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Antifragilität 

Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen
Posted by Wilfried Allé Wednesday, April 15, 2020 7:29:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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von Nassim Nicholas Taleb

Übersetzung: Susanne Held
Verlag: Pantheon
Format: Taschenbuch
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft
Umfang: 688 Seiten
Erscheinungsdatum: 27.08.2018
Preis: € 16,50


Rezension aus FALTER 16/2020

Talebs Gesetz

Corona ist kein schwarzer Schwan. Nassim Nicholas Taleb, Professor für Risikoanalyse, beschäftigt sich mit Ereignissen, die höchst unwahrscheinlich und deswegen nicht vorhersagbar sind. Er nennt sie „Schwarze Schwäne“. Mit Pandemien müsse die vernetzte Menschheit hingegen rechnen, deswegen sei die Covid-19-Pandemie kein schwarzer, sondern ein weißer Schwan, bekräftigte er unlängst in der Neuen Zürcher Zeitung. Durch die globalisierte, Struktur der modernen Welt sei die rasante Ausbreitung solcher Krankheiten unvermeidlich.

Obwohl Taleb Prognosen grundsätzlich skeptisch gegenübersteht, war er einer der wenigen, die den Zusammenbruch der weltgrößten Hypothekenbank Fannie Mae und damit die Finanzmarktkrise von 2008 schon fünf Jahre zuvor angekündigt hatten – und dafür herbe Kritik einstecken mussten.

Sein Buch „Der Schwarze Schwan: Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“, das bereits im April 2007 erschienen ist, avancierte zum Bestseller, der Begriff „Schwarzer Schwan“ ist seitdem in aller Munde. Corona könnte Taleb erneut zum Denker der Stunde machen.

Der libanesisch-amerikanische Autor warnte bereits im Jänner gemeinsam mit dem Physiker und Systemwissenschaftler Yaneer Bar-Yam vor der Gefahr, die von einem der am stärksten vernetzten Staaten der Welt, China, ausgeht. „Es wird kurzfristig einiges kosten, die Mobilität einzuschränken. Das aber zu unterlassen, wird irgendwann alles kosten, wenn nicht durch die aktuelle Pandemie, dann durch eine in der Zukunft“, sagt Taleb. Deswegen sei es besser, früher Panik zu bekommen als später. Die Regierung von Singapur, die sich von Taleb beraten ließ, hatte übrigens bereits 2010 einen Notfallplan für eine Pandemie aufgestellt.

Geboren 1960 in eine libanesische griechisch-orthodoxe Politiker- und Ärztefamilie, studierte Taleb an der Wharton School der University of Pennsylvania. Anschließend arbeitete er für große Banken wie die Schweizer UBS. So lernte er das derzeitige Finanz- und Risikosystem von innen kennen, eine Voraussetzung dafür, dessen Schwachstellen zu kritisieren.

Als radikaler Querdenker und Freigeist lehnt der zur Praxis bekehrte Ivy-League-Absolvent alles theoretische, bloß akademische Wissen ab und warnt vor dem platonischen Fehlschluss, die Welt als geordnet und grundsätzlich verstehbar anzusehen.

Talebs in Bezug auf die Corona-Krise aktuellstes Werk ist das 2012 erschienene Buch „Antifragilität“. Darin geht der Autor der Frage nach, wie Systeme stressresistenter gemacht werden können. Der 680-Seiten-Wälzer rollt die „Dreifaltigkeit des Missverstehens“ auf.

Darunter versteht Taleb die Illusion, gegenwärtige Ereignisse zu durchschauen. Das zweite Missverständnis besteht darin, dass historische Ereignisse retrospektiv verzerrt werden. Drittens warnt er davor, Sachinformationen sowie die intellektuelle Elite überzubewerten.

Als Finanzmathematiker beschäftigt sich Taleb mit Statistiken und versucht, den Zufall zu berechnen. Wahrscheinlichkeit, Ungewissheit und Unordnung gehören zu seinen Forschungsschwerpunkten. Das heißt aber nicht, dass seine Bücher für Laien unlesbar wären. So komplex er argumentiert, so süffig schreibt er. Anhand von Parabeln und autobiografischen Anekdoten – einer seiner Protagonisten ist etwa der antiintellektuelle Börsenhändler Fat Tony – macht er Abstraktes anschaulich. Dadurch wird der Autor als Mensch greifbar und angreifbar.

Taleb schimpft und wütet, versprüht Zorn und Sarkasmus und pflegt seine Vorliebe für drastischen Humor. Trotzdem sind seine Bücher strukturiert aufgebaut, sein monumentales Vorhaben wird in einem Kapitelüberblick vorgestellt, und im Glossar kann man seine griffigen, aber oft neuen Begriffe nachschlagen, etwa „Extremistan“ für die globalisierte Moderne oder „Flugunterricht für Vögel“ (auch „Sowjet-Harvard-Illusion“ genannt).

Das Agency-Problem stellt für Taleb eine Hauptquelle für die Fragilität von Systemen dar, insbesondere für das derzeitige Finanzsystem. Es besteht darin, dass der Manager eines Unternehmens, der nicht dessen Besitzer ist, eine Strategie verfolgt, die nur ihm selbst nützt.

Der polyglotte Generalist spricht neben Arabisch, Französisch und Englisch auch mehrere Sprachen der Antike. Wenn er gegen den naiven Rationalismus vieler Zeitgenossen vom Leder zieht, greift er auf die skeptische Philosophietradition zurück, auf Sokrates, Al-Ghazali, Michel de Montaigne oder Karl Popper.

