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Thomas Schmid "glaubwürdig", Schuldspruch für Sebastian Kurz

von Josef Votzi

Der Versuch, Schmid mithilfe von zwei rus­si­schen Zeu­gen jüngst als will­fäh­ri­ges Ins­tru­ment der Staats­an­wälte dar­zu­stel­len (Kurz-PR-Leute: “Die WKStA dik­tiert, Schmid ser­viert”) ging auch in den Au­gen von un­be­tei­lig­ten Pro­zess-Be­obach­tern nach hinten los.

Politik Backstage: Mit dem überraschenden Urteil wegen "fal­scher Zeu­gen­aus­sage" muss Sebas­tian Kurz auch eine nach­hal­tig schwere Nieder­lage ein­stecken: Im spiel­ent­schei­den­den Glaub­wür­dig­keits-Duell mit Thomas Schmid schlägt sich nach der WKStA nun auch ein un­ab­hän­gi­ger Rich­ter auf die Seite seines Haupt­wider­sachers.

Es war das Tuschelthema in der ÖVP in den vergan­genen Tagen. “Nach den vie­len Zeu­gen, die für den Sebas­tian aus­ge­sagt haben, kann es nur einen Frei­spruch ge­ben – außer der Rich­ter will sich am Fal­ter-Cover ver­ewigt sehen” pro­kla­mier­ten ehe­ma­lige enge Mit­ar­bei­ter von Sebas­tian Kurz.
Nach zwölf Verhandlungstagen setzten frei­lich im­mer weni­ger pro­fes­sio­nel­le Pro­zess­beo­bachter auf einen glat­ten Frei­spruch für Sebas­tian Kurz und Ex-Kabi­netts­chef Bern­hard Bo­nel­li we­gen “fal­scher Zeu­gen­aus­sage vor einem Unter­suchungs-Ausschuss".

Als Richter Michael Radasztics Freitag früh um 8:30 Uhr die “Straf­sache ge­gen Sebas­tian Kurz und an­dere” zum letz­ten Mal auf­rief, fan­den sich – je nä­her es Rich­tung Ur­teils­ver­kün­dung in den frü­hen Abend­stun­den ging – auch im­mer mehr Straf­ver­tei­diger als Kie­bitze im Ge­richts­saal ein. “Die Atmos­phäre im Saal riecht nach einer Ver­ur­tei­lung”, sagte einer nach ein paar Stun­den Beo­bach­tung des Pro­zess­finales.

Hoffnung auf Freispruch zweiter Klasse

Viele Strafjuristen glaubten freilich bis zuletzt an einen Frei­spruch zwei­ter Klas­se. Sprich, ei­nen für Kurz sehr zwie­späl­ti­gen Be­fund: Die­ser habe vor dem U-Aus­schuss zwar die Un­wahr­heit ge­sagt. Da er dies aus Angst vor einer mög­li­chen Straf­ver­fol­gung ge­tan habe, kom­me der auch in einem U-Aus­schuss mög­li­che “Aus­sage­not­stand” zum Tra­gen: Wer Ge­fahr laufe, sich selbst mit einer wahr­heits­ge­mäßen Aus­sage zu be­las­ten, dürfe sank­tions­frei lü­gen. Kurz könnte so zwar mit einer reich­lich be­fleck­ten Weste, aber straf­frei aus dem Ge­richts­saal gehen.

Überraschend differenziertes Urteil

Nur die wenigsten Strafrechtler erwarteten einen Schuld­spruch ohne Wenn und Aber.

Mit dem sehr differenzierten Urteilsspruch von Richter Michael Radasztics hat­te im Vor­feld so gut wie nie­mand ge­rech­net: Ein Schuld­spruch für Kurz we­gen fal­scher Zeu­gen­aus­sage über seine – aus Sicht des Rich­ters – tat­säch­lich ent­schei­dende Rol­le bei der Aus­wahl und Be­stel­lung der Auf­sichts­räte für die Ver­staat­lich­ten-Hol­ding ÖBAG.

Zwei Freisprüche für Kurz wegen des Vorwurfs, über seine In­vol­vie­rung bei der Kür von Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef und über den Um­gang mit ge­hei­men Side­let­tern zum tür­kis-blauen Koa­li­tions­ab­kom­men falsch aus­ge­sagt zu haben.

Unerwartet war nicht nur das Urteil selbst. Auch die anschließende umfas­sende münd­liche Be­grün­dung (das schrift­liche Ur­teil folgt erst) war in vie­len Punk­ten über­raschend.

Als Vorbestrafter wegen Inseraten-Korruption vor Gericht?

Sie könnte weichenstellend für jenes Verfahren werden, das Kurz als – nicht rechts­kräf­tig – Vor­be­straf­ter jetzt wohl noch mehr fürch­ten muss: Den Vor­wurf der Inse­ra­ten-Kor­ruption.

