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Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist 

oder Sieben Schritte in die Diktatur
Posted by Wilfried Allé Sunday, August 1, 2021 11:27:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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von Ece Temelkuran

Übersetzung: Michaela Grabinger
ISBN 9783455011319
Verlag: Hoffmann und Campe
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 272 Seiten
Format: Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 01.04.2019
Preis: € 14,40

Kurzbeschreibung des Verlags:

»Ein essenzielles Buch.« Margaret Atwood auf Twitter

»Ihr neues Buch ›Wenn dein Land nicht mehr dein Land ist‹ ist eine brillante Analyse.« ARD titel thesen temperamente

Eine scharfsinnige und weitsichtige Analyse der weltweiten Entdemokratisierung und ein engagierter Aufruf zur Verteidigung der Demokratie.
Ob Erdoğans Türkei, die Brexit-Entscheidung oder eine weitere europäische Wahl, die Rechtspopulisten neue Rekordwerte eingebracht hat: Populismus ist zur globalen Krankheit geworden. Mit seismographischem Gespür fahndet Ece Temelkuran nach seinen Ursachen und macht sieben wiederkehrende Schritte aus, zu denen Möchtegern-Diktatoren in aller Welt greifen, um an die Macht zu gelangen. Nachdrücklich schärft sie uns den Blick und lässt uns antidemokratische Tendenzen beizeiten erkennen. Ihr Buch ist eine eindringliche Aufforderung, ins Gespräch zu kommen über das, was notwendig ist, wenn wir weiterhin friedlich zusammenleben wollen.

Rezensionen

Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2019

Heimatvertriebene
Die Journalistin Ece Temelkuran, die in der Türkei nicht mehr erwünscht ist, klagt über den Aufstieg von Autokraten und warnt vor politischer Abstinenz.
Das Exil sei eine Krankheit, „unter anderem deswegen, weil man das Gefühl hat, dauernd an einer Wunde zu leiden, die einen erinnert, dass man etwas verloren hat, dass einem etwas weh tut“, schrieb die Schriftstellerin Hilde Spiel, die 1936 von Wien nach London emigrierte. Die Türkin Ece Temelkuran kennt den Phantomschmerz der Heimat-Amputierten. Von Izmir, wo sie 1973 geboren wurde, sieht sie gerade noch den Lichtschein am Nachthimmel, wenn sie auf einer griechischen Insel Freunde trifft. Näher kann sie ihrer Heimat nicht mehr kommen. Aber die Journalistin und Juristin hatte ihr Land schon verloren, bevor sie die Türkei verließ.
Die schleichende Entfremdung beschreibt sie in ihrem jüngsten Buch. Temelkuran ist bitter, zynisch und emotional, und sie verbirgt dies nicht. Bevor es zu düster wird, erinnert sie sich immer wieder an Szenen von entlarvender Komik. Etwa wenn sie auf die „Partei-Girlies“ trifft, die neureichen Frauen der aktuellen politischen Elite, die sich „den Vergnügungen des neuen Osmanentums“ hingeben und im Porsche vor einem Lokal mit Bosporusblick vorfahren. Als der Kellner dort die Autorin bemerkt, flüstert er ihr zu: „Sie setzen sich besser in eine andere Ecke.“
Ein paar Jahre zuvor wurde auch Temelkuran noch von den Aufsteigerinnen umworben. Jede Woche lade man eine „Frau aus dem anderen Lager“ ein, erfährt sie bei einer Frauenversammlung der regierenden AKP. Temelkuran sagte: „Nein danke.“ Jedes soziale, religiöse oder politische Projekt nehme sich stets die Frauen vor, versuche, sie seinem ideologischen Outfit anzupassen, schreibt sie. Und siehe, nicht selten gelingt das auch. Temelkuran hat aber nicht nur die Türkei im Blick, sie sucht auch andernorts nach Ähnlichkeiten, nach Sympathien für das Autoritäre. „Der Rechtspopulismus ist eine globale Bewegung“, schreibt sie, das Buch soll die Aufmerksamkeit auf Abgründe lenken, die sich unter den Fundamenten der verschiedensten Gesellschaften auftun können. So berichtet sie aus Donald Trumps Amerika und von Begegnungen mit Brexiteers und denkt die Türkei immer mit. Ein absolutistischer Populismus, der für sich in Anspruch nimmt, das „wahre Volk“ zu vertreten, und Politiker, die grundanständige Begriffe wie „Respekt“ und „Würde“ so lange verbiegen, bis sie nur noch für einen Teil des Volkes gelten – Temelkuran kennt das alles aus dem eigenen Land und findet es wieder in EU-Staaten wie Ungarn oder Polen.
Die neuen Autokratien brauchen keinen „Ismus“ mehr, es reicht ein unumstrittenen Mann an der Spitze. Nur dessen persönlich gegebene Versprechen zählen, und nach jedem Haken, den der Anführer schlägt, müssten seine Anhänger herausfinden, welches Verhalten nun angesagt ist. Politik mit der „Hundepfeife“ nennt Ece Temelkuran das. Selbstkritisch fragt sie sich, wie es so weit kommen konnte. Und wo das Rettende ist.
Was ihr einfällt: Wer etwas verändern wolle, dürfe nicht am Rand bleiben, nicht bloß Zuschauer sein, gefesselt ans Smartphone. Den Luxus, nicht politisch aktiv zu sein, gebe es für all jene nicht, die ihr Land nicht eines Tages auch verlieren wollten. Temelkuran hat mehrere erfolgreiche Romane verfasst, auch in ihren Sachbüchern nutzt sie ihr poetisches Talent, sie sind mehr Essay als abgeklärte Analyse. Etwa zehn Jahre lang schrieb sie Kolumnen für große türkische Zeitungen und moderierte bis 2011 eine Sendung in einem Privatkanal. Sie verlor ihren Job, als sie die Regierung nach einem tödlichen Zwischenfall im türkisch-irakischen Grenzgebiet kritisierte. Dabei wurden 34 überwiegend junge kurdische Schmuggler durch ein Bombardement aus der Luft getötet. Die Armee beharrte, sie habe sie für Kämpfer der militanten PKK gehalten. Nach dem Putschversuch vom Juli 2016 beklagte die Journalistin auch den zerstörerischen Einfluss des Predigers Fethullah Gülen.
Temelkuran lebt inzwischen in Zagreb. Wie einst die Exilantin Hilde Spiel schreibt sie jetzt auf Englisch. Im Original trägt ihr Buch den Untertitel: „The Seven Warning Signs of Rising Populism“. Das ist genauer als „Sieben Schritte in die Diktatur“, wie es in der deutschen Ausgabe heißt. Denn Temelkurans Anklageschrift macht ja gerade klar, dass der Rechtspopulismus im Fake-News-Zeitalter anders funktioniert als die klassische Diktatur der Einparteienherrschaft im alten Ostblockstil. „Nicht der Kaiser drängt dich an den Rand“, schreibt Temelkuran, das besorgen schon dessen Untertanen. Es ist eine „grauenhafte zermürbende Morallosigkeit, die zur Suche nach einem Anderswo zwingt“.
CHRISTIANE SCHLÖTZER