Dabei entstehen Sentenzen, von denen man sich einige gerne über das Bett hängen möchte, etwa: „Man kann nie etwas über den Charakter von jemandem wissen, bevor er nicht die Möglichkeit hatte, moralische Regeln zu verletzen.“ Oder: „Man soll die eigenen Überzeugungen und Handlungen so ausrichten, als hätte man keinen Gesamtüberblick. Um klug zu sein, muss man sich damit abfinden, dass man es nicht ist.“

Talebs Vorliebe für Faustregeln, von denen er viele aus der Antike bezieht, hat philosophische Gründe. Alles, was lange überlebt habe, sei antifragil, sagt er. Antifragilität bezeichnet die Fähigkeit, robust auf Störungen und Stress zu reagieren.

Darüber hinaus ermöglicht es, gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Antifragilität bedeutet auch, von Ungewissheit und Chaos bis zu einem gewissen Maß profitieren zu können. Das betrifft unterschiedliche Bereiche, von der Evolution über die Gesundheit und Erziehung bis zur Technik, der Kultur, Politik und Wirtschaft.

Die zentrale These lautet, dass die Zukunft nicht vorhersehbar sei und Prognosen daher gefährlich werden könnten. Menschen würden nämlich dazu tendieren, sich auf sie zu verlassen. Taleb schlägt statt der üblicherweise geforderten Verbesserung von Daten und Berechnungsmethoden eine Erhöhung der Stressresistenz, sprich der Antifragilität von Systemen, vor.

Denn das Antifragile könne auf nichtlineare Prozesse besser reagieren als das Fragile. Die globalisierte Wirtschaft beruht auf schierer Größe, Technikabhängigkeit und maximaler Effizienz. In der Corona-Krise zeigen sich die Schwachstellen dieses Systems. Die Schlussfolgerung ist klar: Wir brauchen mehr Sicherheitspuffer und weniger Effizienz.

Für den aktuellen Zusammenbruch ließe sich daraus folgern, dass die Auslagerung von Grundversorgung, sprich Nahrungs- und Medikamentenproduktion, in Zukunft überdacht gehört. Auch die globalen Lieferketten und die Verantwortlichkeiten in den Finanzsystemen stehen auf dem Prüfstand.

Während jeder Flugzeugabsturz aufgrund der darauffolgenden Fehleranalyse die Wahrscheinlichkeit des nächsten verringere, erhöhe jeder Bankenzusammenbruch die Wahrscheinlichkeit eines weiteren, moniert Taleb. „Der Aktienmarkt ist der größte, in industriellem Ausmaß betriebene Antifragilitätstransfer in der Geschichte der Menschheit – und beruht ausschließlich auf einer bösartigen Form von Asymmetrie hinsichtlich der Bereitschaft, seine Haut aufs Spiel zu setzen“, konstatiert er.

Auch den eigenen Berufsstand spart Taleb aus seiner Kritik nicht aus, die Wirtschaftswissenschaftler. Es sei falsch, dass Professoren, die Inhalte unterrichten, mit denen das Finanzsystem notwendig hochgehe, keine Konsequenzen zu spüren bekämen.

Taleb und sein Co-Autor Mark Spitznagel beanstanden in einem NZZ-Artikel, dass Banker mehr Geld verspielt hätten, als in der gesamten Geschichte des Bankwesens verdient worden sei. Dennoch durften sie sich 2010 aus dem größten Bonustopf bedienen, den es bis dato gab. „Es sollte keine Hilfsmaßnahmen geben, wo Finanzinstrumente wie Hedge-Funds und hochriskante Investitionsstrategien im Spiel sind. Denn dort gibt es keine ehrlich gemeinte Strategie zur Risikominderung, sondern lediglich ein gewollt naives Gottvertrauen, dass es am Ende der Staat schon richten wird.“

Es gibt kein Leben ohne Risiko. Taleb begann seine Berufslaufbahn als Trader und Hedgefonds-Manager und hatte dort naturgemäß mit Risiken zu tun, die seiner Meinung nach aber falsch verstanden und analysiert wurden. In der Antike, betont Taleb, seien Gesellschaften von Menschen gelenkt worden, die Risiken trugen. Heute hingegen streifen Manager unverschämt hohe Bonuszahlungen ein, auch wenn sie ein Unternehmen in den Ruin getrieben haben.

Ohne Bereitschaft zum Risiko und Scheitern gibt es für Taleb keine Moral, das gelte auch für Wissenschaftler, Intellektuelle und Journalisten.

Statt Top-down-Konzepten – also Verordnungen von oben – propagiert Taleb Bottom-up-Systeme wie das politische System der Schweiz, die keine zentrale Führung hat. Er schätzt Regionalität und grundsätzlich alle Methoden, die auf Tüfteln, Versuch und Irrtum beruhen, sowie das Prinzip Selbstregulation. Denn es sei viel leichter und sicherer, die fragilen Teile eines lecken Systems ausfindig zu machen und zu entfernen, als Risiken vorauszusagen.

Überlieferten Weisheiten vertraut er mehr als den Einsichten von Elfenbeinturm-Akademikern. Eine seiner Lieblingsfaustregeln kommt von den alten Römern: Baumeister müssten eine bestimmte Zeit unter der Brücke verbringen, die sie gebaut haben. Von den antiken Autoren übernahm Taleb auch einen gewissen Stoizismus, die Fähigkeit, seine Emotionen zu regulieren.

