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Superyachten 

Luxus und Stille im Kapitalozän

von Grégory Salle

ISBN: 9783518127902
Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 170 Seiten
Erscheinungsdatum: 20.11.2022
Übersetzung: Ulrike Bischoff
Reihe: edition suhrkamp
Ausgabe: Deutsche Erstausgabe
Preis: € 16,50

Kurzbeschreibung des Verlags:

Abramowitsch hat eine, der Emir von Abu Dhabi auch, Jeff Bezos so­wieso: Super­yachten sind Aus­weis der Zu­ge­hörig­keit zum Club der lucky few. Sie er­mög­li­chen gren­zen­lose Mo­bi­li­tät und ex­klu­si­ven Gel­tungs­kon­sum. Zu­gleich sind sie schwim­mende Um­welt­sün­den. Sie ver­bren­nen Un­men­gen Treib­stoff, ihre An­ker zer­stö­ren kost­bare Flora. Und sie sind Spiel­fel­der obs­zö­ner Un­gleich­heit: Wäh­rend ihre Be­sit­zer zu den ein­fluss­reichs­ten Men­schen der Welt ge­hö­ren, ist das Bord­per­so­nal oft Will­kür und Recht­lo­sig­keit aus­ge­lie­fert.
Grégory Salle sieht in den riesigen Luxus­schif­fen den Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis des ge­gen­wär­ti­gen Ka­pi­ta­lis­mus. In sei­nem ful­mi­nan­ten Essay zeigt er, dass Super­yach­ten nicht ein­fach Sym­bole des Ex­zes­ses sind. Viel­mehr sind sie Sym­bole da­für, dass der Ex­zess zum Kenn­zei­chen un­se­res Zeit­al­ters ge­worden ist.

FALTER-Rezension
Der Wille zur Yacht

Gerade waren sie noch reich und schön, jetzt kotzen sie sich die Seele aus dem Leib. Da nüt­zen kein Gucci und kein Maha­goni, hel­fen keine Bril­lan­ten und keine Kris­tall­lus­ter, denn Luxus be­sänf­tigt Magen­säfte nicht. Der Film "Triangle of Sadness" schickt die Gäste einer Yacht mit ver­dor­be­nen Aus­tern und Sturm auf einen wah­ren Höl­len­trip.
Während das Schiff schwankt und Ladys im Er­bro­che­nen lie­gen, be­trinkt sich der Kapi­tän mit einem Geld­sack. An­stel­le von Trink­sprü­chen le­sen sie sich Zi­ta­te vor. "Sozia­lis­mus funk­tio­niert nur im Him­mel, wo sie ihn nicht brau­chen, und in der Höl­le, wo sie ihn schon ha­ben", gibt der reiche Russe US-Prä­si­dent Ro­nald Reagan zum Bes­ten. "Der letzte Kapi­ta­list, den wir hän­gen, wird der sein, der uns den Strick ver­kauft hat", kon­tert sein Sauf­kum­pan mit Karl Marx.

Welcher andere Ort könnte sich besser für Ruben Östlunds Up­per­class-Sa­tire eig­nen als eine Luxus­yacht? Schon der rea­le Dreh­ort hat Gla­mour: Die "Chris­tina O" ge­hör­te einst dem Reeder Aris­to­te­les Onas­sis. 1948 er­warb der Lieb­haber der Opern­diva Maria Callas und Ehe­mann von Jackie Kennedy güns­tig ein Kriegs­schiff, das vier Jahre zu­vor noch der Offen­sive der Alli­ier­ten in der Nor­man­die diente.

Für den Umbau berappte der Grieche mehrere Mil­li­onen, dann lud er VIPs wie Wins­ton Chur­chill oder die Schau­spie­lerin Grace Kelly an Bord ein. Als Hot Spot galt "Ari's Bar", deren Hocker Onas­sis mit Leder aus der Vor­haut von Walen hatte über­zie­hen las­sen. "Sie sitzen auf dem größten Penis der Welt", raunte der Gast­geber Film­stars wie Greta Garbo zu.

Ob im echten Leben oder in James-Bond-Filmen, Luxus­yachten strö­men über vor Tes­tos­te­ron-ge­trie­be­nen Anek­do­ten aus dem Fach "Die ver­rückten Strei­che der Rei­chen". Etwa jene des Ama­zon-Be­sit­zers Jeff Bezos, des­sen neues XXL-Schi­na­kel 2022 aus ei­ner Rot­ter­da­mer Werft ins of­fene Meer se­geln sollte. Blöder­weise stand eine denk­mal­ge­schütz­te Brücke im Weg von Bezos' Mega-Mas­ten. Dass ein Ab­bau der Brücke auch nur an­ge­dacht wurde, ging um die Welt.

Es gibt aber noch einen anderen Zu­gang zum Phäno­men Luxus­yachten als den von Papa­raz­zi, Boule­vard­presse oder Yachting-Maga­zinen. Bei Suhr­kamp er­schien kürz­lich das Buch "Super­yachten. Luxus und Stil­le im Kapi­talo­zän" des Sozio­logen Grégory Salle. In Es­says zieht der Fran­zose aus dem Boom sünd­teu­rer Pri­va­schiffe die Ge­sell­schafts­di­a­g­no­se, dass Reich­tum das Gehen über das Was­ser er­mög­liche.

"Eine Handvoll Superreicher amüsiert sich auf dem Meer - na und?", hinter­fragt Salle kurz sein wis­sen­schaft­liches Inter­esse, aber das ist nur rhetorisch. Schließlich zeigt er, wie eine neofeudale Kaste das Meer verpestet und mit ihren Ankern maritime Flora zerstört. Der öffentlichen Hand lassen die Milliardäre keinen Cent, kreuzen sie doch unter den Flaggen von Steuerparadiesen wie Malta oder den Cayman Islands. Mittels Lobbyismus befreien sich ihre Eigentümer von juristischen Einschränkungen, Grenzen moralischer Natur sind längst weggespült

Als Yacht gilt ein Boot ab zehn Metern, ab 25 Metern fin­gen einst die Luxus­yachten an, heute liegt die­se Kate­go­rie bei 40 Metern. Fast alle wer­den in Ita­lien, Deutsch­land und den Nieder­landen ge­baut; sie spie­len alle Stückln, vom glä­ser­nen Pool bis zu Mini-U-Booten als Zu­behör. Frü­here Eli­ten hat­ten ihre Schlös­ser, heute sind es schwimm­ende Pa­läs­te mit Hub­schrau­ber­lande­plätzen.

Es ist symptomatisch für ihre sprung­haften Be­sitzer, dass auch mit vie­len Ex­tras maß­ge­schnei­der­te Ge­fährte rasch wie­der ver­kauft wer­den. Viele die­nen dann als Charter­yachten, so auch Onas­sis' Traum­schiff. Laut Wiki­pe­dia konnte die "Chris­tina O" zu­letzt für 450.000 Dol­lar pro Wo­che ge­mie­tet wer­den. Stars wie Ma­don­na und Johnny Depp, aber auch Prinz Andrew schip­per­ten da­mit durchs Mit­tel­meer.

Preislich ist da noch viel Luft nach oben, wie Pop­star Beyoncé zeigte. Sie genoss ihren letz­ten Bade­ur­laub mit Gatte Jay-Z und Kiddies auf der "Flying Fox" vor Kro­a­tien, Kos­ten­punkt: sie­ben Tage um 1,5 Mil­li­onen Euro. Die wich­tigs­ten Kri­terien für Yacht­be­sitzer wären Größe, Crew und Hyper­mo­bi­li­tät, führt Salle an.

Die mit 180 Metern längste Motoryacht der Welt sieht wie ein klei­nes Kreuz­fahr­tschiff aus. Aber die "Azzam" hat nur Bet­ten für 36 Pas­sa­giere so­wie für 80 Kopf Per­so­nal. Bei ihrer Höchst­ge­schwin­dig­keit von 31 Kno­ten (58 km/h) ver­braucht die­se Giga­yacht sage und schrei­be 13 Ton­nen Die­sel pro Stun­de, kos­tet al­so um die 19.000 Euro. Eine durch­schnitt­liche Super­yacht stößt jähr­lich 7020 Ton­nen CO2 aus.

