ten al­ten Möbel­stücken sehr an­ge­nehm und auch recht güns­tig. Die char­man­te Blei­be ist ei­ner von neun­zig Tipps, die Mira No­gra­sek in ihrem Band "Lieb­lings­plätze - Wien nach­haltig" auf­lis­tet. Mit dem Zug an­zu­rei­sen ist längst eine Selbst­ver­ständ­lich­keit für alle, die ihren öko­lo­gi­schen Fuß­ab­druck in der Welt mög­lichst klein hal­ten wol­len. Doch sich auch am Ort be­wusst zu be­we­gen und die grü­nen Sei­ten der Stadt zu er­kun­den, im um­fas­sen­den Sinn, ist nicht ganz so ein­fach. Die Au­to­rin nimmt uns ins Schlepp­tau und führt uns in Kaf­fee­häu­ser mit ver­locken­den An­ge­bo­ten an ve­ga­nen Mehl­spei­sen und Tor­ten, auf Bio­märkte, in Second­hand­shops und Lä­den, die von en­ga­gier­ten Be­trie­ben pro­du­zier­te, um­welt­freund­lich ver­pack­te Mit­bring­sel feil­bie­ten. Et­liche die­ser Pro­jek­te, die sich in flot­ten Kurz­essays vor­stel­len, wä­ren auch für an­dere Städte nach­ahmens­wert. So etwa "Reani­mated Bikes", ein Unter­neh­men, bei dem man Fahr­rä­der mie­ten oder auch kau­fen kann, die von der Müll­hal­de ge­ret­tet und ver­kehrs­taug­lich re­pa­riert wur­den. Das ide­ale Ge­fährt also, um mit Mira No­gra­seks Buch im Ge­päck durch die Stadt zu flit­zen - ruhi­gen Ge­wis­sens.

Posted by Wilfried Allé Monday, August 8, 2022 11:18:00 PM Categories: Reisen/Reiseführer/Europa
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Wirf mich nicht weg – Das Lebensmittelsparbuch 

Mehr als 333 nachhaltige Rezepte und Ideen gegen Lebensmittelverschwendung

Verlag: smarticular
ISBN: 9783946658436
Umfang: 288 Seiten
Genre: Ratgeber/Lebenshilfe, Alltag/Praktische Anleitungen
Erscheinungsdatum: 25.06.2020
Format Taschenbuch
Herausgegeben von: smarticular Verlag
Preis: € 17,40

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Während in anderen Regionen der Welt Menschen Hunger leiden, landen in den meis­ten In­dus­trie­natio­nen gut ein Drit­tel aller er­zeug­ten Lebens­mit­tel im Müll. Das führt zu einer Viel­zahl von Pro­blemen, wie zum Bei­spiel Was­ser- und Ener­gie­ver­schwen­dung, Über­dün­gung und über­mäßi­ger Ein­satz von Pflan­zen­schutz­mit­teln.
Dieses Buch zeigt, wie einfach es ist, im Alltag Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung zu ver­hin­dern. Da­bei hel­fen zahl­rei­che Tipps und Re­zep­te für den eige­nen Haus­halt, aber auch nütz­li­che Ideen, mit denen man schon beim Ein­kauf eine große Wir­kung er­zie­len kann.

Gut für die Umwelt: Ein sinnvoller Um­gang mit Lebens­mit­teln schont Res­sour­cen und den Lebens­raum für Tiere und Pflan­zen.
Gut für die Haushaltskasse: Die voll­stän­dige Ver­wer­tung von Lebens­mit­teln und ein be­wusster Ein­kauf mit dem Ziel, Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung zu re­du­zie­ren, spa­ren eine Men­ge Geld.
Gut für die Gesundheit: Viele ver­meint­li­che Ab­fälle las­sen sich als in Bad, Haus­halt und Gar­ten ver­wen­den, um syn­the­ti­sche Pfle­ge­pro­duk­te, Rei­ni­ger & Co. zu er­set­zen.
Gut für dich: Ein bewusster Umgang mit Lebens­mit­teln und die in die­sem Buch vor­ge­stell­ten Ver­wen­dungs­mög­lich­kei­ten be­rei­ten Freu­de, re­gen die Krea­ti­vi­tät an, stär­ken das Selbst­be­wusst­sein und ma­chen dich außer­dem ein biss­chen un­ab­hän­gi­ger.