Risikobereitschaft endet für ihn im Angesicht eines Ruins, ob von Privatpersonen, Firmen oder unserer Lebenswelt durch eine Öko-Katastrophe. Und, möchte man heute hinzufügen: einer Pandemie. Denn dann sind auch für den Finanzmathematiker keine Kosten-Nutzen-Analysen mehr möglich. „Rationalität ist die Vermeidung eines systemischen Ruins“, lautet sein Fazit.

Neben Risikobereitschaft und Mut braucht es auch die klassische Tugend der Besonnenheit. Von Nassim Nicholas Taleb kann man lernen, in einer Welt zu handeln, die man nicht zur Gänze versteht.

Kirstin Breitenfellner in FALTER 16/2020 vom 17.04.2020 (S. 32)

Kapital und Ideologie 

vom Author des Weltbestsellers "Das Kapital im 21. Jahrhundert"
Posted by Wilfried Allé Saturday, March 14, 2020 9:22:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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von Thomas Piketty

ISBN: 9783406745713
Übersetzung: André Hansen
Übersetzung: Enrico Heinemann
Übersetzung: Stefan Lorenzer
Übersetzung: Ursel Schäfer
Übersetzung: Nastasja S. Dresler
Verlag: C.H.Beck
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Wirtschaft
Umfang: 1.312 Seiten
Erscheinungsdatum: 11.03.2020
Preis: € 41,10

 

Kurzbeschreibung des Verlags:

Mit dem Weltbestseller
"Das Kapital im 21.Jahrhundert" hat Thomas Piketty eines der wichtigsten Bücher unserer Zeit geschrieben. Jetzt legt er mit einem gewaltigen Werk nach:
Kapital und Ideologie ist eine so noch niemals geschriebene Globalgeschichte der sozialen Ungleichheit und ihrer Ursachen, eine unnachsichtige Kritik der zeitgenössischen Politik und zugleich der kühne Entwurf eines neuen und gerechteren ökonomischen Systems.

Nichts steht geschrieben: Der Kapitalismus ist kein Naturgesetz. Märkte, Profite und Kapital sind von Menschen gemacht. Wie sie funktionieren, hängt von unseren Entscheidungen ab. Das ist der zentrale Gedanke des neuen Buches von Thomas Piketty. Der berühmte Ökonom erforscht darin die Entwicklungen des letzten Jahrtausends, die zu Sklaverei, Leibeigenschaft, Kolonialismus, Kommunismus, Sozialdemokratie und Hyperkapitalismus geführt und das Leben von Milliarden Menschen geformt haben. Seine welthistorische Bestandsaufnahme führt uns weit über Europa und den Westen hinaus bis nach Asien und Afrika und betrachtet die globalen Ungleichheitsregime mit all ihren ganz unterschiedlichen Ursachen und Folgen. Doch diese eindrucksvolle Analyse ist für Thomas Piketty kein Selbstzweck. Er führt uns mit seinen weitreichenden Einsichten und Erkenntnissen hinein in die Krise der Gegenwart. Wenn wir die ökonomischen und politischen Ursachen der Ungleichheit verstanden haben, so Piketty, dann können wir die notwendigen Schritte für eine gerechtere und zukunftsfähige Welt konkret benennen und angehen.
Kapital und Ideologie ist das geniale Werk eines der wichtigsten Denker unserer Zeit, eines der Bücher, die unsere Zeit braucht. Es hilft uns nicht nur, die Welt von heute zu verstehen, sondern sie zu verändern. Thomas Piketty ist Direktor an der École des hautes études en sciences sociales und Professor an der École d’économie in Paris. Sein Buch «Das Kapital im 21. Jahrhundert» wurde in 40 Sprachen übersetzt und weltweit mehr als 2,5 Millionen mal verkauft.

Die Rhetorik des Sebastian Kurz  

Was steckt dahinter – Manipulation oder Redehandwerk?
Posted by Wilfried Allé Wednesday, September 18, 2019 12:22:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Körpersprache verbessern, in Diskussionen überzeugen und Rededuelle gewinnen. Analyse mit dem 4mat-System

von Thomas W. Albrecht

Verlag: Goldegg Verlag
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 304 Seiten
Erscheinungsdatum: 18.08.2019
Preis: € 22,00

Rezension aus FALTER 38/2019

Inszenieren, manipulieren: Wege zum politischen Erfolg?

Sebastian Kurz ist ein Meister der Kommunikation. Für langfristigen politischen Erfolg sollte er sich darauf aber nicht ausruhen

Es muss bei Sebastian Kurz wohl etwas sein, was andere nicht machen“, so beginnt der Trainer und Coach Thomas W. Albrecht sein Buch. Der Titel verrät die Erklärung: Es ist die „Rhetorik des Sebastian Kurz“. Albrecht verwendet ein einfaches Modell: Es besteht aus den Bausteinen, die man in einer Grundausbildung im Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) lernen kann.

Die Darstellung dieser Inhalte macht fast die Hälfte des Buches aus – der Kenner erfährt nichts Neues. Im restlichen Buch werden NLP-Ideen auf Sebastian Kurz, Pamela Rendi-Wagner, Herbert Kickl, Norbert Hofer und Beate Meinl-Reisinger angewandt – vor allem Reden werden im Wortlaut analysiert. Der Vergleich dieser Personen fällt in fast allen Fällen zugunsten von Kurz aus.

