AZ-Neu

 

Was wir hier empfehlen ...

Statistics

  • Entries (293)
  • Comments (5)

Categories

So funktioniert Österreichs Medienwelt 

Mechanismen, Machtspiele und die Zukunft der Medien
Posted by Wilfried Allé Thursday, October 12, 2023 6:06:00 PM Categories: Kommunikation Medienforschung
Rate this Content 0 Votes

von Harald Fidler

EAN: 9783854397243
Verlag: Falter Verlag
Umfang: 232 Seiten
Genre: Medienforschung, Kommunikation
Erscheinungsdatum: 11.10.2023
Format: Taschenbuch
Preis: € 24,90

 

Mechanismen, Machtspiele und die Zukunft der Medien

 

Was ist Journalismus, was Qualitäts­journa­lismus - und wel­che Zu­kunft hat er in Zei­ten von Insta­gram, You­tube, Tik­tok und Künst­licher In­tel­li­genz? Was will Öster­reichs Medien­poli­tik – ob un­ter ro­ten, schwar­zen oder wo­mög­lich blau­en Bun­des­kanz­lern? Und wer macht die Medien­poli­tik wirk­lich?

In seinem neuen Buch „So funktionieren Öster­reichs Medien­welt“ be­schreibt Öster­reichs be­kann­tes­ter Medien­jour­na­list Ha­rald Fid­ler die Ideen, Inter­es­sen und Player in Jour­na­lis­mus, Medien und Medien­poli­tik, die ewig glei­chen Mecha­nis­men und Macht­spiele und die Zu­kunft der Branche. Mit sei­ner jahre­lan­gen Er­fah­rung als In­si­der lie­fert er span­nen­de Ein­blicke, fun­dier­te Ana­ly­sen und Daten zur öster­reichi­schen Medien­szene und legt damit ein einzig­ar­ti­ges Buch vor, das den Leser­:innen ein tie­feres Ver­ständ­nis für die Welt der Me­dien bietet.

Warum es Journalismus braucht und was Jour­na­lis­mus eigent­lich aus­macht, be­schrei­ben Chef­re­dak­teur­innen und Heraus­geber, Jour­na­listin­nen und Jour­na­lis­ten in Gast­bei­trä­gen zu die­sem Buch:
Florian Asamer (Die Presse), Oscar Bronner (Der Standard), Alexandra Föderl-Schmid (Süd­deut­sche Zei­tung), Flo­rian Klenk (Falter), An­dreas Koller (Salz­bur­ger Nach­rich­ten), Martin Kotynek (Der Stan­dard), Corinna Mil­born (Puls 4/Puls 24), Chris­tian Nus­ser (Heute), Claus Pándi (Kro­nen Zei­tung), Georg Ren­ner (Datum), Gerold Ried­mann (Vor­arl­berger Nach­rich­ten), Katha­rina Schell (APA), Anna Thal­ham­mer (Prof­il), Armin Thurn­her (Fal­ter), Lisa Totz­auer (ORF-Maga­zine), Armin Wolf (ZIB 2, ORF).

Schauplätze der Macht 

Geheimnisse, Menschen, Machenschaften
Posted by Wilfried Allé Wednesday, October 11, 2023 8:20:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
Rate this Content 0 Votes

von Manfred Matzka

ISBN: 9783710607363
Verlag: Brandstätter Verlag
Umfang: 240 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft,
Wirtschaft/Gesellschaft
Erscheinungsdatum: 16.10.2023
Einband: Hardcover E-Book
Preis: € 28,00 € 21,99
Kurzbeschreibung des Verlags

Wenn Wände sprechen könnten, wüssten wir, was sich in der eins­tigen Döb­linger Präsi­den­ten­villa, im Palais Traut­son, im Kriegs­minis­te­rium am Stu­ben­ring, in der Her­ren­gas­se, im Winter­palais des Prin­zen Eugen, am Ball­haus­platz, in ver­bor­ge­nen Win­keln des Parla­ments, in tradi­tions­rei­chen Par­tei­zen­tra­len und staat­li­chen Schlös­sern rund um Wien al­les ab­spielte. Denn wo Macht und Men­schen zu­sam­men­kom­men, sind ku­ri­o­se Per­sön­lich­kei­ten eben­so nah wie große Skan­dale, ab­sur­de In­tri­gen, revo­lutio­närer Elan und schick­sal­hafte Be­geg­nungen.

Mit Manfred Matzka, der Österreichs poli­ti­schen Be­trieb von in­nen kennt wie wenig an­dere, blicken wir nun durch Schlüs­sel­lö­cher und durch ver­hängte Fens­ter hin­ter die Archi­tek­tur der Macht – und be­geg­nen je­nen oft ganz spe­ziel­len Charak­teren, die von hier aus mal bes­ser, mal schlech­ter ge­wal­tet und ge­schal­tet ha­ben. In die­sem Buch kom­men Ge­schich­ten an das Licht der Öf­fent­lich­keit, die es in der Re­gel nicht tun: fun­diert recher­chierte, span­nen­de und er­hel­lende Ein­blicke hin­ter die Fas­sa­den der Macht in Öster­reich, Zu­sam­men­hän­ge und Ana­ly­sen, wie man sie bis­lang kaum kannte.

Manfred Matzka

Autor

Manfred Matzka, langjähriger Präsi­dial­chef des Bundes­kanz­ler­amtes, Mini­ster- und Kanzler­be­rater, zu­letzt auch von Bundes­kanz­lerin Bier­lein, ist ein fun­dier­ter Ken­ner des wirk­li­chen poli­ti­schen Tages­ge­schäfts in Öster­reich. Der pro­mo­vier­te Jurist ar­bei­tete seit 1980 im Bun­des­dienst, war für Perso­nal, Recht, Ver­wal­tungs­re­form und Ko­ordi­nie­rung zu­stän­dig, am­tier­te zehn Jahre im In­nen­minis­te­rium, war Ka­bi­netts­chef, wurde von der Po­li­tik als In­sider ak­zep­tiert und res­pek­tiert und hält mit sei­ner stets eben­so gut be­grün­de­ten wie poin­tier­ten Mei­nung nicht hin­ter dem Berg. Er ist Kunst­lieb­ha­ber und Kul­tur­ma­na­ger, hat zahl­rei­che Fach­publi­ka­tio­nen ver­fasst und ist Autor der Best­sel­ler „Die Staats­kanzlei“ sowie „Hof­räte, Ein­flüs­terer, Spin­dok­toren“.

Politik mit der Angst 

Die schamlose Normalisierung rechts­extremer und rechtspopulistischer Diskurse
Posted by Wilfried Allé Monday, October 2, 2023 10:45:00 AM Categories: Literaturwissenschaft/Allgemeine Sprachwissenschaft Sprachwissenschaft/Vergleichende
Rate this Content 0 Votes

von Wodak Ruth

ISBN: 9783902968562
Verlag: Edition Konturen
Umfang: 256 Seiten
Genre: Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft/Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft
Erscheinungsdatum: 29.09.2020
Einband: Hardcover
Preis: € 29,80
Kurzbeschreibung des Verlags

Ruth Wodak hat ihren Bestseller „Politik mit der Angst“ grund­legend neu ge­fasst und die vie­len Ent­wick­lungen der letz­ten fünf Jahre ein­ge­arbeitet.
Was an sprachlichem Rowdytum, an Belei­di­gung und Aus­gren­zung von Min­der­heiten, an Ver­logen­heit noch vor weni­gen Jah­ren un­denk­bar war, ist heu­te in den Main­stream vor­ge­drun­gen. Hass und Ras­sis­mus sind salon­fä­hig ge­wor­den. Für Lü­gen muss man sich nicht mehr ent­schul­di­gen, schlech­tes Be­neh­men wird als an­spre­chen­des, attrak­ti­ves Mit­tel zur Be­kämp­fung so­ge­nann­ter „Eli­ten“ ge­schätzt.
Neu sind die Ab­schnitte zu den The­men Norma­li­sie­rung, Anti-Gen­de­ris­mus, Über­schrei­tung und Ver­let­zung von Ge­sprächs­maxi­men und Höf­lich­keits­kon­ven­tio­nen, Links­popu­lis­mus, Ein­fluss von Social Media und „Anti-Soro­sis­mus“, also der dis­kur­si­ven Kons­truk­tion alter/neuer anti­semi­ti­scher Feind­bil­der. Ein wei­te­res neu­es Ka­pi­tel be­fasst sich mit den mas­si­ven Heraus­for­de­rungen der libe­ra­len Demo­kra­tie in den EU-Mit­glied­staaten und da­rüber hinaus.