Der entzauberte Staat 

Was Deutschland aus der Pandemie lernen muss
Posted by Wilfried Allé Wednesday, July 28, 2021 6:50:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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von Moritz Schularick

ISBN 9783406777820
Verlag: C.H.Beck
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 140 Seiten
Format: Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 15.07.2021
Preis: € 14,40

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

WAS IN DER CORONA-KRISE FALSCH LIEF UND WAS SICH ÄNDERN MUSS
Wie soll ein Staat, der es nicht schafft, Lüfter in die Klassenzimmer seiner Schulen einzubauen, im kommenden Jahrzehnt den komplexen ökologischen Umbau der Wirtschaft steuern? Dafür brauchen wir einen vorausschauenden, risikobereiten und handlungsstarken Staat, der die richtigen Anreize setzt und in neuen Situationen flexibel reagieren kann. Also genau das, was uns in der Pandemie fehlte. Dieses Buch zeigt die Defizite im Management der Krise auf und beschreibt, was sich ändern muss, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft bewältigen wollen.
Im Frühjahr 2020 schien Deutschland die Pandemie vorbildlich zu bewältigen. Doch ein Jahr später war von der Selbstzufriedenheit nicht mehr viel übrig. Die Defizite in der Leistungsfähigkeit des Staates waren nicht mehr zu leugnen. Die Politik stolperte durch die Krise und verlor sich in Detailregelungen, als es darauf ankam, eine Strategie für das Land zu entwickeln und die alles entscheidende Impfstoffproduktion zu beschleunigen. Sie scheute das Risiko, obwohl Abwarten und Zögern letztlich das viel riskantere Vorgehen war. Schaut man genauer hin, so zeigten sich ähnliche Probleme bereits in vorherigen Krisen, etwa der globalen Finanzkrise und der Eurokrise. Deutschland tut sich schwer, wenn Entscheidungen gefällt werden müssen, für die es kein Regelbuch gibt. Es droht die Gefahr, dass Europa im Vergleich zu China und den USA erneut zum Krisenverlierer wird. Doch das ist nicht das einzige Problem. Denn die Pandemie war auch ein Probelauf für die Herausforderungen, die im nächsten Jahrzehnt beim Klimawandel auf uns zukommen. Wir brauchen in Zukunft einen leistungsfähigeren Staat, mehr Pragmatismus und auch das Selbstvertrauen, unkonventionelle Wege zu beschreiten. Denn in einer sich rasch ändernden Welt gehen wir nicht auf Nummer sicher, wenn wir so weitermachen wie bisher, sondern indem wir besser darin werden, flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Corona und die Konzeptlosigkeit der deutschen Politik

Was andere Länder besser machen

Wie wir aus den Fehlern lernen können
 

FALTER-Rezension

Der inkompetente Staat

Von Impfstoffbeschaffung bis Kurzarbeit: Der deutsche Ökonom Moritz Schularick zieht Lehren aus der Covid-Krise

In der Covid-Pandemie halten die kommenden Krisen ihre Generalprobe. Im Urteil Moritz Schularicks, Professor an der Universität Bonn und einer der wichtigsten deutschsprachigen Makroökonomen, gab es bei diesem Test der staatlichen Handlungsfähigkeit Deutschlands mehr Schatten als Licht.
Dabei begann alles recht erfolgreich, was mit ein paar Einschränkungen auch für Österreich gilt: Die erste Covid-Welle im Frühjahr 2020 wurde mit einem raschen Lockdown relativ gut bewältigt. Schularick betont die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und des Sozialstaats, der eine Sternstunde erlebte.
Die in beiden Ländern in großem Stil eingesetzte Kurzarbeit rettete zahllose Arbeitsplätze. Dennoch stieg die Arbeitslosigkeit in Österreich zunächst drei Mal so stark wie in Deutschland, auch weil viele Tourismusbetriebe kündigten, statt in Kurzarbeit zu gehen. Auch der Sozialstaat zeigte da und dort Lücken: Etwa im Fehlen einer Erwerbslosenversicherung oder von Kurzarbeitsregelungen für kleine Selbstständige und Kulturschaffende.
In der zweiten Covid-Welle im Herbst 2020 wurden die Versäumnisse offensichtlicher. Etwa in den fehlenden Entlüftungsanlagen in Schulen, deren Einbau nicht einmal vor der vierten Covid-Welle gelang. In vielen Regionen funktionierte das Testen nicht, Kontaktverfolgung und Quarantäneüberwachung blieben löchrig.
Schularick geht mit den Fehlern bei der Impfstoffbeschaffung besonders scharf ins Gericht. Deutschland, Österreich und die EU waren an niedrigen Preisen interessierte Kunden statt auf raschen Aufbau von Produktionskapazitäten drängende Partner der Industrie. Die Administration Biden in den USA hingegen stellte auf Corona-Kriegswirtschaft um und griff dirigistisch in die Impfstoffproduktion ein.

Ach, Tirol!
Ein besonders kostspieliger Denkfehler besteht im angeblichen Zielkonflikt zwischen Wirtschaft und Gesundheit. Lockdowns werden verschleppt, Öffnungen zu früh umgesetzt, weil das wirtschaftlich notwendig sei.
Doch Schularick zeigt, wie ein entschiedener Lockdown mit dem Ziel niedriger Inzidenzen auch wirtschaftlich sinnvoll ist, weil er kurzfristig wenig Wirtschaftsaktivität kostet und mittelfristig viel mehr ermöglicht.
Er beklagt die Probleme politischer Entscheidungsfindung, Verwaltungsroutinen, Föderalismus, Langsamkeit und Einfluss mächtiger Lobbys (ach, Tirol!). Es fehlen die Digitalisierung in Verwaltung und Schulen, Daten und institutionalisierte Zusammenarbeit mit problemorientierter Forschung. Der deutsche Staat ist ungenügend auf Handeln in unerwarteten Situationen, auf „Reagieren ohne Betriebsanleitung“ eingestellt.
Schularick führt das auch auf die deutsche Spargesinnung zurück: Sparsamkeit galt gerade beim Staat als wichtigste Sekundärtugend des 21. Jahrhunderts. „Schwarze Null“ und „Schuldenbremse“ behinderten Digitalisierung und Ausbau öffentlicher Infrastruktur. Dies könnte sich bei der Bearbeitung der nächsten Krisen, von Klima bis Ungleichheit, aufs Neue rächen. Angesichts der enormen Herausforderungen und der historisch niedrigen Zinsen ist ein Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik notwendig.
Erfreulicherweise gibt es diesen in Berlin und in Brüssel: Finanzminister Olaf Scholz drängt, beraten von einem Kreis exzellenter und pragmatischer Ökonominnen und Ökonomen, auf starke öffentliche Investitionen gegen die Krisen, etwa in Form des EU-Wiederaufbaufonds.

