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"Was genau war früher besser?" 

Ein optimistischer Wutanfall

von Michel Serres

Übersetzung: Stefan Lorenzer
Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 80 Seiten
Erscheinungsdatum: 10.03.2019
Preis: € 12,40

Rezension aus FALTER 11/2019

Die gute alte Zeit war meistens eher schrecklich

Die Franzosen scheinen den Österreichern und besonders den Wienern nicht unähnlich zu sein. Glaubt man dem Philosophen und Mitglied der renommierten Académie française Michel Serres, sind sie ein Volk von Nörglern, besonders, wenn sie älter werden. Also potenziert sich das Phänomen mit dem Ansteigen der Lebenserwartung.

Worüber raunzen die Franzosen? Über alles! Denn früher, da war alles besser. Diese Haltung lässt dem selbst bereits 88-Jährigen nun den Kragen platzen. Unter dem Titel „Was genau war früher besser?“ leistet er sich einen genussvollen Wutanfall. Denn das meiste war seiner Meinung nach entschieden schlechter: die Lebensdauer, die Medizin, Arbeit, das Reisen, die sozialen Beziehungen, die Kommunikation – und vor allem: der Krieg.

Serres wuchs in einer Schifferfamilie an der südwestfranzösischen Garonne auf. Seine Familie hatte jahrhundertelang nichts als Krieg gekannt. Dieser kostete nicht nur Millionen Tote, sondern brachte auch eine ungesunde Erregung und Misstrauen in das private Leben. Dagegen lobt Serres die „neutrale Beiläufigkeit“ und „zivile Unaufgeregtheit“ der heutigen Beziehungen.

Als Gegenpart zum von ihm so genannten „Meckergreis“, der der guten alten Zeit und vergangener nationaler „Größe“ nachtrauert, dient ihm eine Vertreterin der Enkelgeneration namens „Däumelinchen“. Sie verteidigt Serres so entschlossen wie wortgewaltig gegen die Anschuldigungen von Verweichlichung und des überzogenen Handykonsums.

Plastisch erzählt er von seiner Kindheit: dem Wäschewaschen zweimal im Jahr, dem schweißtreibenden Steineschaufeln, dem lebensgefährlichen Transport eines neuen Krans durch halb Frankreich, vom Spott, den ihm sein okzitanischer Akzent in Paris eintrug, von der mangelnden sexuellen Aufklärung und den Maden im selbstgemachten Speck. Nur eines hat im Laufe der Zeit gelitten: „unser Schönheitssinn“, etwa in der Zone zwischen Stadt und Land. Eine erfrischende, Hoffnung machende Lektüre, die auch dazu geeignet wäre, „Däumelinchen“ das Jammern abzugewöhnen.

Kirstin Breitenfellner in FALTER 11/2019 vom 15.03.2019 (S. 34)

Posted by Wilfried Allé Sunday, March 31, 2019 10:24:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Vom Wesen und Wert der Demokratie 

Angesichts heutiger Demokratiemüdigkeit ist dieser kluge Klassiker so wichtig wie nie

von Hans Kelsen, Klaus Zeleny

Verlag: Reclam, Philipp
Format: Taschenbuch
Genre: Philosophie/20., 21. Jahrhundert
Umfang: 163 Seiten
Erscheinungsdatum: 28.09.2018
Preis: € 5,00

Kurzbeschreibung des Herstellers:

Als »eine der großen Demokratiebegründungsschriften überhaupt« hat man diesen Text bezeichnet. Kelsen, der maßgeblich an der Ausarbeitung der ersten demokratischen Verfassung Österreichs von 1920 beteiligt war, geht von der Frage aus, wie die Freiheit des einzelnen am wirkungsvollsten zu sichern ist; er behandelt die Rolle des Parlaments und sein Verhältnis zum Volkswillen, die Bedeutung von Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, von Elitenauslese und Gewaltenteilung. Kelsens Schrift ist ein Plädoyer für die Demokratie. Angesichts heutiger Demokratiemüdigkeit ist dieser kluge Klassiker so wichtig wie nie.

Posted by Wilfried Allé Wednesday, March 27, 2019 11:03:00 PM Categories: Philosophie/20., 21. Jahrhundert
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Das Prinzip Verantwortung 

Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation

von Hans Jonas

Verlag: Suhrkamp
Format: Hardcover
Genre: Philosophie/20., 21. Jahrhundert
Umfang: 426 Seiten
Erscheinungsdatum: 28.04.2003
Preis: € 14,40

Rezension aus FALTER 13/2019

Klimagerechte Energiegewinnung

Angesichts des Klimawandels ist eine neue technologische Ethik notwendig

Menschen verändern ihren Planeten zumindest seit Beginn der Industriellen Revolution vor 250 Jahren immer deutlicher und tiefwirkender. Nicht aus Bosheit, die Umgestaltung ist ein Kollateraleffekt ihres Strebens, sich das Leben angenehmer und besser zu gestalten. Es ist ja auch eindrucksvoll gelungen: Die messbare Lebensqualität hat sich seit Beginn der Industriellen Revolution dramatisch verbessert. Auch deshalb, weil wir uns ein System aufgebaut haben, das uns jederzeit kostengünstig und ausreichend mit Energie versorgt.

