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Die Wegwerfkuh 

Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwendet und was wir dagegen tun können.

von Tanja Busse

ISBN 9783896675385
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 288 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 30.03.2015
Verlag: Blessing
Preis: € 16,50

Kurzbeschreibung des Verlags:

Sie nennen es Effizienz – doch in Wahr­heit ist es ein System gi­gan­tischer Ver­schwen­dung

Die deutsche Landwirtschaft produziert immer mehr Milch, Fleisch und Eier in immer kürzerer Zeit. Die Ef­fi­zienz scheint ihr bestes Ar­gu­ment zu sein. Nur mit den Metho­den der Agrar­indus­trie könne man neun Mil­liarden Men­schen er­nähren, be­haup­ten deren An­hän­ger.Doch diese Hoch­leistungs­land­wirt­schaft ist eine Ver­schwen­dungs- und Ver­nichtungs­land­wirt­schaft . Sie er­zeugt Milch­kühe, die – bei einer na­tür­lichen Lebens­er­war­tung von zwan­zig Jah­ren – schon nach drei Jah­ren im Melk­stand ge­schlach­tet wer­den. Sie wer­den zu einer so ho­hen Milch­pro­duk­tion ge­trie­ben, dass sie krank und un­frucht­bar wer­den.Gleich­zei­tig kön­nen die meis­ten Bauern nicht mehr auto­nom han­deln, weil sie ab­hän­gig und hoch ver­schul­det sind. In der Ge­flügel­mast ver­kau­fen wenige große Kon­zerne Küken, Fut­ter und Medi­ka­men­te an die Land­wir­te und nehmen ihnen nach der Mast die schlacht­rei­fen Hühner ab. Die Prei­se be­stim­men die Unter­nehmen – die Stall­kos­ten und das Ri­si­ko für die Auf­zucht tra­gen die Bauern, die sich trotz­dem der Lo­gik der In­dus­trie beu­gen.In ihrem neuen Buch Die Wegwerfkuh be­lässt Tanja Busse es nicht bei der schonungs­losen Kri­tik der Miss­stände und Ab­hängig­keiten, son­dern zeigt auch Wege zu einer nach­hal­tigen Land­wirt­schaft auf.

FALTER-Rezension

"Die größte Gesundheitskrise unserer Zeit ist da...

... und sie heißt nicht Corona." Ba­ga­tel­len wie eine Zahn­ent­zün­dung oder eine Blasen­in­fek­tion kön­nten künf­tig wie­der töd­lich en­den, Opera­ti­onen oder Krebs­thera­pien kaum noch durch­ge­ührt wer­den. Der Grund: Durch den inflationären Einsatz von Antibiotika, den Wunderwaffen der Medizin, entwickeln sich immer mehr resistente Keime. Die Wirkstoffe helfen nicht mehr. "Schon heute ster­ben in Deutsch­land pro Jahr min­des­tens 15.000 Men­schen in­folge sol­cher nicht be­herrsch­barer In­fek­tionen", schrei­ben der Tier­arzt Rupert Ebner und die Autorin Eva Rosen­kranz in ihrem auf­rüt­telnden Buch "Pil­len vor die Säue".

Zum einen würden Ärzte Anti­bio­tika zu oft ver­schrei­ben und Patien­ten die Ein­nahme­re­geln nicht be­folgen. Vor allem aber treibe die In­ten­siv­tier­hal­tung Re­sis­ten­zen voran. Anti­bio­tika seien dort sys­tem­im­ma­nent: Ohne sie würde in der auf ex­treme Ef­fi­zienz ge­trimmten Hal­tung ein großer Teil der Tiere das Schlacht­ge­wicht nie er­rei­chen.

Ebner kennt die Schweine-und Hühner­ställe von innen, er ar­bei­tet seit Jahr­zehn­ten in einer Praxis für so­ge­nannte Nutz­tiere. "Nicht ein kran­kes Tier wird be­han­delt", er­klä­ren die Au­toren, "son­dern alle, weil ein ein­zi­ges kran­kes Tier in großen Be­stän­den die an­deren an­stecken könnte." Mast­hähnchen zum Beis­piel er­hielten im Schnitt während eines Fünf­tels ihres kur­zen Lebens Anti­bio­tika, im Schnitt drei ver­schie­dene Wirk­stof­fe. Die Au­toren plä­dieren für eine von Grund auf an­dere Tier­hal­tung, weni­ger Fleisch laute das Ge­bot der Stunde.

Die im Stall gezüchteten re­sis­ten­ten Keime sprin­gen näm­lich leicht auf den Men­schen über: di­rekt über das Fleisch, über Gülle, die Ab­luft von Stäl­len oder wenn ein Land­wirt als Trä­ger sol­cher Keime ins Spi­tal kommt und sie dort ver­brei­tet. Die Auto­ren er­zählen die Ge­schich­te des deut­schen Fuß­ball-National­spie­lers Matthias Sammer, der sich nach einer Knie­opera­tion mit multi­resis­ten­ten Kei­men in­fi­zier­te und bei­nah ge­stor­ben wäre. Erst nach drei Wo­chen wirkte end­lich das aller­letzte Mit­tel.

Reserveantibiotika nennen sich diese aller­letzten Mit­tel, die zum Ein­satz kom­men, wenn sonst nichts mehr an­schlägt. Bei Tuber­ku­lose zum Bei­spiel, denn mehr als die Hälfte die­ser Er­kran­kungen ver­ur­sachen heute multi­resis­tente Bak­terien. Doch auch die Wir­kung der Re­serve­anti­bio­tika sinkt, weil selbst sie den Tieren in großem Stil ver­ab­reicht wer­den. So wird der glo­bale Medi­zin­schrank im­mer leerer.

Laut Tanja Busse, die das Vorwort für das Buch ver­fasst hat, haben Wis­sen­schaft­ler auch vor der Klima­krise und vor Pan­de­mien seit Jah­ren ver­geb­lich ge­warnt: "Wie wäre es, wenn wir beim The­ma Anti­bio­ti­ka­miss­brauch zur Ab­wechs­lung nicht war­ten, bis die Ka­tastrophen über uns herein­brechen?"

