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Coronavirus-Krise erfordert EU-Konjunkturpaket 

Franz Nauschnigg[1]

Coronavirus-Krise erfordert EU-Konjunkturpaket

Die EU benötigt ein gemeinsames EU/Euro­raum Konjunktur­paket, da Einzel­staat­liche un­koordi­nierte Maß­nahmen nicht aus­reichen werden, um die durch das Corona­virus aus­ge­löste Wirt­schafts­krise zu be­wäl­tigen. Wenn es nicht ge­lingt jetzt rasch stabi­li­sierende und ex­pan­sive Maß­nahmen zu setzen, kann die Re­zes­sion durch Hys­te­rese Effekte wie z.B. star­ker An­stieg der Arbeits­losig­keit, Firmen­zu­sammen­brüche, dauernde Schäden hinter­lassen. Auch könnte die Wirt­schaft in eine Li­quidi­täts­falle stür­zen, die Wachs­tum und Be­schäfti­gung ein­brechen lässt.

Die Akteure auf EU-Ebene haben bisher in der Corona­virus-Krise eine sehr unter­schied­liche Per­for­mance hin­ge­legt:

Die Supranationalen haben relativ gut agiert –

Eurosystem Liquidi­täts­ver­sorgung ge­sichert, An­leihen Käufe aus­ge­weitet, ein Fehler von EZB Prä­si­dentin Lagarde, als sie nicht ent­schieden genug da­rauf hin­wies, dass ein eine Frag­men­tierung der Staats­anleihe­nmärkte durch hohe Spreads die Durch­führung der ge­mein­samen Geld­po­li­tik ge­fährdet, was zu einem Spread An­stieg führte, wurde rasch kor­ri­giert. Durch ein großes Maß­nahmen­paket, Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) von 750 Mrd. Euro wurden die Spreads wie­der ge­senkt und die Bör­sen vor­erst stabi­li­siert.

EU-Kommission setzte die EU-Defizit- und Schul­den­rege­lungen außer Kraft, be­kämpfte die Grenz­schließungen die für die Virus­be­kämpfung wenig bringen und teil­weise sogar kontra­pro­duktiv sind, z.B. deut­sche Export­be­schränkungen für medi­zi­ni­sche Aus­rüstung. Mo­bi­li­sierte etwa 37 Mil­li­arden Euro aus den EU-Struk­tur­fonds. Wirt­schaft­lich ist wich­tig das der Binnen­markt nicht durch Grenz­ab­schot­tungen zer­stört wird, da dies EU-Wert­schöpfungs­ketten zer­stören und die wirt­schaft­lichen Schä­den in die Höhe trei­ben würde. Die Kom­mis­sion sollte auch den Fehler der Ver­gangen­heit, als sie sehr häufig Ein­spa­rungen und Pri­va­ti­sierungen im Gesund­heits­sys­tem for­derte, in Zu­kunft kor­ri­gieren. Ein effi­zi­entes öffentl­iches Ge­sund­heits­sys­tem ist ein wich­tiges Asset der meis­ten EU-Län­der. In den USA ist das Groß­teils pri­vate System wesent­lich weniger ef­fi­zient und viel teurer als die öffent­lichen Sys­teme in der EU.

Dies gilt leider nicht für die Nationalen Akteure auf EU-Ebene –

Die Staats- und Regierungs­chefs konnten sich nicht auf eine ge­mein­same wirt­schaft­liche Ant­wort auf die Krise ei­ni­gen. Un­ab­ge­stimmte Grenz­schließungs- und andere Maß­nahmen er­schwer­ten die Zu­sammen­ar­beit in der EU. Bei den Finanz­mi­nis­tern konnte keine Eini­gung auf den Ein­satz des Euro­päischen Sta­bi­li­täts­mecha­nismus (ESM) für die Krisen­be­kämpfung er­zielt werden. Von weiter­gehen­den Maß­nahmen, wie ge­mein­same Fi­nan­zierung der Kri­sen­be­kämpfung, Euro­bills, Euro­bonds, Er­höhung EU-Katas­trophen Budget­mittel, ganz zu schweigen. Dies ob­wohl es eine Krise ist, die nicht nur Ein­zelne, son­dern mittel­fristig wahr­schein­lich alle EU-Län­der stark be­treffen wird – ein sym­me­tri­scher Schock. Das Europa der Vater­länder hat sich bis­her in der Krise leider als nicht sehr effek­tiv und hand­lungs­fähig er­wiesen.