Wir überfrachten unsere Atmosphäre mit Kohlendioxid

Dieses Erfolgssystem bedroht jetzt aber immer deutlicher das Weiterleben der Menschheit als Gattung. Es beruht nämlich im Wesentlichen darauf, die in der Erdkruste in Form von Kohle, Erdöl und Erdgas über viele Jahrmillionen abgelagerten Kohlenstoffreserven mit immer raffinierteren technischen Mitteln zu gewinnen, umzuformen, zu verbrennen und die Verbrennungsprodukte, im Wesentlichen Kohlendioxid, in unserer Atmosphäre zu deponieren. Wir überfrachten bei diesem Spiel unsere Lufthülle mit Kohlendioxid, aktuell Jahr für Jahr mit etwa der zwanzigfachen Masse dessen, was wir jährlich weltweit an Stahl produzieren. Seit Beginn der Industriellen Revolution hat die Menge an Kohlendioxid in unserer Luft aufgrund des stetigen Verbrennens von fossilen Energieträgern um etwa fünfzig Prozent zugenommen. Das bleibt nicht ohne Folgen.

Eine der dramatischsten ist die Veränderung, konkret: die Überhitzung des irdischen Klimas. Das CO2 verteilt sich über die globale Zirkulation weltweit, die Folgen dessen sind deshalb auch weltweit zu erwarten und teilweise schon zu spüren. „Klimaänderung“ bedeutet aber nicht, dass es ein wenig wärmer wird. Die Forschung erwartet zum Teil desaströse Folgen: Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber sieht das gemeinsame Interesse aller bedroht, nämlich die Zukunft unserer Zivilisation. Klimaethik betreiben wir also in erster Linie, um uns selbst zu schützen. Sie ist der Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation.

Eine Ethik für die technologische Zivilisation

Der Philosoph Hans Jonas (1903–1993) hat seinem Hauptwerk, dem Prinzip Verantwortung (1979), diesen Untertitel gegeben. Für Jonas resultierte die Krise aus der Überdimensionierung der erfolgreichen naturwissenschaftlich-technisch-industriellen Zivilisation.

Laut Jonas sei es notwendig, sich vorausdenkend eine rationale Vorstellung von der zeitlichen und räumlichen Fernwirkung der menschlichen Taten zu verschaffen. Er fordert ein dem Vorgestellten angemessenes Gefühl, also die Bereitschaft, sich vom erst gedachten Heil und Unheil kommender Geschlechter empathisch bewegen zu lassen.

Für den drohenden Klimawandel, der die tragenden Säulen des weltweiten Wirtschaftens und Zusammenlebens bedroht, sind die Modelle inzwischen so überzeugend, ist die wissenschaftliche Basis so gut verstanden und ist vor allem der antizipierte Schaden derart verheerend, dass globale ethische Reaktionen mehr als notwendig erscheinen. Der Klimawandel droht die Slums in Mumbai unbewohnbar zu machen, aber auch neue Flüchtlingsströme aus Afrika über das Mittelmeer zu treiben. Die einleuchtende Unheilsprognose ist, so Hans Jonas, maßgeblicher als die vielleicht nicht weniger einleuchtende, aber auf eine essenziell niedrigere Ebene bezogene Heilsprognose. Den Vorwurf des Pessimismus und der Parteilichkeit für die Unheilsprophetie beantwortet Jonas damit, dass der größere Pessimismus aufseiten derer sei, die das Gegebene für schlecht oder unwert genug halten, um damit ihre möglicherweise katastrophalen Experimente anzustellen.

Jonas’ Hauptwerk erschien im Jahr 1979, noch vor den „COPs“, den „Conferences of the Parties“, den seit dem Jahr 1995 etwa im Jahresabstand abgehaltenen internationalen Klimakonferenzen. In diesen wird darüber verhandelt, wie der Schutz des irdischen Klimas zum Anliegen aller Staaten der Erde gemacht werden kann. Als bisher erfolgreichste gilt die COP 21 aus dem Jahr 2015 in Paris, bei der es gelang, sich weltweit darauf zu verständigen, den zu erwartenden Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, unter 1,5 Grad zu bleiben.

Technologische Lösungen für die Klimakrise sind bekannt

Schon seit zumindest 500 Jahren haben Philosophen versucht, das Problem knapper Ressourcen, um das es auch in der Klimaethik geht, zu bewältigen. Dabei sind zwei Familienähnlichkeiten von gesellschaftlichen Gedankenexperimenten entstanden: Das erste geht auf Thomas Morus zurück, der 1516 in seiner Utopia vorschlug, den Ressourcenverbrauch für alle radikal auf das Lebensnotwendige zu begrenzen, dieses aber allen kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Das zweite Gedankenexperiment formulierte Francis Bacon im Jahr 1627 in seiner Utopie Nova Atlantis. Er verzichtete weitgehend auf Einschränkungen und schlug vor, die im Übermaß spendende Natur durch Naturwissenschaften und Technik zum Wohle der Menschen zu nutzen.

Die Gesellschaft wird sich den Lösungsvorschlägen der erzwungenen Maßhaltung und des kollektiven Verzichts aus dem Fundus von Thomas Morus auch weiterhin nur ungern unterwerfen. Dann bleiben die technologischen Lösungen im Geiste von Francis Bacon.
Die gute Nachricht: Diese technologischen Lösungen für die Klimakrise sind inzwischen bekannt und demonstriert und sie werden immer kostengünstiger. Sie schöpfen die Energie im Wesentlichen aus dem Energiestrom der Sonne und nicht mehr aus den problematischen und endlichen Kohlenstoffbeständen in der Erdkruste.

Es sind Technologien wie Photovoltaik oder Solarthermie, die Sonnenstrahlung direkt in nutzbare Energie umwandeln, oder ihre indirekten Wirkungen wie den Wind, das fließende Wasser oder die nachwachsende Biomasse nutzen.