Posted by Wilfried Allé Monday, August 8, 2022 10:29:00 PM Categories: Alltag/Praktische Anleitungen Ratgeber/Lebenshilfe
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Salate der Superlative 

Die coolsten, simpelsten, gesündesten, feinsten, schnellsten, berühmtesten, deftigsten

von Anne Fleck , Bettina Matthaei

Verlag: Becker Joest Volk Verlag
ISBN: 9783954532049
Umfang: 240 Seiten
Genre: Ratgeber/Essen, Trinken/Themenkochbücher
Erscheinungsdatum: 07.05.2021
Format Hardcover
Fotos von: Hubertus Schüler
Ausgabe: 1. Auflage 2021
Preis: € 30,80

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Rekordverdächtig – in jeder Hinsicht

Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als ein Salat nur eine Bei­lage zum Es­sen war? Heute ist Salat all­gegen­wär­tiger Life­style, ein un­ver­zicht­barer Be­stand­teil mo­der­ner, ge­sun­der Er­näh­rung und so viel­fäl­tig, dass es eine ech­te Her­aus­for­de­rung ist, den Vari­anten­reich­tum in ei­nem ein­zi­gen Buch zu prä­sen­tie­ren. Da­bei kommt Sa­lat fast von selbst den Zie­len ei­ner ent­spann­ten, sehr ge­sun­den Er­näh­rung ent­ge­gen: viel Ab­wechs­lung, fri­sche, ge­sun­de Zu­ta­ten so­wie recht wenig Auf­wand. Aber wie genau?
Anne Fleck, Deutsch­lands be­kann­tes­te Prä­ven­tiv- und Er­näh­rungs­medi­zi­nerin, hat zu­sam­men mit der viel­fach prä­mier­ten Koch­buch­auto­rin Bet­tina Mat­thaei die­se ge­sun­de, läs­sige und mach­bare Küche noch all­tags­taug­li­cher und at­trak­ti­ver ge­macht: Da gibt es die cool­sten, sim­pel­sten, ge­sün­des­ten, feins­ten, schnell­sten, be­rühm­tes­ten oder def­tig­sten Sa­la­te – je­weils er­gänzt durch ein klei­nes, köst­li­ches oder ganz be­son­ders ge­sun­des Up­grade. Von den be­rühm­tes­ten Sa­la­ten ha­ben die bei­den aus Tau­sen­den von Re­zep­ten, die welt­weit die Speise­kar­ten be­rei­chern, die­jeni­gen aus­ge­wählt, bei denen es sich wirk­lich lohnt, sie nach­zu­machen.
Herausgekommen ist ein fas­zi­nie­ren­des Buch der Sa­lat-Super­la­ti­ve für Fans der schnel­len, ge­sun­den und un­kom­pli­zier­ten Kü­che. Be­glei­tet wer­den die bes­ten Sa­la­te na­tür­lich von den bes­ten Dres­sings, lecke­ren Top­pings und an­ge­sag­ten Be­gleit­snacks.

Posted by Wilfried Allé Monday, August 1, 2022 1:51:00 PM Categories: Ratgeber/Essen Themenkochbücher
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Making History 

The Storytellers Who Shaped the Past

von Richard Cohen

Verlag: Orion Publishing Group
ISBN: 9781474615785
Umfang: 784 Seiten
Genre: Alternative Geschichte, Zeitreisen
Erscheinungsdatum: 12.03.2022
Format Taschenbuch
Sprache: Englisch
Preis: € 22,70
auch als Hörbuch verfügbar: Spieldauer: 26 Std. und 7 Min.

 

Kurzbeschreibung des Verlags

MAKING HISTORY is an epic exploration of who writes about the past and how the biases of certain storytellers - whether Julius Caesar, William Shakespeare or Simon Schama - continue to influence our ideas about history (and about who we are) today.