Sparen als Glaubenssatz
Bitter, wie parallel dazu Österreich an wirtschaftspolitischer Kompetenz abbaut: Lange für aktive Wirtschaftspolitik, hohe Investitionen und starken Sozialstaat gerühmt, verkündet die Bundesregierung nun Spargesinnung als Glaubenssatz und bremst bei EU-Offensiven für Investitionen und Sozialstandards. Gleichzeitig lag das Budgetdefizit wegen oft überfördernder und intransparenter Unternehmenshilfen doppelt so hoch wie in Deutschland – und dennoch explodierte die Zahl der meist armutsgefährdeten Langzeitarbeitslosen.
Moritz Schularick verlangt angesichts der Erfahrungen in der Covid-Pandemie ein „Upgrade“ für den Staat. Um unter Unsicherheit verlässlich handeln zu können, sind bessere Daten, engere Vernetzung mit der Wissenschaft, leistungsfähige Verwaltung sowie öffentliche Interventions- und Investitionsbereitschaft nötig.
Es geht nicht um mehr oder weniger Staat, sondern um einen handlungsfähigen und kompetenten Staat, der die neuen Herausforderungen ebenso gezielt wie pragmatisch angeht. Das gilt wohl gleichermaßen für Österreich.

Markus Marterbauer in Falter 30/2021 vom 30.07.2021 (S. 19)

Politik für alle 

Hannah Arendt lesen in unsicheren Zeiten
Posted by Wilfried Allé Wednesday, July 21, 2021 6:17:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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von Ned O'Gorman

ISBN 9783312012107
Übersetzung: Stephanie Singh
Verlag: Nagel & Kimche
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 360 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 17.05.2021
Preis: € 24,70

Kurzbeschreibung des Verlags:

Ein zeitgemäßer Zugang zu Hannah Arendts Denken
- In der heutigen Zeit denken viele, dass wir mit weniger statt mehr Politik besser dran wären. Ned O’Gorman sieht das anders. Mit Hannah Arendt argumentiert er für ein Mehr an Politik. Politik ist für Arendt nicht die letztgültige Lösung für das gedankenlos Böse, doch stellt sie ein wichtiges Gegenmittel dar – weil sie uns dazu aufruft, mit anderen, die sich von uns unterscheiden, zu reden. Politik besteht in der Auseinandersetzung mit Menschen, die anders sind als wir, in der Einbeziehung anderer Sichtweisen und Bedürfnisse und in der Vermeidung von gedankenlosen Vorurteilen und instinktiven Reaktionen.
Was machen wir aus der Tatsache unseres Zusammenlebens? Eben dies ist laut Arendt die entscheidende politische Frage. O’Gorman macht Hannah Arendts Gedankengänge allen verständlich und setzt sie dabei gewinnbringend in Bezug zur heutigen Zeit.

FALTER-Rezension

Warum Politik mehr als ein „Game of Thrones“ ist

Politik erzeugt Elend, Depression, Apathie, Empörung und Wut. Diesen Gemeinplatz möchte Ned O’Gorman mit seinem Buch widerlegen. Es heißt „Politik für alle. Hannah Arendt lesen in unsicheren Zeiten“, denn für seine Ehrenrettung der Politik ruft der Professor für Kommunikationswissenschaften der Universität Illinois die deutsch-amerikanische Philosophin als Kronzeugin auf.

Hannah Arendt (1906–75) vertrat den Standpunkt, dass Politik nicht nur wenige angehe, die Politiker, Privilegierten, Reichen, Durchtriebenen oder Experten – sondern alle. O’Gorman nennt sein Buch deswegen eine „Verteidigungsschrift für jene Menschen, die den Glauben an die Politik verloren haben“ – und deren kennt er selbst persönlich viele. Trotzdem sieht er die Situation nicht als hoffnungslos an, denn Politik sei ein Weg, ein „Merkmal des Zusammenlebens“, und kein Ziel – und müsse deswegen immer von neuem in Angriff genommen werden.

„Politik ist letztlich die Kunst, in Freiheit und Gleichheit mit anderen zusammenzuleben“, definiert O’Gorman. Damit sei die Politik nicht das Problem, sondern Teil der Lösung, ein Heilmittel gegen das „gedankenlose Böse“, dem Arendt den berühmten Begriff der „Banalität des Bösen“ verliehen hat.

O’Gorman bedauert, dass Politik in den Medien, aber auch in Serien wie „Game of Thrones“ so oft als ein bloßes Spiel um Macht, Intrigen, Lügen, Manipulation und Herrschaftsstreben dargestellt wird. Vieles von dem, was wir heute Politik nennen, sei nur die Korruption von Politik, meint O’Gorman, deswegen brauche es nicht weniger, sondern eine bessere Politik.

Politik bedeute aber noch mehr: das in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung prominent erwähnte Verfolgen von Glück, das zu den unveräußerlichen Rechten gezählt wird. Aber privates Glück, so lautete die Hauptthese von O’Gorman, hängt vom öffentlichen Glück ab – und ein gelingendes öffentliches Leben von der Freiheit und Gleichheit der an ihm Teilnehmenden. Man könne Politik nicht entgehen, man könne sie nur „konstruktiver oder destruktiver machen, demokratischer (als Vorrecht der Bürger) oder oligarchischer (als Privileg der Wenigen) gestalten“.

Eine konstruktive Politik beruhe auf Denken, Sprechen und Handeln. Sie ereignet sich, „wenn Menschen frei als Gleiche zusammenkommen und gemeinsam Anliegen im Gespräch oder handelnd begegnen“ – und das auch oder gerade in Krisenzeiten, betont O’Gorman, wo statt auf politische häufig auf technologische oder wirtschaftliche Lösungen gesetzt würde.

Autoritarismus, Zwang, Effizienz und Kontrolle stellt O’Gorman mit Arendt das „Wunder“ einmaliger, unvorhersehbarer Handlungen entgegen, dem Glauben in die freien Märkte des Kapitalismus, die in Wahrheit volatil und destruktiv sein könnten, eine Wiedergewinnung des Begriffs von Politik, der auf Argumenten und der Verantwortung einer frei gebildeten Meinung beruht. Politisches Handeln müsse immer auf Überzeugung beruhen und stelle somit das Gegenteil von Gewalt und Manipulationen dar. Vielmehr sei die Politik ein Raum, in dem die Menschen die Freiheit hätten, unterschiedlicher Meinung zu sein.

