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Welt in Bewegung 

Warum das 21. Jahrhundert so gefährlich geworden ist

Raimund Löw

Verlag: Falter Verlag
EAN: 9783854397069
Umfang: 224 Seiten
Genre: Outdoor, Radeln, Rasten&Genießen
Erscheinungsdatum: 21.04.2022
Format Taschenbuch
Preis: € 22,90

 

Der bekannte Journalist, Historiker und Buchautor Raimund Löw bietet eine journalistische Reise durch die Umwälzungen der internationalen Politik, die in die Zeitenwende des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 münden. Er beschreibt Russlands Phantomschmerz nach dem Zerfall der Sowjetunion, die Widerstandsfähigkeit Europas gegen Finanzkrisen und den Nationalismus der Rechten. Er analysiert die Pendelschläge Amerikas zwischen 9/11, Donald Trump und Joe Biden. 

Löw hat als Asien-Korrespondent des ORF Chinas unheimlichen Aufstieg mitverfolgt. Als einem der wenigen europäischen Journalisten gelang es ihm auch, live aus der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang zu berichten.

Pressetext

Welt in Bewegung - warum das 21. Jahrhundert so gefährlich geworden ist

Der vielfach ausgezeichnete Journalist, Historiker und Autor Raimund Löw hat ein neues Buch geschrieben.

 In „Welt in Bewegung“ erzählt Raimund Löw von der krisenhaften Entwicklung der Weltpolitik, die zur bisher gefährlichsten Situation des 21. Jahrhunderts geführt hat. Im Zentrum stehen Themen, so aktuell wie kaum andere: Russlands Konfrontationen mit dem Westen seit den demokratischen Revolutionen von 1989, Putins Angriffskrieg auf die Ukraine im Jahr 2022, die Turbulenzen der USA - von Barack Obama, über Donald Trump bis hin zu Joe Bidens Weg zum Präsidenten der USA und von der Resilienz Europas gegen zentrifugale Kräfte, der dieser Titel besondere Bedeutung beimisst.

Das Buch umfasst auf 224 Seiten exklusive Reportagen von Raimund Löw aus zahlreichen Regionen der Welt, die er laufend für die Wiener Wochenzeitung FALTER verfasst und nun überarbeitet hat. Der Autor war 1989 in Moskau Zeuge der Umwälzungen in der Sowjetunion und hat den Totalitarismus Nordkoreas erlebt. Er konnte im Presseraum des Weißen Hauses in Washington, D. C., am Sitz der Europäischen Kommission in Brüssel und auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking beobachten, wie die Welt auf ein sich veränderndes 21. Jahrhunderts zutreibt. Mit „Welt in Bewegung“ schafft es Raimund Löw, den Blick auf das große Ganze treffsicher zu vermitteln. Es werden Zusammenhänge hergestellt und hinterfragt, die nachdenklich stimmen.

“Die liberale Demokratie erweist sich selbst in den reichsten und ältesten Demokratien nicht so unumstößlich wie angenommen. Fakt ist, die Welt ist immer in Bewegung, zuweilen langsamer, zuweilen schneller”, formuliert Georg Hoffmann-Ostenhof in seinem Vorwort.

Barbara Coudenhove-Kalergi findet die richtigen Worte zur Neuerscheinung: „Raimund Löw ist der führende außenpolitische Analytiker in Österreich. Seine Beobachtungen sind ein Schlüssel zum besseren Verständnis der ersten 20 Jahre unseres von ihm so genannten ,gefährlichen‘ 21. Jahrhunderts.“

Der Autor steht für Interviews, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen bei vorheriger Kontaktaufnahme und Abstimmung mit dem Falter Verlag zur Verfügung.

Pressekontakt:
Julia Gerber
gerber@falter.at
T: +43 1 53660 977


Einladung zur Präsentation

Der Falter Verlag und das Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog laden zur Präsentation des neuen Buchs Welt in Bewegung

Donnerstag 28. April 2022, 19 Uhr
Bruno Kreisky Forum für internationalen Dialog

Armbrustergasse 15
1190 Wien

Tessa Szyszkowitz im Gespräch mit Raimund Löw, Barbara Wolschek und Georg Hoffmann-Ostenhof
E I N T R I T T F R E I
Anmeldung unter www.kreisky-forum.org

Ich freue mich auf Ihr Kommen!

Christa Thurnher
Falter Verlag
christa.thurnher@falter.at

Posted by Wilfried Allé Friday, April 22, 2022 8:50:00 PM Categories: Fachbücher Politikwissenschaft/Politik
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30 Ideen für Europa 

Verlag: Czernin Verlag
Herausgeber: OeGfE (Österreichische Gesellschaft für Europapolitik)
Umfang: 144 Seiten
Genre: Politikwissenschaft/Politik, Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Erscheinungsdatum: 22.09.2021
ISBN - Buch: 978-3-7076-0749-9
Format - Buch: Hardcover
Preis - Buch: € 20,00
ISBN - e-Book:
978-3-7076-0750-5
Format - e-Book:
ePub
Preis - e-Book:
Euro 14,99

Wie geht es mit der Europäischen Union weiter? Wie werden die gesundheitspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie bekämpft? Wer findet Antworten auf die Klimakrise und wie können die Chancen der Digitalisierung genutzt werden?