Klimaschonende Energielösungen sind sichtbar

Diese neuen technischen Lösungen, also die Nutzung erneuerbarer Energien, werden im Gegensatz zum gefährlichen, alten, fossilen System sichtbar sein. Sie ernten die in ihrer Menge überwältigend großen, aber auf die ganze Welt ziemlich gleichmäßig und vergleichsweise dünn verteilten Energieströme der Sonne.

Ein weitum sichtbares Windrad verfügt über eine Leistung von etwa drei MW (Megawatt). Durch den dünnen Benzinschlauch, mit dem man für zwei Minuten ein Auto betankt, fließt mit 18 MW das Sechsfache an Leistung, etwa ein Zehntel der Leistung des Donaukraftwerks Freudenau. Der Treibstoff verschwindet nach seiner Verbrennung als CO2 ebenso unsichtbar in unserer Atemluft, wie er vor seiner Gewinnung unsichtbar in der Erdkruste gelagert war und in Pipelines weitgehend unsichtbar über ganze Kontinente verteilt wird.

Sichtbare Eingriffe sind der Preis für die notwendige solare Energierevolution. CO2 ist unsichtbar, auch die 36 Milliarden Tonnen, die wir pro Jahr in unserer Atemluft deponieren. Unsichtbar – aber eben nicht ohne Wirkung.

Das zusätzliche Kohlendioxid aus jedem einzelnen Liter Öl, den wir irgendwo auf der Welt verbrennen, verteilt sich über die Jahre in der gesamten Atmosphäre und entfaltet dort seine Wirkung. Überall auf der Welt, in jedem Liter Atemluft, den irgendjemand irgendwo einatmet, finden wir von diesem einen Liter Öl in der Folge 5.000 zusätzliche CO2-Moleküle. Bei einem Kilogramm Kohle sind es etwas mehr, bei einem Kubikmeter Erdgas etwas weniger.

Wir verdanken unsere Lebensqualität unserer technischen Zivilisation. Über die irdische Atmosphäre, deren Luft wir alle atmen und in der wir die Produkte unserer Verbrennungsprozesse so gedankenlos deponieren, sind wir aber auch alle auf eigenartige Weise miteinander verbunden. Sie zu erhalten – als wesentliches Element für die Bewahrung des irdischen Klimas und des Zusammenlebens auf dem gemeinsamen Planeten – ist ein Ziel, das einer gemeinsamen Ethik dringend bedarf.

„Die dem Menschenglück zugedachte Unterwerfung der Natur hat im Übermaß ihres Erfolges zur größten Herausforderung geführt, die je dem menschlichen Sein aus eigenem Tun erwachsen ist.“

Johannes Schmidl in FALTER 13/2019 vom 29.03.2019 (S. 14)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, March 27, 2019 8:35:00 PM Categories: Philosophie/20., 21. Jahrhundert
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Fake und Fiktion 

Über die Erfindung von Wahrheit

von Thomas Strässle

Verlag: Hanser, Carl
Format: Taschenbuch
Genre: Belletristik/Essays, Feuilleton, Literaturkritik, Interviews
Umfang: 96 Seiten
Erscheinungsdatum: 11.03.2019
Preis: € 18,50

 

Rezension aus FALTER 12/2019

Wie kann man die Wirklichkeit erkennen?

Medien: Jan Skudlarek und Thomas Strässle erklären den Wert der Wahrheit und wie man Fakes erkennt

Vor nicht allzulanger Zeit schwang im Konzept der Fiktion ein Geschmack von Freiheit mit. Von Schalk, von furioser Erfindungsgabe, neckischen Seitenhieben auf die Realität. Etwas von dem Versprechen, sich für die Dauer der Lektüre eines Romans, eines Theaterabends oder eines Kinobesuchs in eine alternative Welt hineinziehen zu lassen. Inzwischen, in der Halbzeit von Donald Trumps Amtszeit als Präsident der USA, zuckt man ein bisschen zusammen, wenn man „alternative Welt“ liest.

Zu real, zu wenig fiktiv erscheint die Aussicht, dass Trumps zusammengezimmertes Weltbild aus kruden Behauptungen, verdrehten Halbwahrheiten, von auf breitbart.com lancierten Fake News und eben „alternativen Fakten“ die sauer erkämpfte mediale Öffentlichkeit untergräbt.

Auch einige der letzten Feuilleton-Aufreger tun dem Ruf der Fiktion nichts Gutes. So herrscht eine zunehmende Verwirrung um die Begriffe Lüge und Fiktion, wenn beispielsweise kommentiert wird, dass der Spiegel-Journalist Claas Relotius seine Reportagen fingiert habe. (Er hat sie gefälscht, die Leser erwarten von einem Journalisten eine faktische und überprüfte Beschreibung der Wirklichkeit.) Oder ob der Autor Robert Menasse in seinen politischen Essays gelogen habe. (Er hat sein Handwerkszeug, die Fiktion, über die Ränder des Üblichen hinausgetrieben, das ist weder neu noch skandalös, aber bei der derzeitigen Verwirrung, die auch von politischer Seite befeuert wird, höchst ärgerlich.)

Zwei Klärungsversuche zu den Begriffen Wahrheit, Lüge, Fakt und Fiktion werden dieser Tage von berufener Seite publiziert. Thomas Strässle ist Professor für Literaturwissenschaften an der Universität Basel, das theoriegeleitete Nachdenken über und Beschreiben von Fiktion und ihrem Verhältnis zur Wirklichkeit ist sein Beruf. Und der junge Berliner Philosoph und Lyriker Jan Skudlarek hat den Problemen, die rund um unser Verständnis von Wahrheit und ihrer Beschreibbarkeit auftauchen, vermutlich auch schon mehrere tausend Bibliotheksstunden gewidmet.