FALTER-Rezension

Von Gschichtldruckern und Historikerinnen

Richard Cohen setzt sich recht heiter mit Geschichts­schreibern von William Shakes­peare bis Mary Beard aus­ein­ander

Josephus Flavius war nicht nur ein angesehener His­tori­ker seiner Zeit, der die Sicht­weise auf den Auf­stand der Juden gegen die Römer in den Jahren 66 bis 74 bis heute maß­geb­lich ge­prägt hat. Er hatte den Jüdi­schen Krieg auch des­halb über­lebt, weil er auf die römi­sche Seite ge­wech­selt war. In sei­nem großen ge­schicht­lichen Werk "Der Jüdi­sche Krieg" nutzte er den Wider­spruch zwi­schen Ob­jek­ti­vi­tät und Par­tei­lich­keit im ei­genen In­ter­es­se -um sich zu er­klä­ren und rein­zu­wa­schen.

Die Cambridge-Historikerin Mary Beard nennt Josephus Flavius deshalb "den Verräter mit dem größten Glück der Geschichte".

Geschichtsschreibung war nie bloß das Aufzeichnen von Ereignissen. Wie der bri­ti­sche, in New York le­be­nde His­to­ri­ker und Ver­leger Richard Cohen in sei­nem höchst unter­halt­samen Band "Making History - The Story­tellers Who Shaped the Past" be­schreibt, ist die His­to­rio­gra­phie auch ein (zu­weilen un)mora­li­sches Unter­fangen.

Cohen stellt in seinem "witzigen, weisen und eleganten Buch" (so das bri­ti­sche Ma­ga­zin The Spec­tator) fest, dass His­tori­kerinnen und His­to­riker trotz allen Be­mühens nie ob­jek­tiv sein können. Wie für Jour­na­lis­ten und Jour­na­lis­tinnen gilt: Allein die Aus­wahl an Er­eig­nis­sen formt die Sicht auf die Welt.

Richard Cohen seziert die Biografien vom antiken Griechen Hero­dotus bis zum bri­ti­schen Mili­tär­his­to­riker John Keegan. Sein Streif­zug durch die Histo­rio­graphie um­fasst auch zen­trale Werke der Welt­ge­schichte wie die Bibel.

Ja, Jesus dürfte es gegeben haben, seine Existenz ist von Quellen belegt. Nein, die Evan­ge­listen, allen voran Johan­nes, der Lieb­lings­apos­tel von Jesus, seien später er­fun­den wor­den. Über die Bibel als fik­ti­ves Kons­trukt der Ges­chichts­schrei­bung zum Macht­er­halt eines christ­lich ge­präg­ten Patriar­chats ist hin­läng­lich ge­forscht worden. Der Autor hält sich auch nicht allzu lange damit auf, er vermerkt: "Moses hätte wohl kaum seinen eigenen Tod aufzeichnen können."

Als Verleger hat Richard Cohen lange Jahre Schrift­stel­lern wie John le Carré zu Welt­ruhm ver­hol­fen. In sei­nem Band "How To Write Like Tolstoy" hat er ana­ly­siert, wa­rum manche Romane Best­sel­ler wur­den. In "Making History" fühlt Cohen nun der His­tori­ker­zunft auf den Zahn und klopft sie auf Moti­va­tion und Ein­fluss ab.

Machiavelli etwa trug mit seiner "Istorie fiorentine" 1520 ent­schei­dend dazu bei, dass sich aus reli­gi­öser, Gott-zen­tris­ti­scher His­to­rio­graphie eine von Men­schen ge­machte Sicht auf die Ge­schich­te durch­setzte.

Oder: Ban Zhao, die erste chinesische Historikerin, schrieb vor zwei­tausend Jahren das Werk "Gebote für Frauen". Beide hat­ten ein -durch­aus legi­times -Eigen­inter­esse an ihren Themen.

Cohen verweilt in seiner Studie aber nicht nur bei der klas­si­schen Ge­schichts­schrei­bung. Er be­schäf­tigt sich auch mit Promi-Zeit­zeu­gen wie Winston Chur­chill, des­sen "History of the Second World War" sich Mil­lionen Mal ver­kauft hat. Ob­wohl klar war, dass Chur­chill das Buch in wei­ten Teilen nicht selbst re­cher­chiert und vieles nicht ein­mal selbst ge­schrie­ben hatte.

