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Warum Ungleichheit unsere Zukunft bedroht

von Rosa Lyon

ISBN: 9783710608575
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 176 Seiten
Format: Hardcover
Verlag: Brandstätter Verlag
Sammlung: Zukunft denken
Erscheinungsdatum: 19.03.2025
Preis: € 25,00

Kurzbeschreibung des Verlags

Zu Ungleichheit haben alle eine Meinung. Die Unter­schiede zwi­schen oben und un­ ten sor­gen schnell für hit­zige De­bat­ten. Doch oft ist un­klar, was mit Un­gleich­heit über­haupt ge­meint ist: Geht es um Ein­kom­men, Ver­mögen, Kon­sum, Chan­cen oder Ge­sund­heit – oder um al­les zu­sam­men? Die meis­ten sind sich ei­nig, dass die Un­gleich­heit zu groß ist und ver­rin­gert wer­den sollte. Die Fra­ge ist nur, wie stark.
Die studierte Ökonomin und Journalistin Rosa Lyon bie­tet ei­nen er­hel­len­den und nüch­ter­nen Blick auf die viel­fäl­ti­gen Fa­cet­ten der Un­gleich­heit. Sie for­dert uns auf, un­sere An­nah­men und Vor­ur­tei­le zu hin­ter­fra­gen und hin­ter die Zah­len zu blicken.
Wir leben in einer Gesellschaft, die glaubt, dass Leis­tungs­be­reit­schaft und Ta­lent die so­zia­le Posi­tion be­stim­men. Doch die Rea­li­tät sieht an­ders aus: Weit wich­ti­ger als Fähig­kei­ten und An­stren­gun­gen ist die Fa­mi­lie, in die man hi­nein­ge­bo­ren wird. So­zia­les, kul­tu­rel­les und öko­no­mi­sches Kapi­tal wer­den wei­ter­ge­ge­ben, und der Sta­tus wird vererbt.
Das Buch macht deutlich, dass Ungleichheit nicht natur­ge­ge­ben ist, son­dern von Men­schen ge­macht. In frü­hen Jäger- und Samm­ler­ge­sell­schaf­ten war es kaum mög­lich, Be­sitz an­zu­häu­fen. Erst mit Sess­haf­tig­keit und Land­wirt­schaft be­gan­nen sich wirt­schaft­li­che Unter­schie­de ab­zu­zeich­nen. Be­sitz­lose Bauern stan­den ihren Feu­dal­her­ren ge­gen­über. Das Kon­zept des Pri­vat­eigen­tums, das recht­lich durch den Staat ge­schützt wi­rd, war eine auf­klä­re­ri­sche Idee.
Rosa Lyon zeigt, wie sich ökonomische Ungleich­heit auf Bil­dung, Lebens­dauer und das Klima aus­wirkt, wel­che Rol­le Ge­schlecht und Her­kunft spie­len und vor al­lem, wie Un­gleich­heit unse­re Ge­sell­schaft spal­tet, Kri­sen ver­schärft und un­sere Zu­kunft ge­fähr­det. Die­ses Buch ist un­ver­zicht­bar, um Wirt­schaft bes­ser zu ver­ste­hen und die rich­ti­gen Fra­gen zu stel­len. Etwa: Wie viel Ar­mut und wie viel Reich­tum wol­len wir in un­se­rer Ge­sell­schaft?

FALTER-Rezension

Was uns der gestiefelte Kater über Un­gleich­heit erzählt

Eva Konzett in FALTER 19/2025 vom 09.05.2025 (S. 18)

Probieren wir ein kleines Gedanken­ex­peri­ment. Wenn das ge­samte öster­rei­chi­sche Ver­mö­gen eine Tor­te wäre, dann könn­ten auf ei­ner Party die fünf reichs­ten Pro­zent fast die hal­be Tor­te da­von es­sen, wäh­rend 50 Pro­zent der Be­völ­ke­rung sich weni­ger als ein Tor­ten­stück tei­len müss­ten. So un­gleich ist Ver­mö­gen in Öster­reich - und nicht nur hier -ver­teilt. Ten­denz: stei­gend. Aber ist das über­haupt ein Pro­blem? Ist Un­gleich­heit nicht ein An­reiz für die Ärme­ren, nach oben zu stre­ben? Und was sagt die Ver­mö­gens­ver­tei­lung über die Le­bens­qua­li­tät der Men­schen und ihre so­zi­a­le Ab­si­che­rung aus?
Normalerweise kümmern sich Ökonomen in Fach­publi­ka­tio­nen um die­se Sach­ver­halte. Die ORF-Jour­na­lis­tin Rosa Lyon - sie hat selbst Volks­wirt­schaft stu­diert - lie­fert nun in ei­nem Buch Ant­wor­ten auch für die in­ter­es­sier­te Masse.