Ob Bildung, die globale Positionierung der Union oder die Gesundheitskrise: Die Europäische Union steht vor umfassenden Herausforderungen. Nicht nur der Umgang mit Migration und der Schutz der EU-Außengrenzen haben zu immer stärkeren Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten geführt. Auch die unterschiedliche Auslegung von Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten macht deutlich: Es braucht dringend neue, gesamteuropäische Impulse.

»30 Ideen für Europa« versammelt spannende Kommentare von je 15 Autorinnen und Autoren unterschiedlichster Fachrichtungen und Hintergründe, die ihre Vorstellungen für eine vielfältige Zukunft der EU skizzieren.

Mit Beiträgen von: Renate Anderl, Silvia Angelo, Elodie Arpa, Barbara Blaha, Mercedes Echerer, Teresa Eder, Edeltraud Hanappi-Egger, Sylvia Kritzinger, Hannah M. Lessing, Corinna Milborn, Katharina Rogenhofer, Margit Schratzenstaller, Christa Schweng, Nini Tsiklauri, Christa Wirthumer-Hoche sowie Helfried Carl, Vedran Džihić, Belached Gebrewold, Robert Holzmann, Wolfgang Katzian, Gerald Knaus, Michael Landau, Helmut Leopold, Harald Mahrer, Gerhard Mangott, Josef Moosbrugger, Hans Dietmar Schweisgut, Martin Selmayr & Werner Wutscher

Posted by Wilfried Allé Thursday, November 18, 2021 11:31:00 AM Categories: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945) Politikwissenschaft/Politik
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Sozialstaat Österreich (1945–2020) 

Entwicklung – Maßnahmen – internationale Verortung

von Emmerich Tálos , Herbert Obingerr

ISBN 9783706560528
Ausgabe mit zahlr. Grafiken u. Tabellen
Verlag: Studien Verlag
Format: Hardcover
Genre: Politikwissenschaft
Umfang: 192 Seiten
Erscheinungsdatum: 06.10.2020
Preis: € 24,90
Kurzbeschreibung des Verlags:

Der sozialstaatliche Entwicklungsprozess war im Österreich der Nach­kriegs­jahr­zehnte durch eine be­acht­liche Ex­pan­sion ge­kenn­zeichnet. Vom „goldenem Zeit­alter“ war die Rede. Wirt­schaft­liche, so­zi­ale und po­li­tische Ver­än­derungen brachten seit Mitte der 1980er Jahre be­trächt­liche Heraus­for­de­rungen mit sich. Neben punk­tu­ellen Er­wei­te­rungen zeichnen sich deut­lich res­trik­tive Trends auf allen Ebenen des So­zial­staates ab.
Eine Heraus­forderung einmaliger Art stellt die 2020 aus­ge­bro­chene Corona-Pan­demie mit ihren ein­schnei­den­den wirt­schaft­lichen und so­zi­alen Aus­wir­kungen dar. Un­übe­sehbar in diesem Zu­sam­men­hang ist, wie un­ver­zicht­bar der breit aus­ge­baute So­zial­staat für die öster­reichi­sche Ge­sell­schaft ist.
Im ersten Abschnitt des Buches stehen der So­zial­staat der Nach­kriegs­jahr­zehnte, seine Ge­stal­tungs­prin­zi­pien, Di­men­si­onen und Ex­pan­sion auf den ver­schie­denen Ebenen im Blick­punkt. Gegen­stand des zwei­ten Ab­schnit­tes ist der so­zial­staat­liche Ver­än­de­rungs­pro­zess seit Mit­te der 1980er Jahre: das ver­än­derte Um­feld so­wie die ge­trof­fenen Maß­nahmen in den ver­schie­denen so­zial­staat­lichen Be­rei­chen. Der dritte Ab­schnitt geht den Be­stim­mungs­fak­toren die­ser dif­fe­renten Ent­wick­lungen nach, der vierte Ab­schnitt be­fasst sich mit der inter­natio­nalen Ver­ortung und dem inter­natio­nalen Ver­gleich des öster­reichi­schen Sozial­staates. Ab­schließend wird ein Blick auf mög­liche zu­künf­tige Ent­wick­lungen vor dem Hinter­grund der ak­tuel­len Corona-Pan­demie ge­worfen.

