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diepresse, 06.10.2021 von Franz Nauschnigg

von Franz Nauschnigg

Die Regierung hat am Sonntag die ökosoziale Steuer­reform verkündet. Doch wie „öko“ und „sozial“ ist sie? Die Probleme und Schwach­stellen im Detail:

Es ist Konsens unter den meisten Ökonomen, dass ein CO2-Preis zen­tral für einen effek­tiven Klima­schutz ist. Dieser wird nun auch in Öster­reich ein­ge­führt. Doch der CO2-Preis von 30 Euro pro Tonne ist leider nur ein Trip­pel­schritt in die rich­tige Rich­tung. Er ist zu nied­rig, um die ge­wünsch­ten Lenkungs­wir­kungen zu er­zie­len und die öster­reichi­schen Klima­ziele zu er­rei­chen. Straf­zahlungen in Mil­liar­den­höhe sind zu er­war­ten.

Ich arbeite in der „Euro­pean Task Force on Car­bon Pricing” mit, die sich in der EU und welt­weit für eine CO2-Be­prei­sung ein­setzt. Die jahre­lange Ko­opera­tion der „Task Force“ mit China hat da­zu bei­ge­tra­gen, dass China jüngst ein CO2-Handels­sys­tem nach dem EU-Model ein­ge­führt hat.

Schon 2013 habe ich in einem Artikel für das Buch „Power­lines Energie­poli­tische Ent­wick­lungs­li­nien Euro­pas“ die Ein­führung einer CO2-Steuer von 30 Euro/Tonne, jähr­lich stei­gend, ge­fordert, sowie einen Grenz­aus­gleich­mecha­nis­mus ge­gen Wett­bewerbs­nach­teile. Mein Vor­schlag war damals, die Steuer­ein­nahmen für ein grünes Wachs­tums­modell zu nutzen, mit steuer­licher Ent­las­tung von Ar­beit und Be­las­tung von Ener­gie.

Im zentralen Bereich der CO2-Be­preisung hat die deutsche SPD bisher mehr getan als die öster­reichi­schen Grünen. In Deutsch­land wurde von Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz An­fang 2021 ein CO2-Preis in der Höhe von 25 Euro je Tonne ein­ge­führt, der bis 2025 auf 55 Euro steigt. Fossile Kraft- und Brenn­stoffe werden teurer. Die Ein­nahmen senken die un­sozialen Strom­ab­gaben für den Aus­bau der Erneuer­baren.

Die türkis-grüne Steuer­reform setzt im Wesent­lichen die deutsche CO2-Steuer ver­spätet um, Mitte 2022 soll die CO2-Be­prei­sung star­ten und bis 2025 auf eben­falls 55 Euro stei­gen. Eine neue deutsche Re­gierung wird ver­mutlich den CO2-Preis stär­ker er­höhen und damit zu Ländern wie Schwe­den oder Schweiz auf­schließen.

In Österreich wird dagegen das Diesel­privileg weiter­hin nicht be­seitigt. Auch mit den Grünen in der Re­gie­rung bleibt das Land eine Steuer­oase für fossile Treib­stoffe. Sie werden wesent­lich ge­ringer be­steuert als in Deutsch­land, Italien oder der Schweiz. Sprit ist daher billiger und es kommt zu einem aus­ge­präg­ten Tank­touris­mus, ins­be­sondere bei Lkw. Auch Mineral­öl­steuer­be­freiung für Kero­sin bleibt un­an­ge­tastet.

Österreich befreit Landwirte beim Agrar­diesel von der CO2-Steuer, damit werden klima­schäd­liche Sub­ven­tionen er­höht. Die Landwirtschaft ist weltweit für 18 Prozent der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. In Österreich, das keine Kohlekraftwerke hat, ist die Land­wirt­schaft da­her größter Ver­ur­sacher von klima­schäd­lichen Emis­sionen, ins­be­sondere von Methan, welches über 20 Jahre ge­rech­net mehr als 80 Mal so klima­schäd­lich wie CO2 ist. Ein Drit­tel der bis­herigen Erd­er­wärmung ist nach dem letzten UN-Klima­bericht (IPCC) auf Methan zu­rück­zu­führen. Maß­nahmen ge­gen Methan­emis­sionen würden daher schon kurz- bis mittel­fris­tig große Wir­kun­gen ent­falten.

Höchste Förderungen gibt es weiterhin für Methan-inten­sivste Be­reiche der Land­wirt­schaft, wie der Vieh­zucht. Zu­dem werden ener­gie­autarke Bauern­höfe mit ins­gesamt 25 Mil­lionen Euro ge­för­dert, was dazu führen wird, dass sie ver­stärkt Ener­gie­pflan­zen statt Nahrungs­mittel an­bauen werden und Preise für Lebens­mittel stei­gen.