Denn auch am letzten und zwölften Prozesstag wurde ein­mal mehr deut­lich, wo­rum es Kurz vor Ge­richt in Wahr­heit ging. Den Vor­wurf der Falsch­aus­sage sucht er wie schon zu Pro­zess­be­ginn als eine “Wort­klau­berei” und De­batte über reine "Se­man­tik" ab­zu­tun. “Wenn man je­des Wort auf die Gold­waage le­gen würde, dann müssten viele Ver­fah­ren ge­führt wer­den”, pro­kla­mierte Kurz nach der Ur­teils­ver­kün­dung ein­mal mehr.

Und eröffnete neuerlich eine Breitseite gegen seinen eins­tigen Ach­sen­part­ner im Fi­nanz­mi­nis­te­rium und ehe­ma­ligen ÖBAG-Chef. “Thomas Schmid will Kron­zeuge wer­den und schreibt Lü­gen in sei­nen Lebens­lauf hi­nein, das ist al­les ok.”

Kurz spielte damit auf den jüngsten Versuch seiner An­wälte Stun­den zu­vor im Ge­richts­saal an, Schmids Glaub­wür­dig­keit neuer­lich zu er­schüt­tern. Thomas Schmid ist der bis­lang ein­zig be­kannte Be­las­tungs­zeuge ge­gen Kurz in den Er­mitt­lungen der WKStA we­gen des weit­aus schwer­wie­gen­deren Vor­wurfs der Inse­raten-Kor­ruption.

Russen-"Bombe" als Rohrkrepierer

Der Versuch, Schmid mithilfe von zwei russischen Zeugen jüngst als will­fäh­ri­ges Ins­tru­ment der Staats­an­wälte dar­zu­stel­len (Kurz-PR-Leute: “Die WKStA dik­tiert, Schmid ser­viert”) ging auch in den Au­gen von un­be­tei­lig­ten Pro­zess-Be­obach­tern nach hinten los.

”Damit hat sich Kurz mehr geschadet als genützt”, sagt ein promi­nen­ter Straf­ver­tei­diger, “Auch wenn ein Man­dant sol­che Zeu­gen un­be­dingt ins Spiel zu bri­ngen will, dann muss man als des­sen An­walt drin­gend da­von abraten.”

Nachdem auch am letzten Verhandlungstag der – vom Kurz-Team einst als Pro­zess-”Bombe” an­ge­kün­digte – Auf­tritt des zwei­ten rus­si­schen Be­las­tungs­zeu­gen ge­gen Thomas Schmid nicht zün­dete, such­ten die An­wälte von Kurz & Bonelli nun Schmid an­hand eines im Vor­jahr ver­fassten Lebens­laufs als Lüg­ner vor­zuführen.

Schmid hatte angesichts der Aussicht eines Jobangebots durch die omi­nö­sen Rus­sen im Som­mer 2023 in dem an diese über­ge­be­nen Lebens­lauf an­ge­führt, er habe in sei­ner Zeit als Pres­se­sprecher im Außen­minis­te­rium (2008 - 2013) eine “Be­freiung von öster­reichi­schen Gei­seln mit diplo­ma­ti­schen Mit­teln im Jemen ver­handelt”.

Eine glatte Erfindung aus Sicht von Zeitzeugen. In der nacht­räg­lichen Dar­stel­lung von Schmid die­sen Frei­tag vor Ge­richt, nicht ge­rade über­zeu­gend, “eine Schlam­perei”. In den Au­gen von Kurz & Co frei­lich nur ein wei­te­rer Be­weis, dass Schmid vor kei­nen Mit­teln zu­rück­schrecke, um seine Haut zu retten.

Richter zu Kurz: "Schmid wollte Ihnen nicht um jeden Preis schaden"

Für Richter Michael Radasztics hat das am Bild des Kron­zeugen-An­wär­ters Thomas Schmid wenig ge­än­dert. “Ja, er hat in sei­nem Lebens­lauf über­trie­ben”, re­sü­mierte der Straf­richter in sei­ner Ur­teils­be­grün­dung. “Im Wesent­lichen war der Zeuge Thomas Schmid aber glaub­wür­dig, weil er durch­aus dif­fe­ren­ziert aus­ge­sagt hat.”

Direkt an den Angeklagten Sebastian Kurz gewandt sagt der Straf­richter nach sei­nem Ur­teil einen Schlüs­sel­satz: ”Schmid wollte Ihnen nicht um jeden Preis schaden. Er hat auch sein ei­ge­nes Be­stre­ben, ÖBAG-Chef zu wer­den nicht klein geredet.”