FALTER-Rezension

Dass Österreichs Spitäler in der Corona-Pandemie nicht kolla­bierten, ver­danken wir einem gut aus­ge­stat­teten Ge­sund­heits­sys­tem als wich­tigem Be­stand­teil des öster­reichi­schen So­zial­staats. Wie es um diesen Sozial­staat be­stellt ist, wie er sich seit seinen Ur­sprün­gen in der Armen­für­sorge des Jahres 1860 ver­än­derte und welche Heraus­for­de­rungen auf unser Sozial­system heute zu­kom­men, haben die Poli­ti­kwis­sen­schaft­ler Emmerich Talos und Herbert Obinger de­tail­liert ana­ly­siert.

Sie beschreiben den Siegeszug des Sozial­staats nach 1945, aber auch, wie sich ab den 1990er-Jahren An­sätze neo­li­be­raler Poli­tik in der So­zial­staats­debatte ein­schlichen, die ab dem Jahr 2000 starke Spuren hinter­ließen und ab 2017 mit der neuer­lichen FPÖ-Regierungs­be­tei­li­gung um einen Wohl­fahrts­chau­vi­nis­mus er­gänzt wurden. Minu­tiös zeich­nen die Autoren auch nach, wie die ÖVP-FPÖ-Re­gie­rungen ab dem Jahr 2000 den Ein­fluss der Arbeit­nehmer auf die so­zial­staat­lichen Insti­tu­tionen schmä­ler­ten, etwa als 2018 die seit dem Jahr 1888 ver­an­kerte Mehr­heit der Dienst­nehmer in der Gesund­heits­ver­siche­rung zu­guns­ten der Dienst­geber ab­ge­schafft wurde. Ein Pflicht­buch für alle, die sich um die Zu­kunft des Sozial­staats sor­gen und die wissen wollen, was es zu ver­teidigen gilt.

Nina Horaczek in Falter 17/2021 vom 30.04.2021 (S. 22)

Posted by Wilfried Allé Tuesday, June 1, 2021 5:37:00 PM Categories: Politikwissenschaft/Politik
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Die falschen Freunde der einfachen Leute  

Es bedarf vielmehr ein Gespräch über Angst, als einer Lektion über Rassismus

von Robert Misik

Inhalt

Alte Parteien verschwinden, neue tauchen auf, die Leitplanken des Diskurses verschieben sich. So chaotisch die politische Situation sich darstellt, so unübersichtlich ist das Angebot an Deutungen für den Aufstieg des autoritären Nationalismus: Die einen erklären ihn mit Politikverdrossenheit und amorpher Wut, andere mit ökonomischen Faktoren wie Globalisierung und wachsender Ungleichheit, wieder andere führen ihn auf die vermeintliche kulturelle Abwertung von Menschen mit konventionellen Werten und Lebensstilen zurück.

Für sich genommen, so Robert Misik, ist jede dieser Erklärungen viel zu simpel gedacht. Ökonomische und psychopolitische Dynamiken schaukeln sich hoch. Die verborgenen Verwundungen in einer Klassengesellschaft brauchen multikausale Erklärungen – und radikale Antworten.

Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Politikwissenschaft/Politik, Wirtschaft
Umfang: 138 Seiten
Erscheinungsdatum: 11.11.2019
Preis: ca. 14,40 €
Lieferbar:: ab 11.11.2019

Rezension aus FALTER 44/2019

Die sogenannten einfachen Leute

Warum die mediale Darstellung der Arbeiterschaft als ignorant, rassistisch und intolerant nicht nur falsch ist, sondern auch die falschen Parteien stärkt

In vielen europäischen Städten machen Menschen mit Migrationshintergrund rund 50 Prozent der Einwohnerschaft aus. Längst gibt es auch eine eingewanderte Mittelschicht, doch unter den verwundbarsten Arbeitnehmern und unter denen, die am Arbeitsmarkt keine Chance haben, sind Migranten häufiger vertreten, als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. Der verletzbarste Teil der Arbeiterklasse, das sind Teile der alten weißen Arbeiterklasse und das neue, zugewanderte Proletariat.

Ihre Lage ist oft sogar frappierend ähnlich: Das beginnt mit der Chancenarmut, mit der sie bereits ins Schulleben starten. Es geht weiter mit den abwertenden Zuschreibungen und Projektionen, der Herablassung, mit der sie täglich konfrontiert sind. Setzt sich fort mit dem Hangeln von schlechtem Job zu schlechtem Job und dem – wenn überhaupt – verspäteten Eintritt in ein stabiles Beschäftigungsleben.

Betrachtet man die Dinge so, könnte man beinahe meinen, diese verschiedenen besonders verwundbaren Gruppen müssten sich zusammentun, ein instinktives Solidaritätsgefühl entwickeln. Und tatsächlich ist das ja auch manchmal der Fall: Spricht man mit Angehörigen der weißen Arbeiterklasse, die sich als Verlierer fühlen, kann man von ein und derselben Person hören, dass durch „die vielen Ausländer“ alles schlechter werde, dass „sie“ (die Eliten) all die Zuwanderer reinlassen, der türkische Kollege im Betrieb aber ein klasser Kerl sei, auf den sie nichts kommen lassen, und dass der syrische Ladenbesitzer im Nebenhaus bewundernswert fleißig sei oder der serbische Elektroinstallateur, der sich so um die Kinder kümmert und keinen Elternabend in der Schule versäumt, oder der mobile albanische Altenpfleger, der täglich die eigene Mutter besucht und wäscht.