Univ.Prof.in Dr.in Ruth Wodak

Sprachsoziologin, Diskurs­forscherin, emeri­tier­te Pro­fes­so­rin für an­ge­wandte Sprach­wis­sen­schaf­ten an der Uni­ver­si­tät Wien und der Lan­cas­ter Uni­ver­sity und Au­torin "Poli­tik mit der Angst: Die scham­lose Nor­ma­li­sierung rechts­ex­tre­mer und rechts­popu­lis­ti­scher Dis­kurse"

„A Waunsinn normal“, sagte Hans Orsolics an­ge­sichts eines Lebens, in dem der ehe­ma­lige Boxer viel er­lebt hat. An das Fazit, wel­ches ge­lernte Öster­reicher­Innen ken­nen, könnte man sich er­innern, da in der Poli­tik in Öster­reich der­zeit über das „Normale“ und ver­schie­dene Ge­gen­pole dis­ku­tiert wird. Schein­de­bat­ten da­rüber, was nor­mal ist und was nicht, wer­den Öster­reich nicht weiter­hel­fen, wäh­rend das Land im inter­natio­na­len Ver­gleich ab­rutscht, die Wett­bewerbs­fähig­keit sinkt, die In­fla­tion bleibt zu hoch. Die ÖVP hielt sich frü­her ein­mal für eine bür­ger­liche Par­tei, das Bür­ger­tum war im 18. Jahr­hun­dert ge­zwun­gen, stra­te­gi­sche Bünd­nis­se mit Künst­ler­Innen und Den­ker­Innen ein­zu­gehen. Die ge­sell­schafts­poli­ti­sche Be­deu­tung der Kunst mit Recht stän­dig zu be­tonen und gleich­zei­tig von je­der Poli­tik tren­nen zu wol­len, wirkt wie Heuche­lei. Die Tren­nung der Be­völ­ke­rung in nor­male und an­dere Men­schen ist nicht nur ein grund­sätz­li­ches ge­sell­schaft­li­ches Prob­lem, son­dern kann auch fa­ta­le Fol­gen haben. Eine Ge­sell­schaft braucht die brei­te Mehr­heit der ver­meint­lich „Normalen“, aber in ei­ner Mi­schung aus Sta­bi­li­tät und Dy­namik auch die Men­schen, wel­che die Nor­men bre­chen. Die „Nor­ma­li­tät“ wird zum Kampf­be­griff der Poli­tik, da­bei sind es Anders­den­kende, die Nor­men hin­ter­fra­gen, mit Ge­wohn­hei­ten bre­chen und die Ge­sell­schaft voran­treiben.

„Normal ist, morgens aufzu­stehen und sei­nen Job zu machen, nor­mal ist eine Hei­mat, sind si­che­re Gren­zen, ja, und nor­mal ist auch Deutsch­land“ heißt es in be­tont har­mo­nis­tisch ins­ze­nier­ten Kam­pagnen­vi­deos der AfD mit je­der Menge Deu­tun­gen ei­nes neu­en Leit­be­griffs. Hier die „Nor­malen“, dort die „Ab­nor­malen“, hier das „Wir“, dort „die ande­ren“, statt ernst­haf­ter Poli­tik be­kom­men die Men­schen in Öster­reich dümm­li­che Schlag­worte vor­ge­setzt. Bundes­prä­si­dent Ale­xan­der Van der Bellen hat die drei größe­ren Par­la­ments­par­teien da­vor ge­warnt, den poli­ti­schen Dis­kurs auf eine ge­fähr­li­che Ebe­ne zu ver­schie­ben. An­ge­sichts gu­ter Um­frage­werte und jüngs­ter Wahl­er­folge links und rechts wie etwa der FPÖ in Nieder­öster­reich und der KPÖ in Graz und Salz­burg sucht die ÖVP das poli­ti­sche Heil in der „Mit­te der Ge­sell­schaft“. Johanna Mikl-Leitner, Karl Nehammer und die ÖVP sind mit die­sem Ver­such in Eu­ro­pa nicht allei­ne, das geo­gra­fisch am nächs­ten lie­gen­de Bei­spiel ist in Deutsch­land bei einer Par­tei zu fin­den, die keine christ­lich-sozia­len Wur­zeln wie die ÖVP hat, son­dern die laut dem Ver­fas­sungs­schutz An­lass zur Beo­bach­tung rechts­ex­tre­mer Um­trie­be gibt. Der Vize­kanz­ler be­zeich­ne­te das Buh­len um „die große Mehr­heit der Normal­den­ken­den“, wie diese Nieder­öster­reichs Landes­haupt­frau nennt, als „prä­fa­schis­toid und brand­ge­fährlich“.

Die ungleiche Welt 

Migration, das Eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht
Posted by Wilfried Allé Saturday, September 23, 2023 10:54:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 0 Votes

von Branko Milanović

ISBN: 9783518470855
Verlag: Suhrkamp
Umfang: 311 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Erscheinungsdatum: 14.09.2020
Einband: Taschenbuch
Übersetzung: Stephan Gebauer
Preis: € 16,50
Kurzbeschreibung des Verlags

Extreme soziale Ungleich­heit ist eines der drän­gend­sten Pro­ble­me der Gegen­wart. An­hand neuer, haus­halts­ba­sier­ter Da­ten zu Ein­kom­men und Ver­mö­gen unter­sucht Branko Mila­no­vić ihre Ur­sa­chen und Fol­gen dif­fe­ren­zier­ter als al­le an­de­ren For­scher vor ihm. Er zeigt, dass zwar der Ab­stand zwi­schen ar­men und rei­chen Staa­ten ge­rin­ger ge­wor­den ist, das Ge­fäl­le in­ner­halb ein­zel­ner Na­tio­nen je­doch dra­ma­tisch zu­ge­nom­men hat. Zu­dem ana­ly­siert er den Zu­sam­men­hang zwi­schen Un­gleich­heit und Mi­gra­tion und plä­diert für ein li­be­ra­les Ein­wan­de­rungs­recht. Ein ak­tuel­les, ein enga­gier­tes Buch, das die Art und Wei­se, wie wir über un­sere un­glei­che Welt den­ken, verändert.

Klappentext

Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. 1.760.000.000.000 US-Dollar. In Worten: eins­komma­sieben­sechs Bil­li­o­nen. Auf diese Sum­me schätz­te Ox­fam kürz­lich das Ver­mö­gen der 62 wohl­ha­bend­sten Men­schen der Welt. Ein paar Dut­zend Mil­liar­däre ver­fü­gen über so viel Geld wie die är­mere Häl­fte der Welt­be­völ­ke­rung - oder wie 3.600.000.000 Men­schen. Von Barack Obama bis zu Thomas Piket­ty, die füh­ren­den Köpfe un­se­rer Zeit sind sich ei­nig: Un­gleich­heit ist ei­nes der drän­gends­ten Pro­bleme der Ge­gen­wart. An­hand neuer, haus­halts­ba­sier­ter Da­ten zu Ein­kom­men und Ver­mö­gen unter­sucht Branko Mila­no­vic die Ur­sa­chen und Fol­gen. Er zeigt, dass zwar der Ab­stand zwi­schen ar­men und rei­chen Staaten ge­rin­ger ge­wor­den ist, das Ge­fäl­le in­ner­halb ein­zel­ner Na­tion­en je­doch dra­ma­tisch zu­ge­nom­men hat. Ar­mut und Per­spek­tiv­lo­sig­keit sind trei­ben­de Kräf­te für in­ter­na­tio­nale Mi­gra­tions­be­we­gun­gen. Noch im­mer ist das Ge­burts­land ei­nes Kin­des der ent­schei­den­de Fak­tor für die Höhe sei­nes zu­künf­ti­gen Ein­kom­mens. Mila­no­vic ana­ly­siert den Zu­sam­men­hang zwi­schen Un­gleich­heit und Mi­gra­tion - und plä­diert für ein radi­kal libe­ra­les Ein­wan­de­rungs­recht. Ein ak­tuel­les, ein en­ga­gier­tes Buch, das die Art und Wei­se, wie wir über un­sere un­glei­che Welt den­ken, ver­än­dern wird.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung

Rezensent Bernhard Edmunds freut sich über ein neues Buch des ser­bisch-ameri­ka­ni­schen Öko­no­men Branko Mila­no­vic, den er in einem Atem­zug mit Thomas Piket­ty oder Anthony B. At­kins nennt. Des­sen Über­blick über die Ent­wick­lung der glo­ba­len Ver­tei­lung seit Ende der 1980er Jahre liest der Kri­ti­ker mit Ge­winn. Zwar ver­misst er in Mila­no­vics Ana­ly­se, wa­rum die Un­gleich­heit seit rund dreißig Jah­ren in den In­dus­trie­län­dern wie­der an­steigt, Ori­gi­na­li­tät und theo­re­ti­sches Fun­da­ment, die Schlüs­se des Öko­no­men fin­det Ed­munds je­doch "an­re­gend": Um ei­nen dro­hen­den Ver­lust der Mit­tel­schich­ten zu ver­hin­dern, schlägt Mila­no­vic et­wa eine brei­te Streu­ung des Kapi­tal­be­sit­zes vor, so der Re­zen­sent. Mit der Idee, die Le­bens­be­din­gun­gen in är­me­ren Län­dern da­durch zu ver­bes­sern, dass man die öko­no­mi­sche Mi­gra­tion er­heb­lich er­leich­tert, die Mi­gran­ten in Folge aber etwa durch einen be­schränk­ten Zu­gang zu So­zial­leis­tun­gen oder zu­sätz­liche Steu­ern "recht­lich dis­krimi­niert", kann der Kri­ti­ker al­ler­dings nur we­nig an­fangen.

Branko Milanovic

Branko Milanović, geboren 1953 in Bel­grad, ist ein ser­bisch-ameri­ka­ni­scher Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler und zählt zu den welt­weit an­ge­se­hens­ten Ex­per­ten auf dem Ge­biet der Ein­kom­mens­ver­tei­lung. Er war unter an­de­rem lei­ten­der Öko­nom der For­schungs­ab­tei­lung der Welt­bank. Mila­no­vić hat­te Gast­pro­fes­suren an der Uni­ver­sity of Mary­land, Col­lege Park, an der Johns Hop­kins Uni­versity und ar­bei­tet seit 2014 als Visi­ting Presi­den­tial Pro­fes­sor am City Uni­ver­sity of New York Gra­duate Center.

Politik von unten 

Wie die Sozialdemokratie aus ihrer Sackgasse kommt
Posted by Wilfried Allé Monday, September 18, 2023 2:05:00 PM Categories: Ideengeschichte Politikwissenschaft/Politische Theorien
Rate this Content 1 Votes

von Robert Misik

ISBN: 9783711721402
Verlag: Picus Verlag
Umfang: 144 Seiten
Genre: Politikwissenschaft/Politische Theorien, Ideengeschichte
Erscheinungsdatum: 13.09.2023
Einband: Hardcover
Preis: € 20,00
Kurzbeschreibung des Verlags

Österreich steht vor der Ge­fahr ei­ner end­gül­ti­gen Or­ba­ni­sie­rung, doch aus­ge­rech­net in die­sem Mo­ment tau­melt die So­zial­demo­kra­tie in eine schwe­re Kri­se. Nach der rum­peln­den Lö­sung ihrer Füh­rungs­fra­ge wird die große, tra­di­tio­nel­le demo­kra­ti­sche und so­zia­le Re­form­par­tei SPÖ ihre Iden­ti­tät zu klä­ren ha­ben. Die Sozial­demo­kra­tie muss glaub­wür­di­ge Schutz­macht der Schwächs­ten sein und An­wäl­tin der ganz ein­fa­chen, nor­ma­len Leu­te, die nicht mit gol­de­nen Löf­feln im Mund ge­bo­ren wur­den – aber auch Boll­werk von Demo­kra­tie, Li­bera­li­tät und Mo­der­ni­sie­rung. Robert Misik, jahr­zehnte­lan­ger Ken­ner der öster­rei­chi­schen und der euro­pä­ischen Sozial­demo­kra­tie, be­schreibt, wie es zur Skle­ro­se der pro­gres­si­ven Par­teien ge­kom­men ist, wie sehr die Iden­ti­täts­kri­se des »Drit­ten Weges« noch nach­wirkt und wie in eine orien­tie­rungs­lose Ap­pa­rat­schik­par­tei wie­der Le­ben hinein­kom­men kann.

Leseprobe ->

Gebirgswasser für die Stadt 

Die I. Wiener Hochquellenleitung
Posted by Wilfried Allé Tuesday, September 12, 2023 6:04:00 PM Categories: Sachbücher/Natur&Technik
Rate this Content 1 Votes

von Peter Payer

ISBN: 9783854397229
Verlag: Falter Verlag
Umfang: 128 Seiten
Genre: Sachbücher / Natur & Technik
Erscheinungsdatum: 04.09.2023
Personen: Mit Fotos von Johannes Hloch
Einband: gebundenes Buch
Preis: € 24,90

Eine technische und architektonische Meisterleistung

Am 24. Oktober 1873 wurde die Ⅰ. Wiener Hoch­quellen­lei­tung mit einer feier­lichen Zere­mo­nie am Schwarzen­berg­platz er­öffnet. Eine tech­ni­sche Meister­leis­tung, die fri­sches Ge­birgs­was­ser aus dem Rax-Schnee­berg-Gebiet im freien Ge­fäl­le über eine Län­ge von 95 Kilo­me­ter nach Wien lei­tete. Bis heute stellt die Hoch­quellen­lei­tung für die Was­ser­ver­sor­gung Wiens eine zen­tra­le Infra­struk­tur dar.

Das Buch würdigt dieses Pionierprojekt, dessen Inbetrieb­nahme sich im Herbst 2023 zum 150. Mal jährt.

Textlich beleuchtet werden:

  • die baugeschichtlichen Anfänge und Herausforderungen
  • ebenso wie die Vermarktung
  • die damit einhergehende Mythisierung des ehr­gei­zigen Vor­habens

Unzählige Quellfassungen, Stollen, Wasser­schlös­ser, Aquä­dukte und nicht zu­letzt drei rie­sige Was­ser­be­häl­ter im Stadt­ge­biet selbst stell­ten das tech­ni­sche Rück­grat des in nur drei Jah­ren fertig­ge­stell­ten Bau­vor­habens dar.

Die wichtigsten Bauwerke vom Hoch­ge­birge bis zu den Was­ser­be­häl­tern der Groß­stadt sind in Form eines Bild­essays doku­men­tiert. Die Fotos zei­gen ein­drucks­voll die tech­ni­sche und archi­tek­to­ni­sche Meis­ter­leis­tung der Kon­struk­tio­nen und die da­durch ent­stan­dene land­schafts­prä­gende Wir­kung in Wien und Um­gebung.

Nicht zuletzt geht es auch um die aktuelle Be­deu­tung der Hoch­quellen­lei­tung und ihrer Krisen­resis­tenz an­ge­sichts des Klima­wandels.