Cohen weiß auch um die Macht des Fernsehens. Einen lust­vollen Ex­kurs widmet er dem rechts­las­ti­gen His­to­ri­ker Niall Ferguson. Der Autor von Best­sel­lern wie "Empire" und "Civi­li­zation" habe einen Vor­teil: "Er kennt sich mit Geld aus." Als Fern­seh­his­to­ri­ker ver­dient er nicht nur gut. Seine TV-Prä­senz hat mit­ge­holfen, die His­to­rio­graphie aus dem Elfen­bein­turm ins Wohn­zimmer zu be­för­dern.

Tessa Szyszkowitz in Falter 30/2022 vom 29.07.2022 (S. 18)

Posted by Wilfried Allé Thursday, July 28, 2022 8:55:00 AM Categories: Alternative Geschichte Zeitreisen
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Die schönsten Badeteiche in Wien und Umgebung 

von Günther Walter , Arthur Hoffmann-Ostenhof

Verlag: Naturbaden Verlag
ISBN: 9783200041493
Umfang: 156 Seiten
Genre: Reisen/Reiseführer
Erscheinungsdatum: 01.07.2015
Format Taschenbuch
Preis: € 14,85

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Für Badefreudige und Natur­lieb­haber ist ein ein­zig­ar­ti­ger Frei­zeit­füh­rer er­schie­nen: Im neuen Buch „Die schöns­ten Bade­teiche in Wien und Um­ge­bung“ wer­den die 26 schöns­ten Natur­bade­ge­wäs­ser in Wien und Um­land prä­sen­tiert.
Zu jedem Natur­bade­ge­wäs­ser gibt es eine aus­führ­liche Be­schrei­bung, mehrere Fotos, de­tail­lierte Infos zur Infra­struk­tur, eine De­tail­kar­te und ge­naue An­fahrts­an­gaben für öf­fent­liche Ver­kehrs­mit­tel und Auto.
Interessante Hinter­grund­infos, Ab­stecher in die Ver­gan­gen­heit und prak­tische Hin­weise runden das Buch ab.

FALTER-Rezension

Ein Volk von Nichtschwimmern

Natürlich will Elisabeth Kellner nicht, dass ir­gend­jemand – egal, ob Kind oder Er­wach­sener – er­trinkt. Ganz im Gegen­teil. Aber nach 34 Jah­ren im „Ge­schäft“ weiß sie nur zu genau, wie das Spiel mit der Auf­merk­sam­keit funk­tio­niert: „Es müs­sten Kin­der er­trin­ken. Dann kommt der Auf­schrei. Da­nach pas­siert was.“ Ja, sagt die Wie­ner Landes­re­fe­ren­tin für Ret­tungs­schwim­en beim Öster­reichi­schen Jugend­rot­kreuz, der Ge­danke sei bru­tal und zy­nisch. Nur: „Wir sind rat­los. Wir wis­sen nicht, wie wir die Leu­te er­rei­chen kön­nen.“

Über das Jugendrotkreuz wird auch das Wiener Schul­schwim­men ko­or­di­niert. Denn „Schwimm­kom­pe­tenz“ steht auch in den Lehr­plä­nen: In der drit­ten Klasse Volks­schule kann dem­nach je­des Kind schwim­men. Steht auf amt­li­chem Pa­pier.

Abgesehen davon, dass das viel zu spät ist, sieht die Wirk­lich­keit, mit der Elisa­beth Kellner kon­fron­tiert ist, anders aus: „Die Hälfte der Kin­der kann schlicht und ein­fach nicht schwim­men. Keinen Meter. Fal­len sie ins Was­ser, ge­ra­ten sie in Panik und gehen unter.“ Kellner legt nach: „Et­liche Acht­jährige waren noch nie im Was­ser.“ Nein, be­teu­ert sie, „das ist kein Scherz. Leider.“

Nichtschwimmen diskriminiert nicht: Es ist ge­schlechts­neu­tral und geht durch alle Schich­ten, Reli­gi­onen und Ethnien. „Ziem­lich gleich­mäßig ver­teilt.“ Und das Schwim­men­ler­nen sei – zu­min­dest in Wien – kein kul­tu­rel­les Problem, „weil Wien das Schwim­men mit Bur­ki­ni Gott sei Dank er­laubt hat. Die Bade­hose eines 80-Jähri­gen ist ver­mut­lich un­hygie­ni­scher als der Bur­kini einer 14-Jähri­gen.“