Es ist, horcht man genau hin, ja keineswegs so, dass es kein Solidaritätsgefühl gibt. Selbst wenn man dieselben Lebenswelten bewohnt, existiert zwar eine Fremdheit, die selten vollends überwunden wird, aber durchaus auch wechselseitiger Respekt.

„Gute Leute“, das hört man von den Zuwanderern auf die Einheimischen gemünzt. „Gute Leute“, hört man genauso oft von den Einheimischen auf die Zuwanderer gemünzt.

Und dennoch wird gerne behauptet, Migration sei „das Thema“ schlechthin, es würde für Polarisierung sorgen, sei der entscheidende Faktor für die Entfremdung der „weißen Arbeiterklasse“, ihren Zorn und ihre Wut. Und das ist auch nicht völlig falsch.

Deswegen ist es wichtig zu verstehen, was da abgeht. Es ist ein seltsames Amalgam aus Vorurteilen, richtigen Urteilen, Empfindungen, aus Normen, Werten und Konflikten, aus Übersetzungen und Interpretationen von Verwundungserfahrungen.

Im Unterschied zu den migrantischen arbeitenden Klassen haben die weißen arbeitenden Klassen eine Abstiegserfahrung gemacht. Das kann ein ganz persönlicher Abstieg sein oder ein symbolisch empfundener – wenn die Aufstiegshoffnung, die frühere Generationen hegen durften, verschwindet, wird das als Verlust erlebt, der in gewisser Weise einem Abstieg gleichkommt. Menschen sind eher frustriert über das, was sie verloren haben, als über etwas, das sie nie besaßen.

Das Gefühl, an den Rand gedrängt worden zu sein, verbindet sich dann mit Erfah­rungen, die Menschen in Gesellschaften mit Massenmigration machen. „Wir sollten im Zentrum stehen. Ich denke, andere Leute sollen die gleichen Möglichkeiten haben wie wir, aber wir sollten schon als Erste drankommen“, meint ein Gesprächspartner in East London gegenüber dem Sozialforscher Justin Gest. Die Minderheiten stellen jedoch denselben Anspruch, zumindest scheint es so, als wäre der als natürlich empfundene Anspruch der „Hiesigen“, als „Erste dranzukommen“, heute nicht mehr gewährleistet. Das lässt das Gefühl entstehen, „selbst Opfer von Diskriminierung­“ zu sein. Die hiesigen „einfachen Leute“ haben das Gefühl, sie seien „eine neue Minderheit“.

„Bei uns sieht es aus wie in einem Vorort von Nairobi. Aber was können wir schon dagegen machen?“, sagt eine resignierte Gesprächspartnerin in East London. In der Wahrnehmung der Betroffenen werden der ökonomische Stress und die migrationsbedingten Veränderungen im Viertel dabei zu Symptomen ein und desselben Prozesses. Wenn diejenigen, die sich als Verlierer dieser Entwicklungen sehen, sagen „ich komme nicht mehr mit“, ist das oft ein Code für Immigration. Zugleich ist die Immigration aber in gewisser Hinsicht selbst nur ein Code für das ganze Set an Veränderungen, die mit diesem Abstieg verbunden werden.

Seit je hat die Arbeiterklasse einen eigenen Leistungsbegriff hochgehalten, nämlich dass man sich Respekt, Selbstrespekt und den Anspruch auf Einkommen durch Anpacken und die Bereitschaft verdient, die eigenen Fertigkeiten weiterzuentwickeln. Durch Disziplin und Selbstdisziplin. Im „alten“ Klassenkampf war das ein schlagkräftiges Argument: Lohnsteigerungen setzte man nicht mit der Begründung durch, dass einen mehr Kohle fröhlicher macht, sondern man stellte sich auf die Position, dass einem ein fairer Anteil am Kuchen „zusteht“ – und zwar eben wegen der Anstrengung und der eigenen Lebensleistung. Dieses Leistungsprinzip der Arbeiterklasse führte­ im Übrigen dazu, dass Werte in der Realität oft in widersprüchlichen Schattierungen und mit vielen Graustufen auftraten: Einerseits gab es nicht nur das egalitäre Ideal, sondern regelrechte egalitäre Instinkte, andererseits das Bewusstsein für feine Unterschiede. Hier­archien fanden durchaus Akzeptanz.