In einer Zeit, so Salle, "in der sich der Charakter großer Ver­mö­gen in­fol­ge der Fi­nanzia­li­sierung des Kapi­tals ent­materia­li­siert hat", wür­den Super­yachten als hand­fes­tes Sym­bol für ein rie­si­ges Ver­mögen die­nen. Kein Wun­der, dass die Be­hör­den er­freut waren, als sie im Zuge des Ukra­ine-Kriegs eini­ge Mega­yachten rus­si­scher Oli­gar­chen be­schlag­nahmen konnten.

Ein solcher "Fang" war das 600 Millionen Dollar teure Schiff des Mil­liar­därs Andrej Mel­nit­schenko im Hafen von Triest. Der Groß­teil der most-wanted Schif­fe schal­tete je­doch il­le­galer­weise sein GPS-Identi­­aus und düste ab in sicherere Gefilde wie Montenegro, Dubai oder gleich in den Indischen Ozean.

In seinem Buch nennt Salle die Daseinsform auf Superyachten eine "demonstrative Abgeschiedenheit", also das Paradox einer sichtbaren Unsichtbarkeit. Der US-Künstler Jeff Koons spielte darauf bereits 2013 an, als er das Schiff des Industriellen und Kunstsammlers Dakis Joannou gestaltete.

Für die Yacht mit dem selbstironischen Namen "Guilty" wandelte Koons ein Tarnmuster mit dem Namen "Razzle Dazzle" ab. Mit diesen Balken strich die britische Royal Navy im Ersten Weltkrieg ihre Kriegsschiffe zur Täuschung des Gegners an.

Die allerneueste Antwort auf den Wunsch nach spektakulärer Tarnung sind Yachten mit verspiegelter Außenfläche. Dieser Tage wurde die futuristische "Pegasus" gelauncht. Sie trägt Außenpaneele aus dem 3-D-Drucker, die Himmel und Wasser reflektieren. Laut Pressebericht fährt das Spiegelschiff mit superökologischem Antrieb -Greenwashing Ahoi!

Kunst auf dem Wasser ist schon länger ein großes Thema. Ab Beginn der 2000er-Jahre wurden in fast jedem Bericht von der Biennale von Venedig die vor den Giardini ankernden Yachten erwähnt. Auch die Milliardärin Heidi Horten hatte ihre "Carinthia VII" in der Lagune stehen. Der Trend zur Yacht-Kunstmesse hat sich zwar nicht durchgesetzt, aber dafür gibt es mittlerweile konservatorische Beratungsfirmen, die Gemälde und Skulpturen vor dem salzigen Klima schützen helfen.

Zu den wenigen kritischen Arbeiten über Superyachten zählt die Installation "Post-Social Sea", die letztes Jahr im Wiener Künstlerhaus zu sehen war. Die Konzeptkünstlerin Angela Anderson hat darin die 50 weltweit größten Yachten sowie deren Routen recherchiert.

"Bei einem Besuch in Rijeka 2019 sah ich im Hafen die kaputte Yacht des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Tito liegen", erzählt die in Berlin lebende US-Amerikanerin dem Falter ihr Schlüsselerlebnis. Eines Abends leuchteten weiter draußen am Meer eigenartige Lichter. Damals hatte Anderson bereits eine jener Apps auf ihrem Handy, die Schiffe per Satellit lokalisieren.

Der Tracker "Shipfinder" zeigte ihr an, dass es sich um die "Royal Romance" des ukrainischen Oligarchen und Putin-Verbündeten Wiktor Medwedtschuk handelte. "Ich bekam Gänsehaut", erinnert sich Anderson angesichts des mächtigen Auftritts und der potenziellen Nähe des Separatistenführers.

In früheren Arbeiten hat sich die politische Künstlerin mit der Rohstoffindustrie und deren verheerenden Folgen für Mensch und Natur beschäftigt. Dafür besuchte sie Aktivisten in Ecuador, North Dakota und zuletzt in Griechenland. Unweit von Thessaloniki wurde in Skouris eine Goldmine entdeckt, die eine kanadische Firma ausbeuten sollte. Die heftigen Proteste der lokalen Bevölkerung gegen die Umweltzerstörung beeindruckten die wirtschaftsgebeutelte Regierung in Athen kaum.

Seit Anderson die Eigentümer von Megayachten auf ihrem Radar hat, hat sie viel über Briefkastenfirmen gelernt, mit denen Besitzverhältnisse verschleiert werden. Die Künstlerin stieß aber immer wieder auf Namen, die ihr aus den Bergbauindustrien geläufig waren. "Bald fühlte sich jede einzelne Yacht wie die Geschichte eines Verbrechens an", sagt Anderson.

"Post-Social" im Titel von Andersons Installation bezieht sich auf einen Luxusyacht-Hafen in Montenegro, wohin sie für Videoaufnahmen reiste. Im Jahr 2006 erwarben der Moskauer Oligarch Oleg Deripaska, der französische Milliardär Bernard Arnault (Louis Vuitton, Moët &Chandon u.a.), Peter Munk aus dem Goldbergbau und andere Großunternehmer eine ehemalige Marine-Basis in der Bucht von Kotor.

Seither wurde dort eine hochmoderne Tiefwasser-Marina mit 650 Liegeplätzen (ein Viertel davon für Superyachten) errichtet. Sie bietet Sicherheit auf High-Tech-Niveau, liberale Zollvorschriften und steuerfreien Diesel. Luxusyachten können hier wesentlich günstiger liegen als an der Côte d'Azur oder in Portofino.

Überall an der montenegrinischen Küste herrsche im Sommer viel Trubel, schildert Anderson, nur im Luxushafen war es sonderbar still: "Im Supermarkt wird Champagner und Cognac für tausende Euro angeboten." Die Bucht von Kotor gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Wie verträgt sich dieser Status mit der aus dem Boden gestampften Hafenanlage, deren Schiffe das Wasser versauen?

"Superreiche Yachtbesitzer verursachen an einem Sommertag mehr Umweltverschmutzung als die Mehrheit der Menschen in ihrem ganzen Leben, doch die Politiker lassen sie weiterhin ungeschoren davonkommen", empörte sich kürzlich auch ein Vertreter der NGO Transport & Environment darüber. Selbst Megayachten sind vom europäischen Emissionshandel immer noch ausgenommen.

Auch der Soziologe Salle schildert in einem Kapitel, dass Luxusyachten in Frankreich durch eine Reform der Vermögenssteuer 2018 von Abgaben verschont wurden. Die kapitalfreundliche Fiskalpolitik sei nicht zuletzt das Resultat von Lobbyismus in einer immer ungleicheren Gesellschaft.

"Superyachten sind nicht nur an Offshore-Finanzplätzen registriert und legen gern dort an, sondern sie sind selbst schwimmende Steuerparadiese", sagt Salle über Schiffe, die ständig herumkreuzen, um sich nirgends registrieren zu müssen.

In der Not -etwa bei einer Pandemie - drehen Milliardäre den Motorschlüssel um und dem Rest der Welt den Rücken zu. Wenn das nicht zum Kotzen ist.