Und: “Den zwei russische Zeugen ist es nicht gelungen, generell die Glaub­würdig­keit von Thomas Schmid zu er­schüt­tern.” Denn: “Zwei in­halt­lich gleich­lau­ten­de Affi­da­vits von zwei ver­schie­de­nen Zeu­gen sind schon sehr auf­fäl­lig. Am schwers­ten wiegt aber: Dass Thomas Schmid, der den Kron­zeu­gen-Status be­an­tragt hat, sich zwei Men­schen ge­gen­über, die er nicht kennt, um Kopf und Kra­gen ge­redet ha­ben soll, ist welt­fremd.”

Zur Erinnerung: Der Anwalt von Sebastian Kurz hatte – auf­grund von nicht näher ge­nann­ten Hin­weisen (“An­walts­ge­heimnis”) – eigen­hän­dig ver­fasste und von den bei­den rus­si­schen Ge­sprächs­part­nern Schmids unter­schrie­bene eides­statt­liche Er­klä­rungen prä­sen­tiert. Da­rin ga­ben die bei­den an, Schmid als CEO für ein geor­gi­sches Öl­pro­jekt ins Auge ge­fasst zu haben.

Im Zuge eines ersten Kontakts an dessen nunmehrigen Wohn- und Arbeits­platz in Amster­dam habe ihnen Schmid, an­ge­spro­chen auf ein­schlä­gi­ge Medien­be­richte über an­hän­gi­ge Jus­tiz-Cau­sen, offen­bart: Er sei von der WKStA der­art unter Druck ge­setzt wor­den, dass er “be­schlos­sen habe, sich auf ihre Seite zu stel­len und ihnen zu hel­fen, in­dem er in einer Weise aus­sagte, die die Staats­an­wälte zu­frie­den stellte, ob­wohl diese spezi­fi­schen Aus­sagen jen­seits des­sen lagen, was er als wahr in Er­inne­rung hatte.“

Nicht nur wegen weitaus vagerer Formulierungen bei der münd­lichen Ein­ver­nahme der bei­den rus­si­schen Zeu­gen: Der Rich­ter schenkte die­ser schwer­wie­gen­den Be­schul­di­gung von Thomas Schmid aber auch der WKStA kei­nen Glauben.

Kurz: "Schmids Aussagen für mein Urteil nicht relevant"

Sebastian Kurz sucht das Urteil gegen ihn dennoch als Etappen­sieg im kom­men­den, weit­aus schwer­wie­gen­deren Glaub­wür­dig­keits-Duell mit Thomas Schmid zu wer­ten. “Für das, was ich ver­ur­teilt werde, sind Aus­sagen von Thomas Schmid nicht rele­vant”, ließ er be­reits kurz nach der Ur­teils­ver­kün­di­gung vor dem Großen Schwur­ge­richts­saal in einer im­pro­vi­sier­ten Pres­se­kon­fe­renz wissen.

Wann es zur ultimativen Konfrontation zwischen dem Kron­zeugen-An­wärter Thomas Schmid und Sebas­tian Kurz kommt, ist aber noch voll­kom­men offen. Die ein­schlä­gi­gen Er­mitt­lun­gen kom­men we­gen kom­plexer und zeit­auf­wen­diger “Sich­tungs­ver­fahren” bei der Aus­wer­tung be­schlag­nahm­ter Daten­träger bei Me­dien wie "Öster­reich" aber auch von Ex-Kurz-Mit­ar­bei­tern im Bun­des­kanz­ler­amt nur sehr schlep­pend voran.

Aufatmen im Nehammer-Lager

In der ÖVP wird der Prozessausgang, je nach Position im schwarz-tür­ki­sen Lager, mit ei­nem wei­nen­den oder lachen­den Auge ge­sehen. Kurz­fris­tig be­deute der Schuld­spruch für den ge­fal­lenen Ober­tür­kisen einen wei­teren Schaden für die ÖVP, meint ein ÖVP-Stra­tege. Für den der­zei­ti­gen Par­tei­chef und Kanz­ler Karl Ne­ham­mer wer­tet des­sen Lager den Pro­zess­aus­gang vor al­lem für die kom­men­den Wahl­gänge im Juni (EU-Wahl) und Sep­tem­ber (Na­tio­nal­rats­wahl) aber als eine will­kom­mene Ent­lastung.

Alle aus dem Kurz-Lager befeuerten Comeback-Spekulationen sind mit der un­er­wartet schwe­ren Nieder­lage vor Ge­richt vor­läu­fig obso­let. Ne­ham­mer muss nun selbst bei ei­nem mas­si­ven Ab­sturz von Platz 1 auf Platz 3 bei den EU-Wah­len keine “Kurz statt Ne­ham­mer”-Kam­pagne aus den tür­ki­sen Rei­hen mehr fürchten.
 


Der Autor
Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjourna­listen des Lan­des. Der Ent­hüller der Af­färe Groër ar­bei­tete für profil und News und war zu­letzt Poli­tik- und Sonn­tags­chef des Kurier. Für den trend ver­fasst er jede Woche Politik Backstag

Posted by Wilfried Allé Sunday, February 25, 2024 8:11:00 AM
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