Staatliche Gelder für Arbeitslose, chronisch Gescheiterte oder „die Armen“ waren in der Arbeiterklasse oft sogar weniger akzeptiert als in bürgerlichen Schichten. Für Angehörige der Arbeiterklasse waren die Armen Leute aus der eigenen Umgebung, die sich primär dadurch von ihnen unterschieden, dass sie sich weniger anstrengten oder es an Disziplin vermissen ließen. „Ich stehe ja auch um sechs Uhr morgens auf und mache einen Job, der eigentlich eine Qual ist – warum soll der andere eine Unterstützung bekommen, nur weil er sich diese Qual erspart?“ Gerade wer harte Arbeit leistet, will nicht, dass andere „auf meine Kosten leben“.

In Gesellschaften mit Massenmigration kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Nicht nur Leistung begründet Ansprüche an die Gemeinschaft, sondern auch die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft selbst. Diese volle Zugehörigkeit wird bei Migranten oft – manchmal begründeter, manchmal unbegründeter – infrage gestellt. Hört man genau hin, stößt man auf ganz unterschiedliche Erscheinungsformen einer zerrissenen Solidarität. Für den Arbeitslosen aus der weißen Arbeiterklasse sind die Migranten, die das soziale Netz in Anspruch nehmen, Konkurrenten um Transferleistungen; für den, der zwölf Stunden am Tag malocht und seine Steuern und Sozialbeiträge zahlt, sind sie die Verursacher seiner Abgabenlast.

„Menschen aus der ‚weißen Arbeiterklasse‘ tendieren in Gesprächen dazu, als Vorwort gewissermaßen hinzuzufügen, dass sie keine Rassisten seien und keine Vorurteile hätten. (…) Sie haben Angst, dass ihre Ansichten disqualifiziert werden könnten, obwohl diese Ansichten in der Realität ja authentische Ausdrücke dessen sind, was sie erleben, wie sie leben und wie sich ihre Leben verändern“, resümiert Justin Gest.

Der Vorwurf des Rassismus wird als weiteres Mittel verstanden, die Artikulation der Arbeiterklasse zu kontrollieren und ihre Empfindungen als bedeutungslos hinzustellen. Einer sagt: „Ich arbeite seit 38 Jahren und sehe immer mehr Leute auf der Straße, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich die mit durchziehe.“ Ein anderer: „Sie tun so, als gehöre ihnen die Straße.“

Ein ganzes Panorama psychopolitischer Dynamiken tut sich dann auf. Es geht bergab, und man fühlt sich auch noch unsichtbar gemacht. „Jeder tut so, als wäre man als Weißer eh gut gestellt.“ Alle anderen dürfen sich beklagen, aber man selber soll die Klappe halten.

Man sieht sich selbst als das „einfache Volk“, als „echt“, „authentisch“ und „normal“, aber die moderne Mittel- und die Oberschicht schaut nur mehr auf einen herunter. So kommt unter den „einfachen Leuten“ der Eindruck auf, Buntheit und Multikulturalität würden als „Diversity“ gefeiert, während sie selbst einen Statusverlust hinnehmen müssen.

„Die weiße Arbeiterklasse fühlt sich von den elitären weißen ‚Brüdern‘ verraten, die sie als Arbeiter ausbeuten, die sie während wirtschaftlicher Krisen hängenlassen und die sich nur für die sozialen Verwundungen von Minoritäten interessieren.“

Wenn progressive Sozialinitiativen Nachhilfe, Ausflüge oder Ferien für Kinder aus unterprivilegierten migrantischen Familien organisieren, fragen die Hiesigen sich: „Warum tun sie das nicht auch für uns?“ Und wenn sie in den Nachrichten junge Leute aus wohlhabenderen Milieus sehen, die an Bahnhöfen Hilfsaktionen für Flüchtlinge organisieren, betrachten sie das mit dem insgeheimen Wissen: „Für uns würden sie so etwas nie tun.“ Für diese Teile der alten einheimischen Arbeiterklasse stellt sich die Welt dann als eine Art Dreieck dar: Es gibt die einheimischen Eliten, die Migranten und die „einfachen Leute“. Und die ersten beiden stecken irgendwie zum Schaden Letzterer unter einer Decke.

Es gibt übersteigerten Nationalismus. Es gibt Rassismus. Es gibt die rechtsradikale Ideologie, dass Weiße mehr wert sind als Schwarze. Es gibt aber auch das Gefühl des Bedrängtseins, Leute, die finden, das Ausmaß der Zuwanderung und der Veränderung gehe zu weit.

Den Eindruck, von den Eliten verkauft worden zu sein. Ein Denken in Insider-Outsider-Kategorien, das sich mit den lange tradierten Werten der Arbeiterklasse verbindet, etwa dem lokalen Gemeinschaftsgeist, und oft zu scheinbar paradoxen Haltungen führt. So ergaben Studien unter Sympathisanten rechter Parteien in der deutschen Arbeiterschaft, dass sich „das Gesellschaftsbild der rechtsaffinen jungen Arbeiter kaum von demjenigen sozialdemokratisch orientierter Altersgenossen unterschied.