Nicole Scheyerer in Falter 6/2023 vom 10.02.2023 (S. 36)

Posted by Wilfried Allé Sunday, February 12, 2023 9:03:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Earth for All 

Ein Survivalguide für unseren Planeten

Der neue Bericht an den Club of Rome, 50 Jahre nach »Die Grenzen des Wachstums«

ISBN: 9783962383879
Verlag: oekom verlag
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 256 Seiten
Erscheinungsdatum: 06.09.2022
Übersetzung: Rita Seuß
Übersetzung: Club of Rome, Barbara Steckhan
Preis: € 25,70

Kurzbeschreibung des Verlags:

»Wohlstand innerhalb der Grenzen unseres Pla­neten ist mög­lich!« Jørgen Randers
1972 er­schüt­ter­te ein Buch die Fort­schritts­gläu­big­keit der Welt: »Die Gren­zen des Wachs­tums«. Der erste Be­richt an den Club of Rome gilt seit­her als die ein­fluss­reichs­te Publi­ka­tion zur dro­hen­den Über­las­tung un­se­res Pla­ne­ten. Zum 50-jäh­rigen Jubi­läum blicken reno­mmier­te Wis­sen­schaft­ler*innen wie Jørgen Randers, Sandrine Dixson-Declève und Johan Rock­ström aber­mals in die Zu­kunft – und le­gen ein Ge­ne­sungs­pro­gramm für un­sere kri­sen­ge­schüt­tel­te Welt vor.
Um den trägen »Tanker Erde« von seinem zer­störe­ri­schen Kurs ab­zu­brin­gen, ver­bin­den sie ak­tuel­le wis­sen­schaft­liche Er­kennt­nis­se mit in­no­va­ti­ven Ideen für eine an­dere Wirt­schaft. Der ak­tu­el­le Be­richt an den Club of Rome lie­fert eine poli­ti­sche Ge­brauchs­an­wei­sung für fünf we­sent­liche Hand­lungs­fel­der, in de­nen mit ver­gleich­bar klei­nen Wei­chen­stel­lun­gen große Ver­än­de­run­gen er­reicht wer­den können

  • gegen die Armut im globalen Süden,
  • gegen grassierende Ungleichheit,
  • für eine regenerative und natur­ver­träg­liche Land­wirt­schaft,
  • für eine umfassende Energiewende
  • und für die Gleichstellung der Frauen.

Wer wissen will, wie sich eine gute Zu­kunft rea­li­sie­ren lässt, kommt an »Earth for All« nicht vorbei.

FALTER-Rezension:

Über eine Erde, wie wir sie nicht kennen wollen

Shu, Samiha, Carla und Ayotola: Sie alle wurden am selben Tag im Au­gust 2020 ge­boren. Samiha kam in einem Slum in Bangla­desch zur Welt, Ayotola in einem Armen­vier­tel im ni­geria­ni­schen Lagos. Die Fa­mi­lien von Shu und Carla hin­ge­gen sind bes­ser­ge­stellt. Shu wächst in der chi­ne­si­schen Stadt Chang­sha auf, Carla im kali­for­ni­schen Los An­geles. Wie es ihnen er­ge­hen wird, wie alt sie wer­den – all das wird maß­geb­lich da­von ab­hän­gen, um wie viel Grad die glo­ba­le Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur stei­gen wird. Die vier Mäd­chen sind fik­ti­ve Fi­gu­ren; Wis­sen­schaft­ler:innen ha­ben aber an­hand zwei­er Klima­sze­na­rien ty­pi­sche Lebens­wege für sie nach­ge­zeich­net. Nach­zu­le­sen sind diese im Buch „Earth for All“, dem neu­en Be­richt an den Club of Rome, der vor 50 Jah­ren mit „Die Grenzen des Wachstums“ auf­rüt­telte.

Die Klimabücher dieses Herbstes machen klar: Ein Zu­rück zu ei­nem ge­mäßig­ten Kli­ma gibt es nicht mehr, ex­tre­me Wet­ter­er­eig­nis­se wer­den wei­ter zu­nehmen. Jetzt geht es da­rum, ob die Mensch­heit den­noch einiger­maßen ge­deih­lich wei­ter­le­ben kann – oder ob die heu­ti­gen Kin­der und Jugend­li­chen in einer Plus-drei-Grad-Welt wer­den le­ben müs­sen. „Eine Erde, wie wir sie nicht ken­nen wol­len“, so Stefan Rahmstorf, ei­ner der Leit­au­to­ren des vier­ten Sach­stands­be­richts des Welt­kli­ma­rates (IPCC). Und, da sind sich die Auto­rin­nen und Auto­ren der Bü­cher „Earth for All“, „Sturm­no­ma­den“ und „3 Grad mehr“ einig: Herum­reißen las­se sich das Ruder nur, wenn die Kluft zwi­schen Arm und Reich klei­ner wird. Die drei Bü­cher ge­hö­ren zum Wich­tigs­ten, das ein Mensch der­zeit lesen kann.

„3 Grad mehr“ lautet der Titel des Sammel­ban­des von 19 Au­to­ren, da­run­ter die Klima­for­scher Stephan Rahmstorf und Hans Joachim Schelln­huber so­wie die Sozial­for­sche­rin Jutta Allmen­dinger. Aber wa­rum sol­len wir uns über­haupt ein Drei-Grad-Sze­na­rio an­sehen, se­hen doch die Pari­ser Klima­ziele eine Er­wär­mung von 1,5, höchs­tens zwei Grad vor? Weil wir laut jüngs­tem Welt­kli­ma­be­richt be­reits auf dem bes­ten Weg in Rich­tung drei Grad plus sind.

Was das bedeutet, müssten die Menschen wissen, findet Heraus­geber Klaus Wiegandt. Viel zu lange habe die Po­li­tik die Kri­se ver­harm­lost, und so glau­bten vie­le im­mer noch, es gehe „bloß“ um Eis­bären und ein paar ver­sin­kende Insel­chen. „Wüssten die Men­schen, was den Enkel­kin­dern be­vor­steht, würde das keiner wol­len“, sagte Wiegandt ein­mal: näm­lich „eine Radi­kali­sie­rung des Wet­ter­ge­sche­hens“. Wüssten sie es, ist er sich sicher, wür­den sie eine völ­lig an­de­re Poli­tik ein­fordern.

Stakkatoartig zählt Stephan Rahmstorf auf, in wel­cher Welt seine Kin­der, der­zeit Gymna­sias­ten, da le­ben müssten – und mit ihnen rund vier Mil­liar­den Men­schen, die heu­te jün­ger als 20 Jahre alt sind. Drei Grad glo­ba­le Er­wär­mung, das be­deu­tet für viele Land­ge­biete sechs Grad mehr, so auch für Deutsch­land und Öster­reich. „Damit wäre Ber­lin wär­mer, als es Ma­drid heute ist.“ An den heißes­ten Ta­gen müssten die Deut­schen dann um die 45 Grad er­tra­gen. Rund um den Erd­ball wür­den sich „die wäh­rend Hitze­wel­len töd­lich heißen Ge­biete mas­siv aus­wei­ten“. Ex­trem­wet­ter­er­eig­nis­se näh­men über­pro­por­tio­nal zu. Stark­regen, Dürre­peri­oden, Tro­pen­stür­me – sie alle kä­men öf­ter, wür­den hef­ti­ger und blie­ben länger.

Beim Meeresspiegel wäre schon ein Meter Anstieg „eine Katas­trophe“, schreibt Rahmstorf: Weil an den Küsten­li­nien mehr als 130 Mil­lio­nen­städte lie­gen, da­zu Häfen, Flug­häfen und 200 Kern­kraft­werke. Bei drei Grad plus stie­gen die Meere laut IPCC-Be­richt je­den­falls um 70 Zenti­me­ter. Er­reicht aller­dings das Grön­land­eis sei­nen Kipp­punkt und schmilzt kom­plett ab, steigt der Meeres­spie­gel um sie­ben Meter. Auch welt­weite Hun­ger­kri­sen be­fürch­tet Rahmstorf. „Ich per­sön­lich“, schließt er sei­nen furi­osen Text, „halte eine 3-Grad-Welt für eine exis­ten­ziel­le Ge­fahr für die mensch­liche Zi­vi­li­sation“.

Was heißt eine solche Heißzeit nun für unsere vier Mäd­chen? In „Earth for All“ schaut sich der Club of Rome zwei Sze­na­rien an. Das schlech­tere, „Too little, too late“, er­scheint gar nicht so pessi­mis­tisch. Da pas­siert bis 2050 durch­aus eini­ges: Wind­räder und Foto­vol­taik­an­lagen ge­hen in Be­trieb, auch in Asien schließen die Kohle­kraft­werke. Den­noch ist alles zu we­nig und zu spät. Fos­sile Brenn­stof­fe kom­men im­mer noch zum Ein­satz, die Men­schen kle­ben an ihren Au­tos und es­sen viel zu viel ro­tes Fleisch. Ins­ge­samt ist es mehr ein Durch­la­vie­ren. Kommt Ihnen be­kannt vor?