Maßnahmen für ein Corona­virus-Krise EU-Kon­junk­tur­pro­gramm

Geldpolitik

Die Geld­politik kann diese Krise nicht allein be­heben. Sie be­nötigt zu­sätz­lich eine starke fis­ka­lische Ant­wort, idealer­weise auf euro­päischer Ebene. Die Geld­poli­tik könnte aller­dings zu­sätz­liche Maß­nahmen setzen. Dies ins­be­sondere um die Finan­zierung der Budget­defi­zite auch für wirt­schaft­lich schwä­chere Mit­glieds­taaten, ohne hohe Zins­auf­schläge zu er­mög­lichen. Für diese wer­den ja ab jetzt nicht die EU-Defi­zit­regeln, son­dern die Risiko­prämien und Ratings die Rahmen­be­din­gungen für die Fis­kal­poli­tik fest­legen. Wenn ein Land das Defi­zit nicht fi­nan­zieren kann, hilft es nichts, wenn die EU-Kom­mis­sion bei den Defizit­regeln groß­zügig ist.

Wieder­aufnahme des Securities Market Programms (SMP). Dieser An­kauf von Staats­an­leihen der Euro­raum-Krisen­länder von 2010 – 2012 war sehr er­folg­reich. Die Spreads wur­den ge­dämpft und das Euro­sys­tem er­ziel­te bis 2016 einen Gewinn von über 60 Mrd. Euro, wie ich in einem Ar­tikel im deut­schen Wirt­schafts­dienst, Zeit­schrift für Wirt­schafts­po­li­tik, Heft 6, Juni 2018, zeigte. Mittler­weile dürf­ten die Ge­winne schon die Größen­ord­nung von 100 Mrd. Euro er­reicht haben.

Zusätzlich könnten auf den Börsen SMP-Fonds auf­ge­legt wer­den, welche das SMP Pro­gramm nach­bilden. Wären Bench­mark Fonds (smart Beta) welche nied­rige Kosten haben, und ge­rade in Län­dern wie Öster­reich und Deutsch­land noch Zins­er­träge er­mög­lichen. Ich habe in meinem Ar­tikel so etwas vor­ge­schla­gen und bin in Ge­sprächen mit der Wiener Börse dazu.

Euroraum Staats­an­leihen nicht Rating unter­werfen. Es darf nicht sein, dass US-Rating­agen­turen über die Zu­las­sung von Staats­an­leihen der Euro­län­der zur Re­fi­nan­zierung beim Euro­system ent­scheiden. Die Staats­an­leihen jedes Euro­landes, so­lange es die EU-Fis­kal­regeln er­füllt, sollten re­fi­nan­zierungs­fähig sein. 

Fiskalpolitik

Sicherung der Finan­zierung der Krisen­be­kämpfung, pri­mär fi­nan­zielle Siche­rung der Ge­sund­heits­sys­teme und ihre Aus­stat­tung mit allen not­wen­digen Gü­tern, sowie natio­nale wirt­schaft­liche Krisen­be­kämpfungs­pakete auch für schwä­chere Mit­glieds­taaten.

Einsatz des Euro­päischen Stabi­­litäts­me­chanismus (ESM) (500 Mrd. Euro, teil­weise schon ver­geben, 410 Mrd. Euro noch frei) für die Krisen­be­kämpfung durch Schaf­fung einer Ka­tas­trophen Kredit­linie in der Höhe von 200 Mrd. Euro. Mittel­ver­gabe sollte ohne Kondi­tiona­li­tät er­folgen.

Erhöhung der EU-Katastrophen Budget­mittel

SMP Gewinne für Euroraum Budget. Größen­ordnung etwa 100 Mrd. Euro, Er­höhung durch zu­künf­tige Ge­winne, wenn Euro­system SMP wie­der ein­führt. Damit sollten wie beim SMP An­leihen von Euro­län­dern mit höheren Risiko­auf­schlägen an­ge­kauft werden. Zu­sätz­lich könnten auch Credit Default Swaps (CDS) für diese Staaten auf den Märk­ten ver­kauft wer­den um ihr Risiko­prämien zu senken und so ihre Fi­nan­zierung zu er­leich­tern. Ge­winne ver­blei­ben in diesem Budget Sonder­topf der so wächst.

Erarbeiten von Maß­nahmen zur gemein­samen Finan­zierung der Krisen­be­kämpfung - Krisen-Gemein­schafts­bills oder -an­leihen. Ich plä­diere hier für Eurobills (kurz­fris­tige Fi­nan­zierung, durch Bills mit maxi­maler Lauf­zeit 2 Jahre). Wir haben in der Euro­pä­ischen Liga für Wirt­schaft­liche Zu­sammen­ar­beit (ELEC) da­zu einen kon­kreten Vor­schlag aus­ge­arbei­tet, der auf EU-Ebene durch­aus po­si­tive Re­so­nanz fand.  Euro­bills sind den länger­fris­tigen Euro­bonds ge­rade für Krisen­zeiten über­legen, da es ja um kurz­fris­tige Fi­nan­zie­rung geht und Län­der da sie ja nur kurz­fris­tig fi­nan­ziert sind, einen An­reiz haben sich ko­opera­tiv zu ver­halten (moral hazard ist geringer).