Kommentar von David Manolo Sailer in der Wiener Zeitung vom 25.04.2023

Das Ende des Kapitalismus 

Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden
Posted by Wilfried Allé Sunday, September 3, 2023 1:30:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 1 Votes

von Ulrike Herrmann

ISBN: 9783462002553
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
Umfang: 352 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Erscheinungsdatum: 08.09.2022
Format: Hardcover
Preis: € 24,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Demokratie und Wohlstand, ein längeres Leben, mehr Gleich­be­rech­ti­gung und Bil­dung: Der Kapi­ta­li­smus hat viel Posi­ti­ves be­wirkt. Zu­gleich rui­niert er je­doch Klima und Um­welt, sodass die Mensch­heit nun exis­ten­ziell ge­fähr­det ist.
»Grünes Wachstum« soll die Rettung sein, aber Wirt­schafts­ex­per­tin und Best­seller­au­torin Ulrike Herr­mann hält da­ge­gen: Ver­ständ­lich und mes­ser­scharf er­klärt sie in ihrem neuen Buch, wa­rum wir statt­dessen
»grünes Schrumpfen« brauchen.

FALTER-Rezension

Gerlinde Pölsler in FALTER 47/2022 vom 25.11.2022 (S. 51)

Sie regt an - und auf: Ulrike Herrmanns neues Buch "Das Ende des Kapi­ta­lis­mus" stürmte bei sei­nem Er­schei­nen so­fort auf Platz eins der Best­sel­ler­lis­ten, schon mit frü­he­ren Ti­teln wie "Hurra, wir dür­fen zah­len" über den "Selbst­be­trug der Mit­tel­schicht" lös­te die Ber­li­ner taz-Re­dak­teu­rin hef­tige Debat­ten aus. Auch dies­mal er­zür­nen ihre The­sen viele Men­schen: So ge­nügte ein nicht ein­mal ein­mi­nü­ti­ges Video auf der Face­book-Seite des deut­schen Sen­ders NDR, dass die­ser seine Kom­men­tar­funk­tion ein­schrän­ken musste. Der Aus­löser? Herr­mann hat­te ge­sagt: "Das Elek­tro­auto ist die to­ta­le Sack­gasse."
Nicht dass die Wirtschafts­re­dak­teu­rin ge­gen er­neuer­bare Ener­gie wäre. Sie ist nur über­zeugt, dass diese für un­se­ren der­zei­ti­gen Lebens­stan­dard nicht aus­rei­chen werde, und schon gar nicht für einen wei­ter wach­sen­den. Daher müss­ten wir un­sere Wirt­schaft kon­trol­liert schrump­fen, und das be­deu­te das Ende des Kapi­ta­lis­mus. Herr­mann selbst lebt in einer Zwei­zim­mer­woh­nung, hat kein Auto und "kann nicht mehr flie­gen". Diese Woche kommt die dis­putier­freu­dige Au­torin nach Wien.

Falter: Frau Herrmann, wie schlimm ist der Aus­gang der Welt­klima­kon­fe­renz, die nicht ein­mal den Aus­stieg aus Öl und Gas be­schlos­sen hat?

Ulrike Herrmann: Dieses Scheitern war zu er­warten. Es ist nicht mög­lich, Öl und Gas ein­fach mal schnell zu er­set­zen. Denn dann würde die ge­samte Welt­wirt­schaft so­fort still­ste­hen, weil die Ma­schi­nen nicht mehr lau­fen, Schif­fe nicht mehr fah­ren und Flug­zeu­ge nicht mehr flie­gen. Fridays for Future hat recht mit ihrem Slo­gan "System Change, Not Climate Change". Man muss sich vom Kapi­ta­lis­mus ver­ab­schie­den, wenn der Klima­schutz ge­lingen soll.

Immerhin haben es die ärmeren Länder erst­mals schrift­lich, dass ein Fonds zum Aus­gleich von Klima­schä­den in ihren Län­dern kom­men soll

Herrmann: Natürlich ist es richtig, die ärmeren Länder zu unter­stüt­zen. Was aber gern ver­ges­sen wird: Die Klima­krise ver­schärft sich un­auf­hör­lich. In vie­len Län­dern wird man schon 2070 gar nicht mehr le­ben kön­nen, wenn wir weiter­machen wie bis­her, weil es zu heiß ist. Da hel­fen Aus­gleichs­maß­nah­men dann auch nicht mehr.

Sie haben einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt. Aber warum muss da­bei gleich das ge­samte Wirt­schafts­sys­tem weg?

Herrmann: Erst einmal vorweg: Ich bin keine Kapi­ta­lis­mus­kri­ti­kerin. Ganz im Gegen­teil, ich finde die­ses Sys­tem außer­ordent­lich fas­zi­nie­rend, weil es das ein­zige Sozial­system in der Men­schheits­ge­schichte war, das für Wachs­tum und Wohl­stand sorgte. Und da­von ha­ben wir auch alle pro­fi­tiert. Vor 250 Jahren lag die Lebens­er­war­tung in Öster­reich bei 35 Jah­ren, heute steht sie bei über 80. Das ein­zi­ge Prob­lem am Kapi­ta­lis­mus ist, dass er ste­tes Wachs­tum be­nö­tigt, um sta­bil zu sein und nicht in schwere Kri­sen zu ge­ra­ten. Jetzt ha­ben wir aber das Prob­lem, dass die grüne Ener­gie nicht rei­chen wird, um weiter­hin Wachs­tum zu be­feuern. Wir brau­chen also grünes Schrump­fen, und Schrump­fen geht im Kapi­ta­lis­mus nicht. Dann bricht er zu­sammen.

Aber warum soll denn die grüne Energie nicht reichen? Die wird doch über­all, be­schleu­nigt auch durch die Folgen von Putins Ukraine-Über­fall, ge­rade aus­ge­baut.

Herrmann: Ja, viele Leute haben das Ge­fühl, da stehe doch schon eine Men­ge rum, zu­mal in Deutsch­land sieht man ja be­reits viele Wind­rä­der. In Wahr­heit ste­hen wir noch ganz am An­fang. Es wird ja im­mer vor­ge­rech­net, dass fast die Hälfte der Strom­er­zeu­gung be­reits klima­neu­tral sei. Aber Strom macht nur ein Fünf­tel des End­ener­gie­ver­brauchs aus, und künf­tig müs­sen wir auch Ben­zin, Öl und Gas er­set­zen. Und beim End­ener­gie­ver­brauch hat die Wind­kraft erst ei­nen An­teil von 4,7 Pro­zent, die Solar­kraft einen von 2,2 Pro­zent.

Was ist mit der Wasser­kraft, zäh­len Sie die nicht mit?

Herrmann: Die deckt in Deutsch­land 0,8 Pro­zent des End­energie­ver­brauchs ab.

In Österreich, aber auch in großen Län­dern wie China ist sie durch­aus wichtig.

Herrmann: Aber China hat dem­nächst Dauer­dürre! Die Was­ser­kraft lebt von den Nieder­schlägen und den Glet­schern. Durch den Klima­wandel ver­schwin­den aber die Glet­scher, und die Trocken­heit nimmt zu. Da wer­den wir mit der Was­ser­kraft nicht mehr weit kommen.

Wäre noch die Biomasse.

Herrmann: Ja, die macht in Deutsch­land den größ­ten Teil der klima­neu­tra­len Ener­gie­pro­duk­tion aus. Aber das sind meist Mono­kul­turen aus Mais und Raps, die viel Was­ser, Dün­ger und Pes­ti­zi­de be­nö­ti­gen. Die haben ja über­haupt kei­ne Zu­kunft, die­se Ener­gie­pflan­zen muss man ja zu­rück­fahren, um das Arten­ster­ben zu brem­sen. Das Ein­zi­ge, was sich wirk­lich aus­bauen lässt, sind eben Solar­panels und Wind­räder.

Aber angenommen, es gibt eine globale Kraft­an­stren­gung, wir stel­len über­all Wind­räder auf, pflas­tern alle Dä­cher, Wä­nde und Park­plät­ze mit Solar­an­lagen zu: Reicht es dann nicht irgend­wann?