Skudlarek erweist sich dabei als aufklärerischer Analytiker ohne akademische Allüren. Sein Stil ist einfach zu lesen und stets humorvoll. Seine Verve überzeugt in Zeiten von Donald Trump, der wie kaum ein anderer Politiker dazu beigetragen hat, „Unsagbares und Unsägliches sagbar zu machen“, wie Skudlarek meint. „Ich sage: Die Wirklichkeit bleibt nach wie vor erkennbar. Ich sage: Die Welt bleibt beschreibbar. Ich sage: Angemessen zu zweifeln kann man lernen“, hält Skudlarek dem entgegen.

Auf rund 200 Seiten führt er vor, wie man bei den philosophischen Grundtugenden Erkennen, Beschreiben und Zweifeln zu Werke geht. Hierfür liefert er mit Witz und ausgeklügelten Argumentationen eine Einführung in begriffliche Unterscheidungen wie echt und unecht oder Meinung und (persönliche) Wahrheit und eine genaue Beschreibung diverser kruder Verschwörungstheorien wie jener der Flat-Earther, Reichsbürger, Impfgegner und von Menschen, die hinter jeglicher Gegenmeinung orchestrierte „Systemmedien“ vermuten.

Was Skudlarek über postfaktische Diskurse und die psychologischen Mechanismen, die sie unterstützen, referiert, ist beklemmend. Wie er zum Selbstdenken und Überprüfen anregt, ist erfrischend. Skudlareks Buch ist ein einfach zugängliches und schlaues Sachbuch, wie man es sich häufiger wünschen würde. Mehr als das: Vermutlich wäre es eine gute Diskussionsbasis, um mit Schülern oder Studienanfängern informiert über die Probleme zu diskutieren, die unsere komplexe Gegenwart medial und politisch aufwirft.

Thomas Strässle geht dagegen weitaus theoretischer vor. In bester literaturwissenschaftlicher Manier gräbt er interessante wortgeschichtliche Zusammenhänge aus. So dürfte das englische Wort „fake“ tatsächlich ursprünglich vom alten deutschen „fegen“ stammen und so etwas wie „reinigen“ oder „herausputzen“ meinen. Ins Englische könnte es vom Deutschen gewandert sein. Ähnlich belesen fährt Strässle fort. Er referiert Platons Begriffe von Nachahmung und Lüge, Aristoteles’ Kategorien „wirklich“, „wahrscheinlich“, „notwendig“ und „möglich“. Er spürt den Apologien zwischen Fakt und Fiktion in der Erzähltheorie nach und entwirft eine Theorie, wie sich Fiktion in Realität und Realität in Fiktion überführen lässt.

Diese und andere philologische Kapriolen werden zwar anhand von Kleinoden der deutschen Literatur – von den Grimm’schen Märchen bis zu Hermann Burger – sehr elegant nachvollzogen, Laien werden sich dennoch mit einem Gefühl der Überforderung durch den 90-seitigen Essay arbeiten.

Skudlarek kommt zu nachvollziehbaren und relevanten Aussagen, die sich beispielsweise wie folgt lesen: „Was wir als Wahrheit anerkennen, ist letztlich mehr als eine rein philosophische Frage. Was ist, ist nicht Ansichtssache. Es geht um die bestmögliche, um die angemessene Beschreibung der Realität. Eine Annäherung an die Realität mit Worten.“ Diese Einfachheit und Nachvollziehbarkeit ehrt sein Buch. Strässle hingegen verliert sich im Diskurs der deutschsprachigen Kulturwissenschaften, die nur allzu oft ihr politisches Potenzial verspielen, weil sie zu viel zu einer Kulturtechnik oder Denkfigur erklären. Dementsprechend hermetisch geraten seine Schlussfolgerungen.

Oft wünscht man Strässle den Mut zur Klarheit, mit dem Skudlarek schreibt und erklärt. Es sind sehr unterschiedliche Bücher, die sich mit denselben aktuellen Problemen von Faktizität und Wahrheit auseinandersetzen. Für eine breite Leserschaft zugänglich ist nur eines von ihnen.

Florian Baranyi in FALTER 12/2019 vom 22.03.2019 (S. 32)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, March 20, 2019 4:25:00 PM Categories: Belletristik/Essays Feuilleton Interviews Literaturkritik
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FLOW und Kreativität 

Wie Sie Ihre Grenzen überwinden und das Unmögliche schaffen

von Mihaly Csikszentmihalyi

Übersetzung: Maren Klostermann
Verlag: Klett-Cotta
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Angewandte Psychologie
Umfang: 650 Seiten
Erscheinungsdatum: 29.07.2018
Preis: € 17,50

 

Kurzbeschreibung des Herstellers:

Mihaly Csikszentmihalyi beantwortet in diesem Buch die Fragen, wo und wie Kreativität entsteht und wie es jedem Einzelnen gelingen kann, seine ganz persönliche Inspirationsquelle zu entdecken und zu fördern. Es erschließt sich Ihnen die interessante Welt der »kreativen Köpfe«, damit auch Sie in Zukunft – beruflich und privat – von Ihrer schöpferischen Kraft profitieren und Ideenlosigkeit und innere Blockaden überwinden können.