Man fühlte sich ungerecht behandelt und übte deshalb Kritik am ‚System‘. Im Grunde sehnte man sich jedoch nach einer Republik zurück, in der Arbeiter respektiert waren und Leistung gerecht vergütet wurde.“ Ein Rosenheimer Mechaniker sagt im Interview: „Man könnte mich in etwa so einschätzen, dass ich leicht rechts, leicht links orientiert bin.“ Keiner der Befragten hatte etwas gegen „die Ausländer“: „(E)inige der jungen Arbeiter waren mit migrantischen Altersgenossen befreundet. Doch es gab eine klare Scheidelinie.

Willkommen war nur, wer sich anpasste und etwas leistete.“ Ein Betriebsrat mit Sympathie für die radikale Rechte schätzt hart arbeitende Armutsmigranten, „Flüchtlinge“ stehen aus seiner Sicht viel weiter unten in der Hierarchie: „Flüchtlinge müssen (…) raus. Wer hier jetzt herkommt, arbeitet, sich integriert, wer sich einordnet, unterordnet, kein Thema. Da habe ich ja nichts dagegen. Aber die, die nur hierherkommen und die Hand aufhalten und sich benehmen wie das Letzte und denken, die können sich alles erlauben, raus.“

Joan C. Williams berichtet in ihrer Studie über die US-Arbeiterklasse von einem Mann, der seine Klasse durch Aufstieg verlassen hat, der die rassistischen Einstellungen seiner Familienmitglieder sehr wohl kennt, aber auch ihre egalitären Werte und der nicht glaubt, „dass seine Familienmitglieder schlechte Leute sind“.

Sie haben Ansichten, die er für intolerabel hält. Zugleich ist er sicher, dass sie das Herz am rechten Fleck haben. Seine Verwandten bräuchten keine Lektion über Rassismus, sondern ein Gespräch über Angst. „Leuten zu sagen, dass sie rassistisch, sexistisch und xenophob sind, bringt einen exakt nirgendwohin. Es ist eine zu einschüchternde Botschaft. Wenn wir etwas aus der Sozialpsychologie wissen, dann dass Menschen sich nicht ändern, wenn man sie angreift – sie können sich dann nicht ändern.“

Williams zieht daraus den Schluss: „Das Ziel sollte darin bestehen, einen Keil zwischen das Laster des ideologischen Rassismus und Leute zu treiben, die es einfach nur über haben, dass in ihren Augen die ‚politisch Korrekten‘ ihre Probleme ignorieren und alles Mitgefühl – oder jede Empathie – auf diverse andere Gruppen leiten.“

Diese Haltungen finden ihre Begründungen teilweise sogar in den Traditionen und Werten der historischen Arbeiterklassenkultur. Im Bewusstsein, „dass man nichts geschenkt bekommt im Leben“ oder dass, wer „dazugehört“, bevorzugt behandelt werden sollte. Sie wurzeln in den antielitären Affekten gegen „die da oben“, in den vorindustriellen Volkskulturen, im Lokalpatriotismus. Aber eben auch im Konservativismus der Arbeiterklassenkultur.

In der wirklichen Welt dominieren die Graustufen und die Übergänge. Menschen etwa, die es satthaben, dass die Reichen immer reicher werden, während in ihr eigenes Leben immer mehr Unsicherheit einzieht. Leute, die Rassismus ablehnen, aber dennoch finden, dass gegen afghanische Jugendgangs etwas getan werden sollte, und die sich darüber aufregen, dass, wie mir das einmal ein bayerischer Gewerkschafter sagte, „die Oberen, die nichts zum Gemeinwohl beitragen, uns zu allem Überdruss noch erklären wollen, wie wir zu reden haben!“

Wie bei dem oben zitierten Mechaniker aus Oberbayern geht im echten Leben oft alles durcheinander, finden sich „eher rechte“ Auffassungen und zugleich „eher linke“ – und meist keine davon in ihrer radikalen Reinform.

Die mediale Darstellung der „einfachen Leute“ als ignorant, rassistisch und intolerant erregt dann erst recht den Zorn dieser „einfachen Leute“, die als „zornig“ vorgeführt werden (es ist dann gewissermaßen ein Zorn zweiter Ordnung), weil sie sich nicht authentisch wiedergegeben fühlen, sondern auf ungerechte Weise abgewertet sehen.

Sie haben – nicht ganz zu Unrecht – den Eindruck, ihre durchaus durchdachten, auf realen Erfahrungen beruhenden, oft auch sehr abgestuften Urteile würden nicht einmal wahrgenommen, sondern sie würden als Realkarikaturen ihrer selbst vorgeführt wie früher am Jahrmarkt die Verwachsenen oder Menschen mit Wasserkopf.

