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Der Sieg der Natur über den Kapitalismus | Der internationale Bestseller aus Japan

von Kohei Saito

ISBN 9783423283694
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Umfang: 320 Seiten
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Übersetzung: Gregor Wakounig
Erscheinungsdatum: 17.08.2023
Preis: € 25,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Mit Marx in die Zukunft

Wenn wir glauben, die Welt durch nach­hal­ti­gen Kon­sum vor der Klima­ka­tas­trophe zu ret­ten, be­trü­gen wir uns selbst, sagt der ja­pa­ni­sche Philo­soph Kohei Saito. Denn der Ka­pi­ta­lis­mus ist nicht zu­kunfts­fä­hig. Klar und über­zeu­gend ver­tritt Saito die These: Nichts, was die Welt jetzt braucht, lässt sich in­ner­halb eines kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems rea­li­sie­ren. Grü­nes Wachs­tum ist un­mög­lich. Was wir statt­des­sen brau­chen? Ei­nen neu­en Kom­mu­nis­mus. Ge­nau­er ge­sagt: ei­nen Öko­sozia­lis­mus, der nicht auf Wachs­tum aus­ge­rich­tet ist, der das Pro­duk­tions­tem­po he­run­ter­fährt und Wohl­stand um­ver­teilt. Schon Marx plä­dier­te für eine nach­hal­ti­ge Wirt­schafts­ord­nung. Und nur da­mit wird es uns ge­lin­gen, die Na­tur – un­se­re Le­bens­grund­lage – zu er­halten.

FALTER-Rezension

Das Manifest für den "Degrowth-Kommunismus"

Ulrich Brand in FALTER 37/2023 vom 15.09.2023 (S. 19)

Dass der Kapitalismus sich in einer Viel­fach­krise be­findet und ins­be­son­dere die Klima­krise kaum lös­bar scheint, hat sich herum­ge­spro­chen. Und doch blei­ben die poli­ti­schen Ini­tia­tiven, der exis­ten­ziel­len Be­dro­hung der Mensch­heit bei­zu­kom­men, meist zag­haft. Der ja­pa­ni­sche Wis­sen­schaft­ler Kohei Saito, Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Tokio, greift mit ei­nem ori­gi­nel­len Buch in die De­bat­te um die Reich­weite von Klima­poli­tik ein. In sei­nem Heimat­land hat sich der Band schon 500.000 Mal ver­kauft und ist auf dem Weg, ein glo­ba­ler Best­sel­ler zu werden.
"Systemsturz" ist der provokante Titel der gerade er­schie­ne­nen deut­schen Über­set­zung. Der Autor for­dert nichts an­deres als einen "Degrowth-Kom­mu­nis­mus" und macht da­für kon­kre­te Vor­schläge.

Saito startet mit einer scharfen Kritik an jenen Stra­te­gien ge­gen die Klima­krise, wel­che die ex­pan­si­ven Dy­na­mi­ken unse­res Wirt­schafts­sys­tems nicht in­frage stel­len: "grü­nes" Wachs­tum, grü­ner Keynesia­nis­mus oder öko­lo­gi­scher Kon­sum. Er räumt mit dem My­thos der "Ent­kopplung" von Wirt­schafts­wachs­tum und Res­sour­cen­ver­brauch auf und nimmt - das kommt nicht oft vor in die­ser Art von Bü­chern - immer wie­der die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen der öko­lo­gi­schen Ra­serei der In­dus­trie­län­der auf den glo­ba­len Süden in den Blick.

Degrowth, übersetzt als "Post-Wachstum", heißt vor allem: raus aus dem Wachs­tums­wahn und Um­bau einer Ge­sell­schaft - So­zial­sys­teme, Ar­beits­plätze, In­ves­ti­tionen -, die vom im­mer­wäh­ren­den Wachs­tum ab­häng­ig ist.

Brillant ist das Kapitel "Marx im Anthropozän". Saito zeigte vor eini­gen Jah­ren in sei­ner viel be­ach­teten Dis­ser­ta­tion, dass Karl Marx sich in sei­nen letz­ten 15 Lebens­jah­ren in­ten­siv mit der öko­lo­gi­schen Krise be­fasste. Er publi­zierte seine Über­le­gungen kaum, hat aber um­fang­rei­che Notiz­hefte an­ge­legt, ins­be­son­dere zur Krise der Land­wirt­schaft.

Saito argumentiert überzeugend, dass der "späte" Marx sich der Pro­bleme des in­dus­tri­el­len Pro­duk­ti­vis­mus sehr be­wusst war. Die Alter­na­tive zum Kapi­ta­lis­mus sah er im­mer we­ni­ger in der Revo­lu­tion des In­dus­trie­pro­le­ta­riats, son­dern in den Dorf­ge­mein­schaften, in denen ge­mein­schaft­liche und nach­hal­tige Lebens­formen vor­herrsch­ten. Hier wur­den Lebens­mit­tel ge­mein­schaft­lich pro­du­ziert und Saito gibt unter dem Be­griff "commons" - Ge­mein­schafts­güter - viele ak­tu­elle Bei­spiel dafür.