Die Grundlage bilden zahlreiche Interviews mit Kreativen aus allen
möglichen Berufen, mit allen möglichen Berufungen. Eines der
überraschendsten Ergebnisse seiner Analyse ist, daß die Frage: Was ist
Kreativität? durch die Frage: Wo entsteht Kreativität? ersetzt werden
muß. Jeder Kreative entwickelt sich in einem bestimmten Kontext, zu dem vielerlei gehört, vom Zimmer, in dem man aufwuchs, von den Freunden, mit denen man sich umgibt, bis zu den Förderern, die in manchen Lebensabschnitten notwendig sind.

Flow
bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung »aufgehen«. Entgegen ersten Erwartungen erreichen wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meistens nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen. Mihaly Csikszentmihalyi (sprich: Tschik Sent Mihaji) wurde 1934 als Sohn einer ungarischen Familie in Italien geboren. Er war Gastprofessor in Italien, Brasilien, Finnland und Kanada. Csikszentmihalyi ist heute Direktor des Quality of Life Center und Professor für Unternehmensführung an der Claremont Graduate University in Kalifornien. Er wurde weltweit bekannt, als er erstmals das Flow-Phänomen beschrieb, und gilt als führender Glücksforscher. Mihaly Csikszentmihalyi ist weltweit als der Erfinder des FLOW-Phänomens bekannt und gilt als führender Glücksforscher. Er war Gastprofessor in Italien, Brasilien, Finnland und Kanada und ist heute Direktor des Quality of Life Center und Professor für Unternehmensführung an der Claremont Graduate University in Kalifornien. Flow bezeichnet einen Zustand des Glücksgefühls, in den Menschen geraten, wenn sie gänzlich in einer Beschäftigung »aufgehen«. Entgegen ersten Erwartungen erreichen wir diesen Zustand nahezu euphorischer Stimmung meistens nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen.
Posted by Wilfried Allé Wednesday, March 20, 2019 2:57:00 PM Categories: Sachbücher/Angewandte Psychologie
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Schotter 

„Man wartet, dass die Zeit reif wird“

von Florjan Lipuš

Übersetzung: Johann Strutz
Verlag: Jung u. Jung
Format: Hardcover
Genre: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Umfang: 144 Seiten
Erscheinungsdatum: 01.03.2019
Preis: € 20,00

 

Rezension aus FALTER 12/2019

„Man wartet, dass die Zeit reif wird“

Mit „Schotter“ ist Florjan Lipuš ein beklemmendes Werk über die Fruchtbarkeit des Vergangengeglaubten gelungen

Das erste Bild gilt dem Verschwinden des wichtigsten Menschen im Leben. Zu diesem kehren die Bücher des Kärntner Slowenen Florjan Lipuš immer wieder zurück. Als er sechs Jahre alt war, wurde seine Mutter 1944 vor seinen Augen abgeführt und später im KZ Ravensbrück ermordet. Ihr Vergehen: Sie hatte eine als Partisanen verkleidete Gruppe von Gestapo-Männern bewirtet.

Diese tiefe Wunde war es, die Lipuš zum Schreiben brachte. Sich in seinen Romanen der Sprache der Täter zu bedienen, kam für ihn nicht infrage. Um der Mutter trotzdem nahe sein zu können, entschied er sich für das Slowenische als Literatursprache. Er ist ihr bis heute treu geblieben. Das gilt auch für „Schotter“, ein Buch, das ohne den Verweis „Roman“ oder „Erzählung“ auskommt und im Original unter dem Titel „Gramoz“ bereits 2017 erschienen ist.

„Schotter“ folgt auf das fast schon zärtliche Alterswerk „Seelenruhig“. Von Zärtlichkeit ist hier indes keine Spur. In atemberaubender Prosa ergründet Lipuš die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eines Dorfes, die untrennbar zusammenhängen:

„Man wartet, dass die Zeit reif wird und der Nachbar wieder gegen den Nachbarn Anzeige erstatten wird, der Meister ohne Zögern den Gehilfen melden wird, der Bruder wieder auf den Bruder schießen wird und die Schwester die Schwester verraten wird, der Vater dem Sohn und der Großvater dem Enkel die Waffe in die Hände drücken wird und der Ehemann die Ehefrau persönlich auf den Richtplatz treiben wird.“

Der erste Schauplatz des Buches ist das Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers. „Gedächtnisgeher“ und „Ausflügler“ suchen hier nach den Spuren ihrer hingerichteten Vorfahren.

Sie finden sich am Boden, im Schotter zwischen den Baracken, wo die inhaftierten Frauen viele Stunden Appell stehen mussten. Auch zwei Enkelkinder machen sich auf den Weg, in der Hoffnung, ihre Großmutter werde ihnen erscheinen. Als die Besuchergruppe ins Dorf zurückkehrt, schlägt ihr eine kaum unterdrückte Feindseligkeit entgegen.

Mit „Schotter“ legt Lipuš einen atmosphärisch hochaufgeladenen Text vor, der seine Wirkung auch dem verdankt, was er alles nicht leistet. Es wird hier keine Geschichte erzählt, es sind – abgesehen von den Enkeln, die den Geist ihrer Großmutter aufspüren wollen – keine Figuren identifizierbar und es lässt sich auch nicht mit Gewissheit sagen, in welcher Zeit und an welchem Ort wir uns befinden, von welchem Konzentrationslager die Rede ist.