Robert Misik in FALTER 44/2019 vom 01.11.2019 (S. 18)

Posted by Wilfried Allé Saturday, November 2, 2019 8:06:00 PM Categories: Politikwissenschaft/Politik Wirtschaft
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Die Schwarz-Blaue Wende in Österreich 

Eine Bilanz

von Emmerich Tálos (Hg.)

Ein Déjà-vu in Schwarz, Blau, Orange und Türkis

Verlag: LIT
Genre: Politik Geschichte
Umfang: 480
Erscheinungsdatum: 15.06.2019
Preis: € 30,80

 

Rezension aus FALTER 36/2019

Ein Déjà-vu in Schwarz, Blau, Orange und Türkis

Ein überaus spannender Vergleich der Politik von Schwarz-Blau und Türkis-Blau, herausgegeben vom Politologen Emmerich Tálos

Der Politologe Emmerich Tálos hat nicht vergessen. Der langjährige Professor für Politikwissenschaft am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien hat bereits 2006 den Sammelband „Schwarz-Blau. Eine Bilanz des ‚Neu-Regierens‘“ herausgegeben, der sich mit der Politik der damaligen schwarz-blauen Bundesregierung (seit der Gründung des BZÖ im April 2005 schwarz-orange Bundesregierung) beschäftigte und als Standardwerk über diese Periode in Österreich gilt.

Nun hat Tálos einen Vergleich gewagt zwischen der Politik der ersten ÖVP-FPÖ-Regierung ab dem „Wendejahr“ 2000 und jenen 17 Monaten ab Dezember 2017, in denen ÖVP-Chef Sebastian Kurz und der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Land regierten.

Beleuchtet werden verschiedene Politikfelder, von der Budgetpolitik über Frauenpolitik, Kulturpolitik, der Einwanderungs- und Integrationspolitik bis zum Umgang der rechtskonservativen Regierung mit der österreichischen Neutralität.

Entmachtung der Arbeitnehmer

In vielen Bereichen finden die Autorinnen und Autoren Parallelen zwischen damals und heute. So wurden von beiden Regierungen nicht die Sozialpartner als Ganzes entmachtet, sondern jener Flügel, der die Interessen der Arbeitnehmer vertritt.

Arbeiterkammer und Gewerkschaft verloren an Einfluss, während manche der türkis-blauen Gesetzesentwürfe, etwa die Reform der gesetzlich zugelassenen Höchstarbeitszeit oder der Umweltverträglichkeitsprüfung bei Unternehmen, „den Eindruck erweckten, weniger aus den legistischen Abteilungen der Ministerien zu stammen als vielmehr auf Entwürfe von Interessenvertretungen (im konkreten Fall der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer) zurückzugehen“, schreibt der Politologe Hubert Sickinger in seinem Beitrag.

Auch das ist eine Parallele zum Jahr 2000, ebenso wie die Tendenz von Schwarz-Blau und Türkis-Blau, Gesetzesvorhaben wie den Zwölfstundentag, bei denen mit Protest zu rechnen ist, möglichst rasch durch das Parlament zu peitschen.

Anti-Ausländer-Kurs in den Schulen

Im Bildungsbereich fuhr Türkis-Blau einen noch schärferen Kurs als die erste ÖVP-FPÖ-Regierung. Unter Schwarz-Blau führten ÖVP und FPÖ noch Sprachförderkurse zum Erlernen der Unterrichtssprache Deutsch in unterrichtsbegleitender Form ein. Unter Türkis-Blau wurden Kinder, die nur mangelhaft Deutsch sprechen, in sogenannten Sprachförderklassen weitestgehend vom Regelunterricht getrennt unterrichtet. In diesem Punkt konnte die FPÖ ihre bereits seit 1993 erhobene Forderung nach eigenen Ausländerklassen mit Unterstützung der ÖVP umsetzen.

Spannend ist der Schwenk der ÖVP in der Europapolitik, der unter ÖVP-Chef Kurz vollzogen wurde. Noch im Grundsatzprogramm, das die Volkspartei 2015 beschlossen hatte, versteht sich die ÖVP klar als „Europapartei“, die „bei jedem weiteren Integrationsschritt eine aktive, die Gemeinschaft fördernde Rolle einnehmen“ soll.

2017 klang das anders. Im Programm zur Nationalratswahl findet sich Europa plötzlich im Kapitel „Ordnung und Sicherheit“. Statt an einer Fortsetzung des Vertiefungsprozesses mitzuwirken, will die ÖVP einen „Kurswechsel in Europa herbeiführen“. Die EU solle sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und die „drückende Last von Regulierungen“ abbauen. Hier hat sich die ÖVP unter Parteichef Kurz weg von der Position der Schüssel-ÖVP und in Richtung FPÖ bewegt.

Ein spannendes Buch mit Beiträgen namhafter Experten zur jüngsten politischen Geschichte Österreichs.