Nationale wirt­schaft­liche Krisen­be­kämpfungs­pakete primär finan­zielle Siche­rung der Gesund­heits­sys­teme und ihre Aus­stat­tung mit allen not­wen­digen Gütern. Wir­ken der auto­ma­tischen Stabilisatoren zulassen. Diskretionäre Maßnahmen wie vor allem Kurz­arbeiter­gelder, Liquiditätshilfen, direkte Stützungszahlungen an die vielen kleinen Ge­werbe­trei­benden, Ein­zel­­unter­­nehmer und Frei­­be­ruf­ler.

Zuletzt Liquiditäts- und Solvenz Siche­rung bei großen, auch inter­na­tional auf­ge­stellten Unter­nehmen. Deutsch­land plant hier einen Rettungs­fonds mit einem Volumen von rund 500 Mil­li­arden Euro. Dieser soll Unter­nehmen vor der Pleite ret­ten, in­dem er Garan­tien für ihre Ver­bind­lich­keiten ge­währt und Ka­pi­tal zu­schießt, Für Öster­reich würde das eine Größen­ord­nung von 50 Mrd. Euro be­deuten, bis­heriges Paket be­trägt 38 Mrd. Euro. Es darf aller­dings nicht so lau­fen wie bei der Banken­rettung vor 10 Jahren das die Ver­luste ver­staat­licht und die Ge­winne pri­vati­siert wer­den und die Ma­na­ger bald wieder Millionen­gagen er­halten. In Öster­reich hatten wir hier ein sehr gutes Model um stra­te­gisch wichtige Unter­nehmen zu retten. Die Gesell­schaft des Bundes für In­dus­trie­be­teiligungen (GBI), auch Pleite­holding ge­nannt, über­nahm stra­te­gisch wich­tige Pleite­fir­men und sa­nierte sie. Ich war in den !990er Jahren im Auf­sichts­rat der GBI und wir konnten alle über­nommenen Pleite­firmen sa­nieren und damit ohne Kosten für den Staat tausende Arbeits­plätze retten. Unter Schwarz/Blau wurden dann die Firmen lei­der billig an gut ver­netzte Unter­nehmer ver­kauft, die sie teil­weise mit hohem Ge­winn an Chinesen, weiter­ver­kauften. Wir sollten daher wieder eine Art GBI grün­den die zu­sätz­lich aber die Möglich­keit von Kapital­be­teili­gungen schon vor einer Pleite be­sitzen sollte – Ret­tung von Unter­nehmen und Arbeits­plätzen, nicht von Unter­nehmens­eigen­tümern.

Sparsamer Einsatz der Budge­tmittel auf natio­naler und EU-Ebene. Es darf nicht sein das Rettungs­gelder über­wiegend in jene Unter­nehmen fließen, die sich durch eigene Schuld selbst ge­schwächt haben. Wenn hohe Gewinn­ent­nahmen, Divi­den­den, in den letzten 3 Jahren mehr als 50 % des Gewinns, bzw. alle Aktien­rück­käufe, Manager­ge­häl­ter über 500.000 Euro im Jahr, sind staat­liche Rettungs­gelder ent­sprechend zu kürzen. 

Die Administration der Rettungs­gelder sollte nicht der Inter­essens­ver­tretung der Unter­nehmen über­tragen werden, da diese vor allem die Inter­essen ihrer Mit­glieder nach mög­lichst hohen Zahlungen ver­treten muss, was die Steuer­zahler sehr teuer kommen könnte.

In Österreich sollte dies, aber auch die unter der Türkis/Blauen Re­gierung vor­ge­nommene Ge­sund­heits­re­form über­dacht werden. Diese kürzte die Mittel für das öffent­liche Ge­sund­heits­sys­tem, gab den pri­va­ten An­bietern mehr Geld, was das Ge­sund­heits­sys­tem in Rich­tung auf das nicht sehr effek­tive US-Sys­tem zu be­weg­te. Die Arbeit­nehmer zahlen durch Lohn­neben­kos­ten öko­no­misch ihr Sys­tem, aber die Ar­beit­geber be­stim­men, ob­wohl sie selbst ein eigenes Sys­tem be­sitzen. Die 1 Mrd. Euro Ein­spa­rungen durch die Re­form werden wohl nur noch von Kurz und Strache ge­glaubt.
 


Franz Nauschnigg[1] War Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank, Internationale Abteilung und wirtschaftspolitischer Berater der Finanzminister Staribacher, Klima, Edlinger. In den 1980er Jahren im Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium.

Posted by Wilfried Allé Tuesday, March 24, 2020 5:50:00 PM
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