Bei den "fünf Säulen des Degrowth-Kommunismus" unter­streicht der Au­tor die Not­wendig­keit, mehr Ge­brauchs­werte her­zu­stel­len und nicht die am Pro­fit orien­tier­ten Waren. Er möchte die sys­tem­rele­van­ten Be­rufe wie Pflege und Bil­dung auf­ge­wer­tet se­hen - und die für das Wohl­er­gehen der Ge­sell­schaft nutz­losen Jobs im Marke­ting und Finanz­sek­tor we­ni­ger pres­tige­reich und gut be­zahlt. In der Ar­beits­zeit­ver­kür­zung sieht er einen Schlüs­sel für eine bes­sere Ge­sellschaft.

So weit, so von vielen vertreten. Doch Saito geht weiter und for­dert eine Ver­än­de­rung der be­ste­hen­den Ar­beits­tei­lung, dass also nicht ei­nige Men­schen die "bullshit jobs" machen und an­dere die inter­essanten. Schließ­lich, so seine fünfte "Säule", müssten Pro­duk­tions­pro­zes­se demo­kra­ti­siert wer­den - damit wür­den sie auch ver­langsamt.

Im Kapitalismus schaffen die privaten Unter­nehmen vor al­lem Knapp­heit und pro­du­zie­ren das, was sich gut ver­kauft. Das geht not­wen­diger­weise mit der Aus­beu­tung von Mensch und Na­tur bis hin zur Zer­stö­rung einher.

Ein spannendes Argument Saitos lautet, dass wir neue For­men des Über­flus­ses be­nö­tigen: nicht den Über­fluss von Fast Fashion, schlech­tem indus­triel­lem Es­sen und sinn­lo­sem Enter­tain­ment, son­dern Über­fluss in einer ent­schleu­nig­ten Ge­sell­schaft, in der Ver­trauen, ge­gen­sei­ti­ge Hilfe, aber auch lang­le­bige Ge­brauchs­gü­ter ein siche­res und sinner­fülltes Le­ben er­mög­lichen.

Der Staat spielt dabei eine wichtige Rolle, sollte aber nicht über­schätzt wer­den die Men­schen müs­sen selbst aktiv wer­den. Der hier ver­tre­tene "Kom­mu­nis­mus" hat gar nichts mit den auto­ri­tär-büro­kra­ti­schen Sys­temen des realen So­zia­lis­mus zu tun.

Saito hat ein lesenswertes Buch vor­gelegt, das wich­tige Im­pul­se gibt. An man­chen Stel­len ar­gu­men­tiert er et­was schema­tisch, wenn "das Kapital" als Gegen­über "der Men­schen" dar­ge­stellt wird. Als ge­schul­ter Marxist weiß er na­tür­lich, dass das Kapi­tal selbst die Men­schen ein­bin­det und vie­len ein ma­teriell aus­kömm­liches Le­ben er­mög­licht. Die Fra­ge, wie an­dere und nicht­zer­stö­re­rische Be­dürf­nis­se ent­stehen kön­nen, lässt er außen vor. Auch die Tat­sache, dass "der" glo­ba­le Sü­den nicht nur ein Ort der Aus­beu­tung ist, son­dern dass dort höchst un­gleich ge­lebt wird, spielt keine Rolle.

Ein einziges Buch kann nicht alles bieten. Aber Saito hat schon viele An­regungen im Angebot.
 

Autorenportrait

Kohei Saito, geboren 1987, ist Associate Profes­sor für Phi­lo­­so­­phie an der Uni­­ver­­si­tät von To­kio. Er pro­­mo­vier­­te 2016 an der Hum­boldt-Uni­­ver­­si­­tät zu Ber­lin, ist Mit­­heraus­­ge­ber der Marx-Engels-Ge­­samt­­aus­­ga­be und wurde 2018 mit dem Isaac-Deut­­scher-Preis aus­­ge­­zeich­­net. Saitos »Systemsturz­« wurde in Ja­pan ein großer Er­folg, das Buch ver­kaufte sich dort mehr als 500.000 Mal.

In diesem Buch analy­siert der ja­pa­ni­sche Philo­soph Kohei Saito die Ver­flech­tung von Kapi­tal, Natur und Ge­sell­schaft im Anthro­po­zän. Ent­ge­gen der her­kömm­li­chen Les­art ent­deckt er die Ge­dan­ken von Karl Marx neu und ent­wickelt mit ihrer Hil­fe das Mo­dell ei­nes de­growth-Kom­mu­nis­mus. Er kri­ti­siert den in­ne­ren Wachs­tums­zwang des Kapi­ta­lis­mus als eine Grund­pro­ble­ma­tik der heu­ti­gen men­schen­ge­mach­ten und kapi­tal­ge­trie­be­nen Klima­krise.

Saito entdeckt alter­na­tive Pfade der Dis­kus­sion bei Marx und plä­diert für eine De­kar­bo­ni­sie­rung un­ter an­de­rem durch kür­ze­re Ar­beits­zei­ten und Pri­ori­sie­rung auf lebens­wich­tige Pro­duk­tion. Er be­nennt die Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Nati­onen als neues «Opium des Volkes» und for­dert die Ver­ge­sell­schaf­tung der großen Öl­kon­zerne, Groß­banken und der di­gi­ta­len In­fra­struk­tur.

Das Buch machte in Japan mit über 500.000 ver­kauf­ten Exem­pla­ren Furore und wurde nun von Gregor Wakounig für den dtv Verlag über­setzt.

Posted by Wilfried Allé Friday, August 4, 2023 10:31:00 AM Categories: Sachbücher/Politik
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