Nina Horaczek in FALTER 36/2019 vom 06.09.2019 (S. 19)

Posted by Wilfried Allé Wednesday, September 4, 2019 9:45:00 PM Categories: Geschichte Politikwissenschaft/Politik
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Die Politische Ökonomie des Populismus 

Wer über Populismus redet, darf nicht länger über Kapitalismus schweigen

von Philip Manow

Verlag: Suhrkamp
Format: Taschenbuch
Genre: Politikwissenschaft/Politik, Wirtschaft
Umfang: 160 Seiten
Erscheinungsdatum: 12.11.2018
Preis: € 16,50

Rezension aus FALTER 48/2018

Der Aufstand der noch nicht Abgehängten

Der Politologe Philip Manow enthüllt in einer überraschenden Studie die ökonomischen Ursachen für den Erfolg der Populisten

Mit kühler Empirie schaltet sich der deutsche Politikwissenschaftler Philip Manow in die Kontroverse über das Wesen des politischen Populismus ein. Philosophinnen wie Chantal Mouffe sind in ihrem demokratietheoretischen Ansatz spekulativ, Jan-Werner Müllers These über den moralischen Alleinvertretungsanspruch der Populisten bleibt vage.

Manow lässt die vertrauten Argumente über den irrationalen Aufstand der Wutbürger gegen die Eliten beiseite und versucht anhand von Statistiken die ökonomischen Ursachen des Wahlverhaltens zu erklären. Explizit wendet sich der Autor gegen die Annahme, wonach der Populismus eine leere Form sei, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden kann, wenn nur der Zornpegel stimmt. Manow interpretiert den Populismus als verständlichen Protest gegen die Globalisierung, und zwar gegen zwei ihrer hauptsächlichen Erscheinungsformen: den internationalen Handel und die Migration, also der grenzüberschreitende Bewegung von Geld und Gütern einerseits und Personen anderseits.

Nichts zu gewinnen

Der Autor entwirft eine politische Geografie Europas, die im Süden den linkspopulistischen Widerstand gegen Austerität und Neoliberalismus, im Norden die Angst vor der Zuwanderung verzeichnet. Die Wähler der Populisten setzten sich nicht aus Modernisierungsverlierern zusammen, sondern aus jenen, die etwas zu verlieren haben. Die Alternative für Deutschland (AfD) ist gerade im prosperierenden Süddeutschland erfolgreich. Manow erklärt diesen vermeintlichen Widerspruch damit, dass in Deutschland der Wohlfahrtsstaat besonders zugänglich sei. Wer hier nach 20 Jahren die Arbeit verliert, steht am Arbeitsamt neben dem Flüchtling, der gerade ins Land gekommen ist und dieselbe staatliche Unterstützungen bekommt. Die Populisten stechen in diese Wunde.

In Süditalien hingegen sind Migranten kein Thema. Hier steht der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt und damit zu sozialer Absicherung ohnehin nur Inländern offen. Die Zuwanderer schuften auf den Feldern wie Sklaven. In Süditalien wird daher nicht die offene Grenze, sondern die Sparpolitik als Bedrohung empfunden. Wenn der Staat Beamte entlässt und Pensionen kürzt, bricht die Nachfrage auf dem heimischen Markt ein. Der Protest der neuen Regierung Italiens gegen die Sparzwänge der EU wird so verständlicher. Manows Kriterien auf Österreich angewandt: Mit dem Ausschluss der Migranten von Sozialleistungen kompensieren die Türkis-Blauen jene Verluste, die sie mit einer wirtschaftsliberalen Agenda selbst produzieren.

Verluste der Europäisierung

Die Analyse endet mit einem düsteren Ausblick auf die nächsten EU-Wahlen. Der Urnengang wird gemeinhin als marginales Ereignis, als Nebeneffekt innenpolitischer Konflikte gewertet. Manow hingegen nimmt Brüssel ernst und wertet die Wahlen als Möglichkeit, gegen die Prinzipien der EU zu protestieren, die von vielen als Bedrohung empfunden werden. Der freie Verkehr von Gütern, Kapital, Dienstleitungen und Personen sei ein Diktat mit teilweise verheerenden Folgen. „Globalisierung findet als Europäisierung eine ihrer intensivsten Ausprägungen“, schreibt Manow.

In der EU spitzt sich das Drama des Populismus zu und strahlt in die Länder zurück. Während die Regierenden das Mantra der Integration predigen, füllen sich die unteren Ränge mit Europaskeptikern. Die Nachfrage nach populistischem Protest bleibt groß. Mit Manows politischer Ökonomie verliert er seinen moralischen Appeal. Wer über Populismus redet, darf nicht länger über Kapitalismus schweigen.

Matthias Dusini in FALTER 48/2018 vom 30.11.2018 (S. 22)

Posted by Wilfried Allé Saturday, December 8, 2018 1:21:00 PM Categories: Politikwissenschaft/Politik Wirtschaft
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