Den Knackpunkt des Nicht­schwimmens sieht die Vor­schwim­merin auch gar nicht in der Schule, son­dern da­heim, bei den El­tern. „Wenn die nicht schwim­men kön­nen, gehen sie mit den Kin­dern weder ans noch ins Was­ser.“ Das, weiß Kellner, sei zwar nicht neu, ver­schärfe sich aber. Weil Nicht­schwim­men erb­lich ist: „Wir haben es mittler­weile schon mit einer Eltern­gene­ration zu tun, die nie schwim­men ge­lernt hat.“

Wobei es da eine Unschärfe zu be­ach­ten gibt: Erlebnis­bäder, Was­ser­rut­schen und andere hippe Attrak­tio­nen mit Was­ser- Action sind nicht Teil des Themen­kom­plexes „Schwim­men“, son­dern Kon­kur­renz. Und damit Teil des Pro­blems: „Bei uns geht es nicht um Spaß und Action. Auch nicht um Sport: Schwim­men ist eine grund­le­gen­de Kul­tur­tech­nik. So, wie ich weiß, wie ich eine Straße si­cher über­quere, muss ich schwim­men kön­nen, wenn ich ins Was­ser falle.“

Deshalb sei in der Aus­bil­dung von Volks­schul- und Kin­der­garten­päda­go­gen und -päda­go­gin­nen der „Helfer­schein“ (eine Vor­stufe zum Rettungs­schwim­mer) ver­bind­lich vor­ge­schrie­ben: Ers­tens aus Sicher­heits­grün­den. Zwei­tens, weil man ja mit den Kin­dern schwim­men zu gehen hat. Kellner nimmt diese Prü­fung ab: „Bei einem der letz­ten Ter­mine für Kin­der­garten­pä­da­go­gin­nen hat­ten wir 47 Kan­di­da­tin­nen. Ledig­lich acht konnten 15 Minu­ten schwim­men.“ Und von denen schaff­ten auch nur vier die nächste Hür­de: einen Kopf­sprung plus 15 Meter Strecken­tauchen. „Unter­tauchen ist für viele ein ech­tes Prob­lem.“

Auch wenn das ein Polaroid und keine Studie ist, weiß die Was­ser­ret­terin: „Das ist die Reali­tät.“ Reali­tät ist aber auch, dass Kinder im Was­ser an­ders „funk­tio­nieren“ als Er­wach­sene: Statt zu stram­peln, zu schreien und alles zu tun, um mit dem Kopf über die Was­ser­ober­flä­che zu kom­men, gehen sie unter. Be­wegungs­los. Still. Schnell. Das kind­li­che Reak­tions­schema, der Ins­tinkt, rich­tet den Fokus aus­schließ­lich auf „Atmen“, nicht auf „Be­wegen“.

Das macht Ertrinken zur zweit­häufig­sten kind­lichen Un­fall­todes­ur­sache. „Er­trin­ken pas­siert laut­los und inner­halb weni­ger Mi­nu­ten“, warnt Holger Till, der Präsi­dent des Komi­tees „Große schützen Kleine“. „Kinder darf man des­halb im Was­ser nie aus den Au­gen las­sen“, lässt der Vor­stand der Gra­zer Uni­ver­si­täts­kli­nik für Kin­der­chi­rur­gie hier „keiner­lei Kom­pro­misse und Spiel­räume“ zu. Auch nicht, wenn sie sich die Schwimm-grund­kompe­tenz schon an­ge­eignet haben: „Sie sind im Was­ser nicht sicher. Vor allem, wenn sie schwim­men im Schwimm­bad ge­lernt haben und nun in einem See oder im Meer schwim­men.“

Diese permanente Aufsichtspflicht macht die Nähe zum Was­ser für vie­le El­tern „un­be­quem“, weiß Harald Fritz: „Wenn das Kind am Spiel­platz vom Klet­ter­ge­rüst fällt, schreit es. Im Was­ser ist es ein­fach weg. Du musst im­mer voll da sein: ‚Fire & Forget‘? Ist nicht.“

