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Nachfolgender Beitrag stammt von Stefan Bach, September 2011, Stellvertretender Leiter der Abteilung Staat am DIW Berlin.

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„Besteuert uns höher!“ fordern Reiche. Bei vielen wächst die Bereitschaft, stärker zur Staatsfinanzierung beizutragen. Gerade die sehr Wohlhabenden wurden in den letzten Jahrzehnten in den meisten Ländern steuerlich entlastet.

Zugleich haben sie dank Globalisierung und Marktliberalisierung ihren Reichtum gemehrt. Die Masseneinkommen stagnieren dagegen seit zehn Jahren, immer mehr Arbeitnehmer müssen Niedriglöhne hinnehmen. Nach der Finanzkrise und der Explosion der Staatsverschuldung drohen Steuererhöhungen und Kürzungen staatlicher Leistungen.

Die großen Einkommen und Vermögen wurden in den letzten 15 Jahren spürbar entlastet. Die Vermögensteuer entfiel, die Spitzensätze der Einkommensteuer wurden gesenkt, Unternehmens- und Kapitaleinkommen zunehmend aus dem progressiven Einkommensteuertarif herausgenommen. Zwar gibt es seit 2007 einen Reichensteuerzuschlag auf steuerpflichtige Einkünfte über 250 000 Euro. Den zahlen die Reichen aber nicht, wenn sie ihr Vermögen in Kapitalgesellschaften oder Familienstiftungen abschotten. Dort zahlen sie auf ihre Gewinne 15 Prozent Körperschaftsteuer plus Soli, daneben Gewerbesteuer auf Inlandsgewinne oder ausländische Steuern auf Auslandseinkünfte. Alles in allem etwa 30 Prozent – effektiv oft noch weniger, wenn man Steuerschlupflöcher nutzt. Nur insoweit die kumulierten Einkommen und Vermögen in die Privatsphäre ausgeschüttet werden, kommt die Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Soli oben drauf.

Eine Ausweitung des Reichensteuerzuschlags bei der Einkommensteuer trifft meist Manager und Selbständige. Ein Spitzensteuersatz ab 60 000 Euro würde nur gut zwei Milliarden Euro jährlich zusätzlich in die Kassen spülen. Setzt man den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent hoch, wären es gut sechs Milliarden Euro.

Wie kann man die Superreichen wieder stärker in die Progressionsbesteuerung integrieren? Dazu muss man deren Vermögen oder Einkommen genauer veranlagen. Das ist möglich, wenn man sich auf die wirklich Reichen beschränkt. Im DIW Berlin haben wir berechnet, dass ein Vermögensteuersatz von 0,5 Prozent reicht, um von den Nettovermögen über eine Million Euro jährlich sieben Milliarden Euro zu erzielen. Kleinunternehmen und kleinere Mittelständler blieben durch einen Freibetrag weitgehend verschont. Betroffen wären 330 000 Steuerpflichtige. Alternativ könnte man diese Millionärssteuer auch mit einem Ertragssteuersatz in Höhe von zehn Prozent erheben, um den „Substanzsteuereffekt“ der Vermögensbesteuerung zu vermeiden.

Die Schattenseite der Reichensteuern ist, dass sie Ausweichreaktionen und damit verbundene Folgeschäden auslösen können. Die wirtschaftlichen Eliten haben naturgemäß großen Einfluss auf den Einsatz der Produktionsmittel. Und unter denen sind nicht alle so altruistisch wie die Reichen, die sich für die Reichensteuer aussprechen. Immerhin ist der internationale Steuersenkungswettlauf zuletzt ins Stocken geraten. Wenn sich die EU- und OECD-Länder stärker koordinieren, kann die Steuerflucht ins Ausland weiter reduziert werden.

Ferner gibt es noch weitere Reichensteuern, die nur geringe wirtschaftliche Nachteile haben. Die Erbschaftsteuer ist die erste Adresse, wenn es darum geht, „leistungslos“ bezogenes Vermögen zu belasten und die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft zu erhöhen. Hier könnten perspektivisch erhebliche Mehreinnahmen erzielt werden, wenn die Vergünstigungen für die Betriebsvermögen wieder auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen begrenzt würden. Auch die Grundsteuer könnte als verlässliche und bürgernahe Steuerquelle der Gemeinden ausgebaut werden. Insgesamt wäre es also durchaus möglich, mit einem Bündel von Reichensteuern ein jährliches Zusatzaufkommen von 15 Milliarden Euro zu erzielen, ohne größere wirtschaftliche Schäden zu verursachen.

Posted by Wilfried Allé Thursday, April 21, 2016 7:37:00 PM
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