Herrmann: Erstens geht das nicht ohne eine rie­sige Mate­rial­schlacht. Zwei­tens gibt es im Win­ter prak­tisch keine Son­nen­ener­gie, zu­min­dest nicht bei uns im Nor­den, und dummer­wei­se kommt es auch beim Wind zu Flau­ten, die lange dau­ern kön­nen. Also müs­sen wir zwi­schen­spei­chern, und da wird es auf­wen­dig. Batte­rien und grü­ner Was­ser­stoff sind rich­tig teuer, bis 2045 muss da erst eine Riesen­infra­struk­tur auf­ge­baut werden.

Sie sprechen 2045 an, weil Deutsch­land bis da­hin klima­neu­tral sein will; Öster­reich hat das sogar bis 2040 vor.

Herrmann: Genau, so steht es im Klima­ge­setz. Aber so, wie wir jetzt wirt­schaf­ten, wird das nichts. Um kein Miss­ver­ständ­nis auf­kom­men zu las­sen: Ich bin sehr für den Aus­bau der Er­neuer­baren. Aber die Vor­stel­lung vom grü­nen Wachs­tum ist wie der Traum, man könne Ku­chen fut­tern, so viel man will, und nehme trotz­dem ab. Wir ver­brau­chen im Augen­blick drei Pla­ne­ten. Aber es gibt nur eine Erde. Also müs­sen wir wie­der in die Gren­zen der Na­tur zu­rück­finden.

Warum aber muss der Kapitalismus, wie Sie sagen, zwin­gend wach­sen? Was, wenn wir auf dem jetzi­gen Niveau blieben?

Herrmann: Auch bei einer Stagnation tauchen be­reits all die Pro­ble­me auf, die sich ein­stel­len, wenn Wachs­tum aus­bleibt oder gar ein Schrump­fen ein­setzt. Ein ers­ter Grund: Wachs­tum kann es nur ge­ben, wenn es mit Kre­di­ten fi­nan­ziert wird. Um­ge­kehrt kön­nen die­se Kre­dite aber auch nur zu­rück­ge­zahlt wer­den, wenn das er­hoffte Wachs­tum ein­tritt. Hin­zu kommt: Unter­neh­men in­ves­tie­ren nur, wenn sie zu­sätz­li­che Ge­winne er­war­ten. Volks­wirt­schaft­lich ge­se­hen sind die­se Ge­win­ne aber das Glei­che wie Wachs­tum. Ohne Wachs­tum gibt es keine Ge­win­ne und da­mit kei­ne In­ves­ti­tio­nen, die Wirt­schaft ge­rät ins Stru­deln.

Laut Ihnen muss die Wirt­schaft nicht nur ein biss­chen schrump­fen, son­dern so­gar bis zur Hälfte. Wie kom­men Sie auf diese Zahl?

Herrmann: Das ist eine Schätzung. Ich habe mir über­legt, was wohl das Worst-Case-Sze­na­rio wäre, wenn es mit der Öko­ener­gie rich­tig, rich­tig knapp würde

Es reicht also vielleicht auch ein Viertel? Oder ein Zehntel?

Herrmann: Das könnte sein. Nur ist das für den Kapi­ta­lis­mus egal. In dem Mo­ment, da das Sys­tem nicht mehr wächst, ist er vor­bei. Das Ende des Kapi­ta­lis­mus ist aller­dings nicht das Ende der Mensch­heit und auch nicht des Wohl­stands. Wir müs­sen nicht zu­rück in die Stein­zeit und auch nicht in Fellen herum­lau­fen. Ein Schrump­fen um die Hälfte be­deu­tet für Öster­reich oder Deutsch­land, dass man un­ge­fähr im Jahr 1978 lan­det. Wenn ich in mei­nen Le­sun­gen sage: Da­mals waren wir doch genau­so glück­lich, dann nicken im­mer alle. Man­che sagen so­gar: Wir waren glück­licher.

Weil es weniger stressig war?

Herrmann: Genau. Und manche Scherz­kekse rufen dann: Das ist aber nur, weil wir da­mals jün­ger waren. Die Er­inne­rung an 1978 ist außer­ordent­lich gol­den bei al­len, die da­bei waren. Es gab zwar keine Erd­beeren im Win­ter und keine ein­ge­flo­ge­nen Man­gos, und man ist auch nicht für zwei Tage nach Mal­lorca ge­jet­tet, aber dann eben drei Wo­chen mit dem Auto nach Ita­lien an den Strand ge­fahren. Für alle, die nicht da­bei waren: 1978 war das Jahr, in dem Ar­gen­ti­nien Fuß­ball­welt­meis­ter wurde und der erste Teil von "Star Wars" in die Ki­nos kam. Vieles war gut.

Aber seither hat sich die Welt sehr ver­ändert.

Herrmann: Natürlich, es haben sich auch außer­ordent­lich posi­tive Dinge ent­wickelt. In den 1970ern sind zum Bei­spiel elf Pro­zent aller deut­schen Frauen an Brust­krebs er­krankt, und das en­dete oft töd­lich. Heute gibt es viel wirk­samere Krebs­thera­pien, auf die wir nicht zu ver­zich­ten bräuch­ten. Eine gute Nach­richt für die Ju­gendl­ichen: Wir könn­ten auch das Smart­phone be­halten.

Nun gibt es die Wachstumskritiker ja schon länger. Was ist bei Ihrem Ansatz anders?

Herrmann: Derzeit gibt es zwei Lager: Das eine sind die vie­len Leute, die das grüne Wachs­tum pro­pa­gie­ren. Das an­dere sind die Wachs­tums­kri­ti­ker, die liebe­voll die Idee einer Kreis­lauf­wirt­schaft aus­ge­stal­ten, in der wir nicht mehr ver­brau­chen, als wir re­cyceln kön­nen. Das finde ich auch wich­tig, nur ma­chen sie den Feh­ler, ihre Vi­sion gleich­zei­tig für den Weg zu hal­ten. Sie fra­gen sich nie, wie wir aus einem dy­na­mi­sch wach­sen­den Kapi­ta­lis­mus in eine Kreis­lauf­wirt­schaft kom­men, ohne dass es zum to­ta­len Chaos und Mil­lion­en von Arbeits­lo­sen kommt. Da­bei wis­sen Deut­sche und Öster­rei­cher ja per­fekt, was dann pas­siert: dann kommt ein rechts­radi­ka­ler Dik­ta­tor an die Macht, so wie Hitler 1933.

Und Sie haben den Weg gefunden?

Herrmann: Als Historikerin ist es nahe­lie­gend zu gucken, wo eine kapi­ta­lis­ti­sche Wirt­schaft be­reits ein­mal ge­schrumpft wur­de, ohne dass das Chaos aus­ge­bro­chen ist. Und da fällt die bri­ti­sche Kriegs­wirt­schaft ab 1939 ins Auge. Davon kann man viel lernen.

Und was?

Herrmann: Die Briten hatten den Zwei­ten Welt­krieg nicht wirk­lich kom­men se­hen. Als er aus­brach und klar war, dass Hit­ler Groß­bri­tan­nien an­grei­fen wür­de, blieb den Bri­ten nichts an­de­res üb­rig, als ihre zi­vi­le Wirt­schaft zu schrump­fen: da­mit sie in ihren Fa­bri­ken statt­des­sen Waf­fen, Radar­ge­räte und U-Boote bauen konnten. Da­bei wurde nichts ver­staat­licht, alles blieb pri­vat. Die Eigen­tümer und Mana­ger konnten in den Fa­bri­ken wei­ter agie­ren, wie sie das für rich­tig hiel­ten. Der Staat gab Pro­duk­tions­ziele vor; wie die er­reicht wur­den, blieb den Mana­gern über­lassen.

Nun wurden aber weniger Nahrung, Kleidung, Möbel her­ge­stellt

Herrmann: Genau. Die Briten haben nicht ge­hungert, aber es wurde eben alles knapp. Und diese nun knap­pen Güter wur­den ratio­niert. Jeder hat das Gleiche be­kom­men, es wur­de ab­so­lut ge­recht ver­teilt. Den Armen ging es plötz­lich bes­ser als vor­her, weil sie jetzt auch ihren ge­rech­ten An­teil an Milch, Fleisch, But­ter und so weiter be­kamen. Des­wegen war die Ratio­nie­rung auch wahn­sin­nig po­pu­lär. Was man ganz drin­gend be­to­nen muss: Wenn wir nun so eine Art Kriegs­wirt­schaft ein­füh­ren wür­den, dann wären wir nicht so arm wie die Briten 1939, son­dern wir wären wie anno 1978.