Am Nordrand Wiens, im Bisam­berger Berndl­bad, brin­gen die Trai­ner sei­nes Vereins „Aus­dauer­coach“ Kin­dern Sicher­heit im Was­ser bei. „Wer Kin­dern im Was­ser zu­sieht, merkt: An­fangs schwim­men sie nicht, son­dern tau­chen. Weil Tau­chen ein­facher ist. Sie kom­men nur zum Luft­holen rauf.“ Einer der Tricks des Kin­der­schwim­mens sei es, der Lust am Ab­tauchen die Sicher­heit des Wieder­hinauf­kom­mens so zur Seite zu stel­len, dass es zum Auto­ma­tis­mus wird: „Schwim­men ist keine ‚Kann‘-Option, kein ‚Nice to have‘: Ich muss nicht Ski fahren kön­nen. Schwim­men schon.“ Der Maß­stab sei längst de­fi­niert: „Der Frei­schwim­mer: 15 Minuten.“

Je früher man schwimmen lernt, umso besser. Be­gin­nend mit Baby­schwimm­kur­sen gibt es spe­zi­ell in Wien An­ge­bote zu­hauf. Spä­tes­tens mit vier oder fünf Jahren, meint auch Peter Steiner von der Wiener Schwimm­schule Steiner, sei es „an der Zeit, die Grund­fertig­keit“ zu er­lernen – spezi­ell die Som­mer­zeit wäre da­für ideal.

Wäre. Denn obwohl der Familien­betrieb Steiner sich über 37 Jahre da als echte Ins­tanz eta­bliert hat, gibt es just in den Ferien keine Kurse: Das Stadt­hallen­bad, die „Hood“ der Steiners, ist bis Ende Au­gust ge­schlos­sen. Die fünf an­de­ren Steiner-Loca­tions sind teils ur­laubs­be­dingt ge­schlos­sen. Oder aber man kann oder will dort im Som­mer keine Res­sour­cen bin­den, sprich: Bahnen für Kurse blockieren. Da­zu kommt die Wetter­un­sicher­heit: „Reine Frei­bad-Kurse für Kin­der sind wet­ter­be­dingt ein Roulette­spiel“, be­dauert Steiner.

Die städtischen Bäder aber gibt es. Und ihr Personal auch. Ein Großteil der Bademeister ebendort hat als „geprüfte Sportbadewärter“ (so lautet die offizielle Titulierung) auch die Befugnis, Schwimmkurse zu geben. Man gibt auch welche. Sieben Euro kostet eine 20-Minuten-Einheit. „Unsere Leute geben die Kurse seit ewig. Es hat sich nur nie herumgesprochen“, sagt Wiener-Bäder-Sprecher Martin Kotinsky.

Neu im Portfolio der Stadt-Schwimm­stätten sind heuer aber spezi­elle Kin­der-Schwimm­kurse. Seit Som­mer­be­ginn fin­den sie in et­li­chen Bä­dern statt: Neun Grup­pen­ein­hei­ten à 50 Mi­nu­ten kos­ten 100 Euro – in­klu­diert ist da auch der Ein­tritt einer Begleit­per­son. Das sei eine Idee von sei­nem Chef, Hubert Teuben­bacher, ge­wesen, er­klärt Kotins­ky von der MA 44, „uns ist es näm­lich nicht wurscht, dass so viele Kin­der nicht schwim­men kön­nen: Viele Fa­mi­lien haben halt nur in den Ferien Zeit.“ Die Idee schlug ein: Die Som­mer­kurse sind aus­ge­bucht, eine Fort­setzung oder Weiter­führung im Herbst ist so gut wie sicher.

Elisabeth Kellner sieht derlei „mit großer Freude“, warnt aber gleich­zei­tig vor zu großen Er­war­tungen oder Eu­pho­rie: „Wir, also das Jugend­rot­kreuz, haben auch schon Kurse an­ge­boten. Im ers­ten Jahr war das was Neues und ging dem­ent­spre­chend gut. Im zwei­ten kam dann kein Kurs mehr zu­stande: Es gab zu wenige An­mel­dun­gen. Schwim­men ist zu wenig Action, das inter­essiert ein­fach nicht. Da­rum ist Schul­schwim­men ja so wich­tig: 19.000 Schü­ler­innen und Schü­ler kom­men pro Woche. Ob sie Sport­schwim­mer wer­den, ist da voll­kom­men egal: Hier geht es ums Über­leben.“

