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Von Bundeskanzler Kurz zu kurz Bundeskanzler 

Sebastian Kurzs Amtszeit geht als kürzeste in der Zweiten Republik in die Geschichte ein

Am Montag sorgten die Abgeordneten von FPÖ, SPÖ und Liste Jetzt mit dem Misstrauensvotum für das Ende der Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP). Dafür gab es gute Gründe – auch abgesehen von der von ihm verschuldeten Regierungskrise: Kurz hat stets gegen die Interessen und Bedürfnisse der Menschen gearbeitet, sei es beim NichraucherInnenschutz, der 60-Stunden-Arbeitswoche, der Kürzung der Sozialhilfe oder der Streichung der Beschäftigungsaktion 20.000 für ältere Arbeitssuchende. Die Erfolgsgeschichte Österreichs ist und war immer eine des sozialen Zusammenhalts. Doch Kurz hat einen beispiellosen Angriff auf Sozialpartnerschaft, Gesundheitsversorgung, Solidarität und Zusammenhalt gestartet. Dabei verweigerte er regelmäßig den Dialog. Gesetzesinitiativen wie die 60-Stunden-Woche wurden bewusst den falschen Ausschüssen zugewiesen, parlamentarische Anfragen meist nur oberflächlich beantwortet, während Kurz im Plenum regelmäßig fehlte. Er verweigerte Gespräche mit der betroffenen evangelischen Glaubensgemeinschaft bei der Karfreitags-Regelung. Außerdem schwieg Kurz zu zig "Einzelfällen" der FPÖ – von Naziliederbüchern, über das "Rattengedicht" bis zu Identitären. Er schaute zu, wie sein Koalitionspartner die freie Presse attackierte und der unabhängige Journalismus als Grundpfeiler der Demokratie geschwächt wurde. In der größten Regierungskrise der Zweiten Republik hat Sebastian Kurz ausschließlich aus Machtgier, Eigennutz und parteipolitischem Interesse gehandelt. Deswegen hat sich die SPÖ entschlossen, der Regierung Kurz das Misstrauen auszusprechen.

Türkise Wahlstrategen argumentieren seither wie aus der Pistole geschossen, die SPÖ habe den Kanzler nur aus kurzfristigen parteistrategischen Gründen heraus abgewählt. Wer so argumentiert, tut so, als hätte es die vergangenen zwei Jahre nicht gegeben: Die SPÖ ist seit Bildung der türkis-blauen Regierung in Opposition.

Sie war von Anfang an gegen das Programm von ÖVP und FPÖ, sie war gegen die Regierungsmannschaft und den Kanzler. Warum also sollte plötzlich die größte Oppositionspartei des Landes die Regierung Kurz stützen und damit eine 180-Grad-Wende vollziehen? Die Partei setzt nur ihre Linie der vergangenen zwei Jahre fort. Die FPÖ war es, die ihre Position geändert hat.

Die FPÖ hat die Koalition aufgekündigt und auch mit der Tradition gebrochen, dass die Regierungsparteien sich in der Zeit zwischen dem formalen Ende einer Koalition und vor den Neuwahlen nicht gegenseitig das Misstrauen aussprechen. FPÖ und SPÖ lassen sich eben nicht in einen Topf werfen, wie so viele Kritiker das derzeit tun.

Natürlich hat die SPÖ die eigene Parteistrategie im Blick. Aber das ist bei allen Parteien so. Insbesondere Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat seine Kanzlerschaft gut dazu genützt, sich und seine Partei, so weit es geht, taktisch in Stellung zu bringen. Imagepflege hat im Gegenteil kaum jemand so effektiv betrieben wie der Kanzler. So funktioniert moderne Mediendemokratie – die SPÖ agiert hier wie andere.

Der Sozialdemokratie vorzuwerfen, nur ihre eigenen Wähler im Auge zu haben und nicht die Staatsräson – was immer das auch sein mag –, ist schließlich ebenso falsch: Zentrale Aufgabe der SPÖ ist es, ihre Wähler zu repräsentieren. Die Partei füllt ihre Rolle als Opposition aus, das ist ihre Aufgabe. Zumal – wie der Bundespräsident nicht müde wird zu betonen – für alle aktuellen Vorgänge in der Verfassung vorgesorgt ist.

Wenn sich die ÖVP nach dem Misstrauensvotum brüskiert fühlt, dann liegt ein Missverständnis vor. Abstimmungen im Parlament gegen eine Oppositionspartei zu verlieren – und sei es so eine wichtige wie das Misstrauensvotum am Montag – mag für die ÖVP schmerzhaft sein. Ein Foulspiel ist es aber nicht. Auch wenn es nicht alltäglich ist, gehört auch das zur demokratischen Normalität dazu.

Und dass die SPÖ einen Kurswechsel anstrebt, ist klar und völlig gerechtfertigt.

Posted by Wilfried Allé Thursday, May 30, 2019 8:45:00 PM
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