Das Buch hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen beschreibt Albrecht im Detail Stärken der Inszenierungen von Kurz, wie seine Körpersprache, den Aufbau vieler Reden, die Art, wie Kurz sein Publikum adressiert, wie er dabei Werte und Gefühle anspricht und zielgerichtet und zukunftsorientiert agiert. Alle politischen Gegner von Kurz sind gut beraten, diese Aspekte ernst zu nehmen und ihre Mankos zu mildern.

Aber NLP darf nicht so verstanden werden wie in diesem Buch. Albrecht verbreitet ein Märchen, das NLP-Trainer gerne erzählen, die ihre Kurse verkaufen wollen: dass nämlich bestimmte einzelne Aspekte von Kommunikation (die man schulen kann) unmittelbare und eindeutige Wirkungen haben (müssen).

Aber Menschen sind keine reinen Reiz-Reaktion-Maschinen – jedenfalls nicht immer. In unterschiedlichen Kontexten erzielen z.B. gleiche Auslöser andere Ergebnisse. Für Kurz kann man fragen, in welchen (kontrollierten?) Umgebungen seine Inszenierungen gelingen und in welchen nicht – etwa wenn Kurz mit betagten Frauen im Altersheim nicht einmal ein Smalltalk gelingt.

Der zweite und wichtigste Schutz gegen unerwünschte Beeinflussung sind die eigenen Überzeugungen und das Wissen über politische Inhalte und Hintergründe (und der Einblick in kommunikative Vorgänge). Wer die Hass-Sprache von Donald Trump ablehnt, kann durch eine noch so perfekte Show nicht gewonnen werden – im Gegenteil: Die Ablehnung wächst.

Nach Albrechts Meinung ist Kurz deswegen so beliebt, weil er ein perfekter Kommunikator ist – politische Inhalte werden dabei zur Gänze ausgeklammert.

Aber Politik ist nicht nur Prozess und Form zwischen Personen, sondern drückt auch Inhalte, Wertungen und Weltbilder aus, die in die Machtstruktur einer Gesellschaft eingebettet sind und medial vermittelt werden.

Kurz hat viele Inhalte von der FPÖ übernommen, z.B. eine Rhetorik „des Volkes“. Er praktiziert ebenso „Techniken“ von Kommunikation, die auch eine destruktive Seite besitzen, wie die Dämonisierung von Gegnern. Praktiken dieser Art dienen nicht der Verbesserung, sondern der Zerstörung von Kommunikation – das hat im Wahlkampf 2016 der (frühere) Kommunikationstrainer Norbert Hofer, der jahrelang „Crash-Rhetorik“ und NLP unterrichtet hat, eindrucksvoll demonstriert.

Aber kommunikative Tricks und Show sind nicht alles, und politischer Erfolg kann nicht nur darauf zurückgeführt werden. Christian Kern hatte am 11. Jänner 2017 in der Messehalle Wels seinen „Plan A“ in einer fulminanten Rede präsentiert und das Publikum begeistert. Nach den Kriterien von Albrecht hätte man ihm die Höchstnote geben müssen. Aber wie lange hat Kern davon profitiert?

Walter Otto Ötsch in FALTER 38/2019 vom 20.09.2019 (S. 21)

Herrschaft der Niedertracht 

Warum wir so nicht regiert werden wollen!
Posted by Wilfried Allé Wednesday, May 15, 2019 7:24:00 PM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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von Robert Misik

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Verlag: Picus Verlag
Format: Hardcover
Genre: Sachbücher/Politik, Gesellschaft, Wirtschaft/Politik
Umfang: 144 Seiten
Erscheinungsdatum: 01.03.2019
Preis: € 15,00


Rezension aus FALTER 20/2019

Misiks Handreichung

Robert Misik – der auch regelmäßig für den Falter schrieb – gehört zu Österreichs „linken“ politischen Publizisten. Jährlich legt er ein Buch vor, das den Stand der Debatten seines Milieus brillant und kurzweilig auf den Punkt bringt. Im Wien der vorletzten Jahrhundertwende wäre er einer der mit spitzer Feder bewaffneten Haudegen gewesen, deren Kritiken und Feuilletons in den Cafés der Hauptstadt debattiert wurden. Im Wien der Nuller- und Zehnerjahre folgten ihm Tausende auf seinem Videoblog FS Misik auf Standard Online, den er mittlerweile über seine Homepage betreibt, und über 80.000 Menschen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Misik kann mit den neuen, sozialen Medien, Misik kann aber vor allem Buch und da vor allem politisches Feuilleton. Sein neues Buch „Herrschaft der Niedertracht“ bilanziert pointiert und bewusst polemisch den politischen Stand der Dinge in Österreich im europäischen Kontext. Kanzler Sebastian Kurz wird von ihm auf wenigen Seiten ebenso als inhaltsleerer Machtpragmatiker analysiert wie sein Autoritarismus, ebenso aber auch die Schwächen seiner politischen Gegner, der „Identitäts-Linken“. Das macht es zur Lesefreude für Anhänger wie Kritiker der herrschenden Umstände.