Aber wie soll das konkret funktionieren? Soll es wieder Lebens­mittel­karten geben?

Herrmann: Klar wäre jedenfalls, dass man das Fleisch ratio­niert. Nie­mand braucht Vege­ta­rier zu wer­den, weil es ja Flä­chen gibt, wo nur Gras wächst, das der Mensch nicht ver­dauen kann. Hier müs­sen wir also den Um­weg über das Tier neh­men. Aber ja, es muss weni­ger wer­den, und das müsste man dann wahr­schein­lich über Lebens­mittel­kar­ten machen. Auch Wohn­raum müsste ratio­niert wer­den. In Deutsch­land leben wir der­zeit im Schnitt auf 47 Qua­drat­me­tern pro Kopf. Das reicht. Auf Neu­bau müs­sen wir künf­tig ver­zich­ten, wir kön­nen nicht mehr alles ver­sie­geln.

Klingt kompliziert und schwer administrierbar.

Herrmann: Ja. Ich verspreche ja nicht das Para­dies. Aber immer wenn ein exis­ten­ziel­les Gut knapp wird, inter­es­siert sich kein Mensch mehr für Markt und Prei­se, son­dern alle ste­hen direkt beim Staat und wol­len, dass der das re­gelt. Beim Was­ser wird das ganz von selbst kom­men, denn die Trocken­heit wird zu­neh­men und das Was­ser knapp wer­den. Aus ganz an­de­ren Gründ­en, durch den Ukra­ine-Krieg, könn­ten wir Ratio­nie­rung schon in die­sem Win­ter er­leben: Wenn es noch sehr kalt wird, dann wird in Deutsch­land und Öster­reich der Staat ent­schei­den müs­sen, wo das Gas hin­fließt.

Wie würden Sie das Autofahren regeln?

Herrmann: Autos werden nur noch für jene sein, die krank sind und nicht in den Bus stei­gen kön­nen. So viel Öko­ener­gie wird es nicht ge­ben, um unse­re rie­si­ge Pkw-Flot­te noch zu be­feuern.

E-Autos bilden keine Ausnahme?

Herrmann: Der Tunnelblick auf die Antriebs­arten über­sieht, dass das Auto an und für sich eine ex­tre­me Ver­schwen­dung ist. Auch ein E-Auto wiegt bis zu zwei Ton­nen, und im Durch­schnitt sit­zen nur 1,3 Men­schen drin. Außer­dem ver­schlingt die rie­sige Bat­te­rie schon bei der Her­stel­lung viele Res­sour­cen. Auch Zug­fahren müsste ratio­niert wer­den, vor allem die Schnell­züge ver­brau­chen zu viel Ener­gie. Eigent­lich dürf­ten alle Züge nur noch maxi­mal 100 km/h fahren.

Die meisten Menschen werden das alles sehr extrem finden.

Herrmann: Wenn jemand einen besseren Vor­schlag hat, wie wir das Schrumpfen or­ga­ni­sie­ren kön­nen: Ich bin da ganz offen.

Fliegen sei sowieso nicht mehr drin, sagen Sie. Sie selbst fliegen auch gar nicht mehr.

Herrmann: Stimmt. In dem Moment, da man sich mit dem Thema ernst­haft be­fasst, kann man nicht mehr flie­gen. Das ist to­tal un­prak­tisch: Mein bes­ter Freund lebt seit einem Jahr in Washing­ton, lädt mich im­mer ein, und ich kann nicht hin. Aber es ist nicht wich­tig, ob ich flie­ge oder nicht, wich­tig ist: Wir brau­chen eine makro­öko­no­mi­sche Lö­sung, denn allein in Deutsch­land sind di­rekt und in­di­rekt 850.000 Men­schen in der Flug­zeug­in­dus­trie be­schäf­tigt: all die Leute bei Air­bus, die Stewar­des­sen, Pi­lo­ten und Reise­büro­mit­ar­beiter. Sie alle brau­chen dann ja an­dere Jobs, ge­nau­so wie die Be­schäf­tig­ten der Auto­mobil­in­dus­trie und vie­ler an­derer Branchen.

Und was sollen die dann alle machen?

Herrmann: Die Arbeit wird nicht ausgehen, denn der Klima­schutz ist sehr auf­wen­dig. Es müs­sen Häu­ser ge­dämmt, Wärme­pum­pen ein­ge­baut, Solar­an­la­gen in­stal­liert und Wind­kraft­räder er­rich­tet wer­den. Das Pro­b­lem ist: Vie­les fin­det nicht dort statt, wo die Leute jetzt le­ben. Das er­for­dert also ex­tre­me Um­orien­tie­rungen und funk­tio­niert nur, wenn die Ge­sell­schaft das will. Auf gar kei­nen Fall will ich eine Dik­ta­tur, son­dern je­der muss ein­sehen, dass das lei­der un­aus­weich­lich ist. Und der Ver­zicht muss ko­or­di­niert pas­sie­ren, sonst bricht das Sys­tem zu­sam­men. Mit einer wich­ti­gen Aus­nahme: Jeder sollte so­fort wenig Fleisch es­sen und Öko­pro­dukte kaufen. Da­mit würde nichts zu­sam­men­bre­chen, die Land­wirt­schaft müsste sich nur um­stellen.

Achim Wambach, Präsident des Zentrums für Euro­pä­ische Wirt­schafts­for­schung, ver­tritt in sei­nem neuen Buch "Klima muss sich loh­nen" The­sen, die teils kon­trär zu den Ihren sind: Ohne Wirt­schafts­wachs­tum be­kämen wir die Klima­wende nicht hin. Und wenn Län­der wie In­dien und Chi­na schrump­fen, wäre so­wie­so alles vorbei.

Herrmann: In vielen Ländern kann die Wirt­schaft so­wie­so noch wach­sen, zum Bei­spiel in Ma­la­wi. Des­sen Ein­wohner emit­tie­ren im Augen­blick nur 100 Kilo CO2 pro Kopf und Jahr, laut Welt­klima­rat ist aber eine Ton­ne er­laubt. In­dien emit­tiert ak­tu­ell 1,8 Ton­nen pro Kopf und Jahr. In­dien müsste also erst 2090 klima­neu­tral sein, weil es das Klima pro Be­woh­ner nur ein Vier­tel so stark be­las­tet wie etwa Deutsch­land oder Öster­reich. Das Prob­lem an der Klima­krise sind die rei­chen kapi­ta­lis­ti­schen Län­der und sonst nie­mand: USA, Kana­da, Euro­pa, Russ­land, Aus­tra­lien und auch China. Die müs­sen bei den Emis­sio­nen runter.

In letzter Zeit ist viel davon die Rede, eine Ent­koppe­lung von Wirt­schafts­wachs­tum und Emis­sio­nen sei durch­aus mög­lich, das zeig­ten so­wohl Euro­pa als auch die USA und Kana­da be­reits. Was sagen Sie dazu?

Herrmann: Die USA emittieren immer noch mehr als 14 Ton­nen CO2 pro Kopf und Jahr - das ist dop­pelt so viel wie Deutsch­land oder Öster­reich. Es ist ein Witz, aus­ge­rech­net die USA als Vor­bild an­zu­prei­sen. Zu­dem wird da­bei über­sehen, dass kleine Fort­schrit­te nicht weiter­hel­fen. Wir müs­sen 2045 abso­lut klima­neu­tral sein. Und die­ses Ziel wird nir­gend­wo er­reicht.

Warum unterstützen nicht einmal die Grünen Ihre Ideen? Die Grü­nen-Poli­ti­kerin Steffi Lemke sagt, sie kön­ne mit Ihrem Buch wenig an­fan­gen: Es sei ein Lu­xus, dass "die Gene­ra­tion, die es ver­bockt hat, nun den jun­gen Leu­ten sagt: Das geht nicht mehr."