Mithilfe aufwendiger Simulationsprogramme haben die For­scher er­rech­net, was das für die Tem­pe­ra­turen, die Welt­be­völ­ke­rung, die Ver­füg­bar­keit von Nah­rungs­mit­teln und vie­les mehr be­deutet. Dem­nach über­springt die Erde mit „Too little, too late“ be­reits 2050 die Zwei-Grad-Grenze.

In diesem Jahr sind unsere Mädchen 30 Jahre alt. Shu ist Was­ser­wirt­schafts­in­genieu­rin, häu­fige Über­schwem­mun­gen be­dro­hen Chinas Nahrungs­mit­tel­sicher­heit. Carla zieht von Kali­for­nien in den Nor­den, hat je­doch das Ge­fühl, dass Brän­de und Hitze ihr fol­gen. In Bangla­desch hat Samiha ihren Job in ei­ner Klei­der­fa­brik ver­loren, weil die Küsten­re­gion we­gen der Flut­katas­tro­phen all­mäh­lich auf­ge­ge­ben wird. Ayotola lebt mit vier Kin­dern im Armen­vier­tel, nur der Sohn wird zur Schu­le ge­hen können.

Noch weiter in die Zukunft geschaut, stirbt Carla mit 65 an Krebs. Samiha lei­det im Slum unter Was­ser- und Es­sens­knapp­heit. Im ni­geria­ni­schen Lagos mussten Ayotola und ihr Mann ihre Unter­kunft we­gen immer ge­fähr­li­cherer Flu­ten auf­geben. Noch am bes­ten geht es Shu, deren Kom­pe­ten­zen im Hoch­was­ser­manage­ment sehr ge­fragt sind.

Wie realistisch solche Lebensläufe sind, hat Kira Vinke rund um den Erd­ball re­cher­chiert. Die Lei­te­rin des Zen­trums für Kli­ma und Außen­poli­tik der Deut­schen Ge­sell­schaft für Aus­wär­tige Poli­tik hat zahl­reiche Län­der be­sucht, sie er­zählt von Hir­ten im Sahel, von Fi­schern auf den Philip­pinen – und von der Flut im deut­schen Ahrtal 2021.

Längst haben Millionen ihre Heimat ver­lassen, weil Tai­fune oder Dür­ren ihnen die Exis­tenz raub­ten. Viele blei­ben da­bei in­ner­halb ihrer Her­kunfts­län­der, so wie in Bangla­desch: Im Korail-Slum in Dhaka trifft Vinke zwei jun­ge Frau­en, die aus dem Sü­den des Landes hier­her kamen, weil ihre alte Hei­mat im­mer wie­der über­flu­tet wur­de. Aber auch in ihren Hüt­ten sind sie nicht si­cher. „Bin­nen Minu­ten“, be­schreibt Vinke einen Stark­regen, „steigt das Was­ser ge­fähr­lich hoch und schwappt lang­sam in die Hüt­te.“ So sei es hier eben, „es gibt keine rich­ti­ge Kana­li­sation“, er­klärt eine Frau. Vinke watet durch Dreck und Fä­ka­lien. Die Men­schen in den Slums wer­den nicht alt.

Und was jetzt?

„3 Grad mehr“ setzt vor allem auf „natur­ba­sier­te Lö­sun­gen“: Auf­fors­tung, nach­hal­tige Holz­nutzung, Wieder­ver­näs­sung der Moore, re­gene­ra­ti­ve Land­wirt­schaft. Zum Wich­tigs­ten aber ge­höre der Schutz des Regen­wal­des. Ein ver­bind­li­ches Ab­kom­men zum Stopp der Ab­hol­zung der Regen­wäl­der in­ner­halb der nächs­ten Jah­re könnte ein glo­ba­les Auf­bruchs­sig­nal ein, schreibt Wie­gandt: Es wür­de die CO2-Emis­sio­nen so dras­tisch re­du­zie­ren, „als würde Europa bis spätes­tens 2026 klima­neu­tral“.

Doch all das braucht Investitionen, und dafür fordern alle drei Bücher eine Um­ver­tei­lung. Die müs­se so­wohl vom glo­ba­len Nor­den in den Süden statt­fin­den als auch in­ner­halb der ein­zel­nen Län­der. „3 Grad mehr“ geht da­von aus, dass zu­min­dest zwei Pro­zent des Welt­so­zial­pro­dukts nö­tig sein wer­den, „Earth for All“ schätzt zwei bis vier Pro­zent. Nichts, was nicht zu stem­men wäre, ar­gu­men­tie­ren sie.

Nun wird jenen, die den Kampf gegen die Klima­krise ein­for­dern, ja gern vor­ge­wor­fen, sie wollten rein ideo­lo­gisch moti­viert auch gleich den so­zia­len Um­sturz durch­drücken. Aller­dings nen­nen die For­scher nach­voll­zieh­ba­re Argu­men­te: Är­mere Län­der kön­nen sich sonst kei­nen Klima- oder Wald­schutz leis­ten. Und auch in den bes­ser­ge­stellten Län­dern wer­den jene, die un­ver­hältnis­mäßig un­ter den Kos­ten etwa der Ener­gie­wende lei­den, pro­tes­tie­ren und den Kurs­wech­sel nicht mit­tra­gen. Ob in Eu­ro­pa oder den USA, in Afri­ka oder Süd­ameri­ka: Eine zu große Ver­mögens­kluft führt über­all zu De­sta­bi­li­sie­rung und Auf­stän­den, das Ver­trauen in die Re­gie­run­gen sinkt, au­tori­täre Po­pu­lis­ten ge­lan­gen an die Macht.

Um das Geld für die nötigen Investitionen zu erhalten, schlagen Wiegandt & Co vor, sol­len die Re­gie­rungen die Sub­ven­tio­nen in fos­si­le Ener­gie­trä­ger strei­chen, Mili­tär­bud­gets re­du­zie­ren und Steu­er­schlupf­lö­cher schließen. Für Deutsch­land schwe­ben ihnen vor al­lem die Fi­nanz­trans­aktions- und Erb­schafts­steuer als Hebel vor. Un­ge­recht? Zwei Zahlen aus dem Buch: In Deutsch­land war 2015 das reichs­te Zehn­tel der Be­völ­ke­rung für mehr Emis­sio­nen ver­ant­wort­lich als die ge­sam­te är­mere Hälf­te. Und: Bei drei Grad mehr wer­den die ma­teriel­len Schä­den jähr­lich min­des­tens zehn Pro­zent des Welt­sozial­pro­dukts aus­ma­chen, eher viel mehr. Da geht es auch den Aller­reichs­ten nicht mehr gut.

In „Earth for All“ lautet die Lösung: „Giant Leap“, ein Riesen­sprung. Den reichs­ten zehn Pro­zent dürfe nicht mehr als 40 Pro­zent des je­wei­li­gen Natio­nal­ein­kom­mens zu­ste­hen. In­dus­trien müs­sen da für das Nutzen von Ge­mein­gü­tern zah­len, das Geld da­raus fließt auch hier in Bür­ger­fonds und Grund­ein­kom­men. Die For­scher se­hen fünf Haupt­stra­te­gien: ex­tre­me Ar­mut be­kämp­fen, Un­gleich­heit und Gender-Gaps ver­rin­gern, die Her­stel­lung von Nah­rungs­mit­teln und Ener­gie re­vo­lutio­nie­ren. Da­mit wür­den sich die Tempe­ra­turen um 2050 bei unter zwei Grad sta­bi­li­sie­ren.

Alle drei Bücher sind dicht, kein Spaziergang – jeder sollte aber ihre we­sent­lichs­ten In­hal­te ken­nen, be­son­ders Ent­schei­dungs­trä­ger. Reiz­voll an „Earth for All“ sind die Bio­gra­fien der Mäd­chen. Die­ses Buch und „3 Grad mehr“ bie­ten so­wohl ei­nen Ge­samt­über­blick als auch Spe­zial­wis­sen zum Bauen oder zur Ener­gie­wende. Die meis­ten Men­schen ler­nen wir bei Vinke kennen.