Noch sieht es nicht danach aus. Im Septem­ber haben die EU-Par­la­men­ta­rier da­ge­gen ge­stimmt, dass Re­serve­anti­bio­ti­ka nur noch für Men­schen und ein­zel­ne Tiere ein­ge­setzt wer­den dür­fen. Weiter­hin wer­den also ganze Grup­pen von Tieren mit Mit­teln be­han­delt, die für vie­le Men­schen die letzte Ret­tung be­deu­ten - aber bald wir­kungs­los wer­den könnten.

Gerlinde Pölsler in Falter 41/2021 vom 15.10.2021 (S. 51)

Posted by Wilfried Allé Monday, October 18, 2021 11:07:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Stell dir vor ... 

mit Mut und Fantasie die Welt verändern

von Rob Hopkins

ISBN 9783706626989
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 288 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 30.09.2021
Verlag: Löwenzahn Verlag in der Studienverlag Ges.m.b.H.
Übersetzung: Dirk Höfer
Preis: € 22,90

Kurzbeschreibung des Verlags:

Dieses Buch wird klimapositiv hergestellt, cradle-to-cradle gedruckt und bleibt plastikfrei unverpackt.
LASS UNS DIE WELT VERÄNDERN UND DIE ZUKUNFT NEU DENKEN: MIT MUT UND FANTASIE!
Wir leben in einer Welt, die es uns NICHT GERADE EINFACH macht, DER ZUKUNFT VOLLER HOFFNUNG ENTGEGENZUBLICKEN: düstere Nachrichten zu Klimakrise, Artensterben, Ernährungsunsicherheit, dem Zerbrechen von Ökosystemen und radikalen politischen Bewegungen stehen an der Tagesordnung. Vertrauen in der Bevölkerung, dass sich alles zum Besseren wenden kann? Fehlanzeige. Aber warum scheint es eigentlich so schwierig, Lösungen für diese Probleme zu finden? Rob Hopkins gibt uns die Antwort: WEIL WIR VERLERNT HABEN, UNSERE WICHTIGSTE FÄHIGKEIT EINZUSETZEN: UNSERE VORSTELLUNGSKRAFT. Die einfache Frage zu stellen: WAS WÄRE, WENN? Um eine neue Welt zu kreieren, müssen wir sie uns zuerst vorstellen können. Wir müssen unsere Fantasie einsetzen. Und wenn wir das vollbringen, dann sehen wir sie plötzlich ganz klar, entdecken die Kraft unserer Gedanken, die uns zuflüstern, dass wir es – doch noch! – schaffen können. Hast du den Mut, dich darauf einzulassen?
WAS, WENN ALLES RICHTIG GUT WIRD?
Wie malt sich Rob Hopkins also diese neue, von Erfindungsgeist und Imagination sprühende Zukunft aus? Er sieht SCHULEN, IN DENEN NICHT MEHR WISSEN ABGEFRAGT, SONDERN DIE KREATIVITÄT DER KINDER GEFÖRDERT WIRD. Er sieht GRÜNE, BIODIVERSE STÄDTE, in denen an jeder Ecke Pflanzen und Gemüse in die Höhe sprießen und Verbrennungsmotoren und Straßenlärm ein Ding der Vergangenheit sind. Er sieht KLEINSTRUKTURIERTE, LOKALE UNTERNEHMEN, große SOLIDARITÄT, Unterstützung, ALLGEMEINEN WOHLSTAND. Und er sieht kommunale "Think tanks", Zusammenkünfte von Imaginations-Komitees, in denen alle Bürger*innen mitforschen, debattieren und sich eine bessere Welt für ihre Gemeinde ausmalen. Du denkst, das klingt unrealistisch und schwer umsetzbar? Dann hast du dich getäuscht: Das sind nämlich alles PROJEKTE UND IDEEN, DIE ES BEREITS GIBT.
BRING DEINE WELT IN BEWEGUNG – UND STARTE DEN WANDEL!
Genau deshalb ist dieses Buch SO UNGLAUBLICH MUTIG - UND SO WICHTIG. Rob Hopkins, MITBEGRÜNDER DER „TRANSITION TOWNS“-BEWEGUNG, zeigt uns, dass es Hoffnung gibt: dass sie da sind, die Lösungen, die genialen Ideen, die innovativen Einfälle. Völlig gebannt begleiten wir ihn und LERNEN MENSCHEN KENNEN, DIE ES GESCHAFFT HABEN, scheinbar unmögliche Gedankenexperimente IN DIE REALITÄT UMZUSETZEN. Klingt riskant? Gut so: Denn ohne Mut, Fantasie und Risikobereitschaft können wir radikale und dringend notwendige Veränderungen auf unserem Planeten nicht umsetzen.
Also: Lass uns einen neuen Weg finden, unsere Probleme zu lösen und über unsere Zukunft nachzudenken. Der SCHLÜSSEL DAZU IST UNSERE VORSTELLUNGSKRAFT. Wenn wir unsere KOLLEKTIVE IMAGINATION BELEBEN, NÄHREN UND TRAINIEREN, gibt es nichts, was wir nicht planen, erarbeiten und umsetzen können. Bist du dabei, wenn wir die Welt auf den Kopf stellen?
- WIE WIR DIE WELT VERÄNDERN KÖNNEN? MIT VORSTELLUNGSKRAFT! Wenn wir ihr erst freien Lauf lassen, können wir einfach alles schaffen. Also, stellen wir uns die simple, aber alles entscheidende Frage: WAS WÄRE, WENN?
- UNSERE ZUKUNFT? ANDERS, KNALLBUNT UND GUT FÜR ALLE: Lies dieses Buch und gewinne den Glauben an eine chancenreiche Zukunft und die Möglichkeit zur Veränderung zurück.
- UNGLAUBLICHE GESCHICHTEN, SCHOCKIERENDE FAKTEN, FASZINIERENDE MENSCHEN: Mitreißend erzählt Hopkins von Leuten, die ihre IDEEN VON EINER BESSEREN ZUKUNFT UMSETZEN – und zeigt, dass der Wandel nur eine Kopfreise entfernt ist.