Wo Lipuš sonst zumeist konkret auf seine Herkunftsgegend Bezug nimmt, könnten wir uns in seinem jüngsten Werk im Grunde überall im deutschsprachigen Raum befinden ‒ überall dort, wo es Dörfer gibt, wo die Kirche noch über einigen Einfluss verfügt, die Leute alte Waffen und Uniformen im Kasten versteckt haben und auf den Tag warten, an dem sie diese wieder hervorholen können.

Altersradikalität ist wohl das falsche Wort für die Haltung, die Florian Lipuš hier an den Tag legt, Altersklarheit trifft es besser. „Das Mördergeschlecht kam nicht aus der Hölle gekrochen“, heißt es einmal, „wurde nicht aus giftigem Ungeziefergewimmel geboren […]. Das Mördergeschlecht waren die gestern noch freundlichen Verwandten, die langjährigen Bekannten und Genossen, die Verliebten, die Wohltäter und Freunde, die Gelehrten und Geschulten, mit den akademischen Titeln, die Männer und Frauen mit Eigenschaften und ohne Eigenschaften, die auffälligen und die unauffälligen Gemeindebürger, die bisher mit nichts Bösem Aufmerksamkeit erregten. Es waren nicht die Wilden, aber sie wurden zu Wilden, als sich ihnen Gelegenheit dazu bot.“

Das galt gestern und das gilt für Lipuš heute wie morgen. Der Kärntner Slowene, der 2018 mit dem Großen Staatspreis für österreichische Literatur ausgezeichnet wurde, legt ein schmales Buch von großer Sprengkraft vor. Man kann es nur langsam lesen, weil einem bei der Lektüre immer wieder angst und bange wird.

Sebastian Fasthuber in FALTER 12/2019 vom 22.03.2019 (S. 18)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, March 20, 2019 1:11:00 PM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
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China First 

Die Welt auf dem Weg ins chinesische Jahrhundert

von Theo Sommer

Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 480 Seiten
Erscheinungsdatum: 25.01.2019
Preis: € 26,80

 

"Wenn heute in China ein Sack Reis umfällt, bebt die ganze Welt."

Theo Sommer

China hat sich in wenigen Jahrzehnten vom Armenhaus im Mao-Look zur Hightech-Nation gewandelt. Vielspurige Autobahnen und Hochgeschwindigkeitszüge verbinden die Zentren. Oft heißt es, die Technologie sei nur importiert, ja geraubt, und die sozialen und ökologischen Probleme seien übermächtig. Doch das ist eine gefährliche Täuschung, wie Theo Sommer eindrucksvoll zeigt. Wer sein luzides Buch voller überraschender Fakten und Zusammenhänge gelesen hat, wird China und den Westen mit anderen Augen sehen.
In immer mehr Zukunftssparten wie erneuerbare Energien oder Elektromobilität übernimmt China die Führung. Das Seidenstraßen-Projekt stellt wichtige Handelswege unter chinesische Kontrolle. Außenpolitisch trumpft China immer mehr auf, in Asien auch militärisch. Der neue starke Mann Xi Jinping hat sich eine Machtfülle gesichert, wie sie nicht einmal Mao hatte. Er perfektioniert den Überwachungsstaat mit digitaler Gesichtserkennung und einem an Orwell gemahnenden "Sozialkreditsystem". Auch hier spielt China eine beängstigende Vorreiterrolle. Das chinesische Jahrhundert hat begonnen. Es kommt jetzt darauf an, es zu verstehen und sich zu behaupten. Theo Sommer, Journalist und Historiker, war 20 Jahre lang Chefredakteur der ZEIT und zusammen mit Marion Gräfin Dönhoff und Helmut Schmidt Herausgeber der Hamburger Wochenzeitung. Asien ist eines seiner großen Lebensthemen. Er reist seit fast fünf Jahrzehnten immer wieder nach China, oft als Begleiter hochrangiger politischer Delegationen, und hat vielfach zur Rolle Chinas in Asien publiziert.

Posted by Wilfried Allé Monday, March 4, 2019 10:14:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Seinesgleichen 

Politische Kommentare aus dem FALTER 1998-2018

von Armin Thurnher

EAN: 9783854396284
Verlag: Falter Verlag
Format: Taschenbuch
Umfang: 200 Seiten
Erscheinungsdatum: 13.02.2019
Preis: € 19,90

Armin Thurnher, Herausgeber der Wiener Wochenzeitung FALTER, schreibt seit 1984 die Kolumne „Seinesgleichen geschieht“. Darin beleuchtet er den polit-medialen Komplex und sein Personal kritisch, satirisch und literarisch.
Anlässlich seines 70. Geburtstags hat Armin Thurnher 49 seiner „Seinesgleichen-Geschieht“-Kommentare aus 20 Jahren ausgewählt, die zeigen, wie sehr sich Österreichs Politik verändert und wie sie sich dabei doch gleich bleibt.
Das Buch startet mit politischen Komentaren aus dem Jahr 1998, in dem sich abzeichnete, was man in Österreich für undenkbar gehalten hatte: die Wende, das Ende der rot-schwarzen Nachkriegspolitik. Der Aufstieg Jörg Haiders schien unaufhaltsam. Wolfgang Schüssel von der ÖVP verlor die Nationalratswahl 1999, bildete aber Anfang 2000 mit der Haider-FPÖ die Regierung. Sanktionen von 14 EU-Staaten folgten und erwiesen sich als Schlag ins Wasser. Sie machten die Regierung Schüssel nur populärer. Dennoch kam es 2006 zur Abwahl Schüssels und zum Wiederaufleben von Rot-Schwarz. Bis 2017 die erneute Wende erfolgte. Der junge Kanzler Sebastian Kurz putschte seine Jugendorganisation in der ÖVP entschlossen an die Macht und führt das Land in eine neue Richtung.