Und unsere Mädchen? Beim „Riesensprung“ können auch Samiha und Ayotola als Kin­der in neue Woh­nun­gen um­zie­hen. Alle vier er­hal­ten gu­te Aus­bil­dun­gen, keine lebt in einem Armen­vier­tel. Auch ein sta­bi­les Kli­ma kennt keine, ex­treme Wet­ter­er­eig­nis­se ge­hö­ren zum Le­ben. Doch viel Leid wird mit­tler­weile ge­lin­dert, und die Ge­fahr eines es­ka­lie­ren­den Klima­wan­dels ist nicht mehr so groß. Wel­ches Sze­na­rio ein­tritt, das wird die Mensch­heit vor al­lem in der al­ler­nächs­ten Zu­kunft ent­schei­den: noch vor 2030.

Gerlinde Pölsler in Falter 42/2022 vom 21.10.2022 (S. 32)

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

Posted by Wilfried Allé Friday, January 20, 2023 2:29:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Das Tor Europas 

Die Geschichte der Ukraine

von Serhii Plokhy
Lieferbar ab März 2023

ISBN: 9783455015263
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 560 Seiten
Erscheinungsdatum: 03.09.2022
Übersetzung: Thomas Wollermann, Bernhard Jendricke, Stephan Pauli, Stephan Kleiner, Anselm Bühling
Preis: € 30,90

Kurzbeschreibung des Verlags:

Das Hauptwerk des Harvard-Historikers Serhii Plokhy endlich auf Deutsch.

Die Ukraine ein Land ohne eigene Ge­schichte? Der ukra­ini­sche His­to­ri­ker von Welt­rang Serhii Plokhy zeigt, wie mannig­fal­tig und dra­ma­tisch die His­to­rie die­ses Landes zwi­schen Eu­ro­pa und dem Osten ist. Nichts könnte der­zeit ak­tu­el­ler sein.
Mit dem Ukraine-Krieg hat eine neue Zeit­rech­nung in Eu­ro­pa be­gon­nen. Im Kern geht es in dem Kon­flikt um die Ge­schichts­deu­tung ei­nes rie­si­gen Lan­des, das jahr­hun­derte­lang Zank­apfel der Groß­mächte war: Es gilt als Wie­ge der Rus­sen und war my­thi­scher Ort für die al­ten Grie­chen, Wi­kin­ger und Mon­go­len. Sie be­herrsch­ten das heu­tige Staats­ge­biet eben­so wie Öster­reich-Ungarn, Polen und die Sow­jets, die erst mit dem „Holodomor“, dem grau­sa­men Aus­hun­gern der Be­völ­ke­rung, den ukra­i­ni­schen Wider­stand bre­chen konnten. Dass die Ukra­i­ner ein Volk mit ei­ge­ner Spra­che, Tra­di­tion und Ge­schichte sind, zeigt der Har­vard-Pro­fes­sor Serhii Plokhy so deut­lich wie fun­diert und elo­quent. Das Tor Euro­pas ist das viel­leicht wich­tig­ste Buch zum Ver­ständ­nis der Hinter­gründe des ak­tu­el­len Kon­flikts. Es zeigt, wie die Ukra­i­ne zum Spiel­ball zwi­schen Ost und West wurde und den­noch stets seine ei­gene Iden­ti­tät be­wahrte.

Das Buch wird bis zur Druck­legung in stän­di­gem Aus­tausch mit dem Au­tor ak­tu­ell ge­halten.

Rezensionen:

„Ohne Frage das Standardwerk zur Geschichte der Ukraine.“ – Wall Street Journal
„Das traurige Schicksal der Ukraine in all seiner Komplexität wird mit Serhii Plokhy endlich verständlich.“ – Foreign Affairs
„Unverzichtbar, um Russland und die Ukraine zu verstehen.“ – Simon Sebag Montefiore

Posted by Wilfried Allé Monday, January 9, 2023 8:54:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu! 

Eine Streitschrift

von Alexia Weiss

ISBN: 9783218013536
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: Hardcover
Umfang: 160 Seiten
Erscheinungsdatum: 08.09.2021
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Preis: € 22,00
Kurzbeschreibung des Verlags:

„Die Notwendigkeit zur Veränderung an Schulen könnte man nutzen, um nicht nur wieder ein kleines Reförmchen anzugehen, sondern das Bildungswesen neu zu konzipieren.“

Die Unzufriedenheit mit dem Schulsystem ist groß: Kinder sind unter- oder überfordert, Eltern beklagen zu großen Druck und ein zu hohes Lernpensum. Lehrer*innen wollen unterrichten, sehen aber, dass sie manche Schüler*innen nicht erreichen und am Ende der Notenschnitt alle Bemühungen überlagert. Direktor*innen sind frustriert vom ständig steigenden Administrationsaufwand. Also wie weiter?

Alexia Weiss wagt Großes: Sie plädiert für ein Schulsystem, das unseren Bildungsbegriff hinterfragt. Zentral ist deshalb nicht die Kritik an Bestehendem, sondern die Idee eines inklusiven Modells, das allen Kindern mehr Entwicklungspotenzial bietet und Eltern sowie Pädagog*innen unterstützt, statt sie zu überlasten. Ganzheitliche Bildung, frühe Förderung individueller Talente, psychosoziale Betreuung, die Neukonzeption des Lehramtsstudiums und faire Bezahlung sind die unabdingbaren Bausteine einer zukunftsweisenden Idee, die echte Chancengleichheit und damit ein tragfähiges Fundament für unsere Gesellschaft zum Ziel hat.

FALTER-Rezension

Der Traum vom perfekten Klassenzimmer

Seit mehr als zwei Jahrzehnten, seit Österreich an internationalen Bildungsvergleichsstudien teilnimmt, wissen wir um die vielen Schwächen unseres Bildungssystems. Da wären etwa die frühe Selektion, die ausufernde Bürokratie, Mängel in der Elementarpädagogik, die große Bildungsungerechtigkeit, der nicht zeitgemäße Umgang mit Mehrsprachigkeit und Diversität, Aufholbedarf in der Digitalisierung, um nur einige Schwachstellen zu nennen. All das ist seit Jahren bekannt, es wurde viel darüber geschrieben, und vor zehn Jahren hat ein Bildungsvolksbegehren grundlegende Änderungen gefordert.
Geschehen ist wenig. In den letzten zwei Jahren hat die Pandemie einer breiten Öffentlichkeit sichtbar gemacht, wie es um unser Bildungssystem steht.

Wer sich vom reißerischen Titel des Buches von Alexia Weiss eine weitere Abrechnung erwartet, wird enttäuscht sein. Das ist nicht die Intention der Autorin. Vielmehr möchte sie eine breite Debatte über eine Reform des Schulsystems in Gang bringen und stellt die Vision von einer Schule ins Zentrum, die jedem Kind gleiche Chancen bietet, ungeachtet seiner Herkunft.

Das Schulsystem, das sie beschreibt, stellt, wie sie betont, ein Idealbild dar, das angestrebt werden soll. In 30 Kapiteln werden alle relevanten Themenbereiche behandelt, die eine grundlegende Schulreform in Angriff nehmen müsste, und zwar in Österreich. Denn gute Modelle aus verschiedensten Ländern lassen sich nicht ohne weiteres auf jedes andere Land übertragen.

Wie sieht also die ideale Schule der Zukunft in Österreich aus? Die Autorin hat sich gründlich umgesehen. Zwar gibt es kein Land, das in seinem jeweiligen Schulsystem all die von ihr beschriebenen Charakteristika aufweist, doch alles, was sie anführt, ist State of the Art.

Fairerweise muss gesagt werden, dass sich auch an österreichischen Schulen so manches findet, was in dieser zukünftigen Schule vorkommen soll, wie etwa jahrgangsübergreifende Klassen im Volksschulbereich oder individualisierter Unterricht auf Basis von regelmäßigen Lernstandserhebungen. Da Ziffernnoten in der Volksschule wieder verpflichtend eingeführt wurden, sind diese Ansätze jetzt allerdings gefährdet.

Der ersten Bildungseinrichtung, dem Kindergarten, wird viel Raum gewidmet. Hier besteht bekanntlich besonders großer Reformbedarf. In altersübergreifenden Gruppen von maximal 15 Kindern sollen künftig bei den Drei-bis Sechsjährigen zwei Pädagogen oder Pädagoginnen arbeiten, bei den Kleineren sind die Gruppengrößen entsprechend kleiner.