Posted by Wilfried Allé Thursday, October 7, 2021 1:27:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Bauer und Bobo 

Wie aus Wut Freundschaft wurde

von Florian Klenk

Lieferbar ab Oktober 2021

ISBN 9783552072596
Verlag: Zsolnay, Paul
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 160 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 27.09.2021
Preis: € 20,60

Kurzbeschreibung des Verlags:

„Wahrheit aufdecken und damit die Realität verbessern: bei großen Staatsaffären und auch bei den Nöten eines kleinen Bauern. Dass Klenk das Kleine nicht zu klein ist, macht ihn groß.“ Robert Menasse

Begonnen hat es mit einer Beschimpfung. Christian Bachler, der den höchstgelegenen Bauernhof der Steiermark bewirtschaftet, schimpfte in einem Video aus dem Schweinestall über den „Oberbobo“ Florian Klenk (Bobo = Ökospießer). Der Chefredakteur des Falter hatte zuvor ein Urteil gutgeheißen, das einen Bauern zu Schadenersatz verpflichtete, nachdem seine Kuh eine Frau getötet hatte. Bachler forderte Klenk auf, ein Praktikum auf seinem Hof zu machen, und der Bauer und der Bobo kamen ins Gespräch: über Klimawandel, Fleischindustrie, Agrarpolitik und Banken. Als Bachlers Hof Ende 2020 vor dem Ruin stand, fanden die beiden Freunde aus zwei Welten binnen 24 Stunden 12.829 Spender, die bereit waren, zu helfen. Warum es sich lohnt, mit Leuten zu reden, deren Meinung man nicht teilt.

„Eine Geschichte wie ein kleines Wunder. … Ein Lehrstück in Sachen Vertrauensbildung.“ ZDF apekte, 10.09.21
 

Prolog

»Komm, Bobo, stoßen wir an«

Als alles vorbei war, zückte Christian Bachler seine kleine Flasche angesetzten Lärchenschnaps. Er schüttete das rote süße Zeug in zwei kleine Plastikstamperl und reichte mir eines davon. »Komm, Bobo, stoßen wir an! Hoffentlich ist das nicht nur ein Traum«, sagte Bachler, und wäre der Corona-Irrsinn nicht gewesen, wir hätten uns vermutlich umarmt.

Ich erinnere mich, dass es saukalt war, dass mir trotz Schnaps vor Kälte alle Glieder zitterten und dass wir zum Stamperl zwei Packungen Mannerschnitten und eine Wurstsemmel verdrückt haben. So wie wir das oben am Berg gemacht haben, bei ihm zu Hause in der Steiermark, nach dem steilen und anstrengenden Aufstieg über die Lärchenwiesen hinauf zur Alm.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, September 22, 2021 11:04:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist 

oder Sieben Schritte in die Diktatur

von Ece Temelkuran

Übersetzung: Michaela Grabinger
ISBN 9783455011319
Verlag: Hoffmann und Campe
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 272 Seiten
Format: Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 01.04.2019
Preis: € 14,40

Kurzbeschreibung des Verlags:

»Ein essenzielles Buch.« Margaret Atwood auf Twitter

»Ihr neues Buch ›Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist‹ ist eine brillante Analyse.« ARD titel thesen temperamente

Eine scharfsinnige und weitsichtige Analyse der weltweiten Entdemokratisierung und ein engagierter Aufruf zur Verteidigung der Demokratie.
Ob Erdoğans Türkei, die Brexit-Entscheidung oder eine weitere europäische Wahl, die Rechtspopulisten neue Rekordwerte eingebracht hat: Populismus ist zur globalen Krankheit geworden. Mit seismographischem Gespür fahndet Ece Temelkuran nach seinen Ursachen und macht sieben wiederkehrende Schritte aus, zu denen Möchtegern-Diktatoren in aller Welt greifen, um an die Macht zu gelangen. Nachdrücklich schärft sie uns den Blick und lässt uns antidemokratische Tendenzen beizeiten erkennen. Ihr Buch ist eine eindringliche Aufforderung, ins Gespräch zu kommen über das, was notwendig ist, wenn wir weiterhin friedlich zusammenleben wollen.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2019