Gormans gut verständliche Ausführungen lassen sich auch als Einführung in das Denken einer der profiliertesten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts lesen, weniger als ein Buch über Hannah Arendt denn als ein „arendtianisches Buch“ – in jedem Fall aber stellen sie aber eine optimistische, Mut machende Bestimmung der Politik als „Kunst der freien Kooperation und Koordination und des Kompromisses“ dar. In Krisenzeiten notwendiger denn je.

Kirstin Breitenfellner in Falter 29/2021 vom 23.07.2021 (S. 15)

Ich habe einen Namen 

Eine Geschichte über Macht, Sexualität und Selbstbestimmung
Posted by Wilfried Allé Wednesday, July 14, 2021 10:52:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Gesellschaft
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von Chanel Miller

ISBN 9783550200809
Ausgabe: 2. Auflage
Verlag: Ullstein Buchverlage
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Gesellschaft
Umfang: 480 Seiten
Format: Hardcover
Übersetzung: Yasemin Dinçer, Hannes Meyer, Corinna Rodewald
Erscheinungsdatum: 22.10.2019
Preis: € 20,60

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

»EIN BUCH, DAS HOFFNUNG GIBT. MÖGE CHANEL MILLERS MUT ANSTECKEND SEIN.« Margarete Stokowski
Unter dem Pseudonym Emily Doe verlas sie vor Gericht einen Brief an den Mann, der sie nach einer Party an der Stanford University vergewaltigt hatte und zu nur sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Der Text erreichte Millionen Menschen weltweit, der Kongress debattierte über den Fall, der zuständige Richter wurde abgesetzt, und man änderte die Gesetze in Kalifornien, um Opfer zu schützen. Wortmächtig beschreibt Chanel Miller, wie es sich anfühlt, den eigenen Körper wie eine Jacke abstreifen zu wollen. Wie unsere Gesellschaft über den Alkoholkonsum, die Kleidung und das Liebesleben von Frauen urteilt. Ihre Geschichte zeigt, dass Sprache die Kraft hat, zu heilen und Veränderungen herbeizuführen.

Der New-York-Times-Bestseller - jetzt auf Deutsch.

Pressestimmen

»Eine wunderbar geschriebene, kraftvolle und wichtige Geschichte … Dieses Buch verdient es, überall gelesen zu werden—und vor allem sollte die nächste Generation junger Männer es lesen…« New York Times  
»Chanel Miller hat ein Talent für eindringliche Sätze« Süddeutsche Zeitung  
»In einer Welt, in der immer noch zu viele Überlebende sexueller Gewalt ihre Erfahrungen für sich behalten und ihr eigenes Leid herunterspielen müssen … nimmt Ich habe einen Namen eine wichtige Position ein; die Autorin beweist darin ihre schillernde Präsenz und lässt sich nicht länger schmälern. Trotz allem stimmt die Lektüre hoffnungsvoll.« Guardian
»[Millers] Stil ist zugänglich und effektvoll, ihr komödiantisches Talent … scheint selbst in dieser düsteren Erzählung durch, ihre Metaphern … sind kristallklar« Vogue

FALTER-Rezension

Bei einer Party an der Universität Stanford wurde Chanel Miller 2015 von einem Studenten vergewaltigt. Ihr Statement, das sie vor Gericht vorlas, erschien anonym auf Buzzfeed und verbreitete sich viral. In ihrer Autobiografie erzählt die heute 29-jährige Miller im Plauderton und zugleich berührend ehrlich, wie der Übergriff selbst und der langwierige Gerichtsprozess ihr Leben veränderten.

Anna Goldenberg in Falter 28/2021 vom 16.07.2021 (S. 21)

Machtmaschinen 

Warum Datenmonopole unsere Zukunft gefährden und wie wir sie brechen
Posted by Wilfried Allé Tuesday, July 6, 2021 5:31:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft
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von Thomas Ramge , Viktor Mayer-Schönberger

ISBN 9783867746519
Verlag: Murmann Publishers
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 208 Seiten, 2. Auflage
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 13.10.2020
Preis: € 20,60

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Digitalen Superstarfirmen ist es in den vergangenen zwanzig Jahren gelungen, die meisten und relevantesten Daten auf ihren Servern zu zentralisieren. Diese Datenmonopole mögen zwar gut für die Aktionäre von Facebook, Amazon und Google sein, aber sie sind schlecht für den Fortschritt. Denn damit wir Alzheimer besiegen, die Bahn pünktlich machen und Armut erfolgreich bekämpfen können, müssen alle Zugriff auf Daten haben – vom Wissenschaftler über den innovativen Mittelständler bis zum Sozialarbeiter. Es wird also Zeit, die datenreichen Superstarfirmen zu verpflichten, ihre Datenschätze mit anderen zu teilen – und Datenschutz neu zu denken. Thomas Ramge und Viktor Mayer-Schönberger fordern eine Abkehr vom Datenschutz deutscher Prägung und machen sich stark für eine Datennutz-Grundverordnung, die für unseren Wohlstand so notwendig wie die Datenschutz-Grundverordnung für unsere bürgerlichen Rechte ist.
„Machtmaschinen“ ist ein ökonomisch kluges, technisch kompetentes und politisch streitbares Buch für eine neue Kultur des Daten-Teilens.

Viktor Mayer-Schönberger im Interview ->

Der Semmering 

Eine exzentrische Landschaft
Posted by Wilfried Allé Monday, July 5, 2021 9:18:00 AM Categories: Ländergeschichte Sachbücher/Geschichte/Regionalgeschichte
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von Wolfgang Kos

ISBN 9783701735075
Verlag: Residenz
Genre: Sachbücher/Geschichte/Regionalgeschichte, Ländergeschichte
Umfang: 384 Seiten
Format: Hardcover
Erscheinungsdatum: 01.06.2021
Preis: € 34,00

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Als erste Gebirgsbahn stellt die 1854 eröffnete Strecke über den Semmering ein technisches und ästhetisches Monument von Weltrang dar. Ein entlegenes Gebiet wurde zur Bühne effektvoller Landschaftsinszenierungen, der Semmering zur Elitemarke des mitteleuropäischen Tourismus. Auf dem „Balkon von Wien“ traf sich eine moderne großstädtische Oberschicht zwischen Villen und Grandhotels. Der Glanzzeit um 1900 folgten zahlreiche Krisen und Comebacks. Heute stellt sich die Frage nach Zukunftschancen jenseits der Nostalgie. Der Kulturhistoriker Wolfgang Kos erzählt die konfliktreiche Geschichte einer exzentrischen Landschaft, die Reichenau an der Rax ebenso umfasst wie Mürzzuschlag. Eine spannende Reise durch die Jahrhunderte.