Von ganz klein auf wird Konfliktkultur gelernt. Die Schule beginnt im Alter von sechs Jahren, und in dieser ganztägigen gemeinsamen Schule ohne frühe Trennung kommt dem Coach eine zentrale Bedeutung zu. Für jede Schülerin/jeden Schüler gibt es ab dem ersten Schuljahr eine Person, die sie/ihn durch die ganze Schullaufbahn begleitet. Diese Coaches sollten eine Ausbildung in klinischer Psychologie sowie ein Psychologiestudium absolviert haben, dazu eine Ausbildung im Bereich Bildungsberatung. Sie betreuen jeweils 30 Schülerinnen und Schüler quer durch alle Altersgruppen.

Der Coach kommt in vielen Kapiteln vor. Aus der Vielfalt der behandelten Themen können nur einige wenige herausgegriffen werden: Kurssystem von klein auf, Ganztagsschule, Nachhilfe an der Schule, multiprofessionelle Schulteams, Religionsunterricht, Schulärztin und Schulnurse, Elternkommunikation und Elternschule. Demokratieerziehung, Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit stehen als Querschnittsmaterie ganz oben.

Das Buch ist sowohl für interessierte Laien als auch für Insider interessant und verdient eine spannende Diskussion. Politikern und Politikerinnen empfehle ich es als Pflichtlektüre.

Heidi Schrodt in Falter 36/2022 vom 09.09.2022 (S. 15)

Posted by Wilfried Allé Friday, November 25, 2022 9:39:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Energierevolution jetzt! 

Mobilität, Wohnen, grüner Strom und Wasserstoff: Was führt uns aus der Klimakrise – und was nicht?

von Volker Quaschning , Cornelia Quaschning

ISBN: 9783446273016
Verlag: Hanser, Carl
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 288 Seiten
Erscheinungsdatum: 24.01.2022
Preis: € 20,60

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Welche Wege führen uns aus der Klima­krise und welche nicht? Ver­ständ­lich er­klärt vom „Drosten der Klima­ka­tas­trophe“ (Manfred Ronzheimer, taz) und Ini­ti­a­tor der „Scien­tists for Future“-Be­we­gung.
Wie kommen wir aus der Klima­krise? Reicht die Ener­gie von Son­ne und Wind? Sind Elektro­autos wirk­lich um­welt­freund­lich? Ist Was­ser­stoff der Heils­brin­ger? Was kön­nen wir sel­ber tun, auch wenn es uns schwer­fällt, un­se­re Lebens­gew­ohn­hei­ten zu än­dern? Sol­che Fra­gen stellt man am bes­ten Volker Qua­schning, einem der welt­weit füh­ren­den Ex­per­ten für re­ge­ne­ra­ti­ve Ener­gien. Mit sei­ner Frau Cor­nelia Qua­schning er­klärt er an kon­kre­ten Bei­spie­len, wie der Um­stieg auf eine nach­hal­ti­ge Wirt­schaft ge­lin­gen kann. Aber eines machen die bei­den auch klar: Die Zeit wird knapp. Eine Ener­gie­wen­de reicht nicht, es braucht eine Ener­gie­re­vo­lu­tion.

FALTER-Rezension:

Was führt uns aus der Energie­krise - und was nicht?

Eine Energiewende reicht nicht mehr, es braucht eine Re­vo­lu­tion: So lau­tet die Kern­bot­schaft im neu­en Buch von Vol­ker und Cor­ne­lia Qua­schning. Der Ber­li­ner Pro­fes­sor für Re­ge­nera­tive Ener­gie­sys­teme ver­sucht seit Jahren, die Poli­tik zum Han­deln zu be­we­gen. Er hat die Scient­ists for Fu­ture mit­be­grün­det und ge­mein­sam mit an­de­ren Klä­gern er­reicht, dass das deut­sche Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt die Klima­schutz­ge­setz­geb­ung im April 2021 für teil­wei­se ver­fas­sungs­wid­rig er­klärte. Nun ha­ben er und Ehe­frau Cornelia, Informatikerin und Co-Host des gemeinsamen Podcasts "Das ist eine gute Frage", leserfreundlich Stand und Perspektiven der Energiewende in je­dem Le­bens­be­reich zu­sammen­ge­fasst, vom Ver­kehr über das Woh­nen bis zur Er­näh­rung. Was hilft uns da raus - und was sind die Irr­wege, lau­ten die zen­tra­len Fra­gen.

Die einzige Option, um die Selbst­ver­pflich­tun­gen im Rah­men der Pa­ri­ser Klima­ver­trä­ge ein­hal­ten zu kön­nen, sei in unse­ren Brei­ten­gra­den der kon­se­quen­te Aus­bau von Wind-und Solar­ener­gie. Zwei Pro­zent der Flä­che Deutsch­lands müssten dem­nach mit Wind­parks be­stückt werden, dazu braucht es die In­stal­la­tion von Solar­pa­ne­len in großem Stil. "Macht eure Dächer voll!", plä­die­ren die Qua­schnings. Bei der Wind­kraft wol­len sie "Schluss mit den Vor­ur­tei­len" ma­chen. Aber wie ist das mit E-Au­tos, sind die wirk­lich um­welt­freund­lich? Müs­sen wir dem Klima zu­liebe künf­tig im Win­ter frie­ren? Ist der Was­ser­stoff die Lö­sung? (Spoiler: Nein, weil zu teuer; eignet sich auch nur punk­tuell, etwa im Schiffsverkehr.) Müssen wir zur alten Kern­ener­gie zu­rück?(Nein!)

Seit 30 Jahren, so schreiben die beiden, würden sie ver­su­chen, et­was ge­gen die Um­welt-und Kli­ma­krise zu unter­nehmen, auch in ihrem pri­va­ten Le­ben. Dass das emis­sions­arme Le­ben öde sei, ver­nei­nen sie vehe­ment: "Un­sere span­nen­ds­ten Rei­sen wa­ren die im Nacht­zug nach Wien oder bis zum Polar­kreis!" Kennt­nis­reich, ideo­lo­gie­frei und un­wider­steh­lich opti­mis­tisch.

Sebastian Kiefer in Falter 41/2022 vom 14.10.2022 (S. 32)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, October 12, 2022 9:33:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Heilung für eine verstörte Republik 

von Helmut Brandstätter

ISBN: 9783218013635
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 160 Seiten
Erscheinungsdatum: 10.08.2022
Preis: € 22,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

„Wir müssen verstehen lernen, wie sehr das Ver­trauen der Men­schen in Öster­reich miss­braucht wurde, und vor allem: Wie es dazu kom­men konnte, dass sich so viele so lange täu­schen ließen.“

Die Politik verwundet Menschen. Und Men­schen, die die Po­li­tik nur als ihr per­sön­li­ches Spiel­feld ver­ste­hen, ver­wun­den das ihnen an­ver­traute Land und die Wäh­ler*innen, die sie einst ins Amt brach­ten. Die Jahre, in denen die Grup­pe um Sebas­tian Kurz Öster­reich do­mi­nier­te, ha­ben das Land und Ins­ti­tu­tio­nen wie Jus­tiz, Ver­wal­tung, Par­la­ment und Me­dien nach­hal­tig ver­letzt und die Bür­ger*­innen aus­ge­rech­net in Kri­sen­zei­ten ge­spal­ten.

Eine unsichere Gesell­schaft sucht Hei­lung. Öster­reich, das – nicht zum er­sten Mal – auf ei­nen großen Blen­der herein­ge­fal­len ist, braucht Orien­tie­rung, ge­rade jetzt, wo ein Krieg ganz Eu­ro­pa be­droht. Die tür­kise Re­gie­rungs­zeit kann im Ideal­fall eine Zä­sur dar­stel­len: Schluss mit per­sön­li­chen Ab­hän­gig­kei­ten, mit der Kor­rup­tion, mit der Zer­stö­rung von Ins­ti­tu­tio­nen. Helmut Brand­stätter wagt einen Blick zu­rück in die po­li­ti­sche Ge­schich­te Öster­reichs und re­flek­tiert per­sön­li­che Er­leb­nis­se, um zu zei­gen, was in Zu­kunft ge­bo­ten ist, um ver­lo­re­nes Ver­trauen in Po­li­ti­ker*­innen wie­der­her­zu­stel­len. Denn Show-Po­li­tik be­rei­tet das Land auf kom­men­de Kri­sen nicht vor - und Neu­tra­li­tät allein garan­tiert keine Sicher­heit.