Inhaltsverzeichnis plus Leseprobe ->

Posted by Wilfried Allé Sunday, February 17, 2019 7:54:00 PM Categories: Politische Kommentare
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Die Krise verstehen 

Ökonomie: Eine kritische Auseinandersetzung zu ihren Lehren, Theorien und Denkern

von Joseph Gepp (Hg.)

EAN: 9783854395287
Verlag: Falter Verlag
Format: Taschenbuch
Umfang: 216 Seiten
Erscheinungsdatum: 20.01.2015
Preis: € 19,90

Das Buch gibt einen Einblick in die ökonomischen Probleme der Gegenwart – abseits von Sprechblasen des Wirtschaftsjournalismus, jenseits von PR-Phrasen und abseits der Schaumgummisprache der Politik.
Auch wenn immer wieder verkündet wird, die Krise werde zur Zeit überwunden, so stecken wir doch noch immer mittendrin. Denn die Probleme des alles dominierenden Finanzkapitalismus wurden nach dem Crash von 2008 nicht einmal angetippt. Das wirtschaftliche Paradigma ist nach wie vor jenes des Neoliberalismus. Wirtschaftspolitik scheint so etwas wie Voodoo zu sein, ein mystisches Ritual, das Investmentbanker und Spitzenpolitiker hinter verschlossenen Türen zelebrieren.
Das Buch stellt verschiedene ökonomische Denker vor, die unsere Gegenwart noch immer bestimmen: Karl Marx, John Maynard Keynes, Friedrich August Hayek, Tim Jackson, Kurt Rothschild, Josef Steindl u.v.m.
Gegliedert ist der Band in vier Kapiteln, was den Zugang zum Thema erleichtert: Neben den Porträts ökonomischer Meisterhirne in Kapitel 1 prallen in Kapitel 2 („Die Krise“) in einem Streitgespräch drei verschiedene Perspektiven aufeinander. Die Diskutierenden sind Sigrid Stagl (WU Wien), Christian Keuschnigg (IHS Wien) und Stephan Schulmeister (Wifo). Im Kapitel 3 werden jene Leute vorgestellt, die uns in Österreich Wirtschaft erklären, und problematisiert den mit solchen Erklärungen meist verbundenen Kampf um die wirtschaftliche Überlegenheit. Kapitel 4 schließlich enthält neben Rezensionen wichtiger Bücher ein Interview mit Thomas Piketty, dem Autor des Weltbestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“.
Ein Glossar mit wichtigen Begriffen schließt das Buch ab.

Inhaltsverzeichnis plus Leseprobe ->

Pressetext

Welche historischen Denker prägen unsere moderne Sicht auf die Ökonomie und ihre Krisen?
Wer erklärt in der österreichischen Öffentlichkeit komplizierte Wirtschaftsangelegenheiten?
Was sind die Ursachen der seit 2008 andauernden Krise? Und was wären mögliche Auswege?

Journalisten der Wiener Wochenzeitung FALTER und Experten der wirtschaftswissenschaftlichen
Abteilung der Wiener Arbeiterkammer befassten sich in diesem Buch mit der Wirtschaftskrise und erklären alles, was man wissen muss, um die Debatten über die Krise zu verstehen.

Klar ist mittlerweile eines: Die Wirtschaft ist heute keine Fachmaterie mehr, die nur einige Banker, Ökonomen und Anleger interessiert. Je länger die Krise andauert, desto mehr wird sie zur Angelegenheit der breiten Masse, die zunehmend begreift, wie stark die Frage möglichen künftigen Wohlstands von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik abhängt.

Die übliche Berichterstattung über die Krise lässt vielfach den Blick auf größere Zusammenhänge vermissen. Jeder kennt zwar die wiederkehrenden Schlagzeilen über neuerliche Geldspritzen der Europäischen Zentralbank, die wieder einmal wirkungslos bleiben. Oder über aktuelle Demonstrationen gegen das von der Troika oktroyierte Sparpaket in Athen oder Madrid.
Aber was ist eigentlich im Großen und Ganzen seit dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 geschehen?

Diesem Bedürfnis nach Orientierung will das vorliegende Buch nachkommen. Es umfasst Porträts einflussreicher historischer Wirtschaftsdenker, deren Weltbilder bis heute fortwirken. Ein Streitgespräch dreier Ökonomen unterschiedlicher Ausrichtung: eines Liberalen, eines Keynesianers und einer Umweltökonomin. Weiters befasst es sich mit der Frage, welche Personen und Institute uns in Österreich Wirtschaft erklären sowie welche Wirtschaftssachbücher der vergangenen Jahre man lesen sollte. Den Abschluss bildet ein Glossar mit wesentlichen Fachbegriffen und Protagonisten.

Posted by Wilfried Allé Thursday, January 31, 2019 11:02:00 PM Categories: Neoliberalismus Wirtschaft/Gesellschaft Wirtschaft/Politik
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Zahlen, bitte! - E-Book 

Was Sie schon immer über Österreich wissen wollten

von Florian Klenk, Konrad Pesendorfer

Jetzt wieder lieferbar!

EAN: 9783854396178
Verlag: Falter Verlag
Format: PDF
Umfang: 120 Seiten
Erscheinungsdatum: 02.07.2018
Preis: € 14,99
 


Bitte beachten: Dies ist ein E-Book im pdf-Format. Tabellen und Grafiken verlieren bei E-Book-Readern deutlich an Qualität.