Heimatvertriebene
Die Journalistin Ece Temelkuran, die in der Türkei nicht mehr erwünscht ist, klagt über den Aufstieg von Autokraten und warnt vor politischer Abstinenz.
Das Exil sei eine Krankheit, „unter anderem deswegen, weil man das Gefühl hat, dauernd an einer Wunde zu leiden, die einen erinnert, dass man etwas verloren hat, dass einem etwas weh tut“, schrieb die Schriftstellerin Hilde Spiel, die 1936 von Wien nach London emigrierte. Die Türkin Ece Temelkuran kennt den Phantomschmerz der Heimat-Amputierten. Von Izmir, wo sie 1973 geboren wurde, sieht sie gerade noch den Lichtschein am Nachthimmel, wenn sie auf einer griechischen Insel Freunde trifft. Näher kann sie ihrer Heimat nicht mehr kommen. Aber die Journalistin und Juristin hatte ihr Land schon verloren, bevor sie die Türkei verließ.
Die schleichende Entfremdung beschreibt sie in ihrem jüngsten Buch. Temelkuran ist bitter, zynisch und emotional, und sie verbirgt dies nicht. Bevor es zu düster wird, erinnert sie sich immer wieder an Szenen von entlarvender Komik. Etwa wenn sie auf die „Partei-Girlies“ trifft, die neureichen Frauen der aktuellen politischen Elite, die sich „den Vergnügungen des neuen Osmanentums“ hingeben und im Porsche vor einem Lokal mit Bosporusblick vorfahren. Als der Kellner dort die Autorin bemerkt, flüstert er ihr zu: „Sie setzen sich besser in eine andere Ecke.“
Ein paar Jahre zuvor wurde auch Temelkuran noch von den Aufsteigerinnen umworben. Jede Woche lade man eine „Frau aus dem anderen Lager“ ein, erfährt sie bei einer Frauenversammlung der regierenden AKP. Temelkuran sagte: „Nein danke.“ Jedes soziale, religiöse oder politische Projekt nehme sich stets die Frauen vor, versuche, sie seinem ideologischen Outfit anzupassen, schreibt sie. Und siehe, nicht selten gelingt das auch. Temelkuran hat aber nicht nur die Türkei im Blick, sie sucht auch andernorts nach Ähnlichkeiten, nach Sympathien für das Autoritäre. „Der Rechtspopulismus ist eine globale Bewegung“, schreibt sie, das Buch soll die Aufmerksamkeit auf Abgründe lenken, die sich unter den Fundamenten der verschiedensten Gesellschaften auftun können. So berichtet sie aus Donald Trumps Amerika und von Begegnungen mit Brexiteers und denkt die Türkei immer mit. Ein absolutistischer Populismus, der für sich in Anspruch nimmt, das „wahre Volk“ zu vertreten, und Politiker, die grundanständige Begriffe wie „Respekt“ und „Würde“ so lange verbiegen, bis sie nur noch für einen Teil des Volkes gelten – Temelkuran kennt das alles aus dem eigenen Land und findet es wieder in EU-Staaten wie Ungarn oder Polen.
Die neuen Autokratien brauchen keinen „Ismus“ mehr, es reicht ein unumstrittenen Mann an der Spitze. Nur dessen persönlich gegebene Versprechen zählen, und nach jedem Haken, den der Anführer schlägt, müssten seine Anhänger herausfinden, welches Verhalten nun angesagt ist. Politik mit der „Hundepfeife“ nennt Ece Temelkuran das. Selbstkritisch fragt sie sich, wie es so weit kommen konnte. Und wo das Rettende ist.
Was ihr einfällt: Wer etwas verändern wolle, dürfe nicht am Rand bleiben, nicht bloß Zuschauer sein, gefesselt ans Smartphone. Den Luxus, nicht politisch aktiv zu sein, gebe es für all jene nicht, die ihr Land nicht eines Tages auch verlieren wollten. Temelkuran hat mehrere erfolgreiche Romane verfasst, auch in ihren Sachbüchern nutzt sie ihr poetisches Talent, sie sind mehr Essay als abgeklärte Analyse. Etwa zehn Jahre lang schrieb sie Kolumnen für große türkische Zeitungen und moderierte bis 2011 eine Sendung in einem Privatkanal. Sie verlor ihren Job, als sie die Regierung nach einem tödlichen Zwischenfall im türkisch-irakischen Grenzgebiet kritisierte. Dabei wurden 34 überwiegend junge kurdische Schmuggler durch ein Bombardement aus der Luft getötet. Die Armee beharrte, sie habe sie für Kämpfer der militanten PKK gehalten. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 beklagte die Journalistin auch den zerstörerischen Einfluss des Predigers Fethullah Gülen.
Temelkuran lebt inzwischen in Zagreb. Wie einst die Exilantin Hilde Spiel schreibt sie jetzt auf Englisch. Im Original trägt ihr Buch den Untertitel: „The Seven Warning Signs of Rising Populism“. Das ist genauer als „Sieben Schritte in die Diktatur“, wie es in der deutschen Ausgabe heißt. Denn Temelkurans Anklageschrift macht ja gerade klar, dass der Rechtspopulismus im Fake-News-Zeitalter anders funktioniert als die klassische Diktatur der Einparteienherrschaft im alten Ostblockstil. „Nicht der Kaiser drängt dich an den Rand“, schreibt Temelkuran, das besorgen schon dessen Untertanen. Es ist eine „grauenhafte zermürbende Morallosigkeit, die zur Suche nach einem Anderswo zwingt“.
CHRISTIANE SCHLÖTZER

Posted by Wilfried Allé Sunday, August 1, 2021 11:27:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Ich habe einen Namen 

Eine Geschichte über Macht, Sexualität und Selbstbestimmung

von Chanel Miller

ISBN 9783550200809
Ausgabe: 2. Auflage
Verlag: Ullstein Buchverlage
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 480 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Yasemin Dinçer, Hannes Meyer, Corinna Rodewald
Erscheinungsdatum: 22.10.2019
Preis: € 20,60

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

»EIN BUCH, DAS HOFFNUNG GIBT. MÖGE CHANEL MILLERS MUT ANSTECKEND SEIN.« Margarete Stokowski
Unter dem Pseudonym Emily Doe verlas sie vor Gericht einen Brief an den Mann, der sie nach einer Party an der Stanford University vergewaltigt hatte und zu nur sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Der Text erreichte Millionen Menschen weltweit, der Kongress debattierte über den Fall, der zuständige Richter wurde abgesetzt, und man änderte die Gesetze in Kalifornien, um Opfer zu schützen. Wortmächtig beschreibt Chanel Miller, wie es sich anfühlt, den eigenen Körper wie eine Jacke abstreifen zu wollen. Wie unsere Gesellschaft über den Alkoholkonsum, die Kleidung und das Liebesleben von Frauen urteilt. Ihre Geschichte zeigt, dass Sprache die Kraft hat, zu heilen und Veränderungen herbeizuführen.

Der New-York-Times-Bestseller - jetzt auf Deutsch.

Pressestimmen

»Eine wunderbar geschriebene, kraftvolle und wichtige Geschichte … Dieses Buch verdient es, überall gelesen zu werden—und vor allem sollte die nächste Generation junger Männer es lesen…« New York Times  
»Chanel Miller hat ein Talent für eindringliche Sätze« Süddeutsche Zeitung  
»In einer Welt, in der immer noch zu viele Überlebende sexueller Gewalt ihre Erfahrungen für sich behalten und ihr eigenes Leid herunterspielen müssen … nimmt Ich habe einen Namen eine wichtige Position ein; die Autorin beweist darin ihre schillernde Präsenz und lässt sich nicht länger schmälern. Trotz allem stimmt die Lektüre hoffnungsvoll.« Guardian
»[Millers] Stil ist zugänglich und effektvoll, ihr komödiantisches Talent … scheint selbst in dieser düsteren Erzählung durch, ihre Metaphern … sind kristallklar« Vogue

FALTER-Rezension

Bei einer Party an der Universität Stanford wurde Chanel Miller 2015 von einem Studenten vergewaltigt. Ihr Statement, das sie vor Gericht vorlas, erschien anonym auf Buzzfeed und verbreitete sich viral. In ihrer Autobiografie erzählt die heute 29-jährige Miller im Plauderton und zugleich berührend ehrlich, wie der Übergriff selbst und der langwierige Gerichtsprozess ihr Leben veränderten.