Herrmann: Dass die grüne Führung weiter­hin so tut, als wäre grü­nes Wachs­tum mög­lich, ver­stehe ich. Die Mehr­heit der Wäh­ler will das hören, und in einer Demo­kra­tie füh­ren Par­teien nicht, son­dern fol­gen ihren Wäh­lern. Da­her muss erst ein­mal die Mehr­heit der Bür­ger ver­ste­hen, dass es tat­säch­lich um ihr Über­leben geht. Die heute 20-Jäh­rigen ha­ben genau eine Wahl: in einer Welt zu le­ben, die weit­ge­hend zer­stört ist, oder aus dem Kapi­ta­lis­mus aus­stei­gen. Die Option, es könne al­les blei­ben, wie es ist, exis­tiert nicht.

Warum sind Sie so sicher, dass Sie recht haben?

Herrmann: Weil wir in 22 Jahren klimaneutral sein müssen. Das ist ver­dammt we­nig Zeit. Da hilft nur noch "grü­nes Schrump­fen". Der Ti­tel meines Buches ist auch keine For­de­rung nach dem Mot­to "Schafft den Kapi­ta­lis­mus ab!", son­dern eine Be­schrei­bung. Der Kapi­ta­lis­mus wird en­den, ob wir das wol­len oder nicht.

Gekippt 

Was wir tun können, wenn Systeme außer Kontrolle geraten
Posted by Wilfried Allé Thursday, August 24, 2023 3:20:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 1 Votes

von Nils Goldschmidt, Stephan Wolf

ISBN: 9783451387432
Verlag: Verlag Herder
Umfang: 272 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Erscheinungsdatum: 12.10.2021
Format: Hardcover
Preis: € 24,70

Kurzbeschreibung des Verlags

Wir leben in einer Zeit, in der vieles be­droht ist, was lange als selbst­ver­ständ­lich galt: öffent­li­che Ge­sund­heit, Demo­kra­tie und Friede, so­zia­le Sicher­heit, wirt­schaft­li­cher Wohl­stand und eine in­tak­te Um­welt. So­ge­nannte Kipp­mo­mente be­zeich­nen sol­cher­lei Si­tua­tio­nen, in de­nen sich ein Sys­tem (öko­lo­gisch, poli­tisch oder so­zial) plötz­lich und un­um­kehr­bar än­dert. Das Wis­sen um sie ist für das Ver­ständ­nis un­se­rer kom­ple­xen Ge­gen­wart essen­ziell.

Nils Goldschmidt und Stephan Wolf machen deut­lich, dass Kipp­mo­men­te keine un­ab­änder­baren Schick­sale sind, son­dern be­ein­flusst und ab­ge­wen­det wer­den kön­nen. Ein Buch, das zeigt, wie wir un­sere Zu­kunft in einer sich im­mer schnel­ler wan­delnden Welt ge­stal­ten kön­nen, an­statt uns vor der nächs­ten Krise zu fürchten.

Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben 

Der Bestseller zum Klimawandel jetzt im Taschenbuch
Posted by Wilfried Allé Sunday, August 6, 2023 9:51:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
Rate this Content 1 Votes

von Eckart von Hirschhausen

Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Umfang: 528 Seiten
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft,
Wirtschaft
Erscheinungsdatum: 20.07.2022
Format, ISBN, Preis: Taschenbuch 9783423351904     € 15,50
  Hardcover 9783423282765     € 24,70
  Audio-CD | Der Hörverlag, 2021 9783844534481     € 16,82

 

Kurzbeschreibung des Verlags

»Wir müssen nicht die Welt retten, sondern uns.«

Was bedeutet der Klima­wandel für unsere Ge­sund­heit? Wir le­ben im­mer ge­sün­der und län­ger, zu­gleich ist nur noch we­nig Zeit, die­se Erde für uns be­wohn­bar zu hal­ten. Seit der Flut­katas­trophe 2021 ist klar: Wir müs­sen uns mit der Erd­er­hit­zung aus­ein­an­der­set­zen. Die Klima­krise be­trifft nicht nur künf­ti­ge Gene­ra­tio­nen, son­dern je­den von uns schon heute. Eckart von Hirsch­hausen macht sich auf die Su­che nach Ideen für eine bes­sere Welt: Ver­brau­chen wir so viel, weil wir nicht wis­sen, was wir wirk­lich brau­chen? Bringt uns aus­ge­rech­net der Wunsch nach in­di­vi­duel­ler Un­sterb­lich­keit kol­lek­tiv um? Und kann man über all die­se mensch­lichen Wider­sprü­che nicht auch la­chen? In Heraus­for­de­run­gen Lö­sun­gen zu fin­den, kann nie­mand so gut wie Eckart von Hirsch­hausen.

»Und wir müssen end­lich auf­hören, über Eis­bären zu sprechen.«

mehr dazu hier: https://www.derstandard.at/story/3000000180749/kabarettist-hirschhausen-hitze-ist-gift-fuer-unser-hirn-podcast

Systemsturz 

Der Sieg der Natur über den Kapitalismus | Der internationale Bestseller aus Japan
Posted by Wilfried Allé Friday, August 4, 2023 10:31:00 AM Categories: Sachbücher/Politik
Rate this Content 3 Votes

von Kohei Saito

ISBN 9783423283694
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Umfang: 320 Seiten
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Übersetzung: Gregor Wakounig
Erscheinungsdatum: 17.08.2023
Preis: € 25,70

 

Kurzbeschreibung des Verlags

Mit Marx in die Zukunft

Wenn wir glauben, die Welt durch nach­hal­ti­gen Kon­sum vor der Klima­ka­tas­trophe zu ret­ten, be­trü­gen wir uns selbst, sagt der ja­pa­ni­sche Philo­soph Kohei Saito. Denn der Ka­pi­ta­lis­mus ist nicht zu­kunfts­fä­hig. Klar und über­zeu­gend ver­tritt Saito die These: Nichts, was die Welt jetzt braucht, lässt sich in­ner­halb eines kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tems rea­li­sie­ren. Grü­nes Wachs­tum ist un­mög­lich. Was wir statt­des­sen brau­chen? Ei­nen neu­en Kom­mu­nis­mus. Ge­nau­er ge­sagt: ei­nen Öko­sozia­lis­mus, der nicht auf Wachs­tum aus­ge­rich­tet ist, der das Pro­duk­tions­tem­po he­run­ter­fährt und Wohl­stand um­ver­teilt. Schon Marx plä­dier­te für eine nach­hal­ti­ge Wirt­schafts­ord­nung. Und nur da­mit wird es uns ge­lin­gen, die Na­tur – un­se­re Le­bens­grund­lage – zu er­halten.

FALTER-Rezension

Das Manifest für den "Degrowth-Kommunismus"

Ulrich Brand in FALTER 37/2023 vom 15.09.2023 (S. 19)

Dass der Kapitalismus sich in einer Viel­fach­krise be­findet und ins­be­son­dere die Klima­krise kaum lös­bar scheint, hat sich herum­ge­spro­chen. Und doch blei­ben die poli­ti­schen Ini­tia­tiven, der exis­ten­ziel­len Be­dro­hung der Mensch­heit bei­zu­kom­men, meist zag­haft. Der ja­pa­ni­sche Wis­sen­schaft­ler Kohei Saito, Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Tokio, greift mit ei­nem ori­gi­nel­len Buch in die De­bat­te um die Reich­weite von Klima­poli­tik ein. In sei­nem Heimat­land hat sich der Band schon 500.000 Mal ver­kauft und ist auf dem Weg, ein glo­ba­ler Best­sel­ler zu werden.
"Systemsturz" ist der provokante Titel der gerade er­schie­ne­nen deut­schen Über­set­zung. Der Autor for­dert nichts an­deres als einen "Degrowth-Kom­mu­nis­mus" und macht da­für kon­kre­te Vor­schläge.