Wie viele Schulkinder hat Österreich und wie viele von ihnen machen Matura? Wie gesund oder krank sind wir? Wohin verreisen wir am liebsten? Wie viele Zwetschkenbäume hat das Land? Und wird das wirklich gezählt? Alle Antworten auf diese Fragen und welche Auswirkungen diese Fakten auf unser Leben haben, sind in diesem Buch kompakt dargestellt.

Konrad Pesendorfer von Statistik Austria und Florian Klenk vom FALTER versachlichen Themen die uns bewegen, die wir aber in ihrer quantitativen Bedeutung in unserer Gesellschaft nicht immer abzuschätzen vermögen und legen somit objektive Information vor.
In einer Welt, die von überlautstarken Meinungsäußerungen geprägt ist und in der das reißerischste Posting oder der verwegenste Tweet die Gemüter politisch sensibler Menschen in atemberaubender Geschwindigkeit in Aufregung versetzen kann, erlangen nüchtern vorgetragene Fakten und äquidistante Verweise darauf, wie sich bestimmte Phänomene in der Realität quantitativ darstellen, wieder an Attraktivität.

Inhaltsverzeichnis plus Leseprobe ->

Rezension aus FALTER 26/2018

„Was bedeutet eigentlich der EU-Ratsvorsitz für österreichische Statistiker?“

In der Europäischen Union sind 24 Amtssprachen in Verwendung. Aber auch in der Welt der Zahlen kann es zu Verständigungsschwierigkeiten kommen. Deswegen müssen sich auch Europas Statistiker auf gemeinsame Standards und Fragestellungen verständigen. Demnächst unter der Regie Österreichs.

Falter: Herr Pesendorfer, ab 1. Juli dieses Jahres übernimmt Österreich für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Was bedeutet das für den Bereich der Statistik?
Konrad Pesendorfer: Mehr als 90 Prozent aller Statistiken, die wir bei Statistik Aus­tria produzieren, werden erstellt, weil das bestimmte Datenanforderungen von der Europäischen Union an die Republik Österreich verlangen. Da gibt es genaue Vorgaben, die auch in einzelnen EU-Verordnungen festgehalten sind, welche Daten zu welchen Themen, Definitionen und Zeitpunkten zu Eurostat nach Luxemburg geliefert werden müssen.

Wie entstehen solche EU-Statistikverordnungen?
Pesendorfer: Zu Beginn macht Eurostat, das als Teil der Europäischen Kommission ja ein Initiativrecht hat, einen Vorschlag, Statistiken zu einem bestimmten Thema zu erstellen, für das es auf europäischer Ebene einen Informationsbedarf gibt. Dann folgen Diskussionen dazu in einzelnen Expertengruppen des Europäischen Statistischen Systems (AESS), die durch einen Beschluss der Generaldirektoren aller EU-Statistik­institutionen im Ausschuss für das Europäische Statistische System abgeschlossen werden. Danach müssen die EU-Verordnungsentwürfe vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen werden, um Gültigkeit zu erlangen.

Und hier kommt der österreichische EU-Ratsvorsitz ins Spiel?
Pesendorfer: Genau. Es gibt eine eigene Ratsarbeitsgruppe Statistik, in der sich die Mitgliedsstaaten auf die Details der Statistik einigen müssen – und dort darf ich für die Republik Österreich in den kommenden sechs Monaten den Vorsitz führen und Kompromisse erarbeiten, die von einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten mitgetragen werden. Danach muss der EU-Ratsvorsitz den Kompromiss mit dem Europäischen Parlament verhandeln, und wenn sich alle einig sind, kann die neue EU-Verordnung verabschiedet werden.

Was ist das Ziel dieses aufwendigen Prozedere?
Pesendorfer: Ziel ist es, europäische Statistiken zu erarbeiten, die auf EU-Ebene vergleichbar sind. Außerdem müssen die Statistiken die hohen Qualitätsstandards einhalten, die die auf EU-Ebene verbindlich festgeschriebenen europäischen statistischen Grundsätze verlangen.

Welche Grundsätze sind das?
Pesendorfer: Das sind in erster Linie die Grundsätze der fachlichen Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit und der Objektivität von Statistiken. Aber natürlich müssen Statistiken auch zuverlässig sein, die statistische Geheimhaltung muss beachtet werden, und dann muss auch ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Erstellung von Statistiken beachtet werden.

Welche Verordnungen werden in den kommenden sechs Monaten im Statistikbereich verhandelt?
Pesendorfer: Da ist einerseits eine Rahmenverordnung zu Unternehmensstatistiken, bei der es um die Erfassung von Wirtschaftsstruktur und Konjunkturentwicklung geht, aber auch um Fragen der Globalisierung. Andererseits soll es Verbesserungen bei Migrationsstatistiken geben. Außerdem werden eine Verordnung zum Bruttonationaleinkommen, das ja die Grundlage für die Budgetbeiträge zur EU bildet, sowie das künftige Statistikprogramm für die Jahre 2021 bis 2027 behandelt.


„Zahlen!“ ist eine Serie des Falter. Jede Woche beantwortet der Chef der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, Fragen zu seinen neuesten Daten, die Politiker kennen sollten, ehe sie Entscheidungen treffen

Pesendorfer Konrad in FALTER 26/2018 vom 29.06.2018 (S. 19)

Posted by Wilfried Allé Thursday, January 31, 2019 11:43:00 AM Categories: Fachbücher Wirtschaft/Politik
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