Denn auch wer Misiks Haltung nicht teilt, wird sich an seinem Stil erfreuen. Misik schreibt in der Tradition eines Josef Haslinger oder frühen Robert Menasse. 1987 hatte Haslinger mit seinem Essay „Politik der Gefühle“, 1996 Menasse mit „Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik. Essays zum österreichischen Geist“ die verdichtete Auseinandersetzung mit Österreichs Vergangenheit, Gegenwart und Politik zur literarischen Form erhoben. „Politik mit Gefühlen, aber mit miesen“, schreibt nun Misik. „Die Rohheit ist im Amt und der Zynismus an der Macht. Dabei ist es eine Angstkultur, die benutzt und ausgebeutet wird. Angst vor dem Abstieg. Angst, dass der Boden unter den Füßen nicht mehr sicher ist. Diese Angst ist der Stoff, aus dem die Politik der Rohheit ihre täglichen Kampagnen schmiedet und ihre Gemeinheiten zusammenknetet.“

Barbaba Tóth in FALTER 20/2019 vom 17.05.2019 (S. 19)

Die Krise verstehen 

Ökonomie: Eine kritische Auseinandersetzung zu ihren Lehren, Theorien und Denkern
Posted by Wilfried Allé Thursday, January 31, 2019 11:02:00 PM Categories: Neoliberalismus Wirtschaft/Gesellschaft Wirtschaft/Politik
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von Joseph Gepp (Hg.)

EAN: 9783854395287
Verlag: Falter Verlag
Format: Taschenbuch
Umfang: 216 Seiten
Erscheinungsdatum: 20.01.2015
Preis: € 19,90

Das Buch gibt einen Einblick in die ökonomischen Probleme der Gegenwart – abseits von Sprechblasen des Wirtschaftsjournalismus, jenseits von PR-Phrasen und abseits der Schaumgummisprache der Politik.
Auch wenn immer wieder verkündet wird, die Krise werde zur Zeit überwunden, so stecken wir doch noch immer mittendrin. Denn die Probleme des alles dominierenden Finanzkapitalismus wurden nach dem Crash von 2008 nicht einmal angetippt. Das wirtschaftliche Paradigma ist nach wie vor jenes des Neoliberalismus. Wirtschaftspolitik scheint so etwas wie Voodoo zu sein, ein mystisches Ritual, das Investmentbanker und Spitzenpolitiker hinter verschlossenen Türen zelebrieren.
Das Buch stellt verschiedene ökonomische Denker vor, die unsere Gegenwart noch immer bestimmen: Karl Marx, John Maynard Keynes, Friedrich August Hayek, Tim Jackson, Kurt Rothschild, Josef Steindl u.v.m.
Gegliedert ist der Band in vier Kapiteln, was den Zugang zum Thema erleichtert: Neben den Porträts ökonomischer Meisterhirne in Kapitel 1 prallen in Kapitel 2 („Die Krise“) in einem Streitgespräch drei verschiedene Perspektiven aufeinander. Die Diskutierenden sind Sigrid Stagl (WU Wien), Christian Keuschnigg (IHS Wien) und Stephan Schulmeister (Wifo). Im Kapitel 3 werden jene Leute vorgestellt, die uns in Österreich Wirtschaft erklären, und problematisiert den mit solchen Erklärungen meist verbundenen Kampf um die wirtschaftliche Überlegenheit. Kapitel 4 schließlich enthält neben Rezensionen wichtiger Bücher ein Interview mit Thomas Piketty, dem Autor des Weltbestsellers „Das Kapital im 21. Jahrhundert“.
Ein Glossar mit wichtigen Begriffen schließt das Buch ab.

Inhaltsverzeichnis plus Leseprobe ->

Pressetext

Welche historischen Denker prägen unsere moderne Sicht auf die Ökonomie und ihre Krisen?
Wer erklärt in der österreichischen Öffentlichkeit komplizierte Wirtschaftsangelegenheiten?
Was sind die Ursachen der seit 2008 andauernden Krise? Und was wären mögliche Auswege?

Journalisten der Wiener Wochenzeitung FALTER und Experten der wirtschaftswissenschaftlichen
Abteilung der Wiener Arbeiterkammer befassten sich in diesem Buch mit der Wirtschaftskrise und erklären alles, was man wissen muss, um die Debatten über die Krise zu verstehen.

Klar ist mittlerweile eines: Die Wirtschaft ist heute keine Fachmaterie mehr, die nur einige Banker, Ökonomen und Anleger interessiert. Je länger die Krise andauert, desto mehr wird sie zur Angelegenheit der breiten Masse, die zunehmend begreift, wie stark die Frage möglichen künftigen Wohlstands von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik abhängt.

Die übliche Berichterstattung über die Krise lässt vielfach den Blick auf größere Zusammenhänge vermissen. Jeder kennt zwar die wiederkehrenden Schlagzeilen über neuerliche Geldspritzen der Europäischen Zentralbank, die wieder einmal wirkungslos bleiben. Oder über aktuelle Demonstrationen gegen das von der Troika oktroyierte Sparpaket in Athen oder Madrid.
Aber was ist eigentlich im Großen und Ganzen seit dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 geschehen?

Diesem Bedürfnis nach Orientierung will das vorliegende Buch nachkommen. Es umfasst Porträts einflussreicher historischer Wirtschaftsdenker, deren Weltbilder bis heute fortwirken. Ein Streitgespräch dreier Ökonomen unterschiedlicher Ausrichtung: eines Liberalen, eines Keynesianers und einer Umweltökonomin. Weiters befasst es sich mit der Frage, welche Personen und Institute uns in Österreich Wirtschaft erklären sowie welche Wirtschaftssachbücher der vergangenen Jahre man lesen sollte. Den Abschluss bildet ein Glossar mit wesentlichen Fachbegriffen und Protagonisten.