Thomas Rottenberg in Falter 34/2018 vom 24.08.2018 (S. 34)

Posted by Wilfried Allé Sunday, July 24, 2022 10:06:00 PM Categories: Reisen/Reiseführer/Sportreisen
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Wandern am Wasser Ostösterreich 

Wildbäche · Schluchten · Seen. 51 Touren mit GPS-Tracks

von Franz Hauleitner , Rudolf Hauleitner

Verlag: Rother Bergverlag
ISBN: 9783763331451
Umfang: 192 Seiten
Genre: Reisen/Reiseführer/Sportreisen, Aktivreisen/Europa
Erscheinungsdatum: 27.05.2021
Format Taschenbuch
Reihe: Rother Wanderbuch
Ausgabe: 3., aktualisierte Auflage 2021
Preis: € 17,40

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Wildbäche murmeln entlang der Wander­pfade, Wasser­fälle stür­zen to­send ins Tal, ein be­herzter Sprung in den klaren Berg­see bietet Er­fri­schung an heißen Som­mer­tagen – Was­ser hat eine ganz be­son­dere An­zie­hungs­kraft. Das Rother Wander­buch »Wan­dern am Was­ser Ost­öster­reich« stellt 51 Tou­ren zwi­schen Enns und Neu­sied­ler­see vor, bei denen das »nasse Ele­ment« im Mit­tel­punkt steht. Na­tür­lich gibt es auch zahl­rei­che Hin­wei­se auf schöne Bade­stel­len.
Wasser ist in Ost­öster­reich und rund um Wien all­ge­gen­wär­tig: Das brei­te Sil­ber­band der Donau ver­läuft quer durch Nie­der­öster­reich, im Bur­gen­land gibt es herr­li­che Step­pen­seen und die Wie­ner Haus­berge sind reich an Was­ser­fäl­len, Klam­men und Berg­seen. In den ver­steck­ten Tä­lern des Wald­vier­tels be­glei­ten mä­an­dern­de Bäche den Wan­de­rer auf Schritt und Tritt und im Rax-/Schnee­berg­ge­biet so­wie am Hoch­schwab zeu­gen Hoch­quellen­was­ser­lei­tun­gen vom Was­ser­reich­tum der Re­gion.
Alle Touren­vor­schläge ver­fügen über exak­te Weg­be­schrei­bun­gen, Kar­ten­aus­schnit­te mit ein­ge­zeich­ne­tem Routen­ver­lauf und aus­sage­kräf­ti­ge Höhen­pro­file. Hin­zu kom­men Infor­mat­io­nen zu Ein­kehr­mög­lich­kei­ten, Bade­stel­len und Boots­ver­leih, Hin­weise für Fa­mi­li­en mit Kin­dern und vie­les mehr. GPS-Tracks ste­hen zum Down­load be­reit. Prak­tisch ist auch die Touren­über­sicht in der Um­schlag-klap­pe des Buchs, die einen schnel­len Über­blick über sämt­li­che Wan­de­run­gen bie­tet.
Die Autoren Franz und Rudolf Hau­leitner sind seit frü­hes­ter Ju­gend mit Be­geis­terung in den Ber­gen unter­wegs. Die Brüder leben in Wien und sind her­vor­ra­gende Ken­ner ihrer Hei­mat Ost­öster­reich.

FALTER-Rezension

Hurra, hurra, der Lenz ist da!

Basteln, kochen, werkeln, wandern: Was man mit Kin­dern im Früh­ling nicht ver­pas­sen sollte

Am Wasser wandern
Schon eher etwas für größere, wander­be­geis­terte Kin­der: In diesem Wander­führer sind 51 ver­schie­dene Touren zu Wild­bächen, Schluch­ten und Seen de­tail­liert be­schrie­ben, von der Do­nau über die Bäche der Wie­ner Haus­berge bis ins Burgen­land und Wald­vier­tel samt den bes­ten Prit­schel­plätzen.

Nina Horaczek in Falter 14/2017 vom 07.04.2017 (S. 47)

Posted by Wilfried Allé Sunday, July 24, 2022 9:40:00 PM Categories: Aktivreisen/Europa Reisen/Reiseführer/Sportreisen
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