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Die Ablehnung der österreichischen Bundes­regie­rung des Schen­gen-Bei­tritts von Ru­mä­nien und Bul­ga­rien ist nicht nur für die Men­schen in den bei­den Län­dern schockie­rend, son­dern hat in der ge­sam­ten Uni­on und da­rü­ber hi­naus einen Schock hinter­las­sen. Men­schen aus Ru­mä­nien, Bul­ga­rien und Öster­reich ver­bin­det nicht nur die Do­nau, son­dern auch eine lan­ge ge­mein­same Ge­schichte, die bis in den heu­ti­gen All­tag reicht. Sie sind ein ele­men­tarer Be­standt­eil der öster­rei­chi­schen Ar­beits­welt, ge­nau­so wie die Prä­senz öster­rei­chi­scher Unter­neh­men zum All­tag in Ru­mä­nien und Bul­ga­rien ge­hört. Ich möchte Kro­a­tien zum Schen­gen- und Euro-Bei­tritt gra­tu­lie­ren, je­doch müs­sen wir end­lich da­für sor­gen, dass alle Bür­ge­rin­nen und Bür­ger in der Euro­pä­ischen Union die glei­chen Rechte be­kom­men. Ru­mä­nien und Bul­ga­rien sind ele­men­ta­rer Be­stand­teil die­ser Union und soll­ten da­her auch dem Schen­gen-Raum an­ge­hören. Inner­halb des Schen­gen-Raums sollte es keine Dis­kri­minie­rung ge­ben. Die EU-Kom­mis­sion hat ein­deu­tig be­stä­tigt, dass alle Vor­aus­set­zun­gen für einen Schen­gen-Bei­tritt von Ru­mä­nien und Bul­ga­rien ge­ge­ben sind. Die Grenz­si­che­rung in Ru­mä­nien und Bul­ga­rien ent­spricht den Stan­dards des Schen­gen-Raums. Gleich­zei­tig muss aber auch sicher­ge­stellt sein, dass es zu kei­nen Men­schen­rechts­ver­let­zungen an den Gren­zen kommt, wie dies in der Ver­gan­gen­heit der Fall war. Die Staaten sind auf­ge­for­dert, Über­wachungs­maß­nah­men zu er­grei­fen, da­mit Grund­rechte ge­wahrt blei­ben und es zu kei­nen ille­ga­len Push­backs kommt.
Rede von Theresa Muigg (S&D) im EU-Parlament.

Die Reaktionen auf die Blockade von Öster­reich rei­chen von Un­ver­ständ­nis bis Ärger.

Vor allem Rumänien sieht sich als Opfer. In Ru­mä­nien etwa ist die Ent­täu­schung da­rüber so groß, dass die Re­gie­rung den Bot­schaf­ter aus Wien zu­rück­ge­ru­fen hat. Außer­dem ver­tei­digt das Land, dass die meis­ten Mi­gran­ten über Ser­bien und Un­garn nach Öster­reich kom­men wür­den und nicht über Ru­mä­nien.
Die allermeisten Asylsuchenden, die Österreich er­reichen, kom­men gar nicht über Ru­mä­nien oder Bul­ga­rien nach Öster­reich. Son­dern über den West­bal­kan, viele reis­ten di­rekt per Flug­zeug nach Ser­bien. Schon eher müsste man die ho­hen Asyl­zahlen in Öster­reich mit Un­garn ver­knüp­fen, das die Asyl­suchen­den näm­lich ein­fach Rich­tung Öster­reich weiter­winkt und selbst bei­nahe keine Asyl­su­chen­den auf­nimmt. So die Mei­nung von Mi­gra­tions­ex­per­ten.

Was steckt hinter dem Schengen-Veto Öster­reichs?

Viele Beobachter sehen das Nein zur Schen­gen-Er­wei­te­rung als ein Ma­nö­ver im nieder­öster­rei­chi­schen Wahl­kampf.
Warum aber legen sich die konser­vativen Mini­ster, in­klu­sive Bun­des­kanz­ler Karl Ne­hammer, dann trotz­dem quer? Dar­über ver­wei­sen die­ser Tage viele Me­dien. Tat­sache ist, dass Ende Ja­nu­ar das be­völke­rungs­reiche Bundes­land Nieder­öster­reich wählt. Der kon­ser­va­ti­ven ÖVP dro­hen herbe Ver­luste zu­guns­ten der rechts­po­pu­lis­ti­schen FPÖ – auch we­gen der vie­len Mi­gran­tin­nen und Flücht­linge im Land. Viele Be­obach­ter se­hen das Nein der Kon­ser­va­ti­ven zur Schen­gen-Er­wei­te­rung da­rum als ein Ma­nö­ver in die­sem Wahl­kampf. mehr ->

Harald Oberhofer, Ökonom beim Institut für Wirt­schafts­for­schung (WIFO), ver­wies in­des auf die Kos­ten die­ser Ent­schei­dung. Öster­reich sei mit einem Vo­lu­men von zehn Mrd. Euro der zweit­größte In­ves­tor in Ru­mä­nien, vor allem in den Be­rei­chen Ban­ken, Ver­si­che­run­gen, Stahl und Ener­gie sei das Land stark in Ru­mä­nien ver­tre­ten. Die Ex­porte im ers­ten Halb­jahr hät­ten sich auf zwei Mrd. Euro be­lau­fen. Län­gere Zeit bei der Ent­schei­dung für das Veto zu blei­ben, kön­ne für Öster­reich kost­spie­lig wer­den.
„Unser gemeinsames Ziel muss es sein, hier rasch eine Lösung zu finden. Wir wol­len und wer­den als Erste Group un­seren Bei­trag leis­ten und ap­pel­lie­ren an die poli­ti­schen Ver­ant­wor­tungs­trä­ger auf al­len Ebe­nen, die­se Ver­ant­wor­tung auch wahr­zu­nehmen“, zi­tier­te Ö1 den Erste-Group-CEO Willi­bald Cernko.

Mit dem Veto hat sich Österreich vor allem selbst ge­schadet, stellt News­week România fest:

„Wenn Österreich gedacht hat, es würde Ru­mä­nien und Bul­ga­rien zum Pro­blem machen, dann hat es sich ge­irrt. Öster­reich ist selbst das Pro­blem. Es ist plötz­lich zu ei­nem un­si­che­ren Part­ner am eu­ro­pä­ischen Ver­handlungs­tisch ge­worden, der ohne Vor­war­nung sei­ne Posi­tion än­dern kann. Und nicht zu­letzt hat Öster­reich da­mit sei­nen Ruf in Ru­mä­nien, in der größten Volks­wirt­schaft Süd­ost­eu­ro­pas, nach­haltig zer­stört - wo es selbst sehr wich­tige Ge­schäfts­inter­es­sen hat. Man kann nicht sagen, dass die Poli­ti­ker in Wien all­zu ge­schickt waren.“

Posted by Wilfried Allé Friday, December 30, 2022 7:52:00 PM
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