FALTER-Rezension

Die Eroberte Landschaft

Die Adria auf 1000 Metern Seehöhe, das war die Idee des 1932 eröffneten „Alpenstrandbads“ auf dem Semmering. Da das kühle Klima ein echtes Freibad nicht erlaubte, bauten die Architekten eine 40 Meter lange Glaswand, die sich bei Schönwetter öffnen ließ. Meeressand und Quellwasser, wilde Berge und geschützte Behaglichkeit: Auf dem Semmering, und in diesem Fall in der Attraktion des Hotels Panhans, hoben sich Gegensätze auf. Auch heute noch staunt man über diesen Geniestreich touristischer Planung.

Der Autor, Historiker und ehemalige Direktor des Wien Museums Wolfgang Kos widmet dem Semmering eine umfassende Studie. Wie in einem Leporello, einem Faltbuch, fügt Kos in „Semmering. Eine exzentrische Landschaft“ Bild an Bild und Erzählung an Erzählung und entwickelt so ein historisches Panorama. Munter von Disziplin zu Disziplin springend, vermittelt er den Ort als Laboratorium der Moderne. Brutale Landnahme geht einher mit romantischer Naturverklärung, rustikale Sentimentalität mit technischem Fortschritt.

In zahlreichen Tiefenbohrungen analysiert Kos die symbolische Ordnung der Landschaft. Er spürt die feinen Unterschiede zwischen aristokratischen und bürgerlichen Gästen auf und hält fest, wenn Heimattümelei in Fremdenhass übergeht. Das Buch ist mehr als eine Chronik. Es ist der Versuch, ein Jahrhundert unter das Mikroskop zu legen.

Kos begann sich um 1980 mit dem Ort zu beschäftigen. Er war damals ein auf Popmusik spezialisierter Radiojournalist, der den Semmering bis dahin vor allem aus den Erzählungen des eisenbahnbegeisterten Vaters kannte. Die seit Jahrzehnten andauernde Abwärtsspirale hatte damals ihren Tiefpunkt erreicht. Ausflüge führten in das zum Gespenst gewordene Südbahnhotel, das ebenso wie die anderen drei Grand Hotels leer stand. Ein Schild warnte vor herabstürzenden Dachziegeln, in den Räumen türmten sich Gebirge von Matratzen und demontierten Lustern. Die Holzkonstruktion des legendären Alpenstrandbads beim Hotel Panhans war eine Ruine.

In der Zeit düsterer New-Wave-Visionen übte der Lost Place eine morbide Faszination aus. Eine Fotografin schlug vor, im Südbahnhotel ein Erholungsheim für Punks einzurichten. Kos gab sich mit der Leichenbeschau nicht zufrieden und begann zu recherchieren.

Im Jahr 1992 breitete der studierte Historiker das Material in der Landesausstellung „Die Eroberung der Landschaft“ aus, die in Gloggnitz stattfand, einer der Nachbargemeinden des Semmerings. Hier griff der Kurator das vom Ausstellungsmacher Harald Szeemann (1933–2005) entwickelte Konzept auf, mehrere Stränge – Gesellschaft, Kultur, Politik – zu verknüpfen. Die Schau erzählte vom Elend der Arbeiter, die Tunnel in den Felsen trieben und Abgründe mit Steinbrücken überspannten. „Die Eroberung der Landschaft“ rief auch die Begeisterung in Erinnerung, die bereits der Bau der Eisenbahnstrecke auf den Semmering in den Jahren von 1848 bis 1854 auslöste.

Hunderttausende Fahrgäste erlebten die bis dahin als unwirtlich geltende Landschaft als theatralisches Spektakel. Die Anbindung an die Metropole war die Voraussetzung für die erst um 1880 einsetzende touristische Erschließung des Semmerings, der bis dahin nicht mehr als die topografische Bezeichnung für eine Passhöhe war. Die von Kos kuratierte Schau löste jene bis heute anhaltende Diskussion aus, wie sich ein von Geschichte überfrachteter und dennoch merkwürdig geschichtsloser Ort revitalisieren lässt.

„Man konnte zwischen Reichenau und Semmering ältere Damen treffen, die in überdimensionierten Villen residierten und im Winter nur ein Zimmer bewohnten, weil sie die Heizkosten nicht aufbringen konnten“, erinnert sich Kos. Wenn er angesichts vernachlässigter Landhäuser lästige Fragen stellte, hieß es, die Besitzer seien wahrscheinlich in Mexiko: „Arisierung und Vertreibung der Juden waren verdrängt.“

In „Der Semmering. Eine exzentrische Landschaft“ geht Kos vertraute Pfade ab. Er beginnt mit dem Bau der Eisenbahn, einer der großen Ingenieursleistungen des industriellen Zeitalters. Bereits 1842 erreichte der Zug Gloggnitz am Fuße des Semmerings, das sich zum „Tor zu den Alpen“ entwickelte. Die Streckenbetreiber verzeichneten 1846 bereits 1,2 Millionen Passagiere, in erster Linie „Vergnügungszügler“. Man war, so ein Reiseführer von 1842, „noch mit dem Staub der Residenzstadt bedeckt“, aber „zugleich schon mitten in der Alpennatur“ und bereit zum „großen Körper- und Seelenbade“.

Gloggnitz und Reichenau entwickelten sich zu Zentren der Sommerfrische. Der Eindruck eines entspannten Rückzugs trügt, denn die Städter brachten ihre sozialen Konventionen mit. Wie später auf dem Semmering fand hier die sogenannte zweite Gesellschaft, das aufstrebende jüdische Bürgertum, eine neue, historisch relativ unbelastete Bühne. Unternehmer und Bankiers bauten Villen und spazierten mit Komponisten und Schriftstellern. Auf Wanderungen und bei Kaffeekränzchen wurden Kontakte geknüpft und Ehen eingefädelt. Die Ringstraße, Symbol der gründerzeitlichen Expansion Wiens, fand eine alpine Spielwiese. Am Beispiel zweier imposanter Gebäude, der kaiserlichen Villa Wartholz und des von Baron Nathaniel Rothschild in Auftrag gegebenen Schlosses Hinterleiten, beschreibt Kos den Wettbewerb um Rang und Aussicht. Rax und Schneeberg bildeten die malerische Kulisse für diese Urszene der Freizeitgesellschaft.

Der Semmering beschleunigte das süße Nichtstun, machte aus geduldigen Sommerfrischlern gestresste Kurzurlauber. Die Gäste brachten Arbeit und Gewohnheiten mit ins Gebirge, Industrielle, Bankiers und Künstler kamen selten ohne Aktenmappe ins glamouröse Homeoffice. „Der Reiz bestand darin, der Natur im Abendkleid und mit dem Sektglas in der Hand gegenüberzutreten“, schreibt Kos. Clevere Gründer wie der Hotelier Vinzenz Panhans stellten eine moderne Infrastruktur zur Verfügung: Telefon und Telegrafenamt beschleunigten die Kommunikation, Ski- und Rodelpisten und Österreichs erster Golfplatz lockerten den täglichen Rhythmus von Spaziergang, Besuch und Souper auf.