Anna Goldenberg in Falter 28/2021 vom 16.07.2021 (S. 21)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, July 14, 2021 10:52:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Working Class 

Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können

von Julia Friedrichs

ISBN 9783827014269
Verlag: Berlin Verlag
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 320 Seiten
Erscheinungsdatum: 01.03.2021
Preis: € 22,70
Kurzbeschreibung des Verlags:

»Ihr werdet es einmal schlechter haben!«
Die Generation nach den Babyboomern ist die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihre Eltern mehrheitlich nicht wirtschaftlich übertreffen wird. Obwohl die Wirtschaft ein Jahrzehnt lang wuchs, besitzt die Mehrheit in diesem Land kaum Kapital, kein Vermögen. Doch sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbeiten ist schwieriger geworden, insbesondere für die, die heute unter 45 sind. Die Hälfte von ihnen fürchtet, im Alter arm zu sein. Was sind die Ursachen für diesen großen gesellschaftlichen Umbruch, wann fing es an? Julia Friedrichs spricht mit Wissenschaftlern, Experten und Politikern. Vor allem aber begleitet sie Menschen, die dachten, dass Arbeit sie durchs Leben trägt, die reinigen, unterrichten, Tag für Tag ins Büro gehen und merken, dass es doch nicht reicht. Sie sind die ungehörte Hälfte des Landes. Dieses Buch erzählt ihre Geschichte.

FALTER-Rezension
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr

Es gibt so eine Geschichte, die immer wieder erzählt wird, die so versimpelt ist, dass sie richtiggehend falsch ist, und diese Geschichte geht so: Früher gab es eine homogene industrielle Arbeiterklasse, die war einst entrechtet, setzte aber dann faire Löhne, gute Arbeitsbedingungen durch, schaffte den Aufstieg, erwarb Wohlstand, aber irgendwann ging es dann mit ihr bergab. Löhne sanken, Belegschaften schrumpften, Produktionsstandorte wurden verlagert und heute gibt es „die Arbeiterklasse“ nur mehr in Spurenelementen.

Doch die arbeitenden Klassen waren nie so homogen und sie sind nicht verschwunden, sie haben nur ihr Gesicht verändert. „Die working class sieht anders aus als vor hundert Jahren, aber noch immer gilt: Es sind Menschen, die arbeiten, um Geld zum Leben zu haben“, schreibt Julia Friedrichs in ihrem Buch „Working Class“. Die Autorin hat mit den verschiedenen Protagonisten dieser Klasse gesprochen, mit Menschen, „für die es keinen Namen gibt“, wie Friedrichs sie nennt. Arbeiterklasse klingt irgendwie falsch nach Fabrik und Fließband, „class populaire“ sagen die Franzosen. Die „einfachen Leute“ eben.

Die Angst der Menschen

Friedrichs, vielfach preisgekrönte Reporterin und Buchautorin (in „Wir Erben“ hat sie etwa die andere Seite des ökonomischen Spektrums porträtiert), bleibt beim Begriff „Working Class“. Working Class, das sind jene, die die Arbeiten verrichten, die wir alle brauchen, von den Pflegern und Pflegerinnen über die Leute am Bau, die im Putzdienst, die Pädagogen mit kleinem Einkommen und prekären Verträgen, das „Dienstleistungsproletariat“. „Gut drei Millionen Menschen in Deutschland verdienen weniger als 2000 Euro brutto im Monat, obwohl sie Vollzeit arbeiten, zehn Millionen bekommen weniger als zwölf Euro die Stunde“, schreibt sie.

Einer von Friedrichs Protagonisten ist Sait, der seit fast 20 Jahren im Dienste einer ausgegliederten Putzfirma die Berliner U-Bahn-Stationen schrubbt. In den ­80er-Jahren konnte man von so einem Job gut leben, das weiß er von seinem Vater, der als ungelernter Lkw-Fahrer in Deutschland begann, aber „jetzt ist die Gewerkschaft so klein“ – er zeigt zwei Zentimeter zwischen Daumen und Zeigefinger. „Früher waren die Firmen so klein“ – „Und warum ist das so?“ – „Weil die Menschen Angst haben. Wir sind froh, dass wir Arbeit haben.“ 10,56 Euro brutto erhält er die Stunde. Davon soll er seine Frau und seine beiden Kinder erhalten.

Oder Christian. Er hat eine Lehre in einer kleinen Firma gemacht, Bürojob. Eine Zeitlang ging es auf der Leiter noch hinauf, dann blieb er hängen, überarbeitete sich, hatte einen Zusammenbruch, jetzt wurde er endgültig aus der Firma gemobbt. Rüdiger, der als Verkäufer und Kundenbetreuer bei Karstadt anfing, als Warenhäuser noch eine fixe Lebensstellung bedeuteten, ging es nicht viel anders. Aber auch Alexandra und ihr Partner strampeln täglich gegen den Abstieg, obwohl sie Musikschullehrer mit akademischem Abschluss sind. Sie arbeiten auf Honorarbasis, müssen Stunde um Stunde zusammensammeln, damit sich die Raten fürs sowieso nicht besonders teure Eigenheim mit Ach und Krach ausgehen.

Sie alle sind Alleingelassene. Nicht nur, weil sie die Erfahrung machen, dass sie auf sich gestellt sind und man sich auf Solidarität nicht verlassen kann. Ihre Weltdeutungen und ihre Werte und die Kritik, die sie an den Umständen üben, sie stützen sich auf kein kollektives Erleben mehr. Wer die Unbehaustheit und die Verwundungen der heutigen arbeitenden Klassen verstehen will, auch die Respektlosigkeiten, denen die Protagonisten ausgesetzt sind, sollte dieses Buch lesen.