Der gestaffelte Klimabonus führt unterdessen dazu, dass Wohnen im Speck­gürtel der Städte bzw. am Land höher sub­ven­ti­oniert wird. Länd­liche Ge­biete tra­gen durch Zer­siede­lung und Boden­ver­siege­lung zu mehr CO2-Aus­stoß bei. Den­noch be­kommt der SUV-Fahrer mit Villa im Grünen mit 200 Euro einen dop­pelt so ho­hen Klima­bonus wie alle, die in Wien leben. Hin­zu kommt die höhere Pendler­pau­schale. Wien, das in den letzten Jahr­zehnten viel in den Aus­bau des öffent­lichen Ver­kehrs in­ves­tiert hat, wird be­straft. Län­der wie Nieder­öster­reich, welches in den letzten Jahr­zehnten seine Neben­bahnen zu­sperrte, wer­den be­lohnt.

Nun zu den sozialen Aspekten: Arbeit­nehmer finanzieren die Steuer­sen­kungen, die ihnen zu­gute­kommen, im Grunde selbst. Denn in weni­gen Jahren wird die kalte Pro­gres­sion die Steuer­sen­kungen wie­der auf­ge­fres­sen haben – je höher In­fla­tion und Lohn­er­höhungen sind, desto schnel­ler. Am meisten pro­fi­tie­ren mittlere und hohe Ein­kommen.

Unternehmen profitieren durch eine permanente Steuer­senkung, von 25 Pro­zent KöSt-Satz auf 23 Pro­zent. Kleine Unter­nehmen, die oft keine Ka­pi­tal­ge­sell­schaften sind, bzw. auch oft ge­ringe Ge­winne machen, pro­fi­tieren nicht. Ge­win­ner sind also die großen ge­winn­träch­tigen Unter­nehmen. Es wäre sinn­voller ge­wesen das Geld in eine Sen­kung der Lohn­neben­kos­ten zu ver­wenden (z.B. Dienst­geber­bei­trag zur Kran­ken­ver­sicherung ana­log zur Sen­kung der Bei­träge für niedrige Ein­kommen). Auch bes­sere Ab­schreibe-Mög­lich­keiten wären eine Alter­na­tive ge­wesen, da so nur jene pro­fi­tieren, die wirk­lich in­ves­tieren.

Bei hohen Budgetdefiziten und Staats­schulden gibt es keine Gegen­fi­nan­zie­rung der Steuer­sen­kungen. Hier setzt die Re­gierung offen­bar auf das Prin­zip Hoffnung, da­rauf, dass in den kom­men­den Jahren In­fla­tion und Wirt­schafts­wachs­tum hoch sind, was zu einem hohen Nomi­nal­wachs­tum führt. Vor­aus­setzung ist, dass Löhne und Ge­hälter ent­spre­chend an­stei­gen, was wie­derum über die kalte Pro­gres­sion da­zu führt, dass über­wie­gend die Arbeit­nehmer die Steuer­reform fi­nan­zieren - auch die Steuer­senkungen für die Unter­nehmen.

Einen Lenkungseffekt gebe es, wären die CO2-Steuer­ein­nahmen zur Sen­kung bzw. Ab­schaf­fung der un­so­zialen Strom­ab­gaben ver­wen­det wor­den, welche die Ärmeren stär­ker als die Reichen be­lasten. Strom, der in Öster­reich über­wie­gend aus erneuer­baren Quel­len stammt, wäre damit bil­liger und gegen­über fos­silen Ener­gien kon­kur­renz­fähiger ge­worden. Die Bahn würde gegen­über dem Lkw kon­kur­renz­fähiger.

Im Mietwohnungsbereich sollten Ver­mieter 50 Prozent der CO2-Steuern be­zahlen müs­sen, da sie nur so einen An­reiz haben, auf emis­sions­arme Heiz­sys­teme um­zu­stel­len. Mieter würden pro­fi­tieren und Ver­mieter können es sich im Lichte der in den letzten Jahren stark ge­stiegenen Mie­ten und Immo­bilien­preise leis­ten. Sond­er­för­derungen würde es für die Um­stel­lung der Heiz­sys­teme im ge­för­der­ten So­zial­wohn­bau be­nö­tigen.

Fazit: Ein erster Schritt in Richtung CO2-Be­prei­sung ist zwar ge­macht, aber der Preis ist zu nied­rig um die Klima­ziele zu er­reichen. Öko­lo­gisch schäd­liche Sub­ven­tionen

wie das Diesel­pri­vi­leg wurden nicht ge­strichen – und neue wurden ge­schaf­fen. Arbeit­nehmer zahlen die Steuer­re­form über die kalte Pro­gres­sion, Unter­nehmen, Bauern, Frächter Lobby ge­win­nen. Und die Schief­lage bei der Be­steue­rung (hohe Be­las­tung der Ar­beit, niedrige Be­lastung des Kapi­tals) wird mit­tel­fris­tig so­gar ver­stärkt.

https://www.diepresse.com/6043799/wie-bdquookoldquo-und-bdquosozialldquo-ist-die-steuerreform-wirklich?from=rss

Posted by Wilfried Allé Friday, October 8, 2021 7:36:00 PM
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