Zahlen, bitte! - E-Book 

Was Sie schon immer über Österreich wissen wollten
Posted by Wilfried Allé Thursday, January 31, 2019 11:43:00 AM Categories: Fachbücher Wirtschaft/Politik
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von Florian Klenk, Konrad Pesendorfer

Jetzt wieder lieferbar!

EAN: 9783854396178
Verlag: Falter Verlag
Format: PDF
Umfang: 120 Seiten
Erscheinungsdatum: 02.07.2018
Preis: € 14,99
 


Bitte beachten: Dies ist ein E-Book im pdf-Format. Tabellen und Grafiken verlieren bei E-Book-Readern deutlich an Qualität.

Wie viele Schulkinder hat Österreich und wie viele von ihnen machen Matura? Wie gesund oder krank sind wir? Wohin verreisen wir am liebsten? Wie viele Zwetschkenbäume hat das Land? Und wird das wirklich gezählt? Alle Antworten auf diese Fragen und welche Auswirkungen diese Fakten auf unser Leben haben, sind in diesem Buch kompakt dargestellt.

Konrad Pesendorfer von Statistik Austria und Florian Klenk vom FALTER versachlichen Themen die uns bewegen, die wir aber in ihrer quantitativen Bedeutung in unserer Gesellschaft nicht immer abzuschätzen vermögen und legen somit objektive Information vor.
In einer Welt, die von überlautstarken Meinungsäußerungen geprägt ist und in der das reißerischste Posting oder der verwegenste Tweet die Gemüter politisch sensibler Menschen in atemberaubender Geschwindigkeit in Aufregung versetzen kann, erlangen nüchtern vorgetragene Fakten und äquidistante Verweise darauf, wie sich bestimmte Phänomene in der Realität quantitativ darstellen, wieder an Attraktivität.

Inhaltsverzeichnis plus Leseprobe ->

Rezension aus FALTER 26/2018

„Was bedeutet eigentlich der EU-Ratsvorsitz für österreichische Statistiker?“

In der Europäischen Union sind 24 Amtssprachen in Verwendung. Aber auch in der Welt der Zahlen kann es zu Verständigungsschwierigkeiten kommen. Deswegen müssen sich auch Europas Statistiker auf gemeinsame Standards und Fragestellungen verständigen. Demnächst unter der Regie Österreichs.

Falter: Herr Pesendorfer, ab 1. Juli dieses Jahres übernimmt Österreich für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Was bedeutet das für den Bereich der Statistik?
Konrad Pesendorfer: Mehr als 90 Prozent aller Statistiken, die wir bei Statistik Aus­tria produzieren, werden erstellt, weil das bestimmte Datenanforderungen von der Europäischen Union an die Republik Österreich verlangen. Da gibt es genaue Vorgaben, die auch in einzelnen EU-Verordnungen festgehalten sind, welche Daten zu welchen Themen, Definitionen und Zeitpunkten zu Eurostat nach Luxemburg geliefert werden müssen.

Wie entstehen solche EU-Statistikverordnungen?
Pesendorfer: Zu Beginn macht Eurostat, das als Teil der Europäischen Kommission ja ein Initiativrecht hat, einen Vorschlag, Statistiken zu einem bestimmten Thema zu erstellen, für das es auf europäischer Ebene einen Informationsbedarf gibt. Dann folgen Diskussionen dazu in einzelnen Expertengruppen des Europäischen Statistischen Systems (AESS), die durch einen Beschluss der Generaldirektoren aller EU-Statistik­institutionen im Ausschuss für das Europäische Statistische System abgeschlossen werden. Danach müssen die EU-Verordnungsentwürfe vom Rat und vom Europäischen Parlament beschlossen werden, um Gültigkeit zu erlangen.

Und hier kommt der österreichische EU-Ratsvorsitz ins Spiel?
Pesendorfer: Genau. Es gibt eine eigene Ratsarbeitsgruppe Statistik, in der sich die Mitgliedsstaaten auf die Details der Statistik einigen müssen – und dort darf ich für die Republik Österreich in den kommenden sechs Monaten den Vorsitz führen und Kompromisse erarbeiten, die von einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten mitgetragen werden. Danach muss der EU-Ratsvorsitz den Kompromiss mit dem Europäischen Parlament verhandeln, und wenn sich alle einig sind, kann die neue EU-Verordnung verabschiedet werden.

Was ist das Ziel dieses aufwendigen Prozedere?
Pesendorfer: Ziel ist es, europäische Statistiken zu erarbeiten, die auf EU-Ebene vergleichbar sind. Außerdem müssen die Statistiken die hohen Qualitätsstandards einhalten, die die auf EU-Ebene verbindlich festgeschriebenen europäischen statistischen Grundsätze verlangen.

Welche Grundsätze sind das?
Pesendorfer: Das sind in erster Linie die Grundsätze der fachlichen Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit und der Objektivität von Statistiken. Aber natürlich müssen Statistiken auch zuverlässig sein, die statistische Geheimhaltung muss beachtet werden, und dann muss auch ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Erstellung von Statistiken beachtet werden.