Das Buch entziffert die oft rätselhaften Fassaden, die sich keinem bestimmten Stil zuordnen lassen. Es beschreibt die Erfindung der Semmeringvilla als wilde Kombination aus Tiroler und Schweizer Elementen, zwischen denen durchaus auch ein gotischer Tupfer Platz fand. Soziologie mit Ideologiegeschichte verknüpfend, blendet Kos den kritischen Sound ein, der den Einbruch von Urbanität in die ehemals bäuerliche Umgebung begleitete.

Er berichtet vom Kopfschütteln des Schriftstellers Peter Rosegger (1843–1918), der in der nahen „Waldheimat“ die Auflösung der Scholle erlebte, die Fabrikschloten wich: „Heute stellt sich das Semmeringgebiet so dar, dass man nicht weiß, ist es ein Land mit Stadthäusern oder eine Stadt von Landhäusern.“ In den 1920er-Jahren erfasst der Gegensatz zwischen Konservativismus und Fortschritt auch diese künstliche Enklave. Die arbeitende Bevölkerung begehrte gegen das Regime der Luxusbetriebe auf, die ersten Nazis protestierten gegen das jüdische „Schlemmering“.

Für seine Expeditionen wählte Kos ein gemächliches Tempo. Er ist weniger Gipfelstürmer als Bankerlhocker, lässt sich von Ortskundigen die Wasserrohre zeigen, die der Fürst Liechtenstein für einen längst verschwundenen künstlichen Wasserfall bauen ließ, oder die versenkte Deckenbeleuchtung im neusachlichen Foyer des Südbahnhotels. Er stöbert in alten Reiseführern und Prospekten, um die Schlagwörter auszugraben, die diesen Nicht-Ort definierten, vom „Dorado für Sportler“ bis zum „Zauberberg“. 1930 textet eine Werbung für den Golfplatz kühl: „9 holes, 1000 m Seehöhe, 90 km von Wien.“

Die literarischen Darstellungen durch berühmte Gäste wie den Wiener Dramatiker Arthur Schnitzler (1862–1932) trugen zum Mythos bei. In der Textsammlung „Semmering 1912“ des Dichters und Bohemiens Peter Altenberg (1859–1919) findet Kos eine stimmige Beschreibung ohne Klischees. Altenberg feiert das Schmelzwasser, das von den Dachrinnen tropft, und den Schneesturm, „der in das Gesicht nadelt und staubt“. Was Kos über Altenbergs Stil schreibt, lässt sich auf seinen eigenen Ansatz übertragen: „Kleinigkeiten und kaum Bemerktes interessieren ihn grundsätzlich mehr als das Große und Ganze.“ Ohne die Feder zu tief ins Metaphernfass zu tauchen, gelingen ihm Kleinode der Beschreibung, etwa über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: „In der biederen Emsigkeit der Wiederaufbaujahre zehrten Häuser wie das Panhans noch einmal von ihrem Unwirklichkeitsbonus.“

Wer heute die Höhenstraße, die die Villen und Hotels des Semmering verbindet, entlanggeht, wähnt sich auf einem Friedhof. Die großen Hotels sind geschlossen, auch das in den 1980er-Jahren erneuerte Hotel Panhans stellte seinen Betrieb ein. In den vergangenen Jahrzehnten kamen viele Investoren, die viel versprachen und wenig hielten. Architektonische Scheußlichkeiten zerstören die Aura, die die trotz aller Wunden doch beeindruckenden Bauwerke der Pionierzeit besitzen.

Der Historiker hält sich nicht mit Nostalgie auf. Ohne die traurige Gegenwart zu beschönigen, sucht Kos nach Chancen. So sei das Alleinstellungsmerkmal Großstadtnähe und erstklassige Verkehrsanbindung noch immer aktuell. In wenigen Jahren werden die internationalen Züge zwar in einem Tunnel verschwinden, aber die ÖBB möchten den Zugverkehr über die spektakuläre Trasse des genialen Ingenieurs Carl von Ghega (1802–1869) weiterführen. Der Titel Welterbe gibt dem Verkehrsbauwerk und seiner Umgebung zusätzliche Bedeutung. Mit dem Kultursommer Semmering gibt es ein reizvolles Festival, das die Fans von Theater und Musik auf den Berg holt. Auch die Wintersaison hat nicht ausgedient; der Zug hält nahe der Skipiste.

Kos empfiehlt Interventionen zeitgenössischer Architekten und Designer, um die Mottenkiste zu lüften. Er nennt Orte mit vergleichbaren Problemen und deren Lösungen, etwa Aussichtsrampen in den Tiroler Bergen oder Schweizer Modelleisenbahnen, die jährlich hunderttausende Besucher anziehen.

Noch ist der Semmering nicht verloren. Der Klimawandel steigert die Nachfrage nach kühlen Plätzen, das schlechte Image billiger Flugtickets macht das Bahnfahren attraktiv. Das lässt die Destination für Investoren reizvoll erscheinen. Einen ersten Schritt setzte der Grazer Hotelier Florian Weitzer, der das Kurhaus Semmering kaufte. Der stilbewusste Unternehmer erstand eine dieser dem Verfall preisgegebenen Megastrukturen, die, dezent renoviert, den Zeitgeist von Verlangsamung und Vintage treffen könnten.

In Anspielung auf „The Grand Budapest Hotel“, eine filmische Hommage des Regisseurs Wes Anderson an den Luxus der Belle Époque, nennt Weitzer das Kurhaus in Grand Semmering um. Auch für das zentrale Südbahnhotel zeichnet sich eine Lösung ab. Eine Gesellschaft, die bereits an der kroatischen Küste Hotels der Kaiserzeit renoviert, scheint an einem Kauf interessiert. Der ehemalige aristokratische Kurort Bad Gastein ging mit gutem Beispiel voran und versucht, die Historie mit attraktiver Gegenwart aufzuladen.

Wenn einiges gut aufgeht, könnte auch der Semmering wieder leben. „Die These, dass es am Semmering so viel Aufbruchstimmung gibt wie schon lange nicht, wird von vielen geteilt“, kommentiert der Semmeringkundler den Status quo, ohne seine Vorsicht zu verhehlen. In 40 Jahren Forschung hat Wolfgang Kos bereits zu viele Züge erlebt, die zu spät kamen oder erst gar nicht stehen blieben.