Robert Misik in Falter 20/2021 vom 21.05.2021 (S. 22)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, May 19, 2021 1:20:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Working Class 

Warum wir Arbeit brauchen, von der wir leben können

von Julia Friedrichs

Verlag: Berlin Verlag
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 320 Seiten
Erscheinungsdatum: 01.03.2021
Preis: € 22,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

»Ihr werdet es einmal schlechter haben!« Die Generation nach den Babyboomern ist die erste nach dem Zweiten Weltkrieg, die ihre Eltern mehrheitlich nicht wirtschaftlich übertreffen wird. Obwohl die Wirtschaft ein Jahrzehnt lang wuchs, besitzt die Mehrheit in diesem Land kaum Kapital, kein Vermögen. Doch sich Wohlstand aus eigener Kraft zu erarbeiten ist schwieriger geworden, insbesondere für die, die heute unter 45 sind. Die Hälfte von ihnen fürchtet, im Alter arm zu sein. Was sind die Ursachen für diesen großen gesellschaftlichen Umbruch, wann fing es an?
Julia Friedrichs spricht mit Wissenschaftlern, Experten und Politikern. Vor allem aber begleitet sie Menschen, die dachten, dass Arbeit sie durchs Leben trägt, die reinigen, unterrichten, Tag für Tag ins Büro gehen und merken, dass es doch nicht reicht. Sie sind die ungehörte Hälfte des Landes. Dieses Buch erzählt ihre Geschichte.

Pressestimmen

»Friedrichs gelingt es, ein mit Zahlen und Fakten gesättigtes Buch verständlich zu gestalten, indem sie reportagehafte Passagen, Interviews und Analysen verknüpft.« ― die tageszeitung Published On: 2021-03-13

»Friedrichs analysiert präzise, nah an den Menschen dran, frei von Polemik oder Sozialkitsch.« ― 3sat „Kulturzeit“ Published On: 2021-03-12

»Sehr angenehm geschrieben, persönlich und trotzdem sehr reich an Fakten.« ― rbb "Zibb" Published On: 2021-03-11

»Menschennah, aber kitschfrei, präzise und durch Daten, Fakten und Analysen von Ökonomen gestützt, erzählt Friedrichs vom wachsenden Reichtum weniger auf Kosten vieler, wie und seit wann Kapital Arbeit schlägt.« -- Corinna Nohn ― Handelsblatt Published On: 2021-03-05

»Die Journalistin schildert den Alltag ihrer Protagonisten einfühlsam, aber niemals unkritisch, und beschreibt Situationen und Orte mit treffenden Sprachbildern. So macht sie die trockene Statistik anschaulich.« -- Claas Christophersen ― NDR Info Published On: 2021-03-03

»Die Geschichten berühren und sind aufrüttelnd erzählt.« ― Berliner Zeitung Published On: 2021-04-24

»Durchaus ein Lesetipp für den kommenden 1. Mai, dem Tag der Arbeit.« ― Hamburger Abendblatt Published On: 2021-04-24

»Friedrichs zeigt in ihrem Buch an etlichen Beispielen und sehr anschaulich auf die wunden Punkte unserer Gesellschaft. Mir ist in diesem Buch sehr deutlich geworden, warum manchen Menschen der Aufstieg gelingt und andere keine Chance haben.« ― Südwest Presse Published On: 2021-04-23

»Sie erzählt aus der Ich-Perspektive, mit persönlichem Touch, angereichert mit Kommentaren und Anekdoten.« ― Der Tagesspiegel Published On: 2021-04-21

»Ein notwendiger Beitrag zur Diskussion in dieser Zeit.« ― literatursalon.online Published On: 2021-04-17

»Ich reagiere durchaus emotional und auch aufgewühlt auf dieses Buch, aber das erreicht sie, indem sie eigentlich sehr nüchtern und äußerst sachlich argumentiert.« ― SRF „Das Sachbuch-Trio“ (CH) Published On: 2021-04-12

»Herausgekommen ist nicht nur das eindrückliche Porträt einer neuen Arbeiterklasse, die sich überhaupt erst als solche zu verstehen lernen muss. Es ist auch die Geschichte einer Generation, die es als erste in der Nachkriegszeit nicht besser haben wird als ihre Eltern.« ― der Freitag Published On: 2021-04-07

»Arbeiterinnen, Angestellte, Freiberufler – die Angehörigen der neuen ›Working Class‹ – Julia Friedrichs erzählt menschennah und doch präzise ihre persönliche Geschichte, die es unbedingt verdient, gehört zu werden.« ― Politik & Kultur Published On: 2021-04-01

»Julia Friedrichs ist schonungslos offen und arbeitet gründlich und fundiert. Sie ist eine begnadete Vollblut-Journalistin mit dem Gespür für gesellschaftliche Entwicklungen. Dieses hat mir die Augen geöffnet, auch wenn ich manchmal schwer an diesen Erkenntnissen zu knabbern habe.« ― Gala Online Published On: 2021-03-22

»Es ist ein Buch, das aufrüttelt und das endlich die in den Mittelpunkt stellt, die zum Reichtum des Landes zwar beitragen, davon aber kaum profitieren.« ― mdr Kultur "Unter Büchern" Published On: 2021-03-05

»Wie immer hat Friedrichs solide und empathisch recherchiert. Sie hat Wertschätzung über für jene, die ihr Zeit widmen und Geschichten erzählen, damit sie ihre Bücher schreiben kann.« ― Augustin (A) Published On: 2021-03-01

»Dass Friedrichs die Problematik an konkreten Fällen festmacht und ihnen über einen längeren Zeitraum folgt, macht sie greifbar, leichter einzuordnen; es ist keine komplizierte Lektüre.« -- Kristina Toussaint ― Aachener Zeitung Published On: 2021-03-01

»Wir finden, dass es unbedingt an der Zeit ist, sich diese Geschichten anzuhören.« ― Zeit Newsletter Published On: 2021-02-23

Posted by Wilfried Allé Saturday, May 1, 2021 6:20:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Hofräte, Einflüsterer, Spin-Doktoren 

300 Jahre graue Eminenzen am Ballhausplatz

von Manfred Matzka

Verlag: Brandstätter Verlag
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 256 Seiten
Erscheinungsdatum: 14.09.2020
Preis: € 28,00

 