FALTER-Rezension:

Ein tiefer Blick zurück in die türkise Message Con­trol

Helmut Brandstätter beschreibt in seinem Buch "Hei­lung für eine ver­stör­te Re­pu­blik" die kur­ze Ära Sebas­tian Kurz (2017-2021). An­hand kon­kre­ter Bei­spie­le, was das Buch sehr lesens­wert macht, er­klärt der ehe­ma­lige Chef­re­dak­teur und Heraus­ge­ber des Kurier, heute Neos-Ab­ge­ord­ne­ter zum Natio­nal­rat, wie Kurz Öster­reich zu einem auto­kra­ti­schen Land "um­bauen" und "ge­gen das Sys­tem" re­gie­ren wollte. Die Volks­par­tei sollte eine "tür­kise Führer­be­we­gung" wer­den, die ge­gen alles Fremde agiert (Mi­gra­tion) und, wenn nötig, auch ge­gen EU-Nach­barn.
Eine Begegnung, die der Autor mit dem dama­li­gen Außen­mi­nis­ter und tür­ki­sen Spitzen­kan­di­daten für den Urnen­gang im Herbst 2017 hat­te, ist auf­schluss­reich und gibt den kri­ti­schen, ab­rech­nen­den Grund­ton des Buches vor: "Ich er­war­te die Unter­stüt­zung des Kurier bei der Natio­nal­rats­wahl", sagte Sebas­tian Kurz. Brand­stätter lehnte ab, er poch­te auf pro­fes­sio­nelle Prin­zi­pien und die Un­ab­hän­gig­keit der Zei­tung. Schnell war klar, dass der Jour­na­list im Denk­schema von Kurz seine Zu­ord­nung be­kam: "Ich werde sein Feind", schreibt der Autor.

Message Control, Lügen, Unter­werfung, Miss­brauch von Me­dien durch In­se­raten­kor­rup­tion, Popu­lis­mus und fal­sche Ver­spre­chen wa­ren die Mit­tel, die Kanz­ler Kurz ein­setzte. So wur­de das am hef­tigs­ten be­kämpfte Vor­ha­ben der tür­kis-blau­en Koa­li­tion, die Fu­sion von 21 auf fünf So­zial­ver­si­che­rungs­trä­ger, ein Flop. Im Juli 2022 be­stä­tigte der Rech­nungs­hof in einem Roh­be­richt, dass sich die "Pa­tienten­mil­liarde" in Luft auf­ge­löst hat­te. Die Zu­sammen­le­gung der Kran­ken­kas­sen brachte keine Ein­spa­rung, son­dern Mehr­kosten in Höhe von 215 Mil­li­onen Euro.

Helmut Brandstätter widmet sich auch aus­führ­lich den At­tacken von Sebas­tian Kurz auf Säu­len des Staates wie Ver­wal­tung, Par­la­ment, Me­dien und Jus­tiz, wie die Wirt­schafts-und Kor­rup­tions­staats­an­walt­schaft (WKStA). So sprach der Kanz­ler vor der Ein­set­zung des "Ibiza-Unter­suchungs­aus­schusses be­tref­fend mut­maß­li­che Käuf­lich­keit der tür­kis-blauen Bun­des­re­gie­rung" von "ro­ten Netz­wer­ken" in der WKStA, ohne dies be­le­gen zu kön­nen. Sein Ziel war es, Ins­ti­tu­tio­nen zu dis­kre­di­tie­ren oder sie zu zer­schlagen.

Nach der Lektüre wird einem noch mehr bewusst, dass Sebas­tian Kurz an Show-Poli­tik, fri­sier­ten Um­fra­gen und In­se­raten­deals schei­ter­te, sei­ne un­seriö­sen und un­mora­li­schen Me­tho­den brach­ten ihn zu Fall. Die öf­fent­lich be­kannt ge­wor­de­nen Chats be­wei­sen das und las­sen tief bli­cken in das "Sys­tem Kurz". Am 9. Okto­ber 2021 musste der Kanz­ler auf Druck des grü­nen Koa­li­tions­part­ners das Amt zu­rück­le­gen, we­nige Wo­chen spä­ter trat er von al­len Funk­tio­nen zu­rück. "In ei­nem ist Sebas­tian Kurz gut ge­we­sen: im Ver­führen", be­schreibt ihn die dä­ni­sche Zei­tung Poli­tiken.

Kritisch analysiert Brandstätter, wie sehr durch die Art des Han­delns von Kurz das Ver­trau­en in die Poli­tik ver­loren ge­gan­gen ist. Um die­ses wie­der her­zu­stel­len, zeigt er an zehn Bei­spie­len auf, was pas­sie­ren muss, um die Re­pu­blik zu ret­ten. Er spricht dabei von "Hei­lung".

Dabei würden Reformen, Bereitschaft zur offenen Dis­kus­sion, Trans­pa­renz, in­halt­li­che Kom­pe­tenz des poli­ti­schen Per­so­nals und eine bes­sere Bil­dung aller Bür­ger­in­nen und Bür­ger schon ge­nügen.

Helmut Brandstätters Blick zu­rück auf die Kurz-Jahre ist Pflicht­lek­türe für alle an Öster­reichs Innen­po­li­tik Inter­essier­ten. Seine Ana­ly­se ver­dich­tet sich in sei­nen per­sön­li­chen Er­leb­nis­sen zu ei­nem um­fas­sen­den Charak­ter-und Sit­ten­bild.

Margaretha Kopeinig in Falter 39/2022 vom 30.09.2022 (S. 23)

Posted by Wilfried Allé Monday, October 3, 2022 10:49:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Angst und Angstmacherei 

Für eine Wirtschaftspolitik, die Hoffnung macht

von Markus Marterbauer , Martin Schürz

ISBN: 9783552073111
Verlag: Zsolnay, Paul
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 384 Seiten
Erscheinungsdatum: 26.09.2022
Preis: € 26,80

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Wie bezahlen wir die wirtschaftlichen Folgen von Pandemie und Krieg? Markus Marter­bauers und Martin Schürz’ Plä­do­yer für einen besseren Sozial­staat.

Neoliberale Wirtschaftspolitik betrachtet Angst als mobili­sieren­den Faktor. Sie schürt Angst vor Alters­armut, sozia­lem Ab­stieg und dem be­vor­mun­den­den Staat. Doch ist es das, was wir an­ge­sichts von Pan­de­mie, Krieg und Kli­ma­kri­se brau­chen? Mar­kus Marter­bauer und Mar­tin Schürz plä­die­ren für eine Wirt­schafts­po­li­tik, die be­grün­de­ten Ängs­ten ge­zielt ent­ge­gen­wirkt, die Ver­ängs­tig­ten be­stärkt, Hoff­nung weckt und Frei­heit schafft.
In einer Gesellschaft, in der Weni­ge Mil­li­arden be­sit­zen, darf es keine Ar­mut ge­ben, und es darf nicht mit Angst­mache­rei Poli­tik be­trie­ben wer­den. Ein Plä­do­yer für hohe Min­dest­stan­dards in ei­nem bes­seren So­zi­al­staat, Löhne, von denen man gut le­ben kann, und eine Be­gren­zung des Reich­tums.