Matthias Dusini in Falter 27/2021 vom 09.07.2021 (S. 26)

Kind in Wien 

Ein Stadtführer für alle, die in Wien mit Kindern zu tun haben
Posted by Wilfried Allé Monday, June 21, 2021 2:00:00 PM Categories: Alltag/Adressbücher Einkaufsführer Kleine Schlaue Kursbücher Ratgeber/Lebenshilfe Telefonbücher
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EAN 9783854396888
Verlag: Falter Verlag
Reihe: Kleine Schlaue, Ratgeber/Lebenshilfe, Alltag/Adressbücher, Telefonbücher, Kursbücher, Einkaufsführer
Umfang: 592 Seiten, 35. Auflage
Erscheinungsdatum: 15.06.2021
Preis: € 16,50

Das Servicehandbuch informiert unter anderem über das Angebot an Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten für Kinder in Wien – von Puppenbühnen über Museen und Sportstätten bis hin zu Sprachkursen für Kinder – sowie über Ausflugsziele in Niederösterreich und im Burgenland. 

Unentbehrlich für alle Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel, Pädagoginnen und Pädagogen: Der Klassiker „Kind in Wien” liefert über 1000 Adressen, Tipps und konkrete Informationen, die das Leben von und mit Kindern in Wien schöner, abwechslungsreicher und einfacher machen.

Pressetext

Der unentbehrlich Klassiker für Eltern, Großeltern, Tanten, Onkeln, Pädagoginnen und Pädagogen. „Kind in Wien“ liefert über 1000 Adressen, Tipps und konkrete Informationen, die das Leben von und mit Kindern in Wien abwechslungsreicher und einfacher machen.

Das Servicehandbuch informiert unter anderem über das umfangreiche Angebot an Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten für Kinder in Wien – vom Kindertheater in der Stadt bis zum Ausflugsziel im Grünen, vom Wildbadeplatz bis zum passenden Ort für die Kindergeburtstagsparty.
Weiters finden sich in „Kind in Wien“ Anregungen, Adressen, Telefonnummern und Öffnungszeiten zu den Themen:
▪ Kinderbetreuung: Babysitter, Tagesmütter, Kindergruppen, -krippen und -gärten
▪ Schulen: Privatschulen, Alternativschulen, Schulprojekte, Lernhilfe
▪ In Krisenfällen: Unterstützung und Beratung für Kinder und Eltern
▪ Krankes Kind: Notfalladressen, Diagnostik, Therapie
▪ Einkaufen für Kinder: Spielzeug, Kleidung, Kinderwägen, Secondhandshops
▪ Essen mit Kindern: Kinderfreundliche Restaurants und Lokale

Pressekontakt:
Sothany Kim
kim@falter.at
T: +43 1 53660 977

Wandern im Wienerwald 

Die 30 schönsten Wanderungen in und um Wien
Posted by Wilfried Allé Monday, June 21, 2021 1:48:00 PM Categories: Kultur für Genießer Wanderlust rund um Wien
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EAN 9783854396062
Verlag: Falter Verlag
Reihe: Kultur für Genießer
Umfang: 256 Seiten
Erscheinungsdatum: 17.05.2021
Preis: € 22,90

Selten haben Großstädter die Möglichkeit, sich nach Arbeitsschluss oder am Wochenende in die Straßenbahn zu setzten und in einer halben Stunde Fahrzeit im Grünen zu landen. Doch in Wien bringt meist nur ein kurzer Fußmarsch gestresste Wienerinnen und Wiener von den Endstationen der öffentlichen Verkehrsmittel in ein Erholungsgebiet fern vom Trubel der österreichischen Hauptstadt – in den Wienerwald.

Der Wienerwald ist die „grüne Lunge“ Wiens. Mit einer Gesamtfläche von 1.250 km² schmiegt er sich im Westen und Südwesten an die Bundeshauptstadt an. Trotzdem er „Wien“ in seinem Namen trägt, liegen gut 90 Prozent dieser Wald- und Wanderlandschaft nicht auf Stadtgebiet, sondern gehören zum Nachbarbundesland Niederösterreich. In dieser landschaftlich äußerst abwechslungsreichen Region finden Besucher alles, wonach ihr Herz begehrt: Wälder, Wiesen, Felder, Weinberge, Kletterwände, Heilquellen, Klöster, Schlösser, Burgen und natürlich Ausflugslokale. Es ist also keineswegs verwunderlich, dass sowohl Einheimische als auch Gäste aus dem Ausland es genießen, Touren durch den Wienerwald zu unternehmen und das Umland der Metropole zu erforschen.
Das Buch liefert nicht nur ausführliche Routenbeschreibungen, sondern weist auch auf Attraktionen am Wegesrand hin, auf Naturschönheiten, Sehenswürdigkeiten und historische Besonderheiten. Zudem finden sich in den 30 Wanderungen, die das gesamte Wienerwaldgebiet umfassen, Tipps zu An- und Abfahrt, Schwierigkeitsgrad der Touren sowie Einkehrmöglichkeiten und Ausflugslokale, denen hungrige Wanderer unbedingt einen Besuch abstatten sollten.

Leserstimmen

Wanderwege toll beschrieben, praktische Wanderkarten (Karin P., Wien)
Ein anregendes Handbuch, das Lust macht, sich auf den weg zu machen! Ganz wunderbar auch die jeweiligen Angaben zu den öffentlichen Verkehrsmitteln. (Christina K., Wien)
Die Routen sind sehr verlässlich beschrieben. (Bernd R., Wien)
Für "Autolose" super: alles mit Öffis erreichbar (Helga P., Wien)
... gut für jedes Alter, egal ob mit Kind oder Hund :-) (Ozzy, Atzelsdorf)

Pressetext

Der Wienerwald, das Naherholungsgebiet vor den Toren Wiens, ist zu jeder Jahreszeit ein lohnendes Wander- und Ausflugsziel. Die Region, die „Wien“ in ihrem Namen trägt, liegt zum größten Teil auf niederösterreichischem Gebiet. Sie reicht von den westlichen Außenbezirken Wiens bis zur Thermenregion bei Baden und Bad Vöslau im Süden, von den schroffen Felstürmen bei Mödling bis zum Traisental im Mostviertel bei St. Pölten. In dieser landschaftlich äußerst reizvollen Region wechseln sich Wälder, Wiesen, Felder und Weinberge, kleine Ortschaften und geschäftige Kleinstädte ab; sportlich mehr oder weniger herausfordernde Kletterwände sind ebenso zu finden wie wohltuende Heilquellen und kulturell bedeutsame Klöster, Schlösser und Burgen. 

Die Autoren Peter Hiess und Helmuth A.W. Singer stellen in „Wandern im Wienerwald“ 30 Routen unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit vor, die sowohl versierten Wanderern als auch Wochenendausflüglern ein abwechslungsreiches Naturerlebnis bieten. Das Buch liefert ausführliche Routenbeschreibungen und weist auf Attraktionen am Wegesrand hin.