Rezension aus FALTER 37/2020

Graue Eminenzen am Ballhausplatz

Eduard Chaloupka war ein Ausnahme-Jurist, machtbewusster Bürgerlicher – und hatte Sinn für Repräsentation. Als Präsidialchef im Bundeskanzleramt beriet er in den 1950er-Jahren den damaligen Kanzler Julius Raab, wie er Mitglied in der ÖVP-Kaderschmiede Cartellverband. Die Unterzeichnung des Staatsvertrages im Mai 1955 versäumt Chaloupka leider. Aber er sorgt dafür, dass er auf dem offiziellen Gemälde des Staatsaktes, das von Porträtmaler Robert Fuchs angefertigt wurde, verewigt wird – direkt hinter dem Kanzler, vom Sonnenlicht vorteilhaft ins Szene gesetzt. Das Bild des ursprünglich beauftragten Künstlers Sergius Pauser war Chaloupka und Raab zu „expressionistisch“. Es wurde bezahlt – und dann verräumt. „Fahrts ab mit dem Dreck“, soll Raab gesagt haben.

Das ist nur eine Anekdote von vielen, die Manfred Matzka in seinem Buch „Hofräte, Einflüsterer und Spin-Doktoren“ versammelt hat. Er lässt darin 300 Jahre Beratertum am Ballhausplatz Revue passieren, von Johannes Christoph von Bartenstein, der Maria Theresia als loyaler Ratgeber zur Seite stand, bis hin zur perfekt geölten türkisen Machtmaschinerie unter dem derzeitigen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Matzka, der SPÖ nahestehend, schreibt in einer Doppelrolle: Von 1999 bis zu seiner Pensionierung 2015 war er Präsidialchef im Kanzleramt – und damit höchster Beamter der Republik. Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein holte den intimen Kenner der Spitzenbürokratie im Jahr 2019 als Sonderberater zu sich. Dass das aktuelle Buch auch autobiografisch ist, lässt Matzka im Anhang – leider ohne Personenverzeichnis – anklingen, in dem er schreibt, dass er sich als Zeitzeuge (er ist Jahrgang 1950) auf eigene Aufzeichnungen und Akten stützt. Dieser Mann hat sicher noch einiges in seinem privaten Archiv, das auf Veröffentlichung wartet. Bis es so weit ist, spricht er von sich in seinem Buch lieber in dritter Person. Etwa, wenn er erzählt, dass im Jahr 2002 „ein Präsidialchef“ auf die Posse um das Staatsvertragsbild stößt, das ursprünglich beauftragte Bild von Pauser im Bezirksmuseum in Mistelbach aufspürt und im Marmorecksalon des Kanzleramts aufhängt – im „friedlichen künstlerischen Dialog“ mit dem Gemälde von Fuchs. Dort hängt es bis 2018, bis „ein junger Kanzler mit geringer Affinität zur Geschichte des Hauses“ (gemeint ist Kurz) beide Bilder durch eine Fotowand für Pressekonferenzen ersetzt.

Wie funktioniert Macht? Ab wann übernahmen Kabinette und von außen geholte Sekretäre, Berater und Thinktanks die Aufgabe der hauseigenen Beamtenschaft als Politikmacher? Matzkas Zeitreise lässt interessante Parallelen erkennen. Natürlich ist die Spitzenbeamtenschaft und -beraterschaft in den letzten Jahrhunderten durchwegs männlich, älter und katholisch. Viele Berater des Kaiserhauses stammen aber ursprünglich aus jüdischen Familien – und mussten für die Karriere konvertieren.

Aber es gab aber auch immer wieder Phasen, in denen eine Garde jüngerer „Revolutionäre“ die Macht an sich reißt, etwa der Kreis junger Aristokraten um Alexander Graf von Hoyos, der den schwachen Außenminister Leopold Graf Berthold in den Krieg gegen Serbien trieb – und damit in den Ersten Weltkrieg. Oder der juvenile Beraterstab des ersten ÖVP-Alleinregenten, Josef Klaus (1966–1970), dessen Assistenten später alle selber Karriere machten.

Erschreckend sind Figuren wie Walther Kastner, der zuerst die Enteignung von jüdischem Besitz unter den Nazis und dann deren Restitution verwaltete, ein skrupelloser Diener vieler Herren. Auch das lehrt Matzkas lesenswerte Porträtreihe: Eliten bleiben unter sich, wer als Berater aufsteigt, wird später oft selber Machthaber – und fördert seinesgleichen.

Barbara Tóth in FALTER 37/2020 vom 11.09.2020 (S. 18)

Posted by Wilfried Allé Thursday, September 10, 2020 2:32:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Green New Deal 

Warum wir können, was wir tun müssen

von Ann Pettifor

Übersetzung: Ursel Schäfer
Verlag: Hamburger Edition, HIS
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 192 Seiten
Erscheinungsdatum: 06.04.2020
Preis: € 22,60

Rezension aus FALTER 34/2020

Die Klimakrise als Frage der Verteilung

Lösungswege aus der Klima­krise be­schreibt die Öko­nomin und Finanz­ex­per­tin Ann Pattifor in ihrem neuen Buch

Rezension:
MICHAEL SODER

Wir leben im Zeitalter der Krise. Ob Wirt­schafts-, Corona- oder Klima­krise. Das zeigt sich mittler­weile an allen Ecken und Enden: Wenn ein gutes Leben für alle auch in Zu­kunft mög­lich sein soll, kann es ein „Weiter wie bisher“ nicht geben. Noch ist es nicht zu spät, die Heraus­for­derungen und Pro­bleme an­zu­er­ken­nen, und ins Han­deln zu kom­men. Ann Pattifors Buch über den „Green New Deal“ ist ein Hoffnung ver­sprühendes Plä­doyer zur Rettung unserer Lebens­grund­lagen.

Ann Pattifor ist Ökonomin und Hannah-Arendt-Preis­trägerin. Im Gegen­satz zu thema­tisch ähn­lich ge­la­gerten Bü­chern ist gerade nicht Pattifors Ziel, die Pro­bleme unseres zer­stö­re­rischen Wirt­schafts- und Ge­sell­schafts­sys­tems zum hun­dert­sten Mal durch­zu­kauen.