"Mit Freude lese ich, dass Marter­bauer und Schürz hier zu einem An­satz fin­den, wie Poli­tik wie­der in­halt­lich be­grün­det wer­den kann. Die­ses mate­rial- und facet­ten­rei­che Buch strotzt vor Bei­spie­len für sol­che Grenz­zie­hungen, und ich plä­diere da­für, dass Sie es er­wer­ben und es selbst le­sen." Armin Thurnher

https://awblog.at/angst-und-angstmacherei/?jetztlesen

Posted by Wilfried Allé Monday, September 26, 2022 2:30:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik
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Geld 

von Marlene Engelhorn

ISBN: 9783218013277
Verlag: Kremayr & Scheriau
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 176 Seiten
Erscheinungsdatum: 26.09.2022
Reihe: übermorgen
Preis: € 20,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

„Es ist wichtig zu verstehen, worum es bei politischer Vermögensverteilung geht: Recht, Macht und Ressourcen. Dass diese Verteilung transparent und demokratisch stattfinden sollte, muss außer Frage gestellt werden. Vermögensungleichheit zerreißt das Miteinander.“

Zaster, Moneten, Knete, Marie: Wer Geld hat, redet nicht darüber; wer es nicht hat, jagt einem meist unerreichbaren Heilsversprechen hinterher. Immer jedoch geht Geld mit Macht Hand in Hand und ist oft ein Mittel, um Beziehungen zu führen, ohne sich auf Augenhöhe auf diese einlassen zu müssen. Nicht umsonst heißt es oft: Wer das Gold hat, macht die Regel. Warum eigentlich?

Marlene Engelhorn tut etwas, was so einigen Schweiß auf die Stirn treibt: Als Erbin eines beträchtlichen Vermögens redet sie über Geld – und besteht darauf, dass wir alle es tun. Wie viel ist genug? Was ist das gute Leben für alle? Wie wollen wir teilen? In wessen Händen liegt das Recht, zu entscheiden? Wenn wir nachhaltige Antworten wollen, müssen wir uns persönlich sowie gesellschaftlich damit auseinandersetzen, was Geld eigentlich ist. Ein Druckmittel? Eine sichere Bank? Ein erstrebenswertes Ziel oder der direkte Weg ins Verderben? Marlene Engelhorn seziert mit spitzer Feder unser Verhältnis zu Geld – und entwirft eine Vision, die zeigt, dass gerechte Umverteilung nur demokratisch wirken kann.

Millionenerbin Marlene Engelhorn: "Besteuert mich endlich!"
Buchpräsentation ->

Posted by Wilfried Allé Monday, September 19, 2022 11:21:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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Das Kapital im 21. Jahrhundert 

von Thomas Piketty

ISBN: 9783406671319
Übersetzung: Ilse Utz, Stefan Lorenzer
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 816 Seiten
Erscheinungsdatum: 07.01.2016
Preis: € 30,80

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

"Das Kapital im 21. Jahrhundert" ist ein Werk von außer­ge­wöhn­lichem Ehr­geiz, von großer Ori­gi­na­li­tät und von be­ein­drucken­dem Ri­go­ris­mus. Es lenkt un­ser gan­zes Ver­ständ­nis von Öko­no­mie in neue Bahnen und kon­fron­tiert uns mit er­nüch­tern­den Lek­ti­onen für un­sere Gegen­wart.
Wie funktioniert die Akkumulation und Dis­tri­bution von Kapi­tal? Welche dy­na­mi­schen Fak­to­ren sind da­für ent­schei­dend? Jede po­li­ti­sche Öko­no­mie um­kreist die Fra­gen nach der lang­fris­ti­gen Evo­lu­tion von Un­gleich­heit, der Kon­zen­tra­tion von Wohl­stand und den Chan­cen für öko­no­mi­sches Wachs­tum. Aber be­frie­di­gen­de Ant­wor­ten gab es bis­lang kaum, weil ge­eig­nete Da­ten und eine kla­re Theo­rie fehl­ten. In "Das Kapi­tal im 21. Jahr­hun­dert" unter­sucht Thomas Piketty Da­ten aus 20 Län­dern, mit Rück­grif­fen bis ins 18. Jahr­hun­dert, um die ent­schei­den­den öko­no­mi­schen und so­zia­len Mus­ter frei­zu­legen. Sei­ne Er­geb­nis­se wer­den die De­bat­te ver­än­dern und setzen die Agen­da für eine neue Dis­kus­sion über Wohl­stand und Un­gleich­heit in der nächs­ten Gene­ra­tion.
Piketty zeigt, dass das moderne öko­no­mi­sche Wachs­tum und die Ver­brei­tung des Wis­sens es uns er­mög­licht haben, Un­gleich­heit in dem apo­ka­lyp­ti­schen Aus­maß ab­zu­wen­den, das Karl Marx pro­phe­zeit hat­te. Aber wir haben die Struk­turen von Kapi­tal und Un­gleich­heit nicht in dem Um­fang ver­än­dert, den uns die opti­mis­ti­schen Jahr­zehnte nach dem Zwei­ten Welt­krieg sug­ge­riert haben. Der Haupt­trei­ber der Un­gleich­heit - dass Ge­win­ne aus Kapi­tal höher sind als die Wachs­tums­ra­ten - droht heu­te viel­mehr ex­tre­me For­men von Un­gleich­heit her­vor­zu­brin­gen, die den so­zia­len Frie­den ge­fähr­den und die Wer­te der Demo­kra­tie unter­mi­nie­ren. Doch öko­no­mi­sche Trends sind keine Hand­lungen Got­tes. Poli­ti­sches Han­deln hat öko­no­mi­sche Un­gleich­heiten in der Ver­gan­gen­heit kor­ri­giert, sagt Piketty, und kann das auch wie­der tun.

FALTER-Rezension:

Der Erfolg von Thomas Pikettys "Kapital im 21. Jahr­hundert" wurde zum Aus­gangs­punkt einer "Piketty-Schule der Öko­no­mie" und der World In­equali­ty Data­base (WID), der um­fas­send­sten Samm­lung von Daten zur Ver­tei­lung von Ein­kom­men und Ver­mögen. Er be­schreibt die Ge­sell­schaft des 19. Jahr­hun­derts, als das reichste Pro­zent der Haus­halte mehr als die Hälfte des Ver­mö­gens be­saß und nur durch Erb­schaft und Hei­rat reich werden konnte. Die im Buch dar­ge­stellte For­mel r > g zierte so­gar T-Shirts: Die Ren­dite auf Ver­mögen ist größer als das Wachs­tum der Wirt­schaft, die Ver­mögens­kon­zen­tra­tion ver­stärkt sich. Piketty bie­tet Ab­hil­fe: pro­gres­sive Steu­ern auf Erb­schaf­ten und Ver­mögen.

Markus Marterbauer in Falter 34/2022 vom 26.08.2022 (S. 22)

Posted by Wilfried Allé Sunday, August 28, 2022 10:18:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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Grenzen des Wachstums - Das 30-Jahre-Update 

Signal zum Kurswechsel

von Ernst F. Schumacher

Verlag: Hirzel
ISBN: 978-3-7776-2957-5
Umfang: 328 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Erscheinungsdatum: 26.11.2020
Auflage: 6. Auflage
Übersetzer: Andreas Held
Format Taschenbuch
Preis: € 20,60
Format eBook
Preis: € 16,90

 

Beschreibung

Die Menschheit kann mehrere Ent­wicklungs­wege wählen - be­reits 1972 und 1992 haben die Auto­ren der Gren­zen des Wachs­tums solche Möglich­keiten be­schrie­ben. Dabei setz­ten sie das sys­temi­sche Den­ken in Zu­kunfts­sze­na­rien um.
Ihre Ergeb­nisse riefen schon damals zum Han­deln auf, denn wir ver­lan­gen seit den spä­ten 70er-Jah­ren der Erde so viel ab, dass ihre Tragfähigkeit überschritten ist. In den Szenarien des 30-Jahre-Update mit aktuellen Daten wird deutlich, dass wir den großen Kurswechsel dringend brauchen - eine Wende zur Nach­hal­tig­keit mit dras­ti­schen ma­teriel­len und struk­tu­rel­len Ver­ände­rungen.
Wir können diesen Weg gehen, aber wir müssen es wollen!

"... das Buch eignet sich daher gut für Stu­den­ten und Wis­sen­schaft­ler. Aber auch inter­es­sierte Laien finden hier einen Zu­gang, sich in dieses ele­men­tar wich­tige Thema ein­zu­ar­beiten." Solarbrief

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums

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