Welche Verordnungen werden in den kommenden sechs Monaten im Statistikbereich verhandelt?
Pesendorfer: Da ist einerseits eine Rahmenverordnung zu Unternehmensstatistiken, bei der es um die Erfassung von Wirtschaftsstruktur und Konjunkturentwicklung geht, aber auch um Fragen der Globalisierung. Andererseits soll es Verbesserungen bei Migrationsstatistiken geben. Außerdem werden eine Verordnung zum Bruttonationaleinkommen, das ja die Grundlage für die Budgetbeiträge zur EU bildet, sowie das künftige Statistikprogramm für die Jahre 2021 bis 2027 behandelt.


„Zahlen!“ ist eine Serie des Falter. Jede Woche beantwortet der Chef der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, Fragen zu seinen neuesten Daten, die Politiker kennen sollten, ehe sie Entscheidungen treffen

Pesendorfer Konrad in FALTER 26/2018 vom 29.06.2018 (S. 19)

Polens Rolle rückwärts 

Der Aufstieg der Nationalikonservativen und die Perspektiven der Linken
Posted by Wilfried Allé Friday, January 19, 2018 12:36:00 AM Categories: Gesellschaft Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Der politische Rechtstrend in Polen ist unübersehbar. Jarosław Kaczyński, der starke Mann hinter der im November 2015 vereidigten Präsidentin Beata Szydło, verkündet, dass das Jahr 2015 in der jüngsten Geschichte des Landes genauso wichtig sei wie das Jahr 1989.
Verhasst ist ihm die politische Ordnung, die sich nach 1989 zwischen der damaligen »Solidarność«-Opposition und der Regierungsseite in Polen herausgebildet hatte. Er hält die seinerzeit am Runden Tisch gefundene Weichenstellung für Verrat, weil sie einer endgültigen Abrechnung mit dem Staatssozialismus den Weg verbaut habe. Nun greift er die liberale Verfassung von 1997 an, da sie Polens erfolgreichen Weg in die Zukunft verhindere.
Diese auch vor dem Hintergrund der Rechtsverschiebungen in anderen europäischen Ländern beunruhigenden Entwicklungen können nicht ohne den Niedergang der Linkskräfte in Polen verstanden werden. Nach spektakulären politischen Erfolgen wurde ein hoher Preis bezahlt für die unkritische Bereitschaft, das Land für den ersehnten Beitritt zur Europäischen Union fit zu machen.
Nunmehr ist es die Kaczyński-Partei, die mit ihren nationalkonservativen Argumenten den neoliberal geprägten Weg eines möglichst schnellen Wirtschaftswachstums auf den Prüfstein stellt – doch um welchen Preis für die Demokratie in Polen und Europa?

Portrait
Krzysztof Pilawski, polnischer Publizist, nach 1990 Korrespondent der linksgerichteten ­Tageszeitung »Trybuna« in Moskau; Veröffentlichungen zur polnischen Linken und zu geschichts­politischen Strategien der Nationalkonservativen.

Einband Kunststoff-Einband
Seitenzahl 176
Erscheinungsdatum 01.04.2016
Sprache Deutsch
ISBN 978-3-89965-702-9
Verlag VSA Verlag
Preis € 15,30
Maße (L/B/H) 211/139/15 mm
Gewicht 281
Auflage 1

Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten 

Narzisstisch? Dissozial? Paranoid?
Posted by Wilfried Allé Wednesday, January 17, 2018 12:35:00 PM Categories: Gesellschaft Politik & Geschichte Sachbücher/Politik Wirtschaft/Politik
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Besorgte Psychiater brechen mit Berufsethos.

Zwar sind Ferndiagnosen über den Geisteszustand unter Psychiatern eigent­lich ver­pönt. Dazu kommt eine ethische Ver­pflich­tung, sich nicht ohne deren Ein­ver­ständ­nis über Men­schen des öf­fent­lichen Le­bens zu äußern. In Be­zug auf Donald Trump aber haben schon einige Ex­per­ten mit die­sen Grund­sätzen ge­bro­chen - aus Sorge da­rüber, was er als Prä­si­dent an­rich­ten kann.

"Wenn wir als Psychiater von der be­sonderen Ge­fahr wis­sen, die von Trump aus­geht, und da­rü­ber nicht spre­chen, wird die Ge­schich­te nicht gut über uns ur­tei­len", sagte der US-Psy­cho­lo­ge John Gartner. Er ge­hört zu 27 teils höchst re­nom­mier­ten Fach­leu­ten, die in dem Band "The Dangerous Case of Donald Trump" ein Bild von Trumps Per­sön­lich­keit zeich­nen - und zu be­sorg­nis­er­regen­den Fern­di­a­gno­sen kom­men.

Preis: € 20,60
Verlag: Rowohlt
Genre: Politik & Geschichte
Erscheinungsdatum: 19.02.2018

 

Rezension aus FALTER 3/2018

Being Donald Trump

Michael Wolffs „Fire and Fury“ blickt erstmals hinter die Ku­lis­sen der Trump-Ad­mini­stra­tion und ge­hört un­be­dingt ge­le­sen