Sie widmet sich lieber den Fragen: Was braucht es, um die Klima­krise zu lösen? Wie sind not­wen­dige Maß­nahmen zu fi­nan­zieren? Wie er­hält man den so­zi­alen Zu­sammen­halt? Sie sieht ihr Buch damit auch nicht als aka­de­mische Auf­ar­bei­tung der theo­reti­schen Grund­la­gen, son­dern als ar­gu­men­ta­tive Hand­reichung für Ak­ti­vis­ten und inter­essierte Leser.

Time is running out

Für Pattifor ist der erste Schritt, um endlich ins Handeln zu kommen, das Er­ken­nen der Ver­knüp­fungen zwi­schen Öko­logie, Öko­nomie und Ge­sell­schaft. Die Klima­krise ist nicht nur eine um­welt­poli­ti­sche, sie ist eben­so eine so­zial­po­litische und wirt­schaft­liche Frage. Wirt­schafts­branchen sind unter­schied­lich ab­hän­gig von fos­silen Roh­stof­fen, es braucht lang­fris­tige Stra­te­gien, um sie kohlen­stoff­frei zu or­ga­ni­sie­ren.

Beschäftigte, ihre Familien und ganze Regi­onen brau­chen im ­Um­bau neue Per­spek­tiven und Ein­kommen. Diese müs­sen ge­schaf­fen und ­ak­tiv ge­stal­tet wer­den. Ab­seits da­von stellt sich auch die Fra­ge der Ver­tei­lung. Per­so­nen mit niedri­geren Ein­kom­men sind den Aus­wir­kungen des Klima­wandels, zum Bei­spiel über die Zu­nahme an Hitze­tagen und Tro­pen­näch­ten in Städten, in ihren oft­mals klei­nen und un­sa­nier­ten Woh­nungen stär­ker aus­ge­setzt.

Es braucht daher Maß­nahmen, die ver­teilungs­po­li­tische As­pekte mit­denken. Erst wenn wir be­grei­fen, dass Klima­schutz auch ein Schutz unserer Lebens­per­spek­tiven in all ihren Fa­cet­ten ist, wird uns die Dring­lich­keit unseres Handelns be­wusst. Pattifor weist uns wieder darauf hin: „Time is running out.“

Moonshot-Moment

Davon ausgehend geht es für Ann Pattifor vor allem darum, einen kon­kre­ten Lö­sungs­weg zu skiz­zieren. Sie nennt diesen „Green New Deal“. Eine Neu­ge­stal­tung der wirt­schaft­lichen Spiel­regeln ge­paart mit offen­siven ­In­ves­ti­tionen, zum Bei­spiel in die ther­mi­sche Sa­nie­rung, er­neuer­bare Ener­gien oder in ar­beits­markt­po­li­tische Maß­nahmen zur Quali­fi­zierung und Um­schulung.

Um die Wende zu finanzieren, muss das Finanz­system ge­ändert werden. Eben­so reicht der bis­herige Fokus auf inter­natio­nale Ab­kommen über CO2-Budgets bei weitem nicht aus. Es braucht neben glo­balen und in­di­vi­du­ellen Stra­te­gien oder der Ver­än­derung des eigenen Kon­sum­ver­hal­tens auch ko­ordi­nierte po­li­tische Stra­te­gien auf natio­naler Ebene.

Die Kapazitäten und Potenziale der öffent­lichen Hand werden dahin­gehend leider bis­her nur un­zu­rei­chend dis­ku­tiert. Pattifors Buch soll auch dazu einen An­stoß bie­ten.

In Summe ist das Buch eine eloquente Anklage gegen Aus­reden und Ver­zö­gerungs­tak­tiken und der Auf­ruf, end­lich zu tun, was getan werden kann. Detail­fra­gen blei­ben zwar noch, zu­mindest vor­erst, un­be­ant­wor­tet. Klar wird aber, dass wir zur Be­wäl­ti­gung der Klima­krise einen neuen „Moon­shot“-Mo­ment brau­chen. Der „Green New Deal“ kann ein solcher sein.

Sebastian Fasthuber in FALTER 34/2020 vom 21.08.2020 (S. 17)

Posted by Wilfried Allé Thursday, August 20, 2020 7:50:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Die Verteilungsfrage 

Von Reichtum, Krisen und Ablenkungsmanövern

ISBN: 978-3-99046-209-6
Verlag: ÖGB-Verlag
Format: Buch + E-Book
Genre: Gesellschaft, Sachbücher, Wirtschaft/Gesellschaft, Verteilungsfrage
Umfang: 136 Seiten
Erscheinungsdatum: 10.05.2016
Preis: € 14,90

 

Produktbeschreibung

Kopfschüttelnd werden wir Zeugen, wie das reichste Promille den Rest der Menschheit immer weiter abhängt. Der Abstand zwischen dem reichsten Promille der Menschen und der Mitte der Bevölkerung erinnert an die Gesellschaft zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Auch in Österreich, wie neue Daten zeigen. Wie kommt es zu dieser dramatischen Entwicklung? Was heißt das für die Mittelschicht und was für jene am unteren Ende der Armutsskala? Wer sind eigentlich die „Reichen“ und wie kommen sie zu ihrem Vermögen? Und vor allem: Wie werden diese Ungerechtigkeiten im täglichen Diskurs so gerechtfertigt, dass sie uns allen recht normal erscheinen? Die Autorinnen und Autoren dieses Buches liefern brandaktuelle Antworten auf die Mutter aller gesellschaftspolitischen Fragen: die Verteilungsfrage.

Das Besondere daran: Das vorliegende Werk setzt sich aus Blog-Artikeln zusammen. Alle Beiträge sind ursprünglich auf blog.arbeit-wirtschaft.at erschienen. Dort ergänzen Expertinnen und Experten das politische Tagesgeschehen täglich mit Hintergründen und empirisch belegten Kommentaren, die einen erweiterten Blick auf aktuelle Debatten erlauben.

Das Buch steht hier gratis zum Download zur Verfügung:
www.blog.arbeit-wirtschaft.at/ebook

Posted by Wilfried Allé Tuesday, June 9, 2020 10:27:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher Verteilungsfrage Wirtschaft/Gesellschaft
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