Saito startet mit einer scharfen Kritik an jenen Stra­te­gien ge­gen die Klima­krise, wel­che die ex­pan­si­ven Dy­na­mi­ken unse­res Wirt­schafts­sys­tems nicht in­frage stel­len: "grü­nes" Wachs­tum, grü­ner Keynesia­nis­mus oder öko­lo­gi­scher Kon­sum. Er räumt mit dem My­thos der "Ent­kopplung" von Wirt­schafts­wachs­tum und Res­sour­cen­ver­brauch auf und nimmt - das kommt nicht oft vor in die­ser Art von Bü­chern - immer wie­der die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen der öko­lo­gi­schen Ra­serei der In­dus­trie­län­der auf den glo­ba­len Süden in den Blick.

Degrowth, übersetzt als "Post-Wachstum", heißt vor allem: raus aus dem Wachs­tums­wahn und Um­bau einer Ge­sell­schaft - So­zial­sys­teme, Ar­beits­plätze, In­ves­ti­tionen -, die vom im­mer­wäh­ren­den Wachs­tum ab­häng­ig ist.

Brillant ist das Kapitel "Marx im Anthropozän". Saito zeigte vor eini­gen Jah­ren in sei­ner viel be­ach­teten Dis­ser­ta­tion, dass Karl Marx sich in sei­nen letz­ten 15 Lebens­jah­ren in­ten­siv mit der öko­lo­gi­schen Krise be­fasste. Er publi­zierte seine Über­le­gungen kaum, hat aber um­fang­rei­che Notiz­hefte an­ge­legt, ins­be­son­dere zur Krise der Land­wirt­schaft.

Saito argumentiert überzeugend, dass der "späte" Marx sich der Pro­bleme des in­dus­tri­el­len Pro­duk­ti­vis­mus sehr be­wusst war. Die Alter­na­tive zum Kapi­ta­lis­mus sah er im­mer we­ni­ger in der Revo­lu­tion des In­dus­trie­pro­le­ta­riats, son­dern in den Dorf­ge­mein­schaften, in denen ge­mein­schaft­liche und nach­hal­tige Lebens­formen vor­herrsch­ten. Hier wur­den Lebens­mit­tel ge­mein­schaft­lich pro­du­ziert und Saito gibt unter dem Be­griff "commons" - Ge­mein­schafts­güter - viele ak­tu­elle Bei­spiel dafür.

Bei den "fünf Säulen des Degrowth-Kommunismus" unter­streicht der Au­tor die Not­wendig­keit, mehr Ge­brauchs­werte her­zu­stel­len und nicht die am Pro­fit orien­tier­ten Waren. Er möchte die sys­tem­rele­van­ten Be­rufe wie Pflege und Bil­dung auf­ge­wer­tet se­hen - und die für das Wohl­er­gehen der Ge­sell­schaft nutz­losen Jobs im Marke­ting und Finanz­sek­tor we­ni­ger pres­tige­reich und gut be­zahlt. In der Ar­beits­zeit­ver­kür­zung sieht er einen Schlüs­sel für eine bes­sere Ge­sellschaft.

So weit, so von vielen vertreten. Doch Saito geht weiter und for­dert eine Ver­än­de­rung der be­ste­hen­den Ar­beits­tei­lung, dass also nicht ei­nige Men­schen die "bullshit jobs" machen und an­dere die inter­essanten. Schließ­lich, so seine fünfte "Säule", müssten Pro­duk­tions­pro­zes­se demo­kra­ti­siert wer­den - damit wür­den sie auch ver­langsamt.

Im Kapitalismus schaffen die privaten Unter­nehmen vor al­lem Knapp­heit und pro­du­zie­ren das, was sich gut ver­kauft. Das geht not­wen­diger­weise mit der Aus­beu­tung von Mensch und Na­tur bis hin zur Zer­stö­rung einher.

Ein spannendes Argument Saitos lautet, dass wir neue For­men des Über­flus­ses be­nö­tigen: nicht den Über­fluss von Fast Fashion, schlech­tem indus­triel­lem Es­sen und sinn­lo­sem Enter­tain­ment, son­dern Über­fluss in einer ent­schleu­nig­ten Ge­sell­schaft, in der Ver­trauen, ge­gen­sei­ti­ge Hilfe, aber auch lang­le­bige Ge­brauchs­gü­ter ein siche­res und sinner­fülltes Le­ben er­mög­lichen.

Der Staat spielt dabei eine wichtige Rolle, sollte aber nicht über­schätzt wer­den die Men­schen müs­sen selbst aktiv wer­den. Der hier ver­tre­tene "Kom­mu­nis­mus" hat gar nichts mit den auto­ri­tär-büro­kra­ti­schen Sys­temen des realen So­zia­lis­mus zu tun.

Saito hat ein lesenswertes Buch vor­gelegt, das wich­tige Im­pul­se gibt. An man­chen Stel­len ar­gu­men­tiert er et­was schema­tisch, wenn "das Kapital" als Gegen­über "der Men­schen" dar­ge­stellt wird. Als ge­schul­ter Marxist weiß er na­tür­lich, dass das Kapi­tal selbst die Men­schen ein­bin­det und vie­len ein ma­teriell aus­kömm­liches Le­ben er­mög­licht. Die Fra­ge, wie an­dere und nicht­zer­stö­re­rische Be­dürf­nis­se ent­stehen kön­nen, lässt er außen vor. Auch die Tat­sache, dass "der" glo­ba­le Sü­den nicht nur ein Ort der Aus­beu­tung ist, son­dern dass dort höchst un­gleich ge­lebt wird, spielt keine Rolle.

Ein einziges Buch kann nicht alles bieten. Aber Saito hat schon viele An­regungen im Angebot.
 

Autorenportrait

Kohei Saito, geboren 1987, ist Associate Profes­sor für Phi­lo­­so­­phie an der Uni­­ver­­si­tät von To­kio. Er pro­­mo­vier­­te 2016 an der Hum­boldt-Uni­­ver­­si­­tät zu Ber­lin, ist Mit­­heraus­­ge­ber der Marx-Engels-Ge­­samt­­aus­­ga­be und wurde 2018 mit dem Isaac-Deut­­scher-Preis aus­­ge­­zeich­­net. Saitos »Systemsturz­« wurde in Ja­pan ein großer Er­folg, das Buch ver­kaufte sich dort mehr als 500.000 Mal.

In diesem Buch analy­siert der ja­pa­ni­sche Philo­soph Kohei Saito die Ver­flech­tung von Kapi­tal, Natur und Ge­sell­schaft im Anthro­po­zän. Ent­ge­gen der her­kömm­li­chen Les­art ent­deckt er die Ge­dan­ken von Karl Marx neu und ent­wickelt mit ihrer Hil­fe das Mo­dell ei­nes de­growth-Kom­mu­nis­mus. Er kri­ti­siert den in­ne­ren Wachs­tums­zwang des Kapi­ta­lis­mus als eine Grund­pro­ble­ma­tik der heu­ti­gen men­schen­ge­mach­ten und kapi­tal­ge­trie­be­nen Klima­krise.

Saito entdeckt alter­na­tive Pfade der Dis­kus­sion bei Marx und plä­diert für eine De­kar­bo­ni­sie­rung un­ter an­de­rem durch kür­ze­re Ar­beits­zei­ten und Pri­ori­sie­rung auf lebens­wich­tige Pro­duk­tion. Er be­nennt die Nach­hal­tig­keits­zie­le der Ver­ein­ten Nati­onen als neues «Opium des Volkes» und for­dert die Ver­ge­sell­schaf­tung der großen Öl­kon­zerne, Groß­banken und der di­gi­ta­len In­fra­struk­tur.

Das Buch machte in Japan mit über 500.000 ver­kauf­ten Exem­pla­ren Furore und wurde nun von Gregor Wakounig für den dtv Verlag über­setzt.

Page 4 of 30 << < 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 > >>
https://www.az-neu.eu/Blog/ViewList.aspx?pageid=10275&mid=11378&pagenumber=4