Jeder Tour ist eine Karte mit eingezeichnetem Streckenverlauf vorangestellt, die dem Leser die Orientierung erleichtern soll. Tipps zu An- und Rückfahrt sowie Einkehrmöglichkeiten entlang der Strecke und besuchenswerten Ausflugslokalen runden die Beschreibungen ab.

Die Autoren Peter Hiess (Autor, Übersetzer, Verleger) und Helmuth A.W. Singer (Autor, Korrektor) sind passionierte Wanderer. Ihre Liebe zur Natur findet in vorliegendem Werk ihren Ausdruck.

Pressekontakt:
Sothany Kim
kim@falter.at
T: +43 1 53660 977

Wandern im Waldviertel 

Die 33 schönsten Wanderungen und 7 Stadtspaziergänge
Posted by Wilfried Allé Monday, June 21, 2021 1:31:00 PM Categories: Kultur für Genießer
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EAN 9783854396741
Verlag: Falter Verlag
Reihe: Kultur für Genießer
Umfang: 304 Seiten
Erscheinungsdatum: 30.04.2021
Preis: € 29,90

Pressetext

Das Waldviertel: ein bis zwei Stunden mit Auto oder Bahn von Wien ent­fernt, dank der Höhen­lage immer ein paar Grad kühler als der üb­ri­ge Osten Öster­reichs – und so­mit spe­zi­ell im Som­mer ein idea­les Ziel für In­lands­ur­lauber.
Im nordwestlichen Teil Nieder­öster­reichs fin­den Wan­de­rer sanfte Gipfel und be­schau­liche Fluss­täler, Natur­parks und Fami­lien­attrak­tio­nen, Eso­te­ri­sches und Archä­olo­gi­sches, ein­same Wege, dichte Wäl­der und son­nen­be­schie­nene Hoch­ebenen.
Das Buch stellt 33 ausführlich beschriebene Wander­routen vor – aus­ge­hend von sie­ben Ur­laubs­orten, die in Stadt­spa­zier­gän­gen eben­falls prä­sen­tiert werden.
Zusätzlich weisen die Autorin und die Autoren auf Sehens­würdig­keiten, his­to­rische Schau­plätze, Natur­schön­heiten und na­tür­lich die Lokale am Weg hin.

Neu: mit Leseprobe ->

Autorin und Autoren
Katharina Bliem, 1978 in Wien geboren, studierte Publi­zis­tik und ar­bei­tet als Biblio­the­karin. Das Wald­viertel er­oberte schon vor Jahren ihr Herz, als sie es mit ihrem Sohn in einem al­ten Wohn­mobil er­kun­dete. Nun wollte sie es auch er­wandern.
Peter Hiess, Jahrgang 1959, wohn- und lebhaft in Wien, ist Autor, Über­setzer und pas­sio­nier­ter Wan­derer. Er ver­brachte in seiner Schul­zeit so man­chen Ferien­monat im Wald­vier­tel – ist aber erst viele Jahre spä­ter so rich­tig auf den Ge­schmack ge­kommen.
Helmuth A. W. Singer, Jahrgang 1957, war viele Jahre tou­ris­tisch-jour­na­lis­tisch ak­tiv, in der EDV-Branche um­trie­big, als Kor­rek­tor in der Medien­branche tä­tig und trat da­rüber hinaus als Rät­sel­autor in Er­schei­nung. Das Wald­vier­tel ist für ihn ein Sehn­suchts­gebiet

Pressekontakt:
Sothany Kim
kim@falter.at
T: +43 1 53660 977

Wildbadeplätze 

Wien | Niederösterreich | Burgenland | Steiermark
Posted by Wilfried Allé Wednesday, June 9, 2021 2:59:00 PM Categories: Kultur für Genießer
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Die Autorinnnen Nathalie Großschädl, Marion Großschädl stellen im Gespräch mit Kirstin Breitenfellner die schönsten Badeplätze der Stadt und umadum vor.

EAN 9783854396871
Verlag: Falter Verlag
Reihe: Kultur für Genießer
Umfang: 256 Seiten
Erscheinungsdatum: 30.04.2021
Preis: € 29,90

Der Guide zeigt, dass man auch in der Großstadt inmitten von Natur schwimmen kann. Wo an der Alten und Neuen Donau oder in der Lobau die schönsten Badeplätze liegen. Er führt aufs Land zu Flussbädern mit ihren pittoresken Bootshäusern und zu sagenumwobenen Seen, in denen sich majestätisch die Berge spiegeln.
Eine Entdeckungsreise zu idyllischen Teichen vor Schlössern und Kirchen, den Wachauer Sandstrände mit Blick auf die berühmten Weinrieden, entlang türkisblauer Flüsse durch romantische Schluchten und sonnigen Steinen in Naturschutzgebieten, zu prasselnden Wasserfällen und smaragdgrüne Gumpen.
61 Wildbadeplätze in Ostösterreich mit über 100 wunderschönen Badestellen, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad erreichbar sind. Dazu werden Ausflugs- und Einkehrtipps in der Nähe aufgelistet.
Fast alle Badestellen sind kostenlos zugänglich, werden regelmäßig auf ihre Wasserqualität untersucht und erhalten immer hervorragende Bewertungen, viele haben sogar Trinkwasserqualität. Übersichtspläne erleichtern die Orientierung und GPS-Daten sorgen für eine stressfreie Ankunft.

Pressetext

Der Guide zeigt, dass man auch in der Großstadt inmitten von Natur schwimmen kann. Wo an der Alten und Neuen Donau oder in der Lobau die schönsten Badeplätze liegen. Er führt aufs Land zu Flussbädern mit ihren pittoresken Bootshäusern und zu sagenumwobenen Seen, in denen sich majestätisch die Berge spiegeln. Eine Entdeckungsreise zu idyllischen Teichen vor Schlössern und Kirchen, den Wachauer Sandstrände mit Blick auf die berühmten Weinrieden, entlang türkisblauer Flüsse durch romantische Schluchten und sonnigen Steinen in Naturschutzgebieten, zu prasselnden Wasserfällen und smaragdgrüne Gumpen. 61 Wildbadeplätze in Ostösterreich mit über 100 wunderschönen Badestellen, die auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad erreichbar sind. Dazu werden Ausflugs- und Einkehrtipps in der Nähe aufgelistet. Fast alle Badestellen sind kostenlos zugänglich, werden regelmäßig auf ihre Wasserqualität untersucht und erhalten immer hervorragende Bewertungen, viele haben sogar Trinkwasserqualität. Übersichtspläne erleichtern die Orientierung und GPS-Daten sorgen für eine stressfreie Ankunft.

Pressekontakt:
Sothany Kim
kim@falter.at
T: +43 1 53660 977

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