Zügig erzählend und gut - vielleicht fast ein bisschen zu eif­rig -doku­men­tie­rend tas­tet Lyon sich an die Fra­gen he­ran, zi­tiert Pop­kul­tur (so die Pros­ti­tuier­te Vivian aus "Pretty Woman" als Bei­spiel für nicht vor­han­de­nes so­zia­les Kapi­tal oder den Kana­rien­vo­gel des AKW-Be­sit­zers in den "Simp­sons" als Bei­spiel für ver­schlei­erte Ver­mö­gens­werte) so­wie die Ge­brü­der Grimm. Dann näm­lich, wenn das Mär­chen vom ge­stie­fel­ten Ka­ter den Le­sern den hoch­kom­plexen Gini-Koef­fi­zien­ten näher­bringt.

Der Gini-Koeffizienz ist eine Messgröße für Un­gleich­heit in ei­ner Ge­sell­schaft, die er auf einer Skala von null (per­fek­te Gleich­heit) bis eins (per­fekte Un­gleich­heit) auf­lis­tet. Lyon ge­lingt es nicht nur, das Kon­zept an­schau­lich zu ma­chen, sie ar­bei­tet gleich­zei­tig des­sen Schwä­chen he­raus. So han­delt es sich um eine mathe­ma­ti­sche Vor­gangs­weise und nicht um eine mo­ra­li­sche Wer­tung. Ein­fluss­fak­to­ren blen­det der Gini-Koef­fi­zient aus. Und selbst sei­ne Aus­sa­ge­kraft ist be­schränkt. Ers­tens weil "es in der For­schung kei­ne aus­rei­chen­den Da­ten und Zah­len gibt, um ein um­fas­sen­des Bild über die öko­no­mi­sche Ver­tei­lung des Wohl­stands zu zeich­nen", wie Lyon schreibt. Vor al­lem aber auch, weil die­se Mess­größe ei­nen ent­schei­den­den Gleich­macher unter den Tisch kehrt. Den So­zial­staat.

Wer beispielsweise in Österreich lebt, (noch) nicht um sei­ne Ge­sund­heits­ver­sor­gung oder sei­ne Pen­sion ban­gen muss, der muss auch weni­ger an­spa­ren. Er kann Lebens­ri­si­ken out­sour­cen und das Geld statt­des­sen aus­ge­ben. Der Gini-Koef­fi­zient wür­de die­se Per­son als arm mes­sen. Am an­de­ren Ska­len­ende steht ein be­son­ders rei­cher Mensch in ei­nem ero­die­ren­den Staat. Er muss mehr Geld auf­wen­den, um sein Ver­mö­gen ab­zu­si­chern (und sei es durch phy­si­sche Bar­rie­ren wie Sta­chel­draht). Eine we­sent­lich "är­mere" Mil­lio­nä­rin im öster­rei­chi­schen Rechts­staat kann sich aus­ruhen. Ihr Ver­mö­gen ist vor dem Zu­griff an­de­rer ge­schützt -in Form von Poli­zei­beam­ten und durch bei funk­tio­nie­ren­den Ge­rich­ten ein­klag­bare Eigen­tums­rechte.

Wir lernen Mansa Musa kennen, der der reichste Mann der Ge­schichte ge­we­sen sein soll (bis Elon Musk kam) und der - er lebte im 14. Jahr­hun­dert -sein gan­zes Gold im­mer mit­schlep­pen musste. Wir ler­nen vom Un­sinn des Eigen­heims und sei­ner Rol­le als Um­ver­tei­lung von un­ten nach oben, von den Fall­stricken der Merito­kra­tie und den mög­li­cher­weise öko­no­mi­schen Ur­sachen der Fentanyl­krise in den USA.

Geschickt verbindet Lyon die Aktualität mit ideen­ge­schicht­li­cher Grund­lage und den für das Ver­ständ­nis hilf­rei­chen er­zäh­le­ri­schen Pas­sa­gen. Um letzt­lich zu die­sem Fa­zit zu kom­men: "Für die Wirt­schaft gel­ten keine Natur­ge­setze. Wirt­schaft funk­tio­niert so, wie wir sie ge­stal­ten."Kon­­trol­­le der Ka­pi­­tal- und Han­­dels­­ströme. Da­mit wäre auch die De­­bat­­te um Mi­­gra­­tion ent­­schärft: Rechts­­po­­pu­­lis­­ten wür­­den nicht dort be­­son­­ders da­­zu­­ge­­win­­nen, wo vie­­le Mi­­gran­­ten le­­ben, son­­dern dort, wo Ar­­beits­­plät­ze ver­­schwinden.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, May 7, 2025 9:10:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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