Mit der Drohung von „Fire and Fury“, „Feuer und Wut“, hatte Donald Trump Nord­korea einen Atom­schlag in Aus­sicht ge­stellt. Wie man in dem Buch er­fährt, ohne je­de Pla­nung. Den Slo­gan hat sich der Journa­list Michael Wolff für sei­nen Thril­ler über Wahn­sinn und Chaos im Weißen Haus aus­ge­borgt. Der Au­tor hat­te über viele Mo­na­te di­rekten Zu­gang zum eng­sten Um­kreis des Prä­si­den­ten. Er kommt aus dem rech­ten Bio­top der Me­dien­welt New Yorks. Sein Be­richt, wo­nach aus­nahms­los alle Trump-Mit­ar­bei­ter zur Über­zeu­gung ge­kom­men sind, dass der Prä­si­dent psy­chisch ge­stört und un­ge­eig­net für sein Amt ist, ist eine po­li­tische Bom­be mit un­ge­ahn­ter Spreng­kraft.
Michael Wolff erlaubt es seinen Lesern quasi als Mäus­chen hin­term Vor­hang bei ge­hei­men Stra­te­gie­be­spre­chungen, laut­starken Schrei­duel­len und bein­har­ten In­tri­gen um den mächtig­sten Mann der Welt da­bei zu sein. Mit 200 Ver­wand­ten, Freun­den und Be­kannten des Prä­si­den­ten hat der Re­por­ter ge­spro­chen, zu­meist im Hin­ter­grund, häu­fig auch zitier­fä­hig „on the record“.
Trump denunziert das Buch als Fik­tion vol­ler Fake News. Aber er schei­ter­te beim Ver­such, die Aus­lie­fe­rung zu blo­ckie­ren. Abgesehen von Flüchtig­keits­fehlern konnte kein Ge­sprächs­part­ner bis­her be­haup­ten, dass er falsch zi­tiert wur­de. Ame­ri­ka nimmt das von Wolff ge­zeich­nete Sit­ten­bild ernst. Trump er­scheint jetzt als „wahn­sin­niger König“, sagt der Po­li­tik­wis­sen­schaft­ler Tyson Baker vom Aspen Insti­tute in Episode 20 des Falter­Radios.
Mit „Fire and Fury“ meint Michael Wolff den to­talen Krieg ge­gen das Es­tablish­ment, den Trump sei­nen Wählern ver­spro­chen hat, den aber nur eine Frak­tion im Weißen Haus wirk­lich füh­ren will. Die Fol­ge ist ein er­bar­mungs­lo­ser Kampf zwi­schen dem rechts­ra­di­kalen Chef­stra­tegen Steve Bannon als Ver­treter der Wut­bür­ger und der auf Re­s­pek­ta­bi­li­tät be­dach­ten Fa­mi­lien­frak­tion um Toch­ter Ivanka und Schwieger­sohn Jared Kushner.
Gemeinsam ist den ver­feindeten La­gern, dass sie von einem Sieg Hillary Clintons über­zeugt wa­ren. Trump wollte nach der Nieder­lage eine Kam­pagne ge­gen ge­stoh­lene Wahlen star­ten und einen neu­en rech­ten Fern­seh­sen­der grün­den. Der über­ra­schende Er­folg ist der An­fang des nicht en­den wol­len­den Cha­os um den we­der men­tal noch po­li­tisch zum Re­gie­ren ge­eigne­ten Show­man.
Penibel listet Wolff die Kraft­aus­drücke auf, mit denen hohe Re­gierungs­ver­tre­ter den Chef be­denken: „fucking moron“, „Voll­trottel“ (Außen­mi­nis­ter Rex Til­ler­son), „idiot“ (Fi­nanz­mi­nis­ter Steven Mnuchin), „dumb as shit“, „dumm wie Scheiße“ (Wirt­schafts­be­ra­ter Gary Cohn), „dope“, „Trot­tel“ (Sicher­heits­be­ra­ter H.R. McMaster). In den USA ge­bie­tet die Hoch­ach­tung vor dem Amt selbst den Geg­nern einen res­pekt­vol­len Um­gang mit dem Prä­si­den­ten. Das Toll­haus um Trump hat diese Tra­di­tion be­endet.
In Wolffs Darstellung glaubt Rechts­außen­mann Bannon mit Hilfe Trumps das ge­sell­schaft­liche Ruder herum­reißen zu kön­nen. Staats­aus­ga­ben und Steu­ern he­run­ter, Aus­län­der raus, Um­welt­ge­setze und Ge­sund­heits­re­geln außer Kraft setzen, das ist sein Pro­gramm. Das Ame­ri­ka des weißen Pro­le­ta­ri­ats soll wie­der die Ober­hand be­kom­men. Aber Trump ist kein Ideo­loge, son­dern ein Prag­ma­ti­ker, der auch von den kon­ser­va­ti­ven Eli­ten ge­liebt wer­den will. Über ihm schwe­bt das Da­mo­kles­schwert ei­ner my­ste­ri­ösen Ver­bin­dung zu Russ­land und Wla­di­mir Pu­tin. Die Er­mitt­lungen des Son­der­staats­an­waltes Mueller gel­ten als die größ­te Be­dro­hung für die Prä­si­dent­schaft.
Der Rest der Welt spielt eine be­schei­dene Rolle. Die Re­vo­lu­tion fin­det nur auf Twit­ter statt. In Kri­sen­si­tu­a­tionen schlägt sich der Prä­si­dent auf die Seite der Mi­li­tärs, die Aben­teuern ab­hold sind. Ein Drit­tel der Ame­ri­ka­ner hält ei­sern zu Trump. Michael Wolff bie­tet einen Be­richt über die obers­ten Eta­gen des Na­ti­onal­po­pu­lis­mus in Ame­ri­ka, der ver­stö­rend und span­nend zu­gleich ist.

